Die Made im Kohl

In diesem Forum kann sich jeder mit seinem Text der Kritik des Publikums stellen. Selbstverständlich auf eigene Gefahr ...
dryopeticus
Kerberos
Beiträge: 2
Registriert: 15.10.2002, 16:16

Die Made im Kohl

Beitragvon dryopeticus » 16.10.2002, 00:51

Er braucht keine Freunde, denn er hat sich und Mutti.
In den Augen seiner Mitmenschen, jedenfalls die, die ihn beachteten, fristet er sein Dasein, lebt das Leben einer Made, denn so wie sie sich durch die Blätter eines verdorbenen Kohlkopfs frisst, so schmierig drängt er sich in die Leben der Menschen, er schwärzt sie an, er lügt wenn er spricht, er provoziert, er findet an niemanden seinen Gefallen, er kann es einfach nicht.
Wie die Made kriecht er durchs Leben und so beschränkt, wie eine Made nun einmal ist, so läuft auch er, lernt nichts hinzu, wenn man ihn seines Verhaltens aufmerksam macht. Er will einfach nicht lernen.
So wie die Menschen faulenden Kohl mögen, so mag man auch ihn und zwar aus den selben Gründen. Denn er kann, das hat er oft bewiesen, nur Kohl zum Verderben bringen. An diesen süßen, penetranten Geruch kann man einige Menschen gewöhnen, die ihn einfach verdrängen, doch den meisten beißt er in der Nase.

Es war an einem eisigen Winterabend, es war Freitag, so sagte es der akkurat geführte Kalender. Dunkel war es. Der Zug kroch kreischend über die kalten Schienen. Allein saß er im hellen Wagon und versuchte hinaus auf die gefrorenen Felder zublicken, doch sah er nichts als Finsternis, nur wenn der Zug über die kleinen Bahnstationen rollte, sah er den vom Frost bereiften Asphalt, der im blauen Licht der einzelnen Straßenlaterne glitzerte.
Als der Zug, mit dem Wagon, mit dem Sitz, auf dem er saß, in dem Ort ankam, in dem er zum Leide der Menschen wohnte, erhob er sich noch während der letzten Meter und schloss sich, wegen der Kälte, den Reißverschluss seiner Jacke, die nicht wärmte, wenn nicht der Name darauf stehen würde, der auf ihr stand. Doch auch trotzdem wärmte sie nicht, denn die Welt ist schlecht und der Kohl konnte nur faulen.
Er stieg hinaus in die schneidende Kälte, auf den Bahnsteig des alten Bahnhofes, der über die Dekanen des letzten Jahrhunderts unzählige, unliebsame Menschen ertragen hatte. Verfallen war das Gebäude, trübsinnig stand es, auch hier, im blauen Neon-Licht.
Auf dem schwarzen Teer sah er in der Dunkelheit, auf Entfernung, eine Gruppe junger Menschen stehen, die so alt waren, wie er selbst. Sie hatten ihren Spaß, standen dicht gedrängt im Kreise und beachteten das altersschwache Gebäude nicht, dazu waren sie zu jung. Er kannte sie und wusste, dass sie ihn kennen würden, wenn er sich zeigte. Sie konnten den Geruch nicht ab, sie rochen ihn penetrant und mussten davon aufstoßen. Das wusste er, darum wollte er sich im Schatten der blauen Lichtkugeln, hinter dem alten Gebäude verschwindend, in Sicherheit bringen und so schlich er, in der Dunkelheit...
Ein naturbewusster Mensch pflanzte beim Bau des Bahnhofes, eine Esche, die auch noch heute gedeiht. Sie trägt Blätter, die im Herbst fallen, die dort liegen, die im kalten Wind dorren und erst im Frühjahr sich zersetzen.
In der Dunkelheit schlich er, Schritt für Schritt, doch dann versperrte ihm eines der ausgemergelten Blätter den Weg. Die abendliche Stille hatte ein Ende. Köpfe wandten sich, Blicke vielen, schnelle Schritte folgten.

Wer weiß schon, wie faulender Kohl aussieht? Aber ihr hättet ihn an dem Abend mal sehen müssen! Ich muss zugeben, ganz so schlimm sah er nicht aus, schließlich bin ich ja kein Unmensch, aber Ähnlichkeit bestand schon.

gelbsucht
Pegasos
Beiträge: 1105
Registriert: 25.04.2002, 20:55
Wohnort: Das Dorf der Dussel an der Düssel

Re: Die Made im Kohl

Beitragvon gelbsucht » 16.10.2002, 20:25

Genau! So ist das richtig. Nicht nach dem ersten Verriss gleich aufgeben, sondern direkt einen nachlegen. Das nenn ich anständig.

Leider mußte ich das Lesen dieser Geschichte an einem ganz bestimmten Punkt abbrechen, und zwar bei diesem Satz: "Der Zug kroch kreischend über die kalten Schienen." Wahrscheinlich willst du damit eine düstere, unangenehme Atmosphäre erzeugen ... naja, bei mir erzeugt das genau das Gegenteil, nämlich ganz fiese, unkontrollierbare Grinsattaken. Sorry, dryo! Ich versuch es morgen noch mal, vielleicht komme ich ja dann über die betreffende Stelle.

Auf jeden Fall ist dieser Satz wirklich amüsant. Wenn er in einem anderen Kontext stehen würde ... wer weiß, ich würd ihn richtig klasse finden.

Bis dann,
grisendes gelb
"Ein Kluger bemerkt alles - ein Dummer macht über alles eine Bemerkung." (Heinrich Heine)

der_Baer
Medusa
Beiträge: 27
Registriert: 16.10.2002, 15:45
Wohnort: Wien

Re: Die Made im Kohl

Beitragvon der_Baer » 16.10.2002, 20:58

Ehrlich gesagt, habe ich nicht alles so ganz verstanden, obwohl ich es zweimal gelesen habe. Zum Einen ist die Sequenz mit dem Namen der Jacke nicht klar, denn was hat der Name mit wärmen zu tun?

"Köpfe wandten sich, Blicke vielen, schnelle Schritte folgten."
Ach ja, über die vallenden Blicke sehe ich mit vertippslerischer Miene hinweg, aber was soll mir der Rest sagen? Was ist passiert? Nichts? Ja, wozu dann dieses Ende?

"Dekanen des letzten Jahrhunderts"
Hier sind wohl Dekaden gemeint, oder irre ich mich? Normalerweise verwendet man nur Fremdwörter, die man kennt oder schnappt sich einen Duden. Mich stören an und für sich Fehler nicht, die macht jeder. Aber solche Logikpatzer unterbrechen den Lesefluß und das hat dein Text nicht notwendig, denn du verstehst darin recht gut Stimmung zu verbreiten.

;-) lg, der_Baer
Besucher in der Bärenhöhle sind jederzeit herzlich willkommen http://members.chello.at/baerenhoehle/baerenhