Schranzenballade

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gelbsucht
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Schranzenballade

Beitragvon gelbsucht » 16.08.2004, 14:24

Der Speichellecker

Nie werde ich vergessen,
Erschüttert und besessen,
Die Kraft in den Gebeten
Des Hinterhofpoeten,
Euch aber muss genügen
Die Süße seiner Lügen.
Er zieht herum durch Gassen
Und um die Blocks, verlassen
Von Menschheit und Begehren,
Sich redlich zu bewähren,
Es ist ein altes Fieber,
Doch dieses ist ihm lieber
Als die Identität,
In die man schnell gerät.
Er ist ein Parasit
Mit Hang zum Suizid,
Sonst unbekümmert nur,
Von Reue keine Spur,
Und selten wird es besser
Mit dieser Art von Fresser,
Man sollte sie als Föten
Doch kurz entschlossen töten,
Des Lebens Keim zerstören,
Bevor sie uns beschwören:

    «Seht, hier ist euer Sohn
    Und hier ist auch sein Hohn:
    Ich liebe euch für immer!
    Doch steht es um uns schlimmer,
    Als ihr es wohl erahnt,
    Wenn ihr mich dauernd mahnt
    An die verdammte Pflicht,
    Die mir von Zwängen spricht.
    Wir sind ein Fleisch und Blut
    Und doch ist diese Brut
    Von einer andren Art,
    Verloren und vernarrt
    In schwankende Choräle;
    Ein Knabe mit der Seele
    Von einem kauzen Greise,
    Geliebt und doch ein Waise;
    Ein Kuckucksei, ein Pfand;
    Dem Steppenwolf verwandt;
    Einsamer Wanderer,
    Ich - das ist ein anderer.
    Verhasst ist mir die Drohne,
    Verhasst ein Dasein ohne
    Bestimmung, ohne Ziel,
    Beug ich mich diesem Spiel,
    Gewöhne mich, ertrage,
    Dann ähneln sich die Tage
    Und schwinden mir die Jahre
    Bis über eine Bahre
    Ich in ein kühles Grab
    Mein Weg gefunden hab.
    Lieber zugrunde gehen,
    Als dem ins Auge sehen!
    Ja, euren Kampf ums Leben,
    Den hab ich aufgegeben
    Zugunsten weiter Räume,
    Dem kühnsten aller Träume
    Und reichen nicht die Sterne,
    Dass irgend in der Ferne
    Auch jedem einer blinkt
    Und ihm zum Glücke winkt?
    Die Stimme tief im Innern
    Soll mich an das erinnern,
    Was ich will, was ich bin,
    Ich hab mein eignen Sinn
    Doch nur das eine Leben,
    Das werd ich nicht vergeben!»
Und die Moral des Gedichts?
Oh weh dem Taugenichts!
Ihm ist die blöde Dichtung,
Die einzige Verpflichtung,
Er zehrt vom vagen Dunst
Der brotlosesten Kunst,
Und kämpft sich aus dem Nebel
Mit einem stumpfen Hebel,
Sein Schrei dringt ihm voraus
Verliert sich im Gesaus.
Und Hunger in den Därmen
Vermindert nicht sein Schwärmen,
Im Wandel seiner Launen
Bleibt einzig dieses Staunen,
Er schaut hinab zum Grunde
Und wartet auf die Stunde,
Wenn sie sich schließlich rächen
Die angeblichen Schwächen.
Das ist recht überheblich,
Doch besser als vergeblich
Sich jeden Tag zu plagen,
Sein Schicksal zu ertragen,
Um ein weiteres Stück
Vom unendlichen Glück
Und allgemeinen Ziel
– Man hat ja nie zuviel! –
Ganz für sich zu ergattern
Und, wie gereizte Nattern,
In Sicherheit es bringen,
In einem zu verschlingen
Und schnell hineinzugieren,
Statt wieder zu verlieren.
Wie jene werten Bürger
Und angesehnen Würger
Die nützlich sich erweisen
Und die genüsslich speisen
Und ihren Körper mästen
Von einem Berg aus Resten.
Sie kriegen einen Bauch
Und ihre Frauen auch,
Wenn keuchend es im Schatten
Gelingt sie zu begatten,
Sie nicken später ein
Im fahlen Fernsehschein
Und wälzen sich und schnarchen,
Wie kränkelnde Monarchen.
Sie tun, was andre wollen
Und treiben ihren Stollen
Hinab zum See aus Feuer
Und Dero Ungeheuer.
Doch ihnen hinterher
Hallt einer Stimme Wehr:

