I. Ein liberaler Umtriebiger
Ich hätte wohl lieber auf mein Gefühl gehört. Ich habs im Urin gemerkt, ja, dass das nicht gut geht. Aber mein Selbstvertrauen! Ist unendlich. Die Zwänge, zum Beispiel mein neues Haus, nicht weit weg, also günstig gelegen. Und die überhöhte Selbsteinschätzung: mit solchen Bauerntölpel werd ich allemal fertig. Na ja, geschehen ist geschehen, ich bin ein Typ, der nicht gerne zurückschaut. Drauf gschissen also!
Jetzt hab ich eine Neue in meinem Gastronomiebetrieb eingestellt. Eine Rumänin. Mal gespannt, wie sich die macht. Die sitzt in der Küche, ich bin der Ober, Kellner und bewirte die Gäste in jeglicher Hinsicht. Die Rumänin kann ja nur rudimentär Deutsch. Ich freue mich jedesmal, nachdem ich Stress in der Kneipe gehabt habe, wenn ich in die Küche gerannt komme, die Augen verdrehe wie ein Schielender und meinen Frust ablade. Ungehemmt. Die Köchin versteht ja nur die Hälfte. Da fällt nicht so ein schlechtes Licht auf mich, wenn man nicht alle meine Beschimpfungen und Verunglimpfungen versteht. Das ist mir eigentlich selbst peinlich, aber es tut gut, die Sau rauszulassen, wenigstens in Worten, was jedem einleuchtet, wenn er versteht, was in der guten Wirtsstube los ist. Das passt auf keine Kuhhaut, sagen die Bayern. Ich bin ja keiner. Das ist eine Ursache des Problems. Da sind wir schon mitten drinnen im Schlamassel.
Lustig ists, dass die Rumänin immer abwinkt, weil sie mich beschwichtigen will. „Wenn Du weißt, wie Rumänen sind. Das ist nicht so schlimm hier!“ Dann versucht sie etwas radezubrechen, wie Rumänen sich verhalten: „Tiere, Bestien, Fressen, Saufen, Ficken … „ Die Antwort ist nicht einmal ein Einwortsatz, sondern nur Versatzstücke. Mir entringt es jedesmal ein Grinsen. Das klingt lustig, was es vielleicht nicht einmal ist in Wirklichkeit, aber ihre Ausdrucksweise allemal.
„Du meinst, die sind wie die Tiere?“
„O ja!“
„Tierisch wild!“
„O ja!“
Ich schmunzele in mich hinein, ich ahne weshalb. Mein Blick fällt auf die kleine Rumänin, die mir gerade ihre verlockende Rückseite zuwendet, während sie mit einem Schöpflöffel die Soße kostet und einen schlürfenden Laut abgibt. So von hinten gesehen, mit diesem Grunzlaut, tierisch. Ich weiß aber noch nicht, weshalb mir das gefallen soll, noch nicht. Es ist zum Greifen nahe: Ihr breiter Arsch wedelt von links nach rechts, wedeln, nein, dazu ist er zu bereit, okay dann winken.
Sie ist mehr breit als lang und gedrungen, wie eine Kröte, die vor einem liegt. Ich sehe mich schon auf sie liegen. JETZT. Was immer in mir herumrumort hat und nicht zutage gekommen ist, in den letzten Tagen, jetzt ist es da. Da sehe ich mich. Genau dort. Auf ihrem Rücken. Wie ein Frosch, eine Kröte auf der anderen. Ein Wink aus der Zukunft?
Ne rumänische Schönheit mit pechschwarzen Haaren!!!
Dabei stehe ich bislang eher auf Blonde, norwegischer Typ, schlank, weiß-häutig und blonde Haare. Jetzt diese neue Exemplar in meiner Kuriosensammlung!? Europa wächst halt zusammen. Es ist schon verwunderlich, was dieser Kontinent zu bieten hat. Was man im Laufe seines Lebens alles so Kurioses ficken kann!
Ein bisschen mulmig wird mir schon zumute angesichts dieses jungen Dings. Ob ich ihr Paroli bieten kann? Ich merke, ich schlucke automatisch. Mal schauen, ob ich nicht Reste von einer übriggebliebenen Viagrapackung finde. Habe ich nicht letzthin ein paar von diesen blauen Pillen in meinem Badspiegelschrank herumkullern sehen? Ob die nicht abgelaufen sind? Und die Frage ist doch: Darf ich sie nehmen wegen Herzprobleme!? Ich weiß nicht, ob ich welche habe, es wird Zeit sich wieder einmal untersuchen zu lassen. Vielleicht habe ich inzwischen ein schwaches Herz, ohne etwas bemerkt zu haben. Aber unwahrscheinlich.
Trotzdem, ein Besuch beim Arzt ist da mal angesagt!
Jetzt kann ich mich erinnern. Das letzte Mal endete die Viagraeinnahme mit einem peinlichen Fiasko. Wochenlang lief ich mit einem Ständer durch die Weltgeschichte. Obendrein tat es fürchterlich weh, aber selbst mit Beruhigungspillen war er nicht zu beruhigen. Mein Arzt hat große Augen gemacht, mein lieber Schieber. Hätte ich das gewusst, hätte ich mir den Weg gespart. Dagegen ist wortwörtlich kein Kraut gewachsen. No risk, no fun – heißt dies doch im Englischen. Und nu? Ist drauf geschissen, ich bin schließlich ein Erzliberaler!
Aber das war nicht einmal das schlimmste. Ich hatte damals vor Geilheit eine Wochende-Karte für den Schwingerclub gekauft und durchweg gebumst, mit allem und jedem, was mir über den Weg lief. Ich war so hin und weg, dass ich mich nicht einmal mehr mich an die Gesichter erinnern konnte. Erst als eine Frau sagte: „Nanu, kennen wir uns nicht?“ „Nicht das wüsste!“ „Aber wir hatten doch gestern schon das Vergnügen.“ „Ach ja, davon weiß ich nichts mehr!“ „Aber ich!“ „Ach so, hat es Ihnen also solch einen Eindruck hinterlassen, dass Sie noch immer dran denken.“ Die Frau war eine Dame, sie wollte nicht unhöflich sein, geschweige den verletzend, das wusste ich. Deswegen wollte ich sie auch piesacken. Aber sie war zu gewieft. „Naja, immer ist ein zu großes Wort. Es handelt sich um einen Tag.“ „Immerhin. Wir können den Spaß ein zweites Mal haben!“ Ich war ja so etwas von geil. Ihre Intelligenz reizte mich zudem, sexuell, wirklich, kommt nicht oft vor. Aber, wie gesagt, sie war nicht dumm, alles andere, zudem vielleicht auch, weil ich so darauf bestand, wand sie sich und schlüpfte tatsächlich aus der Schlinge: „Mit meinem Bauch würde ich sofort wollen. Aber es ist eine Frage des Prinzips. Das rührt daher, dass ich so lange verheiratet war. Was glauben Sie, warum ich hier verkehre? Schon bei zweiten Mal kommt mir der Gähnkrampf.“ Dieser Ausdruck war weniger gehoben. Aber dieser Schwingerclub royal befand sich in einer deutschen Provinz, nicht in London. Dafür war dieses Exemplar schon beachtenswert. Sie sagte auch noch, was bedeutete, dass sie sich ihrer Verletzung der Schicklichkeit bewußt war: „Nehmen Sie es bitte nicht persönlich!“ Dazu konnte ich nur lachen, gekünstelt, aber es musste sein. Trotzdem, ich war ihr natürlich nicht böse, eher der da unten, der nicht davon abzubringen war, jedes fremde Loch stopfen z u wollen.
Schwamm drüber!
Trotzdem, das war dann das Signal, es gut sein zu lassen.
Ich bin ideologisch ein entschiedener Vertreter des Mittelstands. „Der Mittelstand ist das Herz der Wirtschaft!“ Klar, ich bin ja selbst einer davon. Zwar als Lehrling noch als Page den Großkopferten die Tür aufgehalten, habe ich mich emporgearbeitet zum eigenständigen Unternehmer, bei dem stets der Rubel rollt, als wolle er die ganze Welt überschwemmen. Kein Opfer ist mir zu groß. Ich liebe den Stress. Jede Arbeit halse ich mir auf, die etwas abwirft, wo andere müde abwinken. Das macht sich bezahlt. Denn meist scheint es schlimmer zu sein, als es ist. Bin ich mitten in der Sache mal drinnen, vergesse ich alles Drumherum, selbst die Perspektive, ob sich die Mühen lohnen oder nicht. Am Ende des Tages sprudelt sowieso meist das Geld nur so wie klares Wasser aus Quellen.
Natürlich bin ich kein reines Arbeitstier.
Da ist meine exzessive Sucht in den Swingerclub zu gehen. Was andere dagegen haben, wenn man es mit mehreren treibt, kann ich nicht verstehen. Die natürlichste Sache der Welt. Der Mensch ist ein Herdentier, ganz klar!
Letzthin bin ich umgezogen. Ich habe ein Schnäppchen gemacht und ein Haus auf dem Berg am Rande einer mittelfränkischen Kleinstadt ergattert. Also zumindest den oberen und unteren Teil. Ein Teil gehört einem anderen Eigentümer, doch ich spekulierte darauf, dass ich auch diesen kaufen kann. Das Haus umgibt ein riesiger Garten mit freier Sicht auf das sich weit hinziehende Tal. Ein Traum!
Aber es bestehen unüberbrückbare Welten zwischen mir und den Einheimischen. Zum einen bin ich Hesse und kein Franke. Zwar bin ich ganz schön um die Welt herumgekommen, leider aber nicht diese bornierten Einheimischen hier. Ich bin zwar auch verheiratet gewesen, dann geschieden worden, wie hier die meisten Ehepaare, aber ich weiß wenigstens etwas mit meinem Leben anzufangen. Expandieren, Kaufen, neue Unternehmungen starten, nur nicht wie die Kuh in der Ecke sitzen und das Vergangene verdauen.
Ich hasse die Einheimischen hier!
Warum!
Darum!
Aber ich hätte es wissen müssen! Mit diesen sturen Bauern kommst du auf keinen grünen Zweig.
Nein, sie sind nicht wie ich. Sind anders. Total anders.
Wie ergeht es einem Wirt, der Gäste bedient, die er abgrundtief hasst? Kann das gut gehen? Ist wirklich Geschäft nur Geschäft? Wer so denkt wie ich, ein Mittelsstandsunternehmer par excellence, versucht es und scheint kläglich zu scheitern?
So sieht es momentan aus. Aber abwarten und Tee trinken, Mylady! Wa?
Aber ich hasse die Menschen hier wirklich nicht grundlos. Es ist einiges aufgelaufen, dass es dazu gekommen ist. So isses!
Aber ich sollte mich nicht mit zu viel Denken beschweren und aufhalten, denken, Geschäft ist Geschäft, mehr nicht! Pasta!
Auch und gerade, wenn man auf solche Holzköpfe wie die Mittelfranken stößt.
Der Schweinebratenkrieg - heimatliche Liebesgeschichte
II. Der Gnom
Er konnte ein Restaurant im mittelfränkischen Seengebiet pachten, in einem Dorf auf einer der Mittelgebirgs-Anhöhen, das sich aus etlichen ehemaligen Bauernhöfen zusammensetzte. Die meisten Besitzer waren mittlerweile ins Handwerk abgewandert, also war es immer noch ein Bauern- und Kuhdorf.
Auch die Lage, worauf die Einheimischen so stolz waren, war eigentlich nichts Besonderes. Man hatte zunächst einen Blick auf den in den 70iger Jahren künstlich geschaffenen Brombachsee. Und davor, das war der Clou, machte die Regnitz, oder Pegnitz, irgend ein Fluß dieses Namens, ein Schleife um fast 90 Grad. Na gut! So what?
Der Fluss war ein Flüsschen. Für ihn. Er kam aus dem Hessischen, lebte an Orten im Ruhrpott, wo immer der Rhein präsent war und dieser war gegen dieses Rezat-Regnitz-Pegnitz-Bächchen – scheiß drauf! - ein imposanterer Geselle und besseres Exemplar, jawohl! Im Vergleich zum Rhein erblasste alles, was in Europa floss, außer vielleicht noch die Donau. Punktum.
Was er hier über ihre lokale Besonderheiten dachte, durfte er den Einheimischen nicht verklickern, denn dann wäre der Teufel los, das war ihm klar!
Aber trotzdem kamen gutbezahlte Touristen aus dem anderen Bundesländern hierher, um Entspannung zu suchen. Darauf zielte er ab. Nicht bloß die Einheimischen. Er hatte das zweit größer Gasthaus im Ort, zudem ein honoriges, altes, das großzügig von der Gemeinde saniert worden war. Alles war wie eine alte Bauernstube gehalten, froschgrüne Kaminkacheln, hell-hölzerne Vertäfelung bis zur Decke, die selbst mit dicken Balken versehen war und das obligatorische Stammtischeck mit Stühlen mit Herzchen aus den Lehnen geschnitten.
Als er das erste Mal hier herein trat, kam etwas in ihm durcheinander, er sah krakeelende Stammtischbrüder, die auf den Tisch hauten, um ihre kruden Meinungen zu unterstreichen und es roch nach Männerschweiß, Herrenzirkel und Biergestank. Und nirgendwo sah er eine Frau. Nein, auf eine geballte Ansammlung von Männlichkeit und Bulligkeit hatte er keine Lust. Nicht mit ihm, diese Zeiten waren vorbei! Diese Stammtischecke und -kneipe musste sich vermeiden lassen. Man müsste das Wirtshausmobiliar umstellen, das wars. Mal sehen.
Nur was nicht sichtbar war, war nur rudimentär eingerichtet und ganz dem Gutdünken des Pächters überlassen war, war die Küche. Aber eine Küche konnte für alle Arten von Speisen verwendet werden. Über den Charakter der Kneipe, über den Speiseplan wurde bei Vertragsregelung nichts geregelt und jeder normale Pächter geht davon aus, dass diese nicht von den Krallen des Denkmalschutzes, des Brauchtums und der Sitte reglementiert ist. Aber die Gemeindemitglieder sagten: „Das haben wir so vermutet. Davon sind wir ausgegangen. Eine fränkische Bierstube!“ Nichts anderes hatten sie sich vorgestellt. Wer die Einrichtung einer baierisch-fränkisches Gaststube leitet, wird wohl nicht asiatische Küche anbieten, sondern eben dieser Kultur entsprechende. Sollte man davon ausgehen.
So gab es einen Aufschrei, als er von einer anderen Küche als einer fränkischen sprach. Aber ein gewaltigen.
Mit der Instandsetzung, Sanierung und Aufhübschung des alten Bauernwirtshauses hatten die Gemeindemitglieder entschieden bestimmte Vorstellungen verbunden, die nach ihrer Fertigstellung noch gültig sein sollten, nämlich eine heimische Küche. Diese sah so aus: Schweineschnitzel, Rinderrollbraten und Schweinebraten und noch mals Schweinebraten.
Nur er, der Wirt spielte nicht mit, denn dem blieb der Schweinebraten im Hals stecken. Er wollte eine noble, internationale Küche auf der Speisekarte präsentieren. Konnte er ja machen, aber ein Schweinebraten am Sonntag schloss das doch nicht aus, was Wirt?
Er verdrehte die Augen. Einige Zeit beugte er sich dem allgemeinen Willen, dann überkam ihn wieder der Brechreiz. Er kündigte an, den Schweinebraten definitiv abzusetzen. Sicherlich, er spekulierte natürlich auf ein bisschen anderes Publikum als die Dorfheinis, ein bisschen gehobeneres durfte es schon sein, das sich vielleicht auch über etwas anderes unterhielt als darüber, lag es nun am Wetter oder schlich sich doch wieder ein Fuchs in der Gegend herum, dass die Hühner zur Zeit weniger Eier legten. Dazu war er nun wirklich zu viel herumgekommen in der Welt, als dass er seine alten Tage mit Gesprächen über das Hühnerverhalten und Eierlegen beenden wollte.
Herrgott's er konnte so etwas nicht mehr hören!
„Ich werfe dann wochenends immer den Kachelofen mit Holzscheiten an, schwöre ich Euch.“ Das war doch ein Zugeständnis an die Hiesigen. Aber die wollten davon nichts hören. Entweder Schweinebraten oder gar nichts.
„He, wenn wir hier in der Pfalz wären, würdest du niemals Saumagen absetzen, was?“ Das sagte ein bösartiger Gnom. So einfach gaben sich die Heinis nicht geschlagen, als er seinen Speiskarten-Wechsel ankündigte. Und für Kompromisse hatten sie überhaupt keinen Sinn. Sie waren nur auf sich fixiert wie das Schwein auf die Suhle.
Es waren zwei Einheimische mit denen er sich hauptsächlich auseinandersetzen musste, einen nannte er Spatzenhirn, den anderen bösartigen Gnom. Leider war, wie meistens, der Schlechtere und Bösartigere der Intelligentere. Wobei Intelligenz hier sehr, sehr weit gefasst ist. Insgesamt, da das Dorf Unterheckenhofen hieß, dachte er sowieso immer „In-Unterheckenhofen-wohnen-die-Doofen“, wobei solche Kalauer letztlich auf einem selbst zurückfallen.
