Wandel und Launen

Du schreibst Gedichte? Laß sie nicht in einer Schublade verschimmeln! Menschenbeifall wirst Du hier finden, aber auch Kritik und Rat.
Flocke
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Wandel und Launen

Beitragvon Flocke » 27.08.2004, 15:35

O.k. hier ist noch was für euch zum Zerpflücken über's Wochenende. Es ist noch ziemlich neu, die Tinte ist gar noch nicht richtig trocken... ;-)
Bin mir nicht so sicher, ob's was taugt, aber es spiegelt meine momentane Gemütslage ziemlich gut. Bis Montag dann.


Metamorph

Noch blinzle ich ins Licht, die Augen
schärfen sich im Dämmer erst, doch
gestern schon brachen aufs neue
mir Stacheln durch die Haut.

Dein Streicheln übersät mein Kleid
mit roten Perlen, du
kannst davon nicht lassen, auch
wenn Handauflegen nicht mehr heilt.

Geduld ist, was mir fehlt und
mein Gewissen, was mich treibt
durch immer gleiche Fegefeuer, die
äschern alles ein. Am Schluss

bleibt nur ein Häufchen Narben
mir zum Schmuck und für den Weg
ein Aschenbrot.



©Flocke2004
...Der den Wind kennt / besser als alle Bücher / den Baum / frag nach Wahrheit...

razorback
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Re: Wandel und Launen

Beitragvon razorback » 27.08.2004, 15:58

Copyrighthinweis? Macht, glaube ich, nur Sinn, wenn Flocke Dein eingetragenes Pseudonym ist ;-)

Die ersten beiden Strophen gefallen mir sehr gut. Die Metaphorik ist schön düster, gelungen. Leider bringst Du das - wie ich finde - mit "Geduld" und "Gewissen" ziemlich brutal auf den Boden, der Weg zurück in die Metaphern (Narben, Aschenbrot) funktioniert dann nicht mehr wirklich. Meinst Du, Du findest Metaphern für das, was Du in der dritten Strophe sagen möchtest? Dann würdest Du mich zwischendurch nicht so brutal abstürzen lassen.
O You who turn the wheel and look to windward,
Consider Phlebas, who was once handsome and tall as You

Flocke
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Re: Wandel und Launen

Beitragvon Flocke » 27.08.2004, 16:14

Hui, das ging aber schnell mit der Antwort... Danke, razor.

Andere schreiben das doch auch immer mit diesem komischen Zeichen, naja, war ein Versuch, hab's bislang auch nur bei ganz neuen Sachen verwendet... :-&

Zu deinen Anmerkungen:

Freut mich sehr, dass es zumindest größtenteils gefällt. Kann man wohl doch was mit anfangen.

Ich hatte beim Schreiben schon die Überlegung, diese dritte Strophe anders zu machen oder ganz rauszulassen, aber irgendwie denke ich, ein Grund muß rein. Also nochmal nachdenken.

Dankende Grüße
Flocke
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Silentium
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Re: Wandel und Launen

Beitragvon Silentium » 27.08.2004, 17:11

Kann mich irgendwie ziemlich genau absolut dem razor anschließen.
1,2,4 sind sehr schön, 3 ist eher schwach.
Frage: warum ein Grund? Mir als Leser würd die Handlung eigentlich schon reichen. Dann hat man dabei was zum Denken.
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
- Ursula Vernon

Surjaninov
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Re: Wandel und Launen

Beitragvon Surjaninov » 27.08.2004, 18:18

"mir Stacheln durch die Haut"

"mit roten Perlen"

- Da gibt es vielleicht keinen Zusammenhang, aber ich finde: es passt so gut!

"Fegefeuer, die
äschern alles ein"

- Das Einzige was mir am Gedicht nicht gefällt ist dieses "die" hier. Das hört sich so banal an. Aber nur dieses "die". Ich weiß auch nicht. Hmmm.

Sonst kann ich mich meinen Vorrednern nur anschließen.


Wegen dem "©", ich machs ja auch (wenn ich es nicht vergesse. Mann weiß ja nie im Internet... Und hier steht ja nirgends was bezüglich der Rechte und so. Naja.

lg
Surja

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Re: Wandel und Launen

Beitragvon Spiderman » 28.08.2004, 19:29

Hi Flocke,

Dein Gedicht gefällt mir gut. Der Bilder wegen. Die Stacheln in Kombination mit dem Streicheln mit dem Kleid mit den Perlen mit dem Handauflegen entwickeln eine interessante Beziehungsdynamik.