    «Ich werde eure Fratzen
    Jetzt gleich herunterkratzen
    Mit meinen Fingernägeln
    Und wider alle Regeln
    In Nachwirkung der Schrecken
    Die Finger sauberlecken,
    Um schließlich aufzuschauen
    Zu euch und in das Grauen
    Gesichtloser Gesichter
    Und matter Augenlichter,
    Wie in geraumer Ferne
    Die ausgelöschten Sterne
    Zu trägen Klumpen stauchen,
    In schwarze Kälte tauchen.
    Ich sehe eure Beulen,
    Ich höre euer Heulen,
    Das süße Selbstmitleid,
    Den Unterton von Neid.
    Ihr seid wie fette Maden,
    Die in Erbrochnem baden
    Und sich durch Brocken bohren,
    Die in der Sonne goren,
    Und ihr versickert alle
    In eurer Gier und Galle.
    Ihr meint das sei obszön?
    Ich fänd' es treffend schön,
    Wär's nicht nur Schmeichelei,
    Ein blasses Konterfei
    Im Anhang der banalen
    Kapitel der Annalen.»
Da hören sie ihn lachen,
Sich lärmend lustig machen,
Doch nicht lang und es speit
Sein Auge Traurigkeit,
Die in ihm kratzt und singt,
Durch seinen Körper dringt
Bis in den Nerv zum Sehen:

    «Ich muss euch eins gestehen:
    Ich weiß nicht, was passiert,
    Vermute es grassiert
    Ein Gift in meinem Blut,
    Ein Virus namens Wut,
    Mein Herz ist ihm ein Nest
    Aus dem er Feuer presst
    Und aufgestauten Eiter,
    Denn in dem Schmerz gedeiht er,
    Und düster ist mein Geist,
    Ich will, wie er verheißt,
    Nie euer Sein ertragen,
    Genießen zu versagen,
    Genießen und erleiden,
    Statt beides unterscheiden.
    Ich kann es nicht erklären:
    Ich liebe die konträren
    Ideen und die Millionen
    Von Irritationen,
    Die Phantasmagorien
    Und meinen lieben Spleen.
    Sie ... sie sind meine Drogen,
    In ihren warmen Wogen
    Aus seltsamen Gefühlen,
    Die meinen Geist umspülen
    Sind Wut und aller Zorn
    Und alle Angst verlor’n.
    Und eine Woge nahm
    Mir selbst die größte Scham,
    Da sah ich, was ich bin:
    Ein Wesen das mithin
    Entschlossen ist zu leben
    Und doch nichts zu erstreben,
    Als würdevoll verkommen
    Von Luft und Licht benommen
    Das Schöne zu verschandeln,
    Den Nutzen abzuwandeln,
    Den Wert zu ruinieren.
    Auf all das urinieren
    Und den Konsum beschränken
    Und lernen, selbst zu denken.»
Am Anfang war das Wort,
Das Wort und ein Akkord,
Gefolgt von einem Reigen,
Am Ende ist nur Schweigen,
Das alles in sich kehrt,
Doch einen Schrei begehrt.
Es lässt sich vieles heilen,
Gefasst in ein paar Zeilen
Zu jambischen Gesängen,
Zu Rhythmen und zu Klängen,
Und pochenden Gedichten,
Die dort auf Form verzichten,
Wo flüchtig ein Moment
Die Wahrheit schwelend brennt,
Wo den spontanen Keim
Vernichten Maß und Reim.
Es sieht, wie er entsteht,
Es sieht, wie er vergeht,
Wenngleich er’s nicht versteht,
Der Hinterhofpoet;
So wandelt sich sein Blick
Durch die Metaphysik
Der kleinen und der großen
Moment-Metamorphosen,
Von einem noch entzückt,
Im nächsten schon entrückt,
Dass ihm das Aug erstarrt
Und irgendwo verharrt,
Wo Stille es umfängt,
Von Dunkelheit bedrängt.
Die Leser sind verstört,
Die Kritiker empört
(Was seinen Sinn betört,
Ist ihnen unerhört):
«Verstopft euch fest die Ohren,
Eh ihren Weg sich bohren
Die zweideutigen Worte,
Um dann an jenem Orte,
Wo’s feucht und dunkel ist,
Die Zelle Zucker frisst
Und des Organes Rinden
Sich weich und schwammig winden,
Gewebe zu zerstören
Und Unheil zu beschwören;
Und stopft ihm seinen Schlund,
Den Honigzungenmund,
Der Ekel uns erweckt,
Obwohl es süßlich schmeckt –
Er tut ihn auf und spricht,
Doch glaubt dem Schmeichler nicht!
Zurück mit ihm ins Loch
Aus welchem er entkroch,
Und war es ein Versehen,
Nicht zweimal soll’s geschehen!»
Derart ist ihre Rede,
Von Hass erfüllt die Fehde,
Doch wenn sie auf ihn spucken,
Wird er es lächelnd schlucken.
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