Spatzenhirn hatte die Angewohnheit, dass er zwischendurch immer wieder einen lauten Pfiff durch seine Vorderzähne machte. Darauf angesprochen, bitte nicht so laut, reagierte er überhaupt nicht, als merkte er zum einen seinen Tick nicht und zum anderen, als nehme er die Ansprache darauf auch nicht wahr. Ersteres konnte man sich noch erklären, nicht aber zweiteres.
Dieses Verhalten regte ihn immer wieder unbändig auf. Und er sprach ihn immer darauf an, der aber überhaupt nicht reagierte. „He, du hast gerade so laut gepfiffen, dass fast die Fensterscheiben gesprungen wären.“ Er blieb stumm, ohne überhaupt zu reagieren, nicht einmal so: „Was, was sagst du da? Ich habe gepfiffen? Ganz laut sogar? Ist mir gar nicht aufgefallen. Hab ich unbewusst gemacht. Kann nichts dafür.“ Nein. Nichts. Einfach gar nichts.
Das konnte man nicht durchgehen lassen. Er versuchte es wieder und wieder.
„Stopp, Mann! Gerade hast du wieder gepfiffen.“ Null Reaktion. Heißt, kein Wort darüber. Als ob er darüber keine Worte in seinem Wortschatz hätte. Als ob er überhaupt nicht die Ansprache darauf wahrnehmen könnte. Er glotze nur debil in die Ferne. Wartete, bis die Fragerei vorbei war und war dann wieder ganz normal, was bei ihm halt als normal galt.
Als er ihn wieder darauf ansprach und dann das letzte Mal, weil es ja eh sinnlos war, verboten es ihm seine Kumpanen: „Na horch! Wenn er mal pfeifen muss, soll er pfeifen. Was regst du dich darüber so auf? So ist er halt, der Schnulli!“ Na denn. Wenn er von seinen Kumpels gedeckt wurde, konnte man nichts dagegen tun. Selbst wenn er sexuell abartig gewesen wäre, was er zwar gelobt sei es nicht war, auch wenn sie ihm unterstellten, er behandelte ihn so wie einen Sexual-Perversen, sollte er doch weiterhin andere belästigen. Er buchte das als notwendige, unveränderbare Kollateralschaden eines Wirtes ab. Aus. Amen.
Aber nach einer halben Stunde das selber wieder.
Er wartete schon darauf, dass es erneut passierte, was nervte.
Aber manchmal überhaupt nichts.
Das war fast noch nerviger.
Einfach unberechenbar.
Mittelfranken eben!
Auch die Lage, worauf die Einheimischen so stolz waren, war eigentlich nichts Besonderes. Man hatte zunächst einen Blick auf den in den 70iger Jahren künstlich geschaffenen Brombachsee. Und davor, das war der Clou, machte die Regnitz, oder Pegnitz, irgend ein Fluß dieses Namens, ein Schleife um fast 90 Grad. Na gut! So what?
Der Fluss war ein Flüsschen. Für ihn. Er kam aus dem Hessischen, lebte an Orten im Ruhrpott, wo immer der Rhein präsent war und dieser war gegen dieses Rezat-Regnitz-Pegnitz-Bächchen – scheiß drauf! - ein imposanterer Geselle und besseres Exemplar, jawohl! Im Vergleich zum Rhein erblasste alles, was in Europa floss, außer vielleicht noch die Donau. Punktum.
Was er hier über ihre lokale Besonderheiten dachte, durfte er den Einheimischen nicht verklickern, denn dann wäre der Teufel los, das war ihm klar!
Aber trotzdem kamen gutbezahlte Touristen aus dem anderen Bundesländern hierher, um Entspannung zu suchen. Darauf zielte er ab. Nicht bloß die Einheimischen. Er hatte das zweit größer Gasthaus im Ort, zudem ein honoriges, altes, das großzügig von der Gemeinde saniert worden war. Alles war wie eine alte Bauernstube gehalten, froschgrüne Kaminkacheln, hell-hölzerne Vertäfelung bis zur Decke, die selbst mit dicken Balken versehen war und das obligatorische Stammtischeck mit Stühlen mit Herzchen aus den Lehnen geschnitten.
Als er das erste Mal hier herein trat, kam etwas in ihm durcheinander, er sah krakeelende Stammtischbrüder, die auf den Tisch hauten, um ihre kruden Meinungen zu unterstreichen und es roch nach Männerschweiß, Herrenzirkel und Biergestank. Und nirgendwo sah er eine Frau. Nein, auf eine geballte Ansammlung von Männlichkeit und Bulligkeit hatte er keine Lust. Nicht mit ihm, diese Zeiten waren vorbei! Diese Stammtischecke und -kneipe musste sich vermeiden lassen. Man müsste das Wirtshausmobiliar umstellen, das wars. Mal sehen.
Nur was nicht sichtbar war, war nur rudimentär eingerichtet und ganz dem Gutdünken des Pächters überlassen war, war die Küche. Aber eine Küche konnte für alle Arten von Speisen verwendet werden. Über den Charakter der Kneipe, über den Speiseplan wurde bei Vertragsregelung nichts geregelt und jeder normale Pächter geht davon aus, dass diese nicht von den Krallen des Denkmalschutzes, des Brauchtums und der Sitte reglementiert ist. Aber die Gemeindemitglieder sagten: „Das haben wir so vermutet. Davon sind wir ausgegangen. Eine fränkische Bierstube!“ Nichts anderes hatten sie sich vorgestellt. Wer die Einrichtung einer baierisch-fränkisches Gaststube leitet, wird wohl nicht asiatische Küche anbieten, sondern eben dieser Kultur entsprechende. Sollte man davon ausgehen.
So gab es einen Aufschrei, als er von einer anderen Küche als einer fränkischen sprach. Aber ein gewaltigen.
Mit der Instandsetzung, Sanierung und Aufhübschung des alten Bauernwirtshauses hatten die Gemeindemitglieder entschieden bestimmte Vorstellungen verbunden, die nach ihrer Fertigstellung noch gültig sein sollten, nämlich eine heimische Küche. Diese sah so aus: Schweineschnitzel, Rinderrollbraten und Schweinebraten und noch mals Schweinebraten.
Nur er, der Wirt spielte nicht mit, denn dem blieb der Schweinebraten im Hals stecken. Er wollte eine noble, internationale Küche auf der Speisekarte präsentieren. Konnte er ja machen, aber ein Schweinebraten am Sonntag schloss das doch nicht aus, was Wirt?
Er verdrehte die Augen. Einige Zeit beugte er sich dem allgemeinen Willen, dann überkam ihn wieder der Brechreiz. Er kündigte an, den Schweinebraten definitiv abzusetzen. Sicherlich, er spekulierte natürlich auf ein bisschen anderes Publikum als die Dorfheinis, ein bisschen gehobeneres durfte es schon sein, das sich vielleicht auch über etwas anderes unterhielt als darüber, lag es nun am Wetter oder schlich sich doch wieder ein Fuchs in der Gegend herum, dass die Hühner zur Zeit weniger Eier legten. Dazu war er nun wirklich zu viel herumgekommen in der Welt, als dass er seine alten Tage mit Gesprächen über das Hühnerverhalten und Eierlegen beenden wollte.
Herrgott's er konnte so etwas nicht mehr hören!
„Ich werfe dann wochenends immer den Kachelofen mit Holzscheiten an, schwöre ich Euch.“ Das war doch ein Zugeständnis an die Hiesigen. Aber die wollten davon nichts hören. Entweder Schweinebraten oder gar nichts.
„He, wenn wir hier in der Pfalz wären, würdest du niemals Saumagen absetzen, was?“ Das sagte ein bösartiger Gnom. So einfach gaben sich die Heinis nicht geschlagen, als er seinen Speiskarten-Wechsel ankündigte. Und für Kompromisse hatten sie überhaupt keinen Sinn. Sie waren nur auf sich fixiert wie das Schwein auf die Suhle.
Es waren zwei Einheimische mit denen er sich hauptsächlich auseinandersetzen musste, einen nannte er Spatzenhirn, den anderen bösartigen Gnom. Leider war, wie meistens, der Schlechtere und Bösartigere der Intelligentere. Wobei Intelligenz hier sehr, sehr weit gefasst ist. Insgesamt, da das Dorf Unterheckenhofen hieß, dachte er sowieso immer „In-Unterheckenhofen-wohnen-die-Doofen“, wobei solche Kalauer letztlich auf einem selbst zurückfallen.
Spatzenhirn hatte die Angewohnheit, dass er zwischendurch immer wieder einen lauten Pfiff durch seine Vorderzähne machte. Darauf angesprochen, bitte nicht so laut, reagierte er überhaupt nicht, als merkte er zum einen seinen Tick nicht und zum anderen, als nehme er die Ansprache darauf auch nicht wahr. Ersteres konnte man sich noch erklären, nicht aber zweiteres.
Dieses Verhalten regte ihn immer wieder unbändig auf. Und er sprach ihn immer darauf an, der aber überhaupt nicht reagierte. „He, du hast gerade so laut gepfiffen, dass fast die Fensterscheiben gesprungen wären.“ Er blieb stumm, ohne überhaupt zu reagieren, nicht einmal so: „Was, was sagst du da? Ich habe gepfiffen? Ganz laut sogar? Ist mir gar nicht aufgefallen. Hab ich unbewusst gemacht. Kann nichts dafür.“ Nein. Nichts. Einfach gar nichts.
Das konnte man nicht durchgehen lassen. Er versuchte es wieder und wieder.
„Stopp, Mann! Gerade hast du wieder gepfiffen.“ Null Reaktion. Heißt, kein Wort darüber. Als ob er darüber keine Worte in seinem Wortschatz hätte. Als ob er überhaupt nicht die Ansprache darauf wahrnehmen könnte. Er glotze nur debil in die Ferne. Wartete, bis die Fragerei vorbei war und war dann wieder ganz normal, was bei ihm halt als normal galt.
Als er ihn wieder darauf ansprach und dann das letzte Mal, weil es ja eh sinnlos war, verboten es ihm seine Kumpanen: „Na horch! Wenn er mal pfeifen muss, soll er pfeifen. Was regst du dich darüber so auf? So ist er halt, der Schnulli!“ Na denn. Wenn er von seinen Kumpels gedeckt wurde, konnte man nichts dagegen tun. Selbst wenn er sexuell abartig gewesen wäre, was er zwar gelobt sei es nicht war, auch wenn sie ihm unterstellten, er behandelte ihn so wie einen Sexual-Perversen, sollte er doch weiterhin andere belästigen. Er buchte das als notwendige, unveränderbare Kollateralschaden eines Wirtes ab. Aus. Amen.
Aber nach einer halben Stunde das selber wieder.
Er wartete schon darauf, dass es erneut passierte, was nervte.
Aber manchmal überhaupt nichts.
Das war fast noch nerviger.
Einfach unberechenbar.
Mittelfranken eben!
III. Die Prominenten
Am Anfang, wo der Schweinebraten noch Alltag gewesen war und auf der Tagesliste stand, also die Welt noch in Ordnung war, hat er sich gut mit der Dorfgemeinde verstanden, will heißen, sie lauschten angenehm amüsiert und interessiert seinen Erzählungen von den Großen dieser Welt. „In Düsseldorf habe ich eine Cocktail-Bar gehabt, das sind sie alle, aber wirklich alle, was Rang und Namen im Showbusiness der 70iger und 80iger Jahre hatte, bei mir verkehrt.“
Dazu zählte er noch etliche aus der Fußball-Kaste auf: Uwe Seeler, Franz Beckenbauer, Paul Breitner – obwohl die meisten in München lebten - aber natürlich Netzer, der ja um die Ecke wohnte, aber egal woher sie kamen oder in Wahrheit nicht kamen, alle verkehrten regelmäßig bei ihm, sein Lokal war einfach ein Muss für die Promis der Republik dieser Zeit – und zudem dann die ganz Großen dieser Welt, der Jet-Set, Boris Becker, Uschi Obermeyer, Roberto Blanco, Goetz George, der Firmenmillionär Henkel, sogar Gunther Sachs – diesen Playboy kennt ja jeder – Henkel, Waschpulver, kennt jeder - und und und.
Das imponierte diesen Dörflern natürlich.
Er verwies darauf, dass er immer noch gute Beziehungen habe, zum Beispiel zum Herausgeber der Bildzeitung. Axel Springer. „Ja, mit dem bin ich sogar per Du! Ja, selbst mit dem größten Pressemogul Deutschlands.“„Wer ist das?“ Eine anderer antwortete erstaunt und zweifelnd:„Heißt der nicht Burda!“ Hoppla, er wusste gar nicht, ob der Herausgeber Springer jetzt das größte Zeitungsimperium hatte und ob der überhaupt noch lebte. Aber egal, Hauptsache er schindete Eindruck.
Er war wirklich bald eine kleine Berühmtheit im Umkreis, da so viele kamen und verlangten, dass er von einem ihrer Lieblingspromis etwas zum besten gab. Tat er auch, ausgeschmückt mit Phantasie, die er besaß.
„Ja, mit dem Gunter, den alten Haudegen. Mit dem bin ich immer in die Sauna gegangen. Auch mal in den ein oder anderen Swingerclub. Aber gehobene Klasse, sag ich nur, und wenn ich gehoben sage, dann meine ich es auch so. Da kommt keiner von Euch rein. Niemals!“
Die Häupter der Anwesenden senkten sich ehrfurchtsvoll um einiges weiter gen Tischplatte.
„Durch ihn habe ich in solchen Schwingerclubs Kontakte aufnehmen können, da bleibt Euch der Mund offen stehen und die Spucke weg, kann ich euch sagen. Wem ich da plötzlich zwischen den Beinen lag, das errät ihr nie. Außerdem Schweigen!“ Deutlich legte er seinen Finger auf seinen Mund.
„Erzähle ich das hier, habe ich sofort einige Klagen am Hals, wenn sich das herumspricht. Und die haben Geld! Das könnt ihr Euch zusammenzählen! Die würden bis zum obersten Gericht gehen, sag ich Euch. Nein, lieber nicht zu viel erzählen ... Reden ist Silber, Schweigen ist Gold!“
„Klar Chef! Aber ein paar Andeutungen!“ Das glich einer Protestnote, die Leute waren ein bisschen empört und persönlich enttäuscht.
„Nein, auch das nicht. Ich bin treu, äh, loyal!“
Das schindete natürlich noch mehr Eindruck, versteht sich. Empörung verschwand, Ehrerbietung entstand. Was doch der neue Wirt für eine ehrliche Haut war, der verriet seine Freunde nicht. Einfach ehrenhaft.
Meistens hatte er diese Leute wirklich auch getroffen, so sehr schummelte er nicht. Nur diejenigen, die er nicht beim Namen nannte und nur andeutete, hatten natürlich seinen Weg nicht tangiert, deswegen deutete er auch ihren Namen nur an. Wenngleich man ahnte, konnte man sich ja denken, um wen es sich handelte.
Einmal erwähnte er sogar einen Stammgast, der bei der RAF, der roten Armee Fraktion gewesen sein soll. Also natürlich später dann dazu gestoßen ist, ha, sonst hätte er den gleich dem BKA gemeldet.
Abschätziges Gemurmle kam auf.
Damit hatte er gerechnet. Linksterroristen waren hier natürlich nicht gut angesehen. Aber ein bißchen Horrorshow würzt den drögen Kuchen. Wie sangen doch die Toten Hosen: "Jetzt kommt Alex, Vorhang auf für ne kleine Horrorshow". Zwischendurch ein bißchen Grauen war immer gut.
Er durfte es nur nicht übertreiben.
"Aber egal. Aufgefallen ist mit der schon bald. Der rauchte, soff so viel, nagte an den Fingern und blickte sich immer so nervös um, als standen schon der Staatssicherheitsdienst hinter ihm." Was jetzt gar keinen Sinn ergab, weil er doch noch nicht im Untergrund war angeblich, aber egal, es passte einfach zu gut ins Bild: Terrorist und Psychopath. Zu lange durfte er allerdings nicht mit diesem Thema aufwarten, diese Leute boten keine gute Identifikationsfläche an.
Am besten war stets, er blieb so vage wie möglich bei Personen, hielt sich eher an Be- und Umschreibungen solcher als bei direkter Namensnennung. Sobald der Wirt wieder in den Küchenraum verschwand, regten die Besucher ihre Köpfe zusammen und rätselten darüber, wer nun gemeint gewesen war. Derjenige, der den wahrscheinlichsten Kandidaten nennen konnte, erntete Respekt.
In Wahrheit war er so vertraut mit den Promis dieser Welt nun auch wieder nicht. Aber das spielte heutzutage keine Rolle. Musste man den Hinterwäldlerin auch nicht auf die Nase binden. Die sollten glauben, was sie glauben, basta!
Dann kamen die Spannungen wegen der Küchenumstellung.
Plötzlich wurden Themen aktuell, die dümmer nicht sein könnten.
Bei einem Thema musste er leider etwas korrigieren, was wiederum nicht gut ankam, weil Oberlehrergehabe wollte man sich auch nicht gefallen lassen, hier, wo man zu Hause war, von einem, der hierher zugereist war. Von einem Zugereisten, niemals! Wer lässt sich gerne in seine Suppe spucken? Aber Korrektur musste hinwiderum sein, denn da stand sein Ruf auf den Spiel oder besser deren, die er hier gegen die Hinterwald-Dörfler aus Franken vertrat.