Meinen Vorrednern kann ich mich anschließen: das Gedicht fällt zum Ende hin ab. Die immer gleichen Fegefeuer bleiben für mich zu vage. Ich kann hier das Leiden nicht mitfühlen. Was mir allerdings am Schluß gut gefällt, ist das Wort "Aschenbrot".

Gruß

Spiderman
Die nette Lyrik-Spinne von nebenan!

[) i r k
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Re: Wandel und Launen

Beitragvon [) i r k » 30.08.2004, 03:29

Ja, auch mir gefällt dieses Gedicht wirklich sehr gut. Ich weiß nicht warum, aber mir gefällt (im Gegensatz zu meinen Vorrednern) die dritte Strophe und der Übergang von der dritten zur vierten Strophe besonders gut.

Für mich funktionieren die abstrakten Begrifflichkeiten "Geduld" und "Gewissen" in diesem Zusammenhang, in diesem Gedicht durchaus. Ich kann mir darunter etwas vorstellen, ja, ich kann sie nachempfinden. Ein Gedicht muss durchaus nicht immer anschaulich, sinnlich und voller Metaphern sein, um gut zu sein. Aber das ist natürlich auch immer abhängig vom "Betrachter".

Was ich sehr raffiniert an diesem Gedicht finde, ist das Zeilen- und Strophenenjambement - vor allem zum Ende des Gedichtes hin.
... es spiegelt meine momentane Gemütslage ziemlich gut.

Hm. Ich will dich jetzt nicht noch zusätzlich mit meiner Betroffenheit vollkleckern. Oder mit Floskeln wie - "Wird schon." - einseifen. Ich weiß ja nicht genau, was hinter diesem melancholischen Stacheltier steckt. Aber vielleicht tröstet dich das ein bisschen: dieses Gedicht macht dich mir noch sympathischer. Ich mag Menschen, die den Blues im Blut haben und ihn dermaßen kunstvoll einsetzen können.

Ich würde an diesem Gedicht nichts mehr verändern.

MfG,
[) i r k
"du trittst da fast in die fußstapfen des unseligen dr goebbels und seiner zensur und verdammungsmaschine." (Ralfchen)

Flocke
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Re: Wandel und Launen

Beitragvon Flocke » 30.08.2004, 10:24

Hallo und guten Morgen in die Runde.

Gestattet mir eine Bemerkung: Ich bin platt! :thanx: :thanx: :thanx:

@Dirk

Aber vielleicht tröstet dich das ein bisschen: dieses Gedicht macht dich mir noch sympathischer. Ich mag Menschen, die den Blues im Blut haben und ihn dermaßen kunstvoll einsetzen können.


Kann man als praktizierender Melancholiker ein schöneres Kompliment kriegen? :blumen:

Was ich sehr raffiniert an diesem Gedicht finde, ist das Zeilen- und Strophenenjambement - vor allem zum Ende des Gedichtes hin.


Gibt's das bitte mal in einfach zum Verstehen? Ich habs so geschrieben, wie es sich im Gedankenfluß ergab, über dieses "Enjambement", was immer es ist, habe ich meines Wissens nach nicht nachgedacht...


@Surja

Ich weiß, man sollte Gedichte nicht erklären, aber zwischen den Stacheln und den roten Perlen gibt es durchaus einen Zusammenhang.
Hier igelt sich eine Seele ein, die Stacheln dringen dann durch die Haut und die Person, die zu trösten versucht durch Streicheln etc. verletzt sich daran... Spiderman hat das auch so in etwa erkannt, so wie er schrieb.


Insgesamt muß ich wohl versuchen, einen Kompromiß zu finden. 4 von 5 Lesern stören sich an Geduld, Gewissen und Fegefeuern... ich denke nochmal drüber nach, denn ganz rauslassen möchte ich sie eigentlich nicht, da sie der Grund für das "Einigeln" sind. Vielleicht finden sich bessere Bilder, mal sehen.

Ach ja, eins noch. Paßt vielleicht auch zu Spidey's Werkstatt-Thread. Es hat geholfen, dieses Gedicht zu schreiben. ich fühl mich schon wieder um einiges besser... :-)

Nochmals dankende Grüße
Flocke
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Re: Wandel und Launen

Beitragvon Surjaninov » 30.08.2004, 21:03

Wenn ich`s jetzt nochmal lese, also " Aschenbrot" ist ein herrliches Wort!