Silentium
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Re: Schranzenballade

Beitragvon Silentium » 16.08.2004, 15:51

Die Phantasmagorien
Und meinen lieben Spleen.


Wenn das nicht einer der ungewöhnlichsten Reime der Reimgeschichte ist, fress ich eine Meersau!

Aber irgendwie... vorgelesen hat's mir noch besser gefallen, Herr Beck.
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
- Ursula Vernon

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Re: Schranzenballade

Beitragvon Edekire » 17.08.2004, 18:27

ihc kann dich lesen hören, kann ich! :-))

deshalb kann cih gar nciht sagen was die Stille da sagt. Ich höre deine Stimme dabei. :-)
ich wünschte ich hätte musik, doch ich habe nur worte
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Re: Schranzenballade

Beitragvon razorback » 17.08.2004, 18:47

Ich auch. :-)
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talullah
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Re: Schranzenballade

Beitragvon talullah » 17.08.2004, 20:08

Hallo Dirk...das bist du doch, wenn ich mich auf die bisher flüchtig gesammelten Indikatoren hinsichtlich einiger Doppel-ID's in diesem Forum verlassen kann?!
Korrigiere mich bitte jemand, falls ich falsch liege!

1. Willkommen zurück, wo auch immer das ist, von eurem DLC-back to the roots-Trip.

2.Sch****! Ich mußte den ganzen Kram hier noch mal schreiben, da mir wundersamerweise nach Erstellen einer Vorschau alles abhanden gekommen war. Was ich jetzt mal nicht als Omen deuten werde, es mir aus politischen Gründen zu knicken...neee, mach ich nicht, denn für beide Seiten gilt wohl: Was stört's den Mond, wenn ihn der Hund anbellt!!

3.Wann hast du denn das Ding verfaßt 8-o und was viel wichtiger ist: Was ist das???? :-|

In ungeniert langatmiger Form gibst du dich hier dem Ausagieren irgendeines Brasses hin, auf jene, die du "Speichelecker" nennst. Wahrscheinlich den Speichel deines bzw. eurer lyrisch anmutigen brabbelden Münder, die anscheinend überwiegend von notwendig zeitgeistigem und postmodernem Stilcharme geprägt sind(wer auch immer in diesen erlesenen Poetenkreis gehören mag, von dem du in deinem Gedicht des öfteren in 2. und 3.Pers.Plural sprichst, und die du entweder vor den geistigen Ergüssen irgendwelcher "Hinterhofpoeten" warnen/schützen mußt oder die du aufforderst quasi mit dir das Schwert gegen eben solche zu führen).