„Erstens bin ich aus Hessen, nicht der Pfalz. Zweitens soll ich vielleicht auch Schweinbraten-To-Go anbieten?"
Das war natürlich ein Argument, welches einschlug.
Davon abgesehen, ob diese Beschränkten überhaupt den Unterschied zwischen Hessen und der Pfalz wussten, war er gerade am Überlegen, als er eine Frage hörte, die diese Gedankenmühe völlig sinnlos erscheinen ließ.
„Na, in der Oberpfalz wird auch Schmorbraten verspeist, das weiß ich von meiner Schwägerin“, sagte das Spatzenhirn.
Der Bösartige, der Gescheitere pfiff durch die Zähne, machte sich aber nicht die Mühe, einen Erkenntnisgewinn des anderen vorauszusetzen, indem er sagte: „Von uns aus. Pfalz, Hessen, eins wie's andere. Würden wir auch kaufen. Hauptsache es gibt Schweinebraten am Sonntag.“
Mit diesen begriffsstutzigen Bauern war nicht zu diskutieren. Und sie ließen sich auch nicht weiter auf eine Diskussion ein und beharrten auf ihrem Standpunkt. Seiner wurde gar nicht richtig wahrgenommen. Argumentierte er, kam bestenfalls so eine blöde Redewende wie: „Wir brauchen hier nen Dolmetscher, um dieses pfälzerisches Kauderwelsch zu übersetzen.“ Blödes Lachen war diesem Sager gewiß. Umso mehr als er noch einen draufsetzte: „Ei verbisch!“
„Was, jetzt redscht scho sächsisch!“
„Ach was, ich dachte, dass des grad hessisch wär.“
„Denken beim Scheißen, nicht nur drücken, sagen die Pfälzer in diesem Fall!“
Diese Bemerkung kam nicht gut an. Aber sie wollten es nicht anders. Diese Franken waren doch voll aus der Welt, konnten nicht zwischen den mittel-westdeutschen Dialekten unterscheiden, so etwas gab es nur hier, hier an der sonnenabgewandten Mondseite Deutschlands, ei verbisch.
Aber er ließ sich nicht beirren. Der Franken Rechnung hier ging nie und nimmer auf, nicht mit ihm.
Auch als ihm der Metzger im Ort einen Vorzugspreis für Schweinefleisch anbot, blieb er standhaft. Er schlug vor, dass der Obermetzgermeister, wie er sich stolz titulierte, das andere Speiselokal im Dorf damit beliefern sollte. Da wurde dieser ganz schnell schön still. Er konnte sich schon denken, warum. Niemand wollte mehr Schweinebraten essen, keiner, nur diese Dorfheinis noch, aber die Touristen offensichtlich auch nicht mehr, sonst böte dieses andere Lokal im Dorf auch Schweinsbraten an.
Die Ära des Schweinsbratens war eindeutig abgelaufen!
Da sah man es mal wieder, dieser Ort wollte sich der Neuzeit, der Globalisierung, dem Tourismus öffnen, aber auf den Schweinebraten wollten sie nicht verzichten. Das ging nicht. Es haute nicht hin, ein bisschen Tourismus, ein bisschen Fremdenküche, ein bisschen Fremdenbetten, nein: entweder ganz oder gar nicht! Einmal musste man sich entscheiden! Aber das ging in die Hirne dieser Dorfheinis einfach nicht rein.
Das andere Speiselokal im Dorf war in Privatbesitz. Es stand direkt am Rande des Abhangs mit unschlagbaren Blick direkt auf den See. Die etwas zahlungskräftigeren Touristen suchten natürlich dieses auf, wollten sie doch, wenn sie einmal Urlaub hatten, die beste Aussicht, das geräumigste Etablissement und die adretteste Bedienung genießen. Diese Touristen, meist im unteren Segment des Reichenspektrums angelagert, riefen bestimmt nicht nach Schweinebraten. Vielleicht insgeheim, aber dann war es kein Urlaub. Nein, mediterranes Essen musste es sein, damit man das Gefühl hatte, man sei im Urlaub, obwohl diejenigen, die wirklich Urlaub machten und die es sich leisten konnten, Erholung in den Tropen, am Strand, meist im Ausland suchten und nicht in dichtbewaldeten, feuchten Erholungsgebieten des deutschen Mittelgebirges, welches sie zuhause ohnehin vor ihrer eigenen Haustür hatten.
Nun, mediterranes Essen wollte alle – und das würde er anbieten – gegen den Widerstand dieser bornierten Schweinbraten-Trottel in Franken.
Dazu zählte er noch etliche aus der Fußball-Kaste auf: Uwe Seeler, Franz Beckenbauer, Paul Breitner – obwohl die meisten in München lebten - aber natürlich Netzer, der ja um die Ecke wohnte, aber egal woher sie kamen oder in Wahrheit nicht kamen, alle verkehrten regelmäßig bei ihm, sein Lokal war einfach ein Muss für die Promis der Republik dieser Zeit – und zudem dann die ganz Großen dieser Welt, der Jet-Set, Boris Becker, Uschi Obermeyer, Roberto Blanco, Goetz George, der Firmenmillionär Henkel, sogar Gunther Sachs – diesen Playboy kennt ja jeder – Henkel, Waschpulver, kennt jeder - und und und.
Das imponierte diesen Dörflern natürlich.
Er verwies darauf, dass er immer noch gute Beziehungen habe, zum Beispiel zum Herausgeber der Bildzeitung. Axel Springer. „Ja, mit dem bin ich sogar per Du! Ja, selbst mit dem größten Pressemogul Deutschlands.“„Wer ist das?“ Eine anderer antwortete erstaunt und zweifelnd:„Heißt der nicht Burda!“ Hoppla, er wusste gar nicht, ob der Herausgeber Springer jetzt das größte Zeitungsimperium hatte und ob der überhaupt noch lebte. Aber egal, Hauptsache er schindete Eindruck.
Er war wirklich bald eine kleine Berühmtheit im Umkreis, da so viele kamen und verlangten, dass er von einem ihrer Lieblingspromis etwas zum besten gab. Tat er auch, ausgeschmückt mit Phantasie, die er besaß.
„Ja, mit dem Gunter, den alten Haudegen. Mit dem bin ich immer in die Sauna gegangen. Auch mal in den ein oder anderen Swingerclub. Aber gehobene Klasse, sag ich nur, und wenn ich gehoben sage, dann meine ich es auch so. Da kommt keiner von Euch rein. Niemals!“
Die Häupter der Anwesenden senkten sich ehrfurchtsvoll um einiges weiter gen Tischplatte.
„Durch ihn habe ich in solchen Schwingerclubs Kontakte aufnehmen können, da bleibt Euch der Mund offen stehen und die Spucke weg, kann ich euch sagen. Wem ich da plötzlich zwischen den Beinen lag, das errät ihr nie. Außerdem Schweigen!“ Deutlich legte er seinen Finger auf seinen Mund.
„Erzähle ich das hier, habe ich sofort einige Klagen am Hals, wenn sich das herumspricht. Und die haben Geld! Das könnt ihr Euch zusammenzählen! Die würden bis zum obersten Gericht gehen, sag ich Euch. Nein, lieber nicht zu viel erzählen ... Reden ist Silber, Schweigen ist Gold!“
„Klar Chef! Aber ein paar Andeutungen!“ Das glich einer Protestnote, die Leute waren ein bisschen empört und persönlich enttäuscht.
„Nein, auch das nicht. Ich bin treu, äh, loyal!“
Das schindete natürlich noch mehr Eindruck, versteht sich. Empörung verschwand, Ehrerbietung entstand. Was doch der neue Wirt für eine ehrliche Haut war, der verriet seine Freunde nicht. Einfach ehrenhaft.
Meistens hatte er diese Leute wirklich auch getroffen, so sehr schummelte er nicht. Nur diejenigen, die er nicht beim Namen nannte und nur andeutete, hatten natürlich seinen Weg nicht tangiert, deswegen deutete er auch ihren Namen nur an. Wenngleich man ahnte, konnte man sich ja denken, um wen es sich handelte.
Einmal erwähnte er sogar einen Stammgast, der bei der RAF, der roten Armee Fraktion gewesen sein soll. Also natürlich später dann dazu gestoßen ist, ha, sonst hätte er den gleich dem BKA gemeldet.
Abschätziges Gemurmle kam auf.
Damit hatte er gerechnet. Linksterroristen waren hier natürlich nicht gut angesehen. Aber ein bißchen Horrorshow würzt den drögen Kuchen. Wie sangen doch die Toten Hosen: "Jetzt kommt Alex, Vorhang auf für ne kleine Horrorshow". Zwischendurch ein bißchen Grauen war immer gut.
Er durfte es nur nicht übertreiben.
"Aber egal. Aufgefallen ist mit der schon bald. Der rauchte, soff so viel, nagte an den Fingern und blickte sich immer so nervös um, als standen schon der Staatssicherheitsdienst hinter ihm." Was jetzt gar keinen Sinn ergab, weil er doch noch nicht im Untergrund war angeblich, aber egal, es passte einfach zu gut ins Bild: Terrorist und Psychopath. Zu lange durfte er allerdings nicht mit diesem Thema aufwarten, diese Leute boten keine gute Identifikationsfläche an.
Am besten war stets, er blieb so vage wie möglich bei Personen, hielt sich eher an Be- und Umschreibungen solcher als bei direkter Namensnennung. Sobald der Wirt wieder in den Küchenraum verschwand, regten die Besucher ihre Köpfe zusammen und rätselten darüber, wer nun gemeint gewesen war. Derjenige, der den wahrscheinlichsten Kandidaten nennen konnte, erntete Respekt.
In Wahrheit war er so vertraut mit den Promis dieser Welt nun auch wieder nicht. Aber das spielte heutzutage keine Rolle. Musste man den Hinterwäldlerin auch nicht auf die Nase binden. Die sollten glauben, was sie glauben, basta!
Dann kamen die Spannungen wegen der Küchenumstellung.
Plötzlich wurden Themen aktuell, die dümmer nicht sein könnten.
Bei einem Thema musste er leider etwas korrigieren, was wiederum nicht gut ankam, weil Oberlehrergehabe wollte man sich auch nicht gefallen lassen, hier, wo man zu Hause war, von einem, der hierher zugereist war. Von einem Zugereisten, niemals! Wer lässt sich gerne in seine Suppe spucken? Aber Korrektur musste hinwiderum sein, denn da stand sein Ruf auf den Spiel oder besser deren, die er hier gegen die Hinterwald-Dörfler aus Franken vertrat.
„Erstens bin ich aus Hessen, nicht der Pfalz. Zweitens soll ich vielleicht auch Schweinbraten-To-Go anbieten?"
Das war natürlich ein Argument, welches einschlug.
Davon abgesehen, ob diese Beschränkten überhaupt den Unterschied zwischen Hessen und der Pfalz wussten, war er gerade am Überlegen, als er eine Frage hörte, die diese Gedankenmühe völlig sinnlos erscheinen ließ.
„Na, in der Oberpfalz wird auch Schmorbraten verspeist, das weiß ich von meiner Schwägerin“, sagte das Spatzenhirn.
Der Bösartige, der Gescheitere pfiff durch die Zähne, machte sich aber nicht die Mühe, einen Erkenntnisgewinn des anderen vorauszusetzen, indem er sagte: „Von uns aus. Pfalz, Hessen, eins wie's andere. Würden wir auch kaufen. Hauptsache es gibt Schweinebraten am Sonntag.“
Mit diesen begriffsstutzigen Bauern war nicht zu diskutieren. Und sie ließen sich auch nicht weiter auf eine Diskussion ein und beharrten auf ihrem Standpunkt. Seiner wurde gar nicht richtig wahrgenommen. Argumentierte er, kam bestenfalls so eine blöde Redewende wie: „Wir brauchen hier nen Dolmetscher, um dieses pfälzerisches Kauderwelsch zu übersetzen.“ Blödes Lachen war diesem Sager gewiß. Umso mehr als er noch einen draufsetzte: „Ei verbisch!“
„Was, jetzt redscht scho sächsisch!“
„Ach was, ich dachte, dass des grad hessisch wär.“
„Denken beim Scheißen, nicht nur drücken, sagen die Pfälzer in diesem Fall!“
Diese Bemerkung kam nicht gut an. Aber sie wollten es nicht anders. Diese Franken waren doch voll aus der Welt, konnten nicht zwischen den mittel-westdeutschen Dialekten unterscheiden, so etwas gab es nur hier, hier an der sonnenabgewandten Mondseite Deutschlands, ei verbisch.
Aber er ließ sich nicht beirren. Der Franken Rechnung hier ging nie und nimmer auf, nicht mit ihm.
Auch als ihm der Metzger im Ort einen Vorzugspreis für Schweinefleisch anbot, blieb er standhaft. Er schlug vor, dass der Obermetzgermeister, wie er sich stolz titulierte, das andere Speiselokal im Dorf damit beliefern sollte. Da wurde dieser ganz schnell schön still. Er konnte sich schon denken, warum. Niemand wollte mehr Schweinebraten essen, keiner, nur diese Dorfheinis noch, aber die Touristen offensichtlich auch nicht mehr, sonst böte dieses andere Lokal im Dorf auch Schweinsbraten an.
Die Ära des Schweinsbratens war eindeutig abgelaufen!
Da sah man es mal wieder, dieser Ort wollte sich der Neuzeit, der Globalisierung, dem Tourismus öffnen, aber auf den Schweinebraten wollten sie nicht verzichten. Das ging nicht. Es haute nicht hin, ein bisschen Tourismus, ein bisschen Fremdenküche, ein bisschen Fremdenbetten, nein: entweder ganz oder gar nicht! Einmal musste man sich entscheiden! Aber das ging in die Hirne dieser Dorfheinis einfach nicht rein.
Das andere Speiselokal im Dorf war in Privatbesitz. Es stand direkt am Rande des Abhangs mit unschlagbaren Blick direkt auf den See. Die etwas zahlungskräftigeren Touristen suchten natürlich dieses auf, wollten sie doch, wenn sie einmal Urlaub hatten, die beste Aussicht, das geräumigste Etablissement und die adretteste Bedienung genießen. Diese Touristen, meist im unteren Segment des Reichenspektrums angelagert, riefen bestimmt nicht nach Schweinebraten. Vielleicht insgeheim, aber dann war es kein Urlaub. Nein, mediterranes Essen musste es sein, damit man das Gefühl hatte, man sei im Urlaub, obwohl diejenigen, die wirklich Urlaub machten und die es sich leisten konnten, Erholung in den Tropen, am Strand, meist im Ausland suchten und nicht in dichtbewaldeten, feuchten Erholungsgebieten des deutschen Mittelgebirges, welches sie zuhause ohnehin vor ihrer eigenen Haustür hatten.
Nun, mediterranes Essen wollte alle – und das würde er anbieten – gegen den Widerstand dieser bornierten Schweinbraten-Trottel in Franken.
IV. Alles was Rang und Namen hat so einem Dorf
Aber eines Tages saß der Bürgermeister am Tisch im Lokal.
Jetzt wurde es ernst.
Doch es war schwierig, die Ernsthaftigkeit einer Lage zu erkennen, wenn man den Auftritt des Bürgermeister sah, der der Floskel „Kleider machen Leute“ Hohn sprach. Seine Krawatte hing ihm schief am Hals, der Knoten war zur Hälfte gelöst, ein Hosenzipfel hingen ihm über den Bund und hatte solch zerzauste Haare, als käme er gerade aus der Badewanne.
Trotzdem, der Besuch des Dorfhäuptlings signalisierte: Die Angelegenheit „Schweinebraten-am-Sonntag oder nicht“ war ein Politikum. Das musste mit allen Mitteln politischer Machtausübung verhindert werden, also verhindert werden, dass der Schweinebraten abgesetzt wird. Darum ging es.
Was immer sie verhindern wollten, er als Wirt würde sich nicht hindern lassen, die Schweinebraten-Ess-Kultur zu ersetzen. Tortellini (Auflauf), Pasta (Nudeln), spanische Tortilla mit Lachs, Tapas und Papas Arrugadas (runzelige Kartoffeln) seinetwegen auch Pizza, ja sogar Döner, wenn es sein muss, Burger sowieso, Hot Dog und die tausend Con-Carne-Sorten – weiß der Teufel, nur nicht bloß Schweinebraten.
„Wir erwarten kein Schäufele. Also sind wir bescheiden. Nur einen Schweinebraten am Sonntag. Das ist das mindeste. Das kann doch nicht zu viel verlangt sein?“ Es klang als hätte der Bürgermeister an dieser kleinen Rede lange gefeilt, denn er brachte sie sehr moduliert und lautverstärkt zum Ausdruck, als stehe er vor einer Rednerbühne und Hunderten von Zuhörer um ihn herum. Dabei war nur er und seine Begleiterin in der Wirtsstube anwesend.