Und überhaupt: "und für den Weg
ein Aschenbrot" - ist noch viel besser.

Oh, ich hör lieber auf mit dem schwärmen.
---

[) i r k
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Re: Wandel und Launen

Beitragvon [) i r k » 31.08.2004, 03:39

Gibt's das bitte mal in einfach zum Verstehen? Ich habs so geschrieben, wie es sich im Gedankenfluß ergab, über dieses "Enjambement", was immer es ist, habe ich meines Wissens nach nicht nachgedacht...

Tja, Flocke, du bist halt ein Naturtalent.

Enjambement heißt "Zeilensprung" (wörtl. "das Hinüberschreiten") und bedeutet halt einfach, dass das Satzende nicht zugleich mit dem Zeilen- bzw. Strophenende zusammenfällt, wie es bei strengen Formen ja üblich ist. Ein Beispiel dafür aus deinem Gedicht:
(1) durch immer gleiche Fegefeuer, die
(2) äschern alles ein. Am Schluss
(3)
(4) bleibt nur ein Häufchen Narben

Die Übergang von Zeile (1) zu Zeile (2) wäre also Zeilenenjambement; das "die" wird sprachlich hervorgehoben. Surja mag das nicht. Aber mir gefällt das gerade. Und der Übergang von Zeile (2) zu Zeile (4) wäre halt ein Beispiel für Strophenenjambement. Ganz simpel.

Was mir außerdem an deinem Gedicht auffällt, ist, wie stark der Rhythmus durchdringt. Das ist fast metrisch (sieht man mal von den unterschiedlichen Auftakten und den unterschiedlichen Zeilenlängen ab). Auch dafür ein Beispiel:
Geduld ist, was mir fehlt und
mein Gewissen, was mich treibt
durch immer gleiche Fegefeuer, die
äschern alles ein. Am Schluss

U - U / - U - U
- U - U / - U -
U - U - U - U - U / -
- U - U - / U -

- = Hebung
U = Senkung

Allerdings ist das Gedicht nicht an jeder Stelle eindeutig. Was wiederum sehr angenehm und abwechslungsreich sein kann.

Gute Nacht.
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Re: Wandel und Launen

Beitragvon Flocke » 31.08.2004, 09:38

@Dirk

Sei vielmals bedankt für deine weisen Worte, jetzt hab ich wieder was dazugelernt.


@Surja

Das "Aschenbrot" war von den Märchen inspiriert, da heißt es doch immer so schön: "...und sie nahm nichts mit für den Weg außer einem Krug Wasser und einer Hostie aus Stein..." oder so. :-&

Gruß in die Runde
Flocke
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Re: Wandel und Launen

Beitragvon Surjaninov » 31.08.2004, 20:02

Surja mag das nicht.


:-D :-D :-D

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Re: Wandel und Launen

Beitragvon charis » 31.08.2004, 23:36

gefällt mir gut, flocke, ich kann jetzt aber gar nicht so viel sagen, außer dass ich geduld und gewissen drin lassen würd, und keine wie auch immer besonders auffallenden schwachstellen entdecken kann. das schöne am leid, am ende, die narben schön zu finden, das gefällt mir gut, und es imponiert mir, sie als schmuck zu bezeichnen, wenn es wohl auch sarkasmus ist, der hier mitschwingt.

lg

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Re: Wandel und Launen

Beitragvon Flocke » 01.09.2004, 09:31

@charis

Danke auch dir für die warmen Worte am späten Abend.
Ein bißchen Sarkasmus, ja, das gehört wohl auch dazu, sonst könnte ich mit all den Narben nicht leben. Immerhin ist der Trend zum Weglasern ja ungebrochen...

@Dirk

Das Verhältnis bessert sich ein wenig, 2 von 6 Lesern und der Autor sind für die Geduld... :-D

Liebe Grüße
Flocke
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Re: Wandel und Launen

Beitragvon Fee » 02.09.2004, 16:27

Hallo Flocke,

dein Gedicht spricht mir einfach aus der Seele, sagt genau das, was ich fühle. Ich finds total schön und ändern würde ich nichts - höchstens das "die", wie Surja schon bemerkt hat.
Hört sich vielleicht doof an, aber danke!
Echt schön!
:-))
Fee
"Ich kann nicht mit dir spielen", sagte der Fuchs. "Ich bin noch nicht gezähmt!"


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