Da hier die angespitztenZaunpfähle im Sinne guter und schlechter Lyrik vor ziemlich subjektivem, und ich hoffe wenigsten teilweise bei Einzelnen objektivem, Hintergrund massenweise und tief fliegen, sind die Adressaten wohl klar....dein gedicht ist es mir nicht wirklich.
Du bedienst dich an Ausdrücken wie Taugenichtsen unter den Dichtern und überzeichnest ein Bild derer, die sich in stählernes Versmaß gehämmert, in ungelenkem Rhythmus und schwülen Reimen verlierend, dem Anspruch wahrer Poesie, ja schlimmer noch, mit "süßen Lügen" über ihren profanen Weltenschmerz, der deinen weltlichen und metaphysischen Horizont längst nicht mehr zu streifen vermag, deiner großgeistigen Gunst entziehen.

Sag mal: Arroganter/elitärer geht's wohl nicht?!
Wenn dieses Produkt größter Überheblichkeit, dessen inhaltliche Stärken, sind sie vorhanden, didaktisch oder besser gesagt konstant sinnweisend kaum transportiert werden, wenigstens nicht so frappierend mit zweierlei Maß messen würde vor dem Hintergrund manch eines in diesem Forum veröffentlichten Gedichts, könnte ich den schon erwähnten subjektiven Grundtenor glatt noch stehen lassen. Aber du urteilst ab, ächtest, und bist auch noch vermessen genug anzunehmen die Botschaft, die du in teilweise menschenverachtene Formulierungen packst[1.Abs. ab zeile 15, der Kram mit Parasiten und Föten, den ich aus Mangel an Lust nicht zitieren werde!]sei eine weltbewegend wichtige.
Hmmm, ok! As you like to...
Ich werd mich, was deinen Nickname angeht mal nen' bisserl genauer in diesem Forum umsehen, mal sehen, welche Abgründe sich da noch auf tun.
Ich schließe still und leise
nun denn auf diese Weise:

Achte auf deine Gedanken, denn sie werden deine Worte.
Achte auf deine Worte, denn sie werden deine Handlungen.
Achte auf deine Handlungen, denn sie werden deine Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.

talullah
Of all the things I lost during my life, one I miss most is my mind!!

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Re: Schranzenballade

Beitragvon Flocke » 18.08.2004, 09:24

Hallo in die Runde.

@talullah

Nimm das ganze doch nicht so todernst, hm? Ist doch nicht mehr und nicht weniger als ein kleiner Seitenhieb auf all die Möchte-gern-Schreiber, die meinen, die Welt mit ihren Ergüssen beglücken zu müssen. Ich zähle mich selbst manchmal dazu, deswegen lese ich diesen Text mit einem kleinen Augenzwinkern.
Da muß man doch nicht gleich mit dem Talmud kontern, Gelb ist einfach ein Verfechter guter Schreiberei.

@gelb

Wenn das Augenzwinkern nicht angebracht ist, bitte ich schon mal um Verzeihung... :-))
Ich fand es echt gut, als ich es hörte, und jetzt kann man's auch alles mal nachlesen. Das hat schon was.

Lieber Gruß
Flocke
...Der den Wind kennt / besser als alle Bücher / den Baum / frag nach Wahrheit...

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Re: Schranzenballade

Beitragvon gelbsucht » 19.08.2004, 00:23

Hallo Talullah,

ich bin ja schon mal froh, dass sich überhaupt jemand auf den Inhalt dieses Gedichtes einlässt. Allerdings, ich fürchte, du bist dabei diesem Gedicht gründlich auf den Leim gegangen.