„Schmorbraten!“
Dachte er, der Wirt, bei Schäufele an die triefend fettige, krosse Schweineschwarte, die dieses „Gericht“ an einer Seite begrenzte, kam es ihm schon beim Gedanken daran hoch, wobei er wirklich kein phantasievoller Mensch war. Dabei wurde Schäufele mit vielen Saucen aufgetischt, denke man nur an eine Dunkelbiersauce, mit der es beim Schmorvorgang übergossen wurde.
Dieses Argument führte der Bürgermeister ins Feld, nicht ohne noch vieldeutend und süffisant anzumerken: „Andere Gerichte, vor allem die Einheitsbrei-Küche ala internationaler Fasson könnten nur mehr Menschen mit reduziertem Geschmacksnerven goutieren.“
Daran war etwas. Schaute man sich solche Internationalen Küchen einmal an: Ein einziges großes, heißes Blech, worauf alle Gerichte gleich welcher Art geschmort und zubereitet wurden, konnte von geschmacklicher Diversität nicht mehr die Rede sein.
Das wusste auch der Wirt.
„Pfälzer haben halt mal andere Geschmacksknospen als wir“, sagte die Begleiterin des Bürgermeisters und kicherte dazu, wahrscheinlich über die Knospen. Die Tochter, die dreizehn war und wenn sie normal wäre, hätte sie bestimmt besseres zu tun gehabt, als ihre kostbare Jugendzeit an der Seite des speckigen Papas zu verbringen, stierte mit verkniffenem und schmalen Augen trotzig den Wirt an.
Mädchen, dachte er, du bräuchtest es einmal von einem, der es wirklich kann. Dem dicken Papa traute er nicht viel zu.
„Außerdem“, sagte der Bürgermeister jetzt. „Sie sind als Pächter dieses Etablisements verpflichtet, einen Schweinebraten anzubieten.“
„Verpflichtet!“ Er traute seinen Ohren nicht. „Wie, wie ...“, stammelte er perplex.
„Ja!“ Das Dorfoberhaupt legte sich in seinem Stuhl zurück, reckte seinen großen Bauch heraus, fasste mit den Händen seine zwei Hosengürtel und dozierte: „Das ist bei uns in den kommunalen Statuten so festgelegt. Ein Gesetz!“
Des Wirts erstaunter Mund wurde immer größer.
„Ja, das wir einmal gemacht haben. Das kann man machen. Hier in Bayern ist das erlaubt. Föderalismus. Jede Kommune hat das Recht, seine eigenen Gesetze und Verordnungen zu machen. Deshalb haben wir dies so gemacht.“
Er hatte sich wieder gefangen. Okay, dachte er, Bayern ist Bayern, auch wenn in der Pfalz oder in Hessen so etwas nicht möglich wäre, konnte er sich wenigstens nicht vorstellen. Dass eine Kommune per Verordnung und Gesetz festlegt, dass jede Gastwirtschaft verpflichtet ist, Schweinebraten anzubieten, oder in pfälzischem Fall, Scheinmägen. Nein!
Aber Bayern halt! Und zumal Franken. Ihn begann zu schwanen, dass Letzterem alles zuzutrauen war.
„Also, Sie müssen als Gastronom nicht immer Schweinebraten anbieten. Wir sind nicht engstirnig, aber jedes Wochenende eben. Genauer gesagt am Sonntag. Weil das so Brauch ist bei uns und wir auf Kontinuität und Brauchtum gesteigerten Wert legen.“
Er grinste dabei so merkwürdig, dass dem Wirt Zweifel ankam. In der Tat, das war alles erstunken und erlogen. Selbst Bayern war nicht mehr so hinterwäldlerisch wie dieser Bürgermeister tat. Wenngleich es ihnen zuzutrauen war, also diesen Bayern. Diesem Bayern.
„Ich kann es nicht fassen. Lässt sich das irgendwo nachlesen?“
„Aber natürlich. In den kommunalen Gesetzestexten.“
„Und wo sind die einsehbar? Eine Buchhandlung gibt es hier am Ort nicht. Eine Gemeindebibliothek meines Wissens auch nicht. Muss ich da extra in die Bezirkshauptstadt fahren?“ Er wusste, dass in Bayern, das aus fünf Bezirken bestand, wiederum jedes dieser sein Parlament hatte, dem Bezirkstag nämlich. Denen traute er alles zu.
„Ja, nein.“ Der Bürgermeister lachte schon wieder so merkwürdig. „Kommen'S doch mal zu mir in mein Amtsbüro, dann lass ich Sie sie lesen. Ich zeig Sie ihnen, dann brauchen'S nicht zu suchen.“
Sehr entgegenkommend. Diese ausgestreckte Hand wischte sein Misstrauen vom Tisch. Er glaubte nun nicht mehr, dass er von ihm verarscht wurde. Das war natürlich ein Irrtum. Er traute diesen Bauern einfach nicht solch eine Frechheit und dieses Vanquespiel zu. Aber da sieht man es wieder einmal. Die Bayern werden in anderen Bundesländern sträflich unterschätzt.
„Also gut! Ich komme!“
„Jederzeit!“
Er konnte wahrscheinlich noch von einer Vorzugsbehandlung ausgehen - so kam es ihm vor – welches ihm der Bürgermeister gewährte, als er ihn zu dieser Sache einlud.
Diese Aussicht, dass er als Gastronom verpflichtet war, Schweinebraten am Sonntag anzubieten; machte ihn ganz schwindlig, eher kotzübel. Er dachte an die widerlichen Essensgewohnheiten der Einheimischen. Er sah sie Sonntag für Sonntag, wie sie stumm gebeugt über ihren ekelig riechenden Schweinebraten und heiß dampfenden Klößen saßen, andächtig mampfend und spachtelnd.
Dann lehnte sich der Bürgermeister noch weiter zurück, rülpste und sagte: „Entschuldigung“, eine Geste, die ihm in seiner zweifelhaften Kinderstube, wie es sich gehörte, nicht aberzogen worden war. Na, vielleicht war hier auch die Zeit stehen geblieben, man wusste ja, dass es im Mittelalter als unerzogen galt, wenn man nicht rülpste: „Warum rülpset ihr nicht? Hat es euch nicht geschmacket?“
Dann erhob sich der (verlogene) Bürgervertreter mit seinen zwei Zentnern, der Bauch hing gefährlich vor ihm herab, schien gen Boden zu plumpsen, dass einem Angst und Schrecken in die Gliedern fuhr und nahm seinen Gambsbarthut vom Garderobenständer. Als er nicht grußlos aus dem Stubenzimmer stieg, dackelte ihm seine Tochter ergeben nach, grinste noch frech zum Wirt hin, dieses Luder.
Er dachte, die liegen heute Abend noch im Bett. Wohingegen andere sich einen Joint oder Koks als Animierung reinziehen, vertilgen die während des Verkehrsaktes bestimmt ein Schäufele oder Eisbein. Ihm würde es dabei nur schlecht ergehen, allein bei der Vorstellung.
„Ich glaub, ich verlass bald das Drecksnest hier!“
Es war zum Glück momentan niemand sonst in der Wirtsstube. Trotzdem legte ihm seine Angestellte, wahrscheinlich weil sie ihn einfach berühren wollte, kam es ihm so vor, die Finger auf dem Mund: „Du musst mal zu uns nach Rumänien kommen, dann weißt du, was wirklich ein Drecksnest ist.“
Er konnte es sich vorstellen. Hierzulande von Dreckskerlen zu sprechen, erlaubte nicht von Drecksnester zu reden. Obwohl doch dort, wo Dreckskerle wohnten, doch Drecksnester und Drecksorte sein mussten. Ist aber nicht, diese Orte hierzulande wurden abgeschleckt wie ihre verflixten Eisbeine und Schweinebraten, bevor sie zur Schüssel zurückgelegt.
Ach ja, abräumen! Arbeit heilt alle Wunden!
Trotzdem war Ihm heute noch lange Zeit hundeelend zumute.
Jetzt wurde es ernst.
Doch es war schwierig, die Ernsthaftigkeit einer Lage zu erkennen, wenn man den Auftritt des Bürgermeister sah, der der Floskel „Kleider machen Leute“ Hohn sprach. Seine Krawatte hing ihm schief am Hals, der Knoten war zur Hälfte gelöst, ein Hosenzipfel hingen ihm über den Bund und hatte solch zerzauste Haare, als käme er gerade aus der Badewanne.
Trotzdem, der Besuch des Dorfhäuptlings signalisierte: Die Angelegenheit „Schweinebraten-am-Sonntag oder nicht“ war ein Politikum. Das musste mit allen Mitteln politischer Machtausübung verhindert werden, also verhindert werden, dass der Schweinebraten abgesetzt wird. Darum ging es.
Was immer sie verhindern wollten, er als Wirt würde sich nicht hindern lassen, die Schweinebraten-Ess-Kultur zu ersetzen. Tortellini (Auflauf), Pasta (Nudeln), spanische Tortilla mit Lachs, Tapas und Papas Arrugadas (runzelige Kartoffeln) seinetwegen auch Pizza, ja sogar Döner, wenn es sein muss, Burger sowieso, Hot Dog und die tausend Con-Carne-Sorten – weiß der Teufel, nur nicht bloß Schweinebraten.
„Wir erwarten kein Schäufele. Also sind wir bescheiden. Nur einen Schweinebraten am Sonntag. Das ist das mindeste. Das kann doch nicht zu viel verlangt sein?“ Es klang als hätte der Bürgermeister an dieser kleinen Rede lange gefeilt, denn er brachte sie sehr moduliert und lautverstärkt zum Ausdruck, als stehe er vor einer Rednerbühne und Hunderten von Zuhörer um ihn herum. Dabei war nur er und seine Begleiterin in der Wirtsstube anwesend.
„Schmorbraten!“
Dachte er, der Wirt, bei Schäufele an die triefend fettige, krosse Schweineschwarte, die dieses „Gericht“ an einer Seite begrenzte, kam es ihm schon beim Gedanken daran hoch, wobei er wirklich kein phantasievoller Mensch war. Dabei wurde Schäufele mit vielen Saucen aufgetischt, denke man nur an eine Dunkelbiersauce, mit der es beim Schmorvorgang übergossen wurde.
Dieses Argument führte der Bürgermeister ins Feld, nicht ohne noch vieldeutend und süffisant anzumerken: „Andere Gerichte, vor allem die Einheitsbrei-Küche ala internationaler Fasson könnten nur mehr Menschen mit reduziertem Geschmacksnerven goutieren.“
Daran war etwas. Schaute man sich solche Internationalen Küchen einmal an: Ein einziges großes, heißes Blech, worauf alle Gerichte gleich welcher Art geschmort und zubereitet wurden, konnte von geschmacklicher Diversität nicht mehr die Rede sein.
Das wusste auch der Wirt.
„Pfälzer haben halt mal andere Geschmacksknospen als wir“, sagte die Begleiterin des Bürgermeisters und kicherte dazu, wahrscheinlich über die Knospen. Die Tochter, die dreizehn war und wenn sie normal wäre, hätte sie bestimmt besseres zu tun gehabt, als ihre kostbare Jugendzeit an der Seite des speckigen Papas zu verbringen, stierte mit verkniffenem und schmalen Augen trotzig den Wirt an.
Mädchen, dachte er, du bräuchtest es einmal von einem, der es wirklich kann. Dem dicken Papa traute er nicht viel zu.
„Außerdem“, sagte der Bürgermeister jetzt. „Sie sind als Pächter dieses Etablisements verpflichtet, einen Schweinebraten anzubieten.“
„Verpflichtet!“ Er traute seinen Ohren nicht. „Wie, wie ...“, stammelte er perplex.
„Ja!“ Das Dorfoberhaupt legte sich in seinem Stuhl zurück, reckte seinen großen Bauch heraus, fasste mit den Händen seine zwei Hosengürtel und dozierte: „Das ist bei uns in den kommunalen Statuten so festgelegt. Ein Gesetz!“
Des Wirts erstaunter Mund wurde immer größer.
„Ja, das wir einmal gemacht haben. Das kann man machen. Hier in Bayern ist das erlaubt. Föderalismus. Jede Kommune hat das Recht, seine eigenen Gesetze und Verordnungen zu machen. Deshalb haben wir dies so gemacht.“
Er hatte sich wieder gefangen. Okay, dachte er, Bayern ist Bayern, auch wenn in der Pfalz oder in Hessen so etwas nicht möglich wäre, konnte er sich wenigstens nicht vorstellen. Dass eine Kommune per Verordnung und Gesetz festlegt, dass jede Gastwirtschaft verpflichtet ist, Schweinebraten anzubieten, oder in pfälzischem Fall, Scheinmägen. Nein!
Aber Bayern halt! Und zumal Franken. Ihn begann zu schwanen, dass Letzterem alles zuzutrauen war.
„Also, Sie müssen als Gastronom nicht immer Schweinebraten anbieten. Wir sind nicht engstirnig, aber jedes Wochenende eben. Genauer gesagt am Sonntag. Weil das so Brauch ist bei uns und wir auf Kontinuität und Brauchtum gesteigerten Wert legen.“
Er grinste dabei so merkwürdig, dass dem Wirt Zweifel ankam. In der Tat, das war alles erstunken und erlogen. Selbst Bayern war nicht mehr so hinterwäldlerisch wie dieser Bürgermeister tat. Wenngleich es ihnen zuzutrauen war, also diesen Bayern. Diesem Bayern.
„Ich kann es nicht fassen. Lässt sich das irgendwo nachlesen?“
„Aber natürlich. In den kommunalen Gesetzestexten.“
„Und wo sind die einsehbar? Eine Buchhandlung gibt es hier am Ort nicht. Eine Gemeindebibliothek meines Wissens auch nicht. Muss ich da extra in die Bezirkshauptstadt fahren?“ Er wusste, dass in Bayern, das aus fünf Bezirken bestand, wiederum jedes dieser sein Parlament hatte, dem Bezirkstag nämlich. Denen traute er alles zu.
„Ja, nein.“ Der Bürgermeister lachte schon wieder so merkwürdig. „Kommen'S doch mal zu mir in mein Amtsbüro, dann lass ich Sie sie lesen. Ich zeig Sie ihnen, dann brauchen'S nicht zu suchen.“
Sehr entgegenkommend. Diese ausgestreckte Hand wischte sein Misstrauen vom Tisch. Er glaubte nun nicht mehr, dass er von ihm verarscht wurde. Das war natürlich ein Irrtum. Er traute diesen Bauern einfach nicht solch eine Frechheit und dieses Vanquespiel zu. Aber da sieht man es wieder einmal. Die Bayern werden in anderen Bundesländern sträflich unterschätzt.
„Also gut! Ich komme!“
„Jederzeit!“
Er konnte wahrscheinlich noch von einer Vorzugsbehandlung ausgehen - so kam es ihm vor – welches ihm der Bürgermeister gewährte, als er ihn zu dieser Sache einlud.
Diese Aussicht, dass er als Gastronom verpflichtet war, Schweinebraten am Sonntag anzubieten; machte ihn ganz schwindlig, eher kotzübel. Er dachte an die widerlichen Essensgewohnheiten der Einheimischen. Er sah sie Sonntag für Sonntag, wie sie stumm gebeugt über ihren ekelig riechenden Schweinebraten und heiß dampfenden Klößen saßen, andächtig mampfend und spachtelnd.
Dann lehnte sich der Bürgermeister noch weiter zurück, rülpste und sagte: „Entschuldigung“, eine Geste, die ihm in seiner zweifelhaften Kinderstube, wie es sich gehörte, nicht aberzogen worden war. Na, vielleicht war hier auch die Zeit stehen geblieben, man wusste ja, dass es im Mittelalter als unerzogen galt, wenn man nicht rülpste: „Warum rülpset ihr nicht? Hat es euch nicht geschmacket?“
Dann erhob sich der (verlogene) Bürgervertreter mit seinen zwei Zentnern, der Bauch hing gefährlich vor ihm herab, schien gen Boden zu plumpsen, dass einem Angst und Schrecken in die Gliedern fuhr und nahm seinen Gambsbarthut vom Garderobenständer. Als er nicht grußlos aus dem Stubenzimmer stieg, dackelte ihm seine Tochter ergeben nach, grinste noch frech zum Wirt hin, dieses Luder.
Er dachte, die liegen heute Abend noch im Bett. Wohingegen andere sich einen Joint oder Koks als Animierung reinziehen, vertilgen die während des Verkehrsaktes bestimmt ein Schäufele oder Eisbein. Ihm würde es dabei nur schlecht ergehen, allein bei der Vorstellung.
„Ich glaub, ich verlass bald das Drecksnest hier!“
Es war zum Glück momentan niemand sonst in der Wirtsstube. Trotzdem legte ihm seine Angestellte, wahrscheinlich weil sie ihn einfach berühren wollte, kam es ihm so vor, die Finger auf dem Mund: „Du musst mal zu uns nach Rumänien kommen, dann weißt du, was wirklich ein Drecksnest ist.“
Er konnte es sich vorstellen. Hierzulande von Dreckskerlen zu sprechen, erlaubte nicht von Drecksnester zu reden. Obwohl doch dort, wo Dreckskerle wohnten, doch Drecksnester und Drecksorte sein mussten. Ist aber nicht, diese Orte hierzulande wurden abgeschleckt wie ihre verflixten Eisbeine und Schweinebraten, bevor sie zur Schüssel zurückgelegt.
