Alpträumchen

Du schreibst Gedichte? Laß sie nicht in einer Schublade verschimmeln! Menschenbeifall wirst Du hier finden, aber auch Kritik und Rat.
Silentium
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Alpträumchen

Beitragvon Silentium » 16.08.2004, 14:08

Alpträumchen

Pupillen weiten sich, der Geist ist nicht verwirrt-
doch sonderbar verklärt. Du siehst dort deine Hände,
sie streifen fahlen Tang. Ein Fink bemalt die Wände
und rote Federn falln- bis sich dein Aug verliert.

So heb die Hand zum Gruß! Die blasse, zitternd Hand…
Ein toter Maulwurf flieht, du folgst der falschen Fährte.
Vergiss das Wolkental, das dich das Fliegen lehrte-
es fehlt die Kraft dazu. Du starrst betäubt zur Wand.

Dort tanzen weiße Mäuse, ein schwarzer Habicht hier,
dein roter Fink verfliegt, umtanzt dich als Getier.
Die Nebelschwaden beißen, zerreißen dir die Haut.

In einem dunklen Saal… ist dir noch immer kalt?
du frierst und zitterst doch…die Welt wird bröckelnd alt,
du Träumer wachst bald auf. Du hast die Zeit geschaut.
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
- Ursula Vernon

[) i r k
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Re: Alpträumchen

Beitragvon [) i r k » 30.08.2004, 04:30

Ein Sonett. Weißt du, Silentium, warum ich das gut finde? Weil du dich mit diesem Gedicht an einer anderen Form probierst und endlich mal wegkommst von Kreuzreimstrophen und Versen in vierhebigen Jamben. Du solltest häufiger solche Experimente wagen und dich auch hin und wieder an freieren Formen delektieren. Diese Abwechslung wird nicht nur deinen handwerklichen Fähigkeiten zugute kommen, sondern auch dem Coleur und den Möglichkeiten deiner Sprache. Denn, daran besteht kein Zweifel, die Form prägt die Sprachgewohnheiten ... die Syntax, die Grammatik ... und nicht zuletzt auch die Bilder.

Inhaltlich ist mir dieses Gedicht zu abstrakt. Zu viele Bilder, deren Zusammenhang sich mir nicht erschließt, zu viele und zu grelle Adjektive in der immergleichen Parallelkonstruktionen ("fahlen Tang -- rote Federn -- blasse Hand -- toter Maulwurf -- falschen Fährte -- weiße Mäuse" usw.), zuviele Brüche ... ich meine mich zu erinnern, dass du selbst darüber - etwas entschuldigend - sagtest, es wäre etwas verworren. Ja, das ist es. Du kennst also die Schwäche deines Gedichtes selbst recht genau.

Wahrscheinlich erzählst du in diesem Gedicht sogar eine Geschichte, die sich mir (nachts um drei) nicht mehr erschließt. Aber weißt du, wie dieses Gedicht auf mich wirkt? So als würdest du starre, ausgestopfte Gegenstände in einem Raum arrangieren. Das ist mein Eindruck. Dieses Gedicht ist überladen mit Dingen. Eine erdrückende, tote Fülle von Dingen. -- Das widerspricht den Verben, die Bewegung suggerieren. Aber die Reihung der Substantive scheint - irgendwie - die Wirkungsentfaltung der Handlung zu unterminieren. Ich kann es nicht recht erklären.

Aber, ich denke, längere Gedankenketten, stärker aufeinander aufbauende Bilder, mehr "Hohlräume" in den Bildern, die der Phantasie des Lesers etwas Raum zur Ergänzung lassen, und ein paar eingestreute, Abwechslung bringende sprachliche Freizügkeiten (Enjambement, Inversionen, Parenthesen u.Ä.) würden dem Stil dieses Gedichtes gut tun. Ich habe den Eindruck, was bei Hieranonuemus zuviel des Guten ist, ist bei dir definitiv zu wenig. Erlaub dir ein paar Ausnahmen und Freiheiten - spiel herum, sei etwas experementierfreudiger, knöpf das Korsett der Form etwas auf, wenn es dir zu eng wird, und vor allem: betrachte es nicht als ein starres Gefäß. Jede Form (auch das Sonett) ist etwas einzigartiges und hat etwas charakteristisches, was der Dichter/ die Dichterin ergründen muss, wie überhaupt alles an der Sprache lebendig und organisch ist - wie es keine Grammatik und keine Verslehre zu erfassen vermag.
Scheiße, ich doziere! :damn:

MfG,
[) i r k
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Silentium
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Re: Alpträumchen

Beitragvon Silentium » 30.08.2004, 20:17

Dozierst aber gut.
Die Komplette Gedichtentschuldigung war übrigens: "Ist ziemlich verworren, weil's sich aus Bruchstücken eines relativ bescheuerten Alptraums zusammensetzt und das ganze eher eine Übung zur Form war."
Du hast recht, ich hab mich irgendwie auf meine dreistrophenvierhebungenkreuzreim-Form eingefahren. Nicht gut, nicht gut. Werd was anderes probieren.

Das mit den Adjektiven... 8-o
Ähm, ich leugne jede Urheberschaft! Das- hust- hat mir wer untergeschoben! Was soll das überhaupt sein, ein Adjektiv?
Shit!
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Re: Alpträumchen

Beitragvon Spiderman » 04.09.2004, 12:59

Silentium, hör auf Dirk! Er hat die Probleme mit dem Gedicht gut erkannt. ich könnte das alles noch mal wiederkäuen, lasse es aber.
Die nette Lyrik-Spinne von nebenan!

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Re: Alpträumchen

Beitragvon Silentium » 04.09.2004, 14:58

Silentium, hör auf Dirk!


Tu ich ja eh... sollte ich eines Tages beschließen, nicht mehr auf ihn zu hören, würde ich mich selbst einer der wenigen mir verbliebenen ernst zu nehmenden Authoritäten berauben, was ich ja auch nicht will. :-D
(Der grinse-smilie soll jetzt nur darüber hinwegtäuschen, dass ich das ernst meine, damit der Kerl nicht größenwahnsinniger wird als ohnehin schon)


Allerdings glaub ich, das Ding hier ist nicht mehr zu retten, weil's ohnehin eher eine Übung zur Form war. Aber dafür schwöre ich, dass ich versuchen werde, mir den gelbsuchtvortrag bezügl. roten Faden und Form usw. zu Herzen zu nehmen.
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