Ich werde mich hüten, jetzt zu sagen, was ich wie gemeint und intendiert habe. Nur so viel: dies ist kein programmatischer Text, zumindest nicht in dem Sinne, wie du ihn verstanden haben willst:
Da hier die angespitzten Zaunpfähle im Sinne guter und schlechter Lyrik

Du machst bei deiner Deutung einen einfachen Fehler: du schließt von der Meinung des lyrischen Ich (bzw. der Meinung des Erzählers) auf die Meinung des Autoren-Ichs. Aber die Figur des Hinterhofpoeten, um den das ganze Gedicht kreist, ist eine Fiktion. Es gibt sicherlich ein paar Konvergenzen zwischen mir und ihm, aber die gibt es immer.
In ungeniert langatmiger Form gibst du dich hier dem Ausagieren irgendeines Brasses hin, auf jene, die du "Speichelecker" nennst.

Das Gedicht heißt der Speichellecker und nicht: die Speichellecker.
... wer auch immer in diesen erlesenen Poetenkreis gehören mag, von dem du in deinem Gedicht des öfteren in 2. und 3.Pers.Plural sprichst, und die du entweder vor den geistigen Ergüssen irgendwelcher "Hinterhofpoeten" warnen/schützen mußt

Ich spreche von keinem "Poetenkreis", sondern nur von einer einzigen Figur. Um das Gedicht zu verstehen, ist es wichtig, erst einmal seinen inneren Aufbau zu verstehen: es gibt in diesem Gedicht einen Erzähler und ein monologisierendes LI, die sich abwechseln. Die zweite und dritte Person Plural deutet auf einen ganz anderen Antagonismus ... die entsprechenden "Gruppen" werden im Gedicht aber deutlich benannt:
Wie jene werten Bürger
Und angesehnen Würger

Die Leser sind verstört,
Die Kritiker empört

Da kann ich nur sagen: gründlicher lesen!
Sag mal: Arroganter/elitärer geht's wohl nicht?! [...] Aber du urteilst ab, ächtest, und bist auch noch vermessen genug anzunehmen die Botschaft, die du in teilweise menschenverachtene Formulierungen packst, sei eine weltbewegend wichtige.

Das wird dich jetzt vielleicht etwas verwundern, aber ich bin froh, dass der Text so auf dich wirkt. Das zeigt mir, dass die Provokation angekommt, dass die Wirkungsabsicht des Textes erfüllt wurde.
Wann hast du denn das Ding verfaßt

Ich schreibe an diesem Text schon verdammt lange. Die ersten Zeilen habe ich im Jahre 1998 des Herrn verfasst und an den letzten drei fehlenden bastle ich immer noch rum. :-(
Was ist das????

Formal: ein Gedicht. :-D
Inhaltlich: eine Farce. :-D :-p :-D

;-) gelbe grüße :-)
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Re: Schranzenballade

Beitragvon razorback » 19.08.2004, 00:42

Gelb, in einem Punkt möchte ich talullah verteidigen: Der Wechsel ist schwer zu verstehen, die Anführungszeichen übersieht man womöglich leicht. Ich habe den Vorteil, Deine Betonung und die Pausen noch im Ohr zu haben, aber das hat ein Leser ja üblicherweise nicht. Wäre es ein Problem für Dich, das Verständnis durch Kursivsatz, Einrückung o.Ä. zu erleichtern?

Ich habe dann noch eine Frage, die ich nicht als Kritik missverstanden wissen möchte: Warum so lang? Vor allem bezogen auf die Passagen des LI.

Die Länge ist nicht schlecht - mir jedenfalls wird es nicht Langweilig.