Ach ja, abräumen! Arbeit heilt alle Wunden!
Trotzdem war Ihm heute noch lange Zeit hundeelend zumute.
V. Der Sparkassendirektor
Was früher der Geistliche war, nämlich die wichtigste Person in der Gemeinde, ist heutzutage der Sparkassenangestellte vor Ort. Selbst der Bischof würde heutzutage zuerst bei ihm seine Aufwartung machen, vor dem Pfarrer und dem Bürgermeister. Verständlich, er hat ja allen Grund, die Pension ist nicht mehr sicher. Keiner kann mehr garantieren, ob der Betriebsfonds des Dezernats noch genügend Geld sprudeln lässt, wenn er alt und gebrechlich wäre. Zahlen bis dahin noch ausreichend Mitglieder Kirchensteuer ein, wenn die allermeisten aus diesem Verein ausgetreten sind?
Der Sparkassendirektor – wenn er es war, bei der kleinen Filiale zu bezweifeln – egal, welcher Titel, seine Sprache wies ihn als Einheimischen aus. Dagegen war sein Outfit das eines stereotypen Banker, akkurat, anzugmäßig, steifer Kragen und einfarbige Krawatte, schmale Halbschuhe, über denen eine zweifarbig-gestreifte Socke herausschaute, bestimmt in den Farben der Ortschaft hier. Jede Gemeinde hatte ja bekanntlich sein unverwechselbares Logo, meist in Form von zwei, drei Farben sowie dazu irgendwelche obskuren geometrischen Figuren und nicht weniger ominösen Gestalten wie Hirschgeweih, Hasenrute oder offener Anus über aufrecht stehendem Rehstummelschwanz.
Am Markantesten war jedoch der liebevoll gewichste Oberlippenbart des Bankers, der in den Enden nach oben gezwirbelt war wie der weiland Kaiser Wilhelms. Das Erstaunliche, der Träger setzte dazu eine derart ernste Miene auf, dass man tatsächlich vermuten musste, dass er sich gar nicht lächerlich vorkam, obwohl ihn jeder Blick in den Spiegel strafen musste.
Wie er zu dem Posten gekommen ist? Bestimmt nicht über ein Universitätsstudium, sondern weil er der Bruder eines ortsansässigen Bauunternehmers war, dessen Familie ihn leider nicht als Erbe auserwählt hatte. Bestimmt brachte er nicht solche Fähigkeiten mit, um sich als Selbstständiger eine Existenz aufzubauen. Obwohl ein Mittelschichtsunternehmer in diesen Kreisen ein Idol, ein Halbgott, das Non-Plus-Ultra war. Als Bürokrat jedoch war er perfekt, effektiv und gut vernetzt, wie das heutzutage anerkennend hieß. Früher war das Zeichen von Vetternwirtschaft. Aber er stand so unverrückbar auf seinem Posten wie die steinernen Denkmäler auf den Brücken, die über die kleinen Bäche errichtet worden waren.
Dass er ein stinkender Sprößling aus einer vorhergehenden Generation von Sau-, Ochsen-, Rüben- und Kartoffelbauern war, entlarvten seine klobigen Wursthände, die unübersehbar und furchteinflößend waren - auch wenn er noch sehr darum bemüht war, als feiner Pinkel durchzugehen und sich gebärdete, als ob er nicht einmal Fliegen und Mücken etwas zuleide tun könnte, die nächsten Nachbarn seines Stalls, aus dem er kam. Er war so fein, dass er ständig überall vermeintliche Fusseln von seinen Kleidern zupfte.
Dass diese wichtige Vertretung des Ortes sich an dieser Stätte die Ehre geben würde, war nicht weiter erstaunlich. Aber um so mehr der Zeitpunkt: so früh bereits! Aber doch, man wusste ja, dass die Sparkasse so ziemlich bei jedem Projekt, mit Sicherheit bei jedem größeren, die Finger mit im Spiel hatte. Und dass sie auch in diesem Restaurant mitmischte, war nicht weiter verwunderlich, genau so wenig wie das, was man erwartete: profitorientiertes Wirtschaften.
Nur, auf welche Weise?
Dass der Wirt andere Perspektiven hatte, weil er an seine Grenzen stieß und einfach keinen Schweinebratenduft mehr verkraften konnte, so gewinnverheißend dieser auch schien, war bestimmt Anlass zu diesem Besuch in diesem frühen Stadium des neu eröffneten Restaurants.
Und um den Betrieb gleich ein bisschen in Schwung zu bringen, stellt der Direktor gleich unter Beweis, woher der Wind wehte.
„Wo ist denn hier das Stammtisch-Emblem?“
„Welches?“
„Na, das da hingehört.“ Er weist mit seinen pingeligen Fingern auf den einzigen 8ter-Tisch mit zwei Eckstühlen. Aber klar. Was ein Stammtisch sein soll, braucht eine imposante Standarte.
„Weiß nicht!“
„Das hamma gleich! Schauen Sie doch einmal in die Abstellkammer ganz hinten in der Küche.“
Der Wirt tat, wie ihm geraten. Dort hinten lag ziemlich viel Krimskrams herum, aber er entdeckte eine Stammtisch-Emblem-Fahne auf schwerem Stahlblock, zog sie heraus und schleppte sie, obwohl durch tagtägliches Gewichtsheben gestählt, wie Obelix seinen Hinkelstein mit gegen Boden hängenden Armen in die gute Stube.
Sowie er es in die Mitte des Tischs krachend abstellt hatte, sah er es erst: obenauf in schwarzer Schrift auf weißem Hintergrund ein Hakenkreuz. Ihm ging ein Licht auf, klar, diese Ecke hier wimmelte nur so von Reichsbürgern, letzthin hatte sogar einer einen jungen Polizisten erschossen, als sie ihm seine illegalen Waffen abnehmen wollten. Das hatte nicht nur überregional, sondern sogar europaweit Aufsehen erregt.
Aber der Sparkassendirektor lachte feist. Er war weniger entsetzt als amüsiert.
„Da haben sie ein falsches erwischt.“
Er kapierte.
„Aha, gibt es da noch ein anderes?“
„Aber natürlich. Die Zeiten haben sich auch bei uns geändert.“
Darüber dachte er noch öfter nach, weil nach allem, was ihm noch zustieß, ihm diese Aussage als sehr fragwürdig vorkam.
Er suchte noch einmal und fand die fast gleiche Ausfertigung was Maße und Farbe anbelangte, nur mit einen Sparkassen-Wimpel als Krone.
Zwar stellte er es auf den Tisch, aber mit Hintergedanken: Wer pflegt heutzutage noch Stammtischkultur und wenn der feine Pinkel verschwunden sein würde, würde er wieder reinen Tisch machen. Nachdem, was er mit der Kneipe vorhatte, wird man gut verstehen können, wieso er selbst dieses rote Fragezeichen, das Emblem der überall präsenten kommunalen Bank, nicht passend fand.
Der Sparkassen-Direktor schwieg andächtig im Anblick dieser Standarte, als hätte er solch ein darauf prangendes Zeichen noch niemals in seinem Leben gesehen. Man kann durchaus sagen, dass er über diese Standarte meditierte wie weiland die Nazis über ihr Symbol. Der Stolz darüber dürfte sowieso der Gleiche sein. Zumindest was die Intensität anbelangt. Und wenn man sich den Spruch dieser Bank zu Herzen nimmt, die jeder schmerzhaft kennt, weil sie jeden Abend während der gegenwärtigen Olympiade oft innerhalb von fünf Minuten zweimal gesendet wird, und das im Öffentlichen, Weils-um-mehr-geht-als-um-Geld, dann weiß man, dass zwischen Sparkassenlogo, rotem Fragezeichen auf weißem Hintergrund und Swastika der Nazis, schwarzes Zeichen auf weißem HIntergrund kein spiritueller Unterschied bestehen kann. Nur, das liegt auf der Hand, ein farblicher.
(Wieso?
Okay, ich erklär's.
Die Symbole waren beide die corporate identity.
Okay, was sagt das aber?
Na, die Nazis hatten doch ihre Untermenschen?
Ja, und die Sparkasse?
Na, bei denen sind das die, die kein Geld haben, ganz klar!
Hm, ja, okay. Aber das stehen sie nicht allein da. So denken viele!
Genau, zwischen Swastika ehmals und Sparkassen-Symbol heutzutage kein Unterschied. Die Gesellschaft hat sich im Prinzip nicht geändert. (Hier Untermenschen, dort Übermenschen.)
Aber damals und heute, da ist schon ein Unterschied.
Ja, ja. Ich weiß schon. Konzentrationslager und so!
Genau. Das ist doch ein signifikanter Unterschied.
Wo du es sagst, das stimmt. Signifikant! Und Signifikanz ist wichtig! Signifikanz ist alles entscheidend. Ist das Absolutum. Ist Gotteszeichen. Genau.)
Auch wenn der Sparkassendirektor noch so andächtig vertieft über sein Symbol brütete, hieß das, dass er mitnichten zur Ruhe kam. Immer wieder schielte er abwechselnd auf seine goldfarbene Uhr oder auf seine unter seiner Kinnlade hängenden Krawatte oder schnüffelte wie ein Hund mit seiner Schnauze, pardon Nase in der Luft, als vermeinte er Angebratenes zu riechen. Wahrscheinlich roch er rein gar nichts, bei dieser verkoksten Nase. Mit der Hand zupfte er ständig imaginäre Fusseln vom Anzug und Hose.
Zwangsneurotiker? Allergiker? Neurodermit?
Oder litten Provinz-Banker heutzutage auch schon unter Managerstress?
Dann kamen sie auf das Gasthaus zu sprechen.
„Wollen Sie nicht dieses Wirtshaus kaufen? Wenn ich Ihnen die Vorteile des Erwerbs schildern darf.“
„Gehen sche mer weg mit ihrer Zahlakrobatik!“
Vor Schreck sprach der Wirt hessisch, was er schon lange nicht mehr getan hatte, schließlich war er die meiste Zeit seines Lebens außerhalb seinem Ursprungslands tätig gewesen und bei dem internationalen Gästen, die er verköstigte und abfüllte, musste man ein leidliches Hochdeutsch sprechen, um nicht zahlungskräftige Potentaten zu verlieren.
„Gewinn macht mer nur durch Masse!“, dozierte der Sparkassenfritze und wischte sich einen Faden vom Anzug.
Masse, Masse dachte er. Darauf ist geschissen. Die ständige Stammtisch-Gesellschaft-Wirtschaft ist passé, heutzutage, wo sie in Familienparzellen vor der Glotze sitzen und ihr Krimis genossen. War ein Stammtisch-Publikum als Geschäftsmodell voraus gesetzt worden, war die Renovierung und Herausputzung dieser alten Wirtshauses eine totale Fehlinvestition und für die Katz gewesen.
Die Sanierung hatte nur dazu gedient, den notorischen Arbeitslosen vor Ort zu beschäftigen. Dass dieser nicht dazu imstande war, eine Beschäftigung an einem ein paar Kilometer entfernten Ort aufzunehmen, lag bestimmt nicht an seiner Heimatverbundenheit, sondern weil er den Arsch nicht hoch kriegte oder ihm der Führerschein wegen Trunkenheit am Steuer abgenommen worden war.
Ach, und nun sollte er diesen Faulpelz auch noch im Nachhinein alimentieren – schön blöd wäre er!
Der bauernschlaue Sparkassendirektor hatte schnell kapiert, dass eine Verhökerung hier nicht in Frage kam und wechselte schnell das Thema, wenn es auch ein bereits abgehaktes war: „Und was die Mehrheit will, macht den Gewinn aus. Und die Mehrheit hier will nun mal Schweinebraten. Das ist doch logisch, oder nicht?“
Dazu rückte er erneut seinen Schal zurecht, den er sich nicht vom Hals genommen, als er sich niedergesetzt hatte. Immerhin hatte er seinen weiten, beige-grauer Trenchcoat an der Garderobe abgehängt.
Man muss bedenken, in welchen Kreisen der Wirt verkehrt hatte, man denke an Düsseldorf und die wirklich Reichen dieser Republik, so dass es nicht verwunderlich war, dass ihn diese Farbe zum Kotzen brachte, weil sie modisch so daneben lag und farblich dem Kuhodel glich, der da allenthalben von den Nebenerwerbs-Landwirten über die Äcker verspritzt wurde. Dieser stank mehr als furchtbar.
„Nein!“, dachte der Wirt. „Der kann mir gestohlen bleiben. Ich habe genug Geld gescheffelt in meinem Leben. Als Koch, als Lokalbesitzer, als Restaurantbetreiber. Dem Rudel muss ich nicht mehr hinterherrennen.“
Und apropos Rudel! „Rubel habe ich genug gescheffelt. (Man muss hier an die kyrillische Schrift denken, an den russischsprachigen Leser: de ist be; d=b). Ich bewirte nur noch erlesene Gäste, nicht gerade Elite, aber Gästen mit einem Minimum an Geschmack, jawohl! Selektion haben das meine internationalen Bekannten genannt. Selektion ist das gesegnete Wasser der Weisen.“
Es bewies, dass der Wirt immer noch eine Page, ein Hotellakai und Parvenü war, der nachplapperte und nachdachte, was die reichen Damen und Herren verlauten ließen.
Der Sparkassendirektor erhob sich, um aufs Klo zu gehen.
Als er weg war, kam ein Gast herein, der dumme Gnom.
„Wo sind denn heute alle?“
„Nur der Sparkassendirektor ist heute da!“
„Hä!“ Und er drehte sich im Kreis, um diesen zu sehen.
„Auf dem Scheißhaus!“
„Ahso!“
„Genau!“
„Aber ich will dir mal eins sagen.“ Er machte keine Anstalten, sich zu setzen.
„Die Sparkassenfritzen, die sind genauso wie früher die Juden waren.“
„Hä!“
„Ja, machen jetzt das Gleiche, was früher die Juden gemacht haben!“
„Was haben die denn gemacht?“
„Na, zum Beispiel unser Haus, unser Anwesen, das haben sie geteilt.“
„Geteilt?“
„Ja, ja. Wegen Schulden. Und plötzlich gehörte der Bauernhof nur noch zur Hälfte unserer Familie. Die andere gehörten den Juden, der Bank damals. Und genauso machen diese Sparkassenfritze das den Juden nach. So sieht es aus!“ Und weg war der bösartige Gnom.
Der Sparkassendirektor kam wieder vom Klo und machte er Anstalten zu verschwinden. Während er sich seinen Trenchcoat überzog, begann er zu schimpfen: „Diejenigen, die Arbeit wollen, bekommen auch welche!“
Der Wirt kapiert sofort. Das war der Abgesang, in den er jetzt unbedingt einstimmen musste, sonst kriegte er diesen Heini nicht mehr los, zumindest käme er früher als erwartet wieder.
So sind sich der Mittelständler und der Sparkassendirektor einig, einig im Schimpf gegen die Schwachen, die Besitzlosen, die Ausgestoßenen, die faulen Säue. Wie die Rohrspatzen schellen sie auf die notorischen Faulpelze. Zum Glück befindet sich kein Einheimischer in der Wirtsstube, der sich hätte angesprochen gefühlt. Ein Fremder (Fremdbetten!) dagegen hätte keine Luft mehr gekriegt in der stickigen Gaststube und wäre erstickt.
Zum krönenden Abschluss fixiert der Geldheini liebevoll seine goldglänzende Armbanduhr, bevor er ganz eilig tut, um seinem nächsten Date zu hinterher zu jagen. In sein Arbeitsprotokoll wird stehen: Mission erfüllt! Wie dieser Amerikaner, dieser Hollywoodheld Tom Cruise, der ja auch bei einer Sekte Mitglied ist. Waren sie alle, diese Topmanager, bei irgendwelchen Sekten, Gesellschaften und Firmen, nur der Wirt nicht, er war Selbständiger und Mittelständer und scheute Vereine wie der Teufel das Weihwasser, worauf er betonten Wert legte!
Der Sparkassendirektor – wenn er es war, bei der kleinen Filiale zu bezweifeln – egal, welcher Titel, seine Sprache wies ihn als Einheimischen aus. Dagegen war sein Outfit das eines stereotypen Banker, akkurat, anzugmäßig, steifer Kragen und einfarbige Krawatte, schmale Halbschuhe, über denen eine zweifarbig-gestreifte Socke herausschaute, bestimmt in den Farben der Ortschaft hier. Jede Gemeinde hatte ja bekanntlich sein unverwechselbares Logo, meist in Form von zwei, drei Farben sowie dazu irgendwelche obskuren geometrischen Figuren und nicht weniger ominösen Gestalten wie Hirschgeweih, Hasenrute oder offener Anus über aufrecht stehendem Rehstummelschwanz.
Am Markantesten war jedoch der liebevoll gewichste Oberlippenbart des Bankers, der in den Enden nach oben gezwirbelt war wie der weiland Kaiser Wilhelms. Das Erstaunliche, der Träger setzte dazu eine derart ernste Miene auf, dass man tatsächlich vermuten musste, dass er sich gar nicht lächerlich vorkam, obwohl ihn jeder Blick in den Spiegel strafen musste.
Wie er zu dem Posten gekommen ist? Bestimmt nicht über ein Universitätsstudium, sondern weil er der Bruder eines ortsansässigen Bauunternehmers war, dessen Familie ihn leider nicht als Erbe auserwählt hatte. Bestimmt brachte er nicht solche Fähigkeiten mit, um sich als Selbstständiger eine Existenz aufzubauen. Obwohl ein Mittelschichtsunternehmer in diesen Kreisen ein Idol, ein Halbgott, das Non-Plus-Ultra war. Als Bürokrat jedoch war er perfekt, effektiv und gut vernetzt, wie das heutzutage anerkennend hieß. Früher war das Zeichen von Vetternwirtschaft. Aber er stand so unverrückbar auf seinem Posten wie die steinernen Denkmäler auf den Brücken, die über die kleinen Bäche errichtet worden waren.
Dass er ein stinkender Sprößling aus einer vorhergehenden Generation von Sau-, Ochsen-, Rüben- und Kartoffelbauern war, entlarvten seine klobigen Wursthände, die unübersehbar und furchteinflößend waren - auch wenn er noch sehr darum bemüht war, als feiner Pinkel durchzugehen und sich gebärdete, als ob er nicht einmal Fliegen und Mücken etwas zuleide tun könnte, die nächsten Nachbarn seines Stalls, aus dem er kam. Er war so fein, dass er ständig überall vermeintliche Fusseln von seinen Kleidern zupfte.
Dass diese wichtige Vertretung des Ortes sich an dieser Stätte die Ehre geben würde, war nicht weiter erstaunlich. Aber um so mehr der Zeitpunkt: so früh bereits! Aber doch, man wusste ja, dass die Sparkasse so ziemlich bei jedem Projekt, mit Sicherheit bei jedem größeren, die Finger mit im Spiel hatte. Und dass sie auch in diesem Restaurant mitmischte, war nicht weiter verwunderlich, genau so wenig wie das, was man erwartete: profitorientiertes Wirtschaften.
Nur, auf welche Weise?
Dass der Wirt andere Perspektiven hatte, weil er an seine Grenzen stieß und einfach keinen Schweinebratenduft mehr verkraften konnte, so gewinnverheißend dieser auch schien, war bestimmt Anlass zu diesem Besuch in diesem frühen Stadium des neu eröffneten Restaurants.
Und um den Betrieb gleich ein bisschen in Schwung zu bringen, stellt der Direktor gleich unter Beweis, woher der Wind wehte.
„Wo ist denn hier das Stammtisch-Emblem?“
„Welches?“
„Na, das da hingehört.“ Er weist mit seinen pingeligen Fingern auf den einzigen 8ter-Tisch mit zwei Eckstühlen. Aber klar. Was ein Stammtisch sein soll, braucht eine imposante Standarte.
„Weiß nicht!“
„Das hamma gleich! Schauen Sie doch einmal in die Abstellkammer ganz hinten in der Küche.“
Der Wirt tat, wie ihm geraten. Dort hinten lag ziemlich viel Krimskrams herum, aber er entdeckte eine Stammtisch-Emblem-Fahne auf schwerem Stahlblock, zog sie heraus und schleppte sie, obwohl durch tagtägliches Gewichtsheben gestählt, wie Obelix seinen Hinkelstein mit gegen Boden hängenden Armen in die gute Stube.
Sowie er es in die Mitte des Tischs krachend abstellt hatte, sah er es erst: obenauf in schwarzer Schrift auf weißem Hintergrund ein Hakenkreuz. Ihm ging ein Licht auf, klar, diese Ecke hier wimmelte nur so von Reichsbürgern, letzthin hatte sogar einer einen jungen Polizisten erschossen, als sie ihm seine illegalen Waffen abnehmen wollten. Das hatte nicht nur überregional, sondern sogar europaweit Aufsehen erregt.
Aber der Sparkassendirektor lachte feist. Er war weniger entsetzt als amüsiert.
„Da haben sie ein falsches erwischt.“
Er kapierte.
„Aha, gibt es da noch ein anderes?“
„Aber natürlich. Die Zeiten haben sich auch bei uns geändert.“
Darüber dachte er noch öfter nach, weil nach allem, was ihm noch zustieß, ihm diese Aussage als sehr fragwürdig vorkam.
Er suchte noch einmal und fand die fast gleiche Ausfertigung was Maße und Farbe anbelangte, nur mit einen Sparkassen-Wimpel als Krone.
Zwar stellte er es auf den Tisch, aber mit Hintergedanken: Wer pflegt heutzutage noch Stammtischkultur und wenn der feine Pinkel verschwunden sein würde, würde er wieder reinen Tisch machen. Nachdem, was er mit der Kneipe vorhatte, wird man gut verstehen können, wieso er selbst dieses rote Fragezeichen, das Emblem der überall präsenten kommunalen Bank, nicht passend fand.
Der Sparkassen-Direktor schwieg andächtig im Anblick dieser Standarte, als hätte er solch ein darauf prangendes Zeichen noch niemals in seinem Leben gesehen. Man kann durchaus sagen, dass er über diese Standarte meditierte wie weiland die Nazis über ihr Symbol. Der Stolz darüber dürfte sowieso der Gleiche sein. Zumindest was die Intensität anbelangt. Und wenn man sich den Spruch dieser Bank zu Herzen nimmt, die jeder schmerzhaft kennt, weil sie jeden Abend während der gegenwärtigen Olympiade oft innerhalb von fünf Minuten zweimal gesendet wird, und das im Öffentlichen, Weils-um-mehr-geht-als-um-Geld, dann weiß man, dass zwischen Sparkassenlogo, rotem Fragezeichen auf weißem Hintergrund und Swastika der Nazis, schwarzes Zeichen auf weißem HIntergrund kein spiritueller Unterschied bestehen kann. Nur, das liegt auf der Hand, ein farblicher.
(Wieso?
Okay, ich erklär's.
Die Symbole waren beide die corporate identity.
Okay, was sagt das aber?
Na, die Nazis hatten doch ihre Untermenschen?
Ja, und die Sparkasse?
Na, bei denen sind das die, die kein Geld haben, ganz klar!
Hm, ja, okay. Aber das stehen sie nicht allein da. So denken viele!
Genau, zwischen Swastika ehmals und Sparkassen-Symbol heutzutage kein Unterschied. Die Gesellschaft hat sich im Prinzip nicht geändert. (Hier Untermenschen, dort Übermenschen.)
Aber damals und heute, da ist schon ein Unterschied.
Ja, ja. Ich weiß schon. Konzentrationslager und so!
Genau. Das ist doch ein signifikanter Unterschied.
Wo du es sagst, das stimmt. Signifikant! Und Signifikanz ist wichtig! Signifikanz ist alles entscheidend. Ist das Absolutum. Ist Gotteszeichen. Genau.)
Auch wenn der Sparkassendirektor noch so andächtig vertieft über sein Symbol brütete, hieß das, dass er mitnichten zur Ruhe kam. Immer wieder schielte er abwechselnd auf seine goldfarbene Uhr oder auf seine unter seiner Kinnlade hängenden Krawatte oder schnüffelte wie ein Hund mit seiner Schnauze, pardon Nase in der Luft, als vermeinte er Angebratenes zu riechen. Wahrscheinlich roch er rein gar nichts, bei dieser verkoksten Nase. Mit der Hand zupfte er ständig imaginäre Fusseln vom Anzug und Hose.
Zwangsneurotiker? Allergiker? Neurodermit?
Oder litten Provinz-Banker heutzutage auch schon unter Managerstress?
Dann kamen sie auf das Gasthaus zu sprechen.
„Wollen Sie nicht dieses Wirtshaus kaufen? Wenn ich Ihnen die Vorteile des Erwerbs schildern darf.“
„Gehen sche mer weg mit ihrer Zahlakrobatik!“
Vor Schreck sprach der Wirt hessisch, was er schon lange nicht mehr getan hatte, schließlich war er die meiste Zeit seines Lebens außerhalb seinem Ursprungslands tätig gewesen und bei dem internationalen Gästen, die er verköstigte und abfüllte, musste man ein leidliches Hochdeutsch sprechen, um nicht zahlungskräftige Potentaten zu verlieren.
„Gewinn macht mer nur durch Masse!“, dozierte der Sparkassenfritze und wischte sich einen Faden vom Anzug.
Masse, Masse dachte er. Darauf ist geschissen. Die ständige Stammtisch-Gesellschaft-Wirtschaft ist passé, heutzutage, wo sie in Familienparzellen vor der Glotze sitzen und ihr Krimis genossen. War ein Stammtisch-Publikum als Geschäftsmodell voraus gesetzt worden, war die Renovierung und Herausputzung dieser alten Wirtshauses eine totale Fehlinvestition und für die Katz gewesen.
Die Sanierung hatte nur dazu gedient, den notorischen Arbeitslosen vor Ort zu beschäftigen. Dass dieser nicht dazu imstande war, eine Beschäftigung an einem ein paar Kilometer entfernten Ort aufzunehmen, lag bestimmt nicht an seiner Heimatverbundenheit, sondern weil er den Arsch nicht hoch kriegte oder ihm der Führerschein wegen Trunkenheit am Steuer abgenommen worden war.
Ach, und nun sollte er diesen Faulpelz auch noch im Nachhinein alimentieren – schön blöd wäre er!
Der bauernschlaue Sparkassendirektor hatte schnell kapiert, dass eine Verhökerung hier nicht in Frage kam und wechselte schnell das Thema, wenn es auch ein bereits abgehaktes war: „Und was die Mehrheit will, macht den Gewinn aus. Und die Mehrheit hier will nun mal Schweinebraten. Das ist doch logisch, oder nicht?“
Dazu rückte er erneut seinen Schal zurecht, den er sich nicht vom Hals genommen, als er sich niedergesetzt hatte. Immerhin hatte er seinen weiten, beige-grauer Trenchcoat an der Garderobe abgehängt.
Man muss bedenken, in welchen Kreisen der Wirt verkehrt hatte, man denke an Düsseldorf und die wirklich Reichen dieser Republik, so dass es nicht verwunderlich war, dass ihn diese Farbe zum Kotzen brachte, weil sie modisch so daneben lag und farblich dem Kuhodel glich, der da allenthalben von den Nebenerwerbs-Landwirten über die Äcker verspritzt wurde. Dieser stank mehr als furchtbar.
„Nein!“, dachte der Wirt. „Der kann mir gestohlen bleiben. Ich habe genug Geld gescheffelt in meinem Leben. Als Koch, als Lokalbesitzer, als Restaurantbetreiber. Dem Rudel muss ich nicht mehr hinterherrennen.“
Und apropos Rudel! „Rubel habe ich genug gescheffelt. (Man muss hier an die kyrillische Schrift denken, an den russischsprachigen Leser: de ist be; d=b). Ich bewirte nur noch erlesene Gäste, nicht gerade Elite, aber Gästen mit einem Minimum an Geschmack, jawohl! Selektion haben das meine internationalen Bekannten genannt. Selektion ist das gesegnete Wasser der Weisen.“
Es bewies, dass der Wirt immer noch eine Page, ein Hotellakai und Parvenü war, der nachplapperte und nachdachte, was die reichen Damen und Herren verlauten ließen.
Der Sparkassendirektor erhob sich, um aufs Klo zu gehen.
Als er weg war, kam ein Gast herein, der dumme Gnom.
„Wo sind denn heute alle?“
„Nur der Sparkassendirektor ist heute da!“
„Hä!“ Und er drehte sich im Kreis, um diesen zu sehen.
„Auf dem Scheißhaus!“
„Ahso!“
„Genau!“
„Aber ich will dir mal eins sagen.“ Er machte keine Anstalten, sich zu setzen.
„Die Sparkassenfritzen, die sind genauso wie früher die Juden waren.“
„Hä!“
„Ja, machen jetzt das Gleiche, was früher die Juden gemacht haben!“
„Was haben die denn gemacht?“
„Na, zum Beispiel unser Haus, unser Anwesen, das haben sie geteilt.“
„Geteilt?“
„Ja, ja. Wegen Schulden. Und plötzlich gehörte der Bauernhof nur noch zur Hälfte unserer Familie. Die andere gehörten den Juden, der Bank damals. Und genauso machen diese Sparkassenfritze das den Juden nach. So sieht es aus!“ Und weg war der bösartige Gnom.
Der Sparkassendirektor kam wieder vom Klo und machte er Anstalten zu verschwinden. Während er sich seinen Trenchcoat überzog, begann er zu schimpfen: „Diejenigen, die Arbeit wollen, bekommen auch welche!“
Der Wirt kapiert sofort. Das war der Abgesang, in den er jetzt unbedingt einstimmen musste, sonst kriegte er diesen Heini nicht mehr los, zumindest käme er früher als erwartet wieder.
So sind sich der Mittelständler und der Sparkassendirektor einig, einig im Schimpf gegen die Schwachen, die Besitzlosen, die Ausgestoßenen, die faulen Säue. Wie die Rohrspatzen schellen sie auf die notorischen Faulpelze. Zum Glück befindet sich kein Einheimischer in der Wirtsstube, der sich hätte angesprochen gefühlt. Ein Fremder (Fremdbetten!) dagegen hätte keine Luft mehr gekriegt in der stickigen Gaststube und wäre erstickt.
Zum krönenden Abschluss fixiert der Geldheini liebevoll seine goldglänzende Armbanduhr, bevor er ganz eilig tut, um seinem nächsten Date zu hinterher zu jagen. In sein Arbeitsprotokoll wird stehen: Mission erfüllt! Wie dieser Amerikaner, dieser Hollywoodheld Tom Cruise, der ja auch bei einer Sekte Mitglied ist. Waren sie alle, diese Topmanager, bei irgendwelchen Sekten, Gesellschaften und Firmen, nur der Wirt nicht, er war Selbständiger und Mittelständer und scheute Vereine wie der Teufel das Weihwasser, worauf er betonten Wert legte!
VI. Der Berufsschullehrer
Noch waren die Würfel nicht gefallen. Noch hatte er den Schweinebraten auf der Speisekarte. Es gab Sonntag noch traditionelles fränkisches Essen, aber die Umstrukturierung der Speisekarte war schon im Gang.
Es fanden sich an einigen Tagen Brüder zusammen, die am Stammtisch kartelten. Aber er ließ sich nicht täuschen. Sie kamen hierher, um den Schein zu wahren, lieber wären sie träge auf dem Sofa in ihrem Wohnzimmer gesessen und hätten die tagtäglichen Krimis im Fernsehen verfolgt.
Beim Karteln krempelte einer stets die Ärmel hoch, als ging's zur Handarbeit. Er signalisierte, dass er zupacken konnte. Das war lächerlich, befanden sie sich doch hier in einer Gaststube und nicht auf einer Baustelle. Aber zum Handwerk gehört Scheppern, wie es heißt.
„Und Trumpf!“ „Der Obere sticht den Unteren!“
Zwischen dem Karteln wurden die neuesten Nachrichten mitgeteilt.
„Du, habt's scho ghört. Der Willi hat „Grebs“.
Der Wirt begriff einige lange Sekunden nicht, was das sein soll: Grebs.
Das musste man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen: „Greps“, ein Ausdruck, den man sich auf der Zungen zergehen lassen musste. Ein Sprachwissenschaftler würde bestimmt über diesen Dialekt diagnostizieren: Krebs. Schwerste Chemotherapie zu verorden! Prognose: Heilungschancen gleich Null zu befürchten.
Dann kryptische Bemerkungen, zum Beispiel: „Das ist ein Bock!“
Dahinter steckte doch System. Denn derjenige, der das sagte, kam als letzter dran und stach alle anderen aus.
Der Wirt erinnerte sich. Das kennt er doch!
Das war ein Stichwort für den Partner, dass er schmieren sollte, weil der Ansager die höchsten Karten besaß.
So lief der Hase also!
Hier wurde betrogen!
Voller Verachtung schaute er auf den Lehrer.
Na ja, Berufsschullehrer. Sie rochen ohnehin nach Leim, Kalk und vor allem Vetternwirtschaft, denn Menschen, die gut im Handwerken waren, gut mit Kellen, Hobeln und Schaufeln umgehen konnten, konnten dies mitnichten mit Seelen.
So ist es doch!
Der Berufsschullehrer verteilte gern Watschen, oder Schellen wie die hierzulande sagen, wenn ein dummer Schüler nicht etwas kapierte. Er war selbst in der Berufsschule gewesen.
Ein Vorfall beim Karteln setzte der Stammtisch-Kultur in dieser Gaststube ein definitives Ende.
Der Berufsschullehrer geriet wieder einmal in Hochform: „Berlin. Diese schwule Bagage. Kinderficker!“
Der Wirt hielt den Atem an.
„Warum?“ fiel er unkontrolliert ein.
„Homos und Ehe. Deckt sich das mit unserem Grundgesetz? Die Familie steht unterm besonderen Schutz der Verfassung. Und die Schwulen besudeln diese Institution.“
Als ob das noch ein Thema wäre, Homosexuellen-Ehen? Nicht in Hessen, nicht in der Pfalz, geschweige denn im hohen Norden. Aber in Bayern, in Franken schon!
Zog der Lehrer jetzt noch über Behinderte her, was das Nächstliegende gewesen wäre, dann würde er als Gastgeber diesen Pädagogen aber hochkant hinausschmeißen. Aber da vermutlich Behinderte auch Schüler von ihm waren, Stichwort Inklusion, getraute er sich denn doch nicht, so weit zu gehen.