Was mir besonders gefällt ist, dass sich - so glaube ich - jeder (ich auch) irgendwo durch den (oder als der) Hinterhofpoet angesprochen fühlen kann. Du hast seine "Werke" so gestaltet, dass sie gleichsam universell sind, vermutlich funktioniert dadurch die Provokation auch so schön. Provokation zurückgegeben: War das Absicht? ;-) :-p

Ein paar Reime wirken ziemlich gewollt, besonders das schiefe Bild des "stumpfen Hebels" (was soll das denn sein) bleibt im Kopf. Ansonsten, wie gesagt:

:applaus:
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Re: Schranzenballade

Beitragvon talullah » 20.08.2004, 01:35

@gelb

ich bin froh, dass du mir geantwortet und mich aufgeklärt hast, obwohl die Aufklärung dann wahrscheinlich eher nach und nach bei mir Einzug halten wird. Nämlich dann, wenn ich mir dieses Gedicht noch mal in aller *hüstel Ausführlichkeit zu Gemüte geführt habe, was allerdings nicht mehr in dieser Nacht geschehen wird, denn ich bin eben erst von der Arbeit gekommen und zu kaputt, um entsprechende Missdeutungen gerade zu rücken.
Ich wußte, dass ich mich mit meiner impulsiven kritischen Reaktion auf einem schmalen Grat zwischen "voll ins Schwarze" und "voll daneben" bewegte, doch konnte ich nicht umhin, dem leisen Unmut, den ich beim Lesen empfand, Luft zu machen.Dass mich mein erster Eindruck dabei wohl auf die falsche Fährte lockte, mag mir verziehen werden, da der Effekt, wie du sagst, anscheinend dein Ansinnen und meine Motivation für diese Kritik vor diesem Hintergrund verständlich war.
Ich hoffe, dir genügt meine Stellungnahme zu diesem Zeitpunkt und so verbleibe ich denn mit dem Versprechen dieses Monumentalwerk (zumindest was den Zeitfaktor angeht, in dem es endstand und zur Vollendung gebracht wird)nochmal genauer zu lesen und...
trotz allem lieben Grüßen

talullah
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Re: Schranzenballade

Beitragvon Fitnat » 20.08.2004, 16:19

... wer auch immer in diesen erlesenen Poetenkreis gehören mag, von dem du in deinem Gedicht des öfteren in 2. und 3.Pers.Plural sprichst, und die du entweder vor den geistigen Ergüssen irgendwelcher "Hinterhofpoeten" warnen/schützen mußt


Ich spreche von keinem "Poetenkreis", sondern nur von einer einzigen Figur. Um das Gedicht zu verstehen, ist es wichtig, erst einmal seinen inneren Aufbau zu verstehen: es gibt in diesem Gedicht einen Erzähler und ein monologisierendes LI, die sich abwechseln. Die zweite und dritte Person Plural deutet auf einen ganz anderen Antagonismus ... die entsprechenden "Gruppen" werden im Gedicht aber deutlich benannt:


wer in einer gedicht ensthaft reale welt sucht er ist wie einer blinde der vor einer tor steht und nicht hinein sieht.
auch wenn dieses gedicht von einer realen figur handeln sollte, war er für dieses gedicht nur als model gestanden. so habe ich es verstanden.

Sag mal: Arroganter/elitärer geht's wohl nicht?! [...] Aber du urteilst ab, ächtest, und bist auch noch vermessen genug anzunehmen die Botschaft, die du in teilweise menschenverachtene Formulierungen packst, sei eine weltbewegend wichtige.



das thema und der wortauswahl ist auch so genial wie eine donner der die schafe in ihrem schlaf aufweckt. ich schreibe auch oft mit dieser ton und ich liebe es auch.

selam fitnat
Wenn ich mein Schatten auf dem Asphalt sehe,
denke ich, "Du Armer Poet, bist schon wieder auf dem Boden!"

F.A. "Tanz des Todes"

Silentium
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Re: Schranzenballade

Beitragvon Silentium » 23.08.2004, 01:30

Ich weiß ja net, aber mich hat das ganze recht an die römischen Hinterhofpoeten erinnert, von denen Catull (ziemlich entnervt) schreibt, dass die auf ihrer Suche nach reichen Gönnern so penetrant waren, dass man nicht mal auf dem Klo vor ihnen sicher war.
Insofern befindet sich gelb mit seinem gemoser in exquisiter gesellschaft... :-D
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- Ursula Vernon


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