Aber wieder entstand eine Endlosschleife: „Die in Berlin. Ich könnte die in die Luft jagen, kann ich euch sagen. Schwule heiraten lassen. Die gleichen Rechte gewähren. Ich sag euch: wenn das so weitergeht und aller Mist, den die produzieren, von da oben zu uns in den Süden schwappt, dann läutet dies den Untergang des bayerischen Abendlandes ein, darauf gibt ich euch mein Wort.“
Manchmal war dieser Lehrer nicht imstande, einen korrekten deutschen Satz zu formulieren, was schien's nur ihm auffiel, aber nicht weil er Hesse war. Dessen sprachliche Unfähigkeit lag nicht am süddeutschen Dialekt, sondern in seiner Unfähigkeit, einfach keinen richtigen Satz zustande zu bringen.
Da fragte man sich schon, ob der Lehrer überhaupt wusste, was er da redete.
Als der Wirt am selben Abend, nach solch einer unappetitlichen Tirade, aus der Küche in die gute Gaststube trat, sah er, wie Pauker wieder einmal auf den Boden spuckte. Das war die beste Gelegenheit, diesem Schwachsinn, Betrug und Unhygiene hier, ein definitives Ende zu setzen.
Wütend warf er ihn hinaus, samt Kartelfreunde.
Dann hängte er die neue Speisekarte aus.
Er hatte sich entschieden.
Es fanden sich an einigen Tagen Brüder zusammen, die am Stammtisch kartelten. Aber er ließ sich nicht täuschen. Sie kamen hierher, um den Schein zu wahren, lieber wären sie träge auf dem Sofa in ihrem Wohnzimmer gesessen und hätten die tagtäglichen Krimis im Fernsehen verfolgt.
Beim Karteln krempelte einer stets die Ärmel hoch, als ging's zur Handarbeit. Er signalisierte, dass er zupacken konnte. Das war lächerlich, befanden sie sich doch hier in einer Gaststube und nicht auf einer Baustelle. Aber zum Handwerk gehört Scheppern, wie es heißt.
„Und Trumpf!“ „Der Obere sticht den Unteren!“
Zwischen dem Karteln wurden die neuesten Nachrichten mitgeteilt.
„Du, habt's scho ghört. Der Willi hat „Grebs“.
Der Wirt begriff einige lange Sekunden nicht, was das sein soll: Grebs.
Das musste man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen: „Greps“, ein Ausdruck, den man sich auf der Zungen zergehen lassen musste. Ein Sprachwissenschaftler würde bestimmt über diesen Dialekt diagnostizieren: Krebs. Schwerste Chemotherapie zu verorden! Prognose: Heilungschancen gleich Null zu befürchten.
Dann kryptische Bemerkungen, zum Beispiel: „Das ist ein Bock!“
Dahinter steckte doch System. Denn derjenige, der das sagte, kam als letzter dran und stach alle anderen aus.
Der Wirt erinnerte sich. Das kennt er doch!
Das war ein Stichwort für den Partner, dass er schmieren sollte, weil der Ansager die höchsten Karten besaß.
So lief der Hase also!
Hier wurde betrogen!
Voller Verachtung schaute er auf den Lehrer.
Na ja, Berufsschullehrer. Sie rochen ohnehin nach Leim, Kalk und vor allem Vetternwirtschaft, denn Menschen, die gut im Handwerken waren, gut mit Kellen, Hobeln und Schaufeln umgehen konnten, konnten dies mitnichten mit Seelen.
So ist es doch!
Der Berufsschullehrer verteilte gern Watschen, oder Schellen wie die hierzulande sagen, wenn ein dummer Schüler nicht etwas kapierte. Er war selbst in der Berufsschule gewesen.
Ein Vorfall beim Karteln setzte der Stammtisch-Kultur in dieser Gaststube ein definitives Ende.
Der Berufsschullehrer geriet wieder einmal in Hochform: „Berlin. Diese schwule Bagage. Kinderficker!“
Der Wirt hielt den Atem an.
„Warum?“ fiel er unkontrolliert ein.
„Homos und Ehe. Deckt sich das mit unserem Grundgesetz? Die Familie steht unterm besonderen Schutz der Verfassung. Und die Schwulen besudeln diese Institution.“
Als ob das noch ein Thema wäre, Homosexuellen-Ehen? Nicht in Hessen, nicht in der Pfalz, geschweige denn im hohen Norden. Aber in Bayern, in Franken schon!
Zog der Lehrer jetzt noch über Behinderte her, was das Nächstliegende gewesen wäre, dann würde er als Gastgeber diesen Pädagogen aber hochkant hinausschmeißen. Aber da vermutlich Behinderte auch Schüler von ihm waren, Stichwort Inklusion, getraute er sich denn doch nicht, so weit zu gehen.
Aber wieder entstand eine Endlosschleife: „Die in Berlin. Ich könnte die in die Luft jagen, kann ich euch sagen. Schwule heiraten lassen. Die gleichen Rechte gewähren. Ich sag euch: wenn das so weitergeht und aller Mist, den die produzieren, von da oben zu uns in den Süden schwappt, dann läutet dies den Untergang des bayerischen Abendlandes ein, darauf gibt ich euch mein Wort.“
Manchmal war dieser Lehrer nicht imstande, einen korrekten deutschen Satz zu formulieren, was schien's nur ihm auffiel, aber nicht weil er Hesse war. Dessen sprachliche Unfähigkeit lag nicht am süddeutschen Dialekt, sondern in seiner Unfähigkeit, einfach keinen richtigen Satz zustande zu bringen.
Da fragte man sich schon, ob der Lehrer überhaupt wusste, was er da redete.
Als der Wirt am selben Abend, nach solch einer unappetitlichen Tirade, aus der Küche in die gute Gaststube trat, sah er, wie Pauker wieder einmal auf den Boden spuckte. Das war die beste Gelegenheit, diesem Schwachsinn, Betrug und Unhygiene hier, ein definitives Ende zu setzen.
Wütend warf er ihn hinaus, samt Kartelfreunde.
Dann hängte er die neue Speisekarte aus.
Er hatte sich entschieden.
VII. Jetzt geht’s richtig zur Sache - Ende
Am liebsten hätte er ihnen lauthals ins Gesicht gelacht, so offensichtlich lächerlich war ihr Auftreten. Wie zwei typische Polizisten, einer, der Scharfmacher, der andere der Weichmacher. Natürlich war das Walross letzterer, der Schlanke der erstere. Wie bei Dick und Doof war der letzte der Unbeweglichere, der Gutmütige und Gemütlichere.
Falsche Sympathie ausstrahlend machte sich das Walroß zum Wortführer: „Wir fordern, dass Du zumindest am Wochenende Schweinebraten anbietest. Das ist fränkische Tradition. Und wo leben wir?“
Kunstpause.
„Genau, in Frangen!“
Der Wirt konnte sich kaum mehr beherrschen, er war nahe daran, ihm geradezu in seine verheuchelte Fresse zu prusten, gerade noch schlug er sich die Hand vor den Mund. Diese Franken konnten nicht einmal richtig Franken aussprechen. Mensch, was ist nur aus diesen Helden geworden? Franken teilten doch einmal untereinander West- und Ost-Europa auf. Franken waren die einzigen, die das heilige Land erobern konnten. Karl Marthel, der Urfranke, war für seine Eisernheit legendär.
Und nun können diese degenerierten Weicheier nicht einmal mehr richtig ihren Namen aussprechen. Im Grunde traurig, traurig mit ansehen zu müssen, wie ehemals Helden zu Hosenscheißern herabgesunken waren. Da lobte er sich die Niederdeutschen, Friesen und Waterkant-Bewohner, die reden wenigstens noch wie ein Mann.
Aber diese „Frangen“!
Er brauchte ihnen gar nicht mit Tradition kommen, von wegen wie die Alten sangen, so die Jungen. Hier war eindeutig der geschichtliche Strang von Annodazumal zu Heutzutage gekappt worden.
Dennoch taten diese Franken so, als seien sie sehr der Vergangenheit verbunden. Allerdings nur der näheren.
Das Walross schwärmte gerade von glorreichen, vergangenen Zeiten und richtete seine flammende Rede an die jungen Heißsporne, die heute scharenweise anwesend waren. Sie zogen mehr und mehr die Achseln ein.
„Gell, da staunt ihr, dass wir vor euch schon auf Rock gestanden sind und nicht bloß auf Bier-Blasn-Musik. Wir haben eine Heimatband gehabt. Da staunt ihr! Und alle sind wir geschlossen zu jedem ihrer Auftritte gezogen. Brechend voll waren die Hallen, matschig-schlammig bis zur Kniewaden waren die Feld- und Wiesenboden. Genau wie in Wacken da oben. Wo unsere Band gespielt hat, das war vielleicht Stimmung! Die Sau hamma rausgelassen. Und das Schönste, mei, das gibt es heutzutage gar nicht mehr ...“
Die Jungen lauschten immer ehrfürchtiger.
Dem Wirt inzwischen ging ein Licht auf, wie er zu Potte kommen könnte mit seinem neuen Speiseplan, wenn es ihm gelang, die Jugend auf seine Seite zu ziehen. Er würde obsiegen, wenn er die Jungen gegen die Alten ausspielte. So versuchte er ihnen die neuen Gerichte schmackhaft zu machen.
„Hier wird es Burger, Döner geben. McDonald und Burger King, sag ich euch, können sich hier einen Stück abschneiden!?'“
Dieser neue Speiseplan!
„Da wird euch das Wasser im Mund zusammenlaufen, sag ich Euch!“
Was machte den Wirt so selbstsicher, dass sein Plan aufgehen würde?
Als er die Motorräder vor seinem Wirtshaus stehen sah. Die jungen Leute, kaum aus dem Dreirad- und Fahrradalter heraus, setzten sich gerne auf motorisierte, nach Benzin riechende Flitzer, um schnell von A nach B, vor allem von ihrem Kuhdorf aus in die Großstadt zu kommen. Die Frage, wo sie sich dann trafen, war eine Milchmädchenrechnung.
„Gell, so ein Burger King ist nicht schlecht?“
„Kann man wohl sagen!“
Die Jungen kriegten einen sonnigen Blick und waren nahe daran, vor Freude in die Hände zu klatschen. Schweinebraten mit Kloß kriegten sie schließlich auch zu Hause, aber nicht die Hamburger, Cheesburger und Döner.
Die Alten schauten ganz schön dumm aus der Wäsche.
Und flüsterten sich etwas zu von wegen: „Jetzt ist es aber genug! Dem müssen wir mal zeigen, wo der Barthel den Most holt.“
Was bald kommen würde, war unvermeidbar, weil diese Dorfbrüder nur eine Sprache verstanden, auch wenn sie tausend Mal so taten, als seien sie zivilisiert und alles gehe mittlerweile mit rechten, demokratischen Dingen zu. Ha!
Ihr Schweinebraten mit Fast-Food ersetzen!
Sie waren aufgestachelt wie eine Meute Schakale. Genau, wie manche Haushunde, die, wenn man sie lange genug triezte und aufstachelte, zu dem wurden, was sie wirklich waren: Raubtiere. Okay, der Mensch war kein Raubtier, nein, natürlich nicht. Er war etwas weit Schlimmeres: ein Mensch.
Jeden Abend trat er an ein Wirtshausfenster, zog den Vorhang einen Spalt zurück und lugte nach draussen, um zu sehen, ob sie schon vor der Tür lauerten, die alten Ochsen. Sie würden ihn nachts abpassen und ihn in der Dunkelheit nach Strich und Faden versohlen. Damit war zu rechnen.
Aber einfach machen würde er es ihnen mitnichten!
Nicht dass er einer körperlichen Auseinandersetzung aus dem Wege zu gehen pflegte, im Gegenteil, meist war er der Aggressivere, aber selbst zu entscheiden, welche Schlacht man schlägt und welche man vermeidet, ist schon immer ein guter Rat gewesen.
Aber leider, er hatte zwar wieder die beleuchteten Dorfstraßen rauf- und runter gescannt und sicherheitshalber die Lieferantentür genommen, aber dort gab es leider kein Fenster, um zu schauen, ob der Weg und der Vorplatz davor frei war.
Just dort harrten sie aus. Er hatte zwar Vorkehrungen getroffen und schlauerweise seine rumänische Mitarbeiterin aus dem Hauptausgang gehen lassen, damit sie zum Auto lief, um das Gasthaus herumfuhr, bis ans Ende des Anwesens und ihn dort aus dem Lieferantenweg kommend einsteigen zu lassen, aber naja, die Einheimischen hatten gute Ortskenntnisse und vor allem genügend kriminelle Energie, um ihn in einem Hinterhalt zu überfallen.
Als er vor ihnen stand, dachte er: Jetzt fehlt ein Zeuge. Ich bin allein auf mich gestellt. Die Rumänin wartete abseits im Auto auf ihn, weit ab vom Schuss. Niemand würde verfolgen, was jetzt geschehen würde.
Zuvor noch hatte er vorsichtig aus dem Ausgangstürspalt gespitzt, nichts Verdächtiges gehört, die Augen zusammengekniffen, um besser die Dunkelheit durchdringen zu können, aber der Schein täuschte. Nichts als vollständige und absolute Düsternis, denn hier hinten gab es keinen Lichtspender, die Straßenlaternen warfen hierher keinen Strahl herein. Er machte er die Tür auf und zu. Dann Geräusche. Sie hatten sich gut versteckt. Böse, hungrige Stimmen ertönten, als würde eine Horde riesiger, missgebildeter Trolle direkt auf ihn lossausen. War ja klar, dass diese fettbäuchigen oder krumm gewachsenen Franken wie Gnome und Trolle in der Nacht ihn in der Nacht überfallen würden. Aber er würde ihnen zeigen, was eine Harke ist.
Sie hatten sich hinter den Obstbäumen versteckt, an denen er vorbeigehen musste, um zur Straße zu gelangen und traten jetzt mit Fackeln und Leuchten aus der Dunkelheit der Bäume heraus, huschten und glitten um ihn herum, umkreisten ihn also, als könnten sie ihm damit einen gehörigen Schrecken einjagen.
Zum Glück waren es nur Dick und Doof, die zwei Polizisten, diese hässliche Gestalten, mehr nicht, die ein Fanal veranstalten wollten. Lächerlich! Er konnte sich immer noch auf seinen Fitness gestählten Body verlassen, gegen diese Krüppel sowieso.
Bald wurde klar, sich wollten ihm bloß ein bisschen Angst einjagen. Sie gingen nicht zur Attacke über. Es fehlte nur, dass sie plötzlich wie die Indianer mit den Mund jodelten oder wie das hieß und mit einem Bein um ihn herumtanzten, als wäre er am Marterpfahl festgebunden. Nannte man solch Treiben nicht in Bayern das Haberfeldtreiben?
Was immer, diese lächerliches Stammessitte der Franken ging ihm am Arsch vorbei. Albern, ein dummer Bubenstreich.
„Frangen!“
Er war gewiefter als sie. Er würde mitmachen, was die konnten, konnte er schon längst.
Sie machten das, was man nie machen sollte, wenn man angriff: Sich in eine Diskussion verwickeln lassen. Er protzte mit seinen Beziehungen zu Axel Springer, mindestens, am meisten zogen seine Connections zu den bayerischen Fußballspielern.
„Wenn meine bayerischen Fußballfreunde erfahren, dass Unterheckenhofen einer ihrer Mäzene und Sponsoren so schlecht behandelten, dann aber!“
Er wusste, dies würden sie sich nicht erlauben, selbst wenn ihr Gott der FC Nürnberg war. Das war nämlich nur ein Nebengott, weil er in der 2. Bundesliga spielte.
Vaterlandslose Gesellen, dachte er. Bei uns gäbe es so etwas nicht! Entweder man ist für einen Club oder für keinen, basta!
Doch plötzlich erhielt er eine Watschen.
Die saß. Er taumelte rückwärts, stieß eine Abfalltonne aus Blech um, die einen wahnsinns Lärm verursachte. Er ging in die Knie und fasste sich schmerzverzerrten Gesichtes an die Nase und jammerte jämmerlich und vor allem laut: „Aua, aua, ihr habt mir das Nasenbein gebrochen, ihr Schweine. Das wird Euch noch teuer zu stehen kommen, sag ich euch! Ich kenn den Chefredakteur von der Bildzeitung, das ist ein Spezi von mir. Der druckt das in der Bildzeitung ab: Einheimische malträtieren Touristen bis aufs Blut. Da werdet ihr was schauen. Da kommt keiner mehr in Euer Dorf, höchstens noch Schaulustige. Dann aber ist Schluss mit Tourismus am Brombachsee, das kann ich Euch garantieren.“
Die Angreifer wichen erschrocken zurück, schauten sich entsetzt an, dachten: Ade unser boomendes Brombachsee-Dorf am Südhang, sahen sich schon wieder als stinkende Schweinebauern in ihren brodelnden Suhlen herumwaten, die sie erst vor einigen Jahren wegen des florierenden Tourismus trocken gelegt hatten, machten solch ein furchteinflößendes Gesicht, dass er sich beherrschen musste, nicht laut aufzulachen und sich auf die Schenkel zu klopfen, wenn es denn seine baierische Art gewesen wäre, was es aber nicht war, er war schließlich Äppelwein-Trinker, die nicht so raudimäßig feierten, drückte aber die Schenkeln im Schritt zusammen, um nicht auf der Stelle (vor Lachen) in die Hosen zu machen. Glücklicherweise kam es nicht dazu, denn die Frangen machten jetzt schnell Reißaus.
„Na, flieht nur in eure stinkigen Scheißhäuser zurück!“, rief er ihnen noch nach. Dann lachte er nur noch, schallend. Solchen Hasenfüßen war er noch nie begegnet, wirklich!
Er stand auf, schlug sich den Dreck von Hose dort, wo das Knie war, War aber kaum einer und ging kichernd und stolzgeschwellt ums Gasthaus herum zum Auto, wo seine Angestellte bereits vorgefahren war.
Die Rumänin begrüßte ihn ängstlich, die Stirn gekraust, lachte aber auch, als er selbst nur noch herzhaft lachen konnte. Herzhaft, eher so, um sich all seine Angst vom Herzen zu schütteln.
„Denen habe ich's abber gegeben!“, sagte er selbstgefällig.“
„Denen hast du es gegeben?!“
Es klang eher wie eine Frage denn eine Aussage. Sie musste verdammt noch viel an ihrem Deutsch feilen. Aber dafür war sie so herzlich, so gefühlvoll, langte jetzt sogar zu ihm rüber, wobei sie fahren mussten, streifte über seine Brust, tastete seinen Bauch ab und fuhr sogar mit den Händen in seinen Schritt hinein, aber nur streichelnd.
Das sollte ja nur eine herzhafte Geste bedeuten, trotzdem war er überrascht, weil es sich so selbstverständlich anfühlte. Als seien sie längst schon ein vertrautes Paar.
Gut, dachte er, Sex ist ja auch wirklich etwas Selbstverständlichsten. Wie das tagtägliche Brot zum Leben, Überleben, wie Freude, Trost und Beistand in Not.
So soll es sein!
Okay, sie strich dort zwar nur oberflächlich darüber, als bloße Geste der Zärtlichkeit gedacht, aber sie ließ ihn hochgehen wie Rakete.
Auweia, was war das.
Dann aber konnte er sich nicht mehr halten.
Beim ins Haus-hinein-Stolpern riss er ihr und sich die Kleider vom Leib, sie lachte etwas schrill und satanisch, fast widerständig, aber sie wollte es dennoch, das war klar. So ohne weiteres langt man keinen Mann an sein Gemächte, selbst wenn es unabsichtlich wirken sollte – ha!
Danach war er noch fit genug, ihr es gehörig zu besorgen, wau! Ach, die war eine Wucht, sie ließ es in der Folgezeit wirklich jeden Abend zu! Das war fast zu viel. INY WEENY TEENY WEENY!!! würde nicht schaden, mal sehen, oder – keuch, keuch – auf jeden Fall mal! Wie hieß es doch: Die Dosis macht den Unterschied, genau! Genau, das Mittelchen schädlich oder nützlich machen.
Er musste aber vor allem daran denken, dass Abo für den Schwingerclub zu kündigen. Dieses würde er jetzt nicht mehr nötig haben. Nun wird er genug mit dieser Rumänin zu tun haben …
Falsche Sympathie ausstrahlend machte sich das Walroß zum Wortführer: „Wir fordern, dass Du zumindest am Wochenende Schweinebraten anbietest. Das ist fränkische Tradition. Und wo leben wir?“
Kunstpause.
„Genau, in Frangen!“
Der Wirt konnte sich kaum mehr beherrschen, er war nahe daran, ihm geradezu in seine verheuchelte Fresse zu prusten, gerade noch schlug er sich die Hand vor den Mund. Diese Franken konnten nicht einmal richtig Franken aussprechen. Mensch, was ist nur aus diesen Helden geworden? Franken teilten doch einmal untereinander West- und Ost-Europa auf. Franken waren die einzigen, die das heilige Land erobern konnten. Karl Marthel, der Urfranke, war für seine Eisernheit legendär.
Und nun können diese degenerierten Weicheier nicht einmal mehr richtig ihren Namen aussprechen. Im Grunde traurig, traurig mit ansehen zu müssen, wie ehemals Helden zu Hosenscheißern herabgesunken waren. Da lobte er sich die Niederdeutschen, Friesen und Waterkant-Bewohner, die reden wenigstens noch wie ein Mann.
Aber diese „Frangen“!
Er brauchte ihnen gar nicht mit Tradition kommen, von wegen wie die Alten sangen, so die Jungen. Hier war eindeutig der geschichtliche Strang von Annodazumal zu Heutzutage gekappt worden.
Dennoch taten diese Franken so, als seien sie sehr der Vergangenheit verbunden. Allerdings nur der näheren.
Das Walross schwärmte gerade von glorreichen, vergangenen Zeiten und richtete seine flammende Rede an die jungen Heißsporne, die heute scharenweise anwesend waren. Sie zogen mehr und mehr die Achseln ein.
„Gell, da staunt ihr, dass wir vor euch schon auf Rock gestanden sind und nicht bloß auf Bier-Blasn-Musik. Wir haben eine Heimatband gehabt. Da staunt ihr! Und alle sind wir geschlossen zu jedem ihrer Auftritte gezogen. Brechend voll waren die Hallen, matschig-schlammig bis zur Kniewaden waren die Feld- und Wiesenboden. Genau wie in Wacken da oben. Wo unsere Band gespielt hat, das war vielleicht Stimmung! Die Sau hamma rausgelassen. Und das Schönste, mei, das gibt es heutzutage gar nicht mehr ...“
Die Jungen lauschten immer ehrfürchtiger.
Dem Wirt inzwischen ging ein Licht auf, wie er zu Potte kommen könnte mit seinem neuen Speiseplan, wenn es ihm gelang, die Jugend auf seine Seite zu ziehen. Er würde obsiegen, wenn er die Jungen gegen die Alten ausspielte. So versuchte er ihnen die neuen Gerichte schmackhaft zu machen.
„Hier wird es Burger, Döner geben. McDonald und Burger King, sag ich euch, können sich hier einen Stück abschneiden!?'“
Dieser neue Speiseplan!
„Da wird euch das Wasser im Mund zusammenlaufen, sag ich Euch!“
Was machte den Wirt so selbstsicher, dass sein Plan aufgehen würde?
Als er die Motorräder vor seinem Wirtshaus stehen sah. Die jungen Leute, kaum aus dem Dreirad- und Fahrradalter heraus, setzten sich gerne auf motorisierte, nach Benzin riechende Flitzer, um schnell von A nach B, vor allem von ihrem Kuhdorf aus in die Großstadt zu kommen. Die Frage, wo sie sich dann trafen, war eine Milchmädchenrechnung.
„Gell, so ein Burger King ist nicht schlecht?“
„Kann man wohl sagen!“
Die Jungen kriegten einen sonnigen Blick und waren nahe daran, vor Freude in die Hände zu klatschen. Schweinebraten mit Kloß kriegten sie schließlich auch zu Hause, aber nicht die Hamburger, Cheesburger und Döner.
Die Alten schauten ganz schön dumm aus der Wäsche.
Und flüsterten sich etwas zu von wegen: „Jetzt ist es aber genug! Dem müssen wir mal zeigen, wo der Barthel den Most holt.“
Was bald kommen würde, war unvermeidbar, weil diese Dorfbrüder nur eine Sprache verstanden, auch wenn sie tausend Mal so taten, als seien sie zivilisiert und alles gehe mittlerweile mit rechten, demokratischen Dingen zu. Ha!
Ihr Schweinebraten mit Fast-Food ersetzen!
Sie waren aufgestachelt wie eine Meute Schakale. Genau, wie manche Haushunde, die, wenn man sie lange genug triezte und aufstachelte, zu dem wurden, was sie wirklich waren: Raubtiere. Okay, der Mensch war kein Raubtier, nein, natürlich nicht. Er war etwas weit Schlimmeres: ein Mensch.
Jeden Abend trat er an ein Wirtshausfenster, zog den Vorhang einen Spalt zurück und lugte nach draussen, um zu sehen, ob sie schon vor der Tür lauerten, die alten Ochsen. Sie würden ihn nachts abpassen und ihn in der Dunkelheit nach Strich und Faden versohlen. Damit war zu rechnen.
Aber einfach machen würde er es ihnen mitnichten!
Nicht dass er einer körperlichen Auseinandersetzung aus dem Wege zu gehen pflegte, im Gegenteil, meist war er der Aggressivere, aber selbst zu entscheiden, welche Schlacht man schlägt und welche man vermeidet, ist schon immer ein guter Rat gewesen.
Aber leider, er hatte zwar wieder die beleuchteten Dorfstraßen rauf- und runter gescannt und sicherheitshalber die Lieferantentür genommen, aber dort gab es leider kein Fenster, um zu schauen, ob der Weg und der Vorplatz davor frei war.
Just dort harrten sie aus. Er hatte zwar Vorkehrungen getroffen und schlauerweise seine rumänische Mitarbeiterin aus dem Hauptausgang gehen lassen, damit sie zum Auto lief, um das Gasthaus herumfuhr, bis ans Ende des Anwesens und ihn dort aus dem Lieferantenweg kommend einsteigen zu lassen, aber naja, die Einheimischen hatten gute Ortskenntnisse und vor allem genügend kriminelle Energie, um ihn in einem Hinterhalt zu überfallen.
Als er vor ihnen stand, dachte er: Jetzt fehlt ein Zeuge. Ich bin allein auf mich gestellt. Die Rumänin wartete abseits im Auto auf ihn, weit ab vom Schuss. Niemand würde verfolgen, was jetzt geschehen würde.
Zuvor noch hatte er vorsichtig aus dem Ausgangstürspalt gespitzt, nichts Verdächtiges gehört, die Augen zusammengekniffen, um besser die Dunkelheit durchdringen zu können, aber der Schein täuschte. Nichts als vollständige und absolute Düsternis, denn hier hinten gab es keinen Lichtspender, die Straßenlaternen warfen hierher keinen Strahl herein. Er machte er die Tür auf und zu. Dann Geräusche. Sie hatten sich gut versteckt. Böse, hungrige Stimmen ertönten, als würde eine Horde riesiger, missgebildeter Trolle direkt auf ihn lossausen. War ja klar, dass diese fettbäuchigen oder krumm gewachsenen Franken wie Gnome und Trolle in der Nacht ihn in der Nacht überfallen würden. Aber er würde ihnen zeigen, was eine Harke ist.
Sie hatten sich hinter den Obstbäumen versteckt, an denen er vorbeigehen musste, um zur Straße zu gelangen und traten jetzt mit Fackeln und Leuchten aus der Dunkelheit der Bäume heraus, huschten und glitten um ihn herum, umkreisten ihn also, als könnten sie ihm damit einen gehörigen Schrecken einjagen.
Zum Glück waren es nur Dick und Doof, die zwei Polizisten, diese hässliche Gestalten, mehr nicht, die ein Fanal veranstalten wollten. Lächerlich! Er konnte sich immer noch auf seinen Fitness gestählten Body verlassen, gegen diese Krüppel sowieso.
Bald wurde klar, sich wollten ihm bloß ein bisschen Angst einjagen. Sie gingen nicht zur Attacke über. Es fehlte nur, dass sie plötzlich wie die Indianer mit den Mund jodelten oder wie das hieß und mit einem Bein um ihn herumtanzten, als wäre er am Marterpfahl festgebunden. Nannte man solch Treiben nicht in Bayern das Haberfeldtreiben?
Was immer, diese lächerliches Stammessitte der Franken ging ihm am Arsch vorbei. Albern, ein dummer Bubenstreich.
„Frangen!“
Er war gewiefter als sie. Er würde mitmachen, was die konnten, konnte er schon längst.
Sie machten das, was man nie machen sollte, wenn man angriff: Sich in eine Diskussion verwickeln lassen. Er protzte mit seinen Beziehungen zu Axel Springer, mindestens, am meisten zogen seine Connections zu den bayerischen Fußballspielern.
„Wenn meine bayerischen Fußballfreunde erfahren, dass Unterheckenhofen einer ihrer Mäzene und Sponsoren so schlecht behandelten, dann aber!“
Er wusste, dies würden sie sich nicht erlauben, selbst wenn ihr Gott der FC Nürnberg war. Das war nämlich nur ein Nebengott, weil er in der 2. Bundesliga spielte.
Vaterlandslose Gesellen, dachte er. Bei uns gäbe es so etwas nicht! Entweder man ist für einen Club oder für keinen, basta!
Doch plötzlich erhielt er eine Watschen.
Die saß. Er taumelte rückwärts, stieß eine Abfalltonne aus Blech um, die einen wahnsinns Lärm verursachte. Er ging in die Knie und fasste sich schmerzverzerrten Gesichtes an die Nase und jammerte jämmerlich und vor allem laut: „Aua, aua, ihr habt mir das Nasenbein gebrochen, ihr Schweine. Das wird Euch noch teuer zu stehen kommen, sag ich euch! Ich kenn den Chefredakteur von der Bildzeitung, das ist ein Spezi von mir. Der druckt das in der Bildzeitung ab: Einheimische malträtieren Touristen bis aufs Blut. Da werdet ihr was schauen. Da kommt keiner mehr in Euer Dorf, höchstens noch Schaulustige. Dann aber ist Schluss mit Tourismus am Brombachsee, das kann ich Euch garantieren.“
Die Angreifer wichen erschrocken zurück, schauten sich entsetzt an, dachten: Ade unser boomendes Brombachsee-Dorf am Südhang, sahen sich schon wieder als stinkende Schweinebauern in ihren brodelnden Suhlen herumwaten, die sie erst vor einigen Jahren wegen des florierenden Tourismus trocken gelegt hatten, machten solch ein furchteinflößendes Gesicht, dass er sich beherrschen musste, nicht laut aufzulachen und sich auf die Schenkel zu klopfen, wenn es denn seine baierische Art gewesen wäre, was es aber nicht war, er war schließlich Äppelwein-Trinker, die nicht so raudimäßig feierten, drückte aber die Schenkeln im Schritt zusammen, um nicht auf der Stelle (vor Lachen) in die Hosen zu machen. Glücklicherweise kam es nicht dazu, denn die Frangen machten jetzt schnell Reißaus.
„Na, flieht nur in eure stinkigen Scheißhäuser zurück!“, rief er ihnen noch nach. Dann lachte er nur noch, schallend. Solchen Hasenfüßen war er noch nie begegnet, wirklich!
Er stand auf, schlug sich den Dreck von Hose dort, wo das Knie war, War aber kaum einer und ging kichernd und stolzgeschwellt ums Gasthaus herum zum Auto, wo seine Angestellte bereits vorgefahren war.
Die Rumänin begrüßte ihn ängstlich, die Stirn gekraust, lachte aber auch, als er selbst nur noch herzhaft lachen konnte. Herzhaft, eher so, um sich all seine Angst vom Herzen zu schütteln.
„Denen habe ich's abber gegeben!“, sagte er selbstgefällig.“
„Denen hast du es gegeben?!“
Es klang eher wie eine Frage denn eine Aussage. Sie musste verdammt noch viel an ihrem Deutsch feilen. Aber dafür war sie so herzlich, so gefühlvoll, langte jetzt sogar zu ihm rüber, wobei sie fahren mussten, streifte über seine Brust, tastete seinen Bauch ab und fuhr sogar mit den Händen in seinen Schritt hinein, aber nur streichelnd.
Das sollte ja nur eine herzhafte Geste bedeuten, trotzdem war er überrascht, weil es sich so selbstverständlich anfühlte. Als seien sie längst schon ein vertrautes Paar.
Gut, dachte er, Sex ist ja auch wirklich etwas Selbstverständlichsten. Wie das tagtägliche Brot zum Leben, Überleben, wie Freude, Trost und Beistand in Not.
So soll es sein!
Okay, sie strich dort zwar nur oberflächlich darüber, als bloße Geste der Zärtlichkeit gedacht, aber sie ließ ihn hochgehen wie Rakete.
Auweia, was war das.
Dann aber konnte er sich nicht mehr halten.
Beim ins Haus-hinein-Stolpern riss er ihr und sich die Kleider vom Leib, sie lachte etwas schrill und satanisch, fast widerständig, aber sie wollte es dennoch, das war klar. So ohne weiteres langt man keinen Mann an sein Gemächte, selbst wenn es unabsichtlich wirken sollte – ha!
Danach war er noch fit genug, ihr es gehörig zu besorgen, wau! Ach, die war eine Wucht, sie ließ es in der Folgezeit wirklich jeden Abend zu! Das war fast zu viel. INY WEENY TEENY WEENY!!! würde nicht schaden, mal sehen, oder – keuch, keuch – auf jeden Fall mal! Wie hieß es doch: Die Dosis macht den Unterschied, genau! Genau, das Mittelchen schädlich oder nützlich machen.
Er musste aber vor allem daran denken, dass Abo für den Schwingerclub zu kündigen. Dieses würde er jetzt nicht mehr nötig haben. Nun wird er genug mit dieser Rumänin zu tun haben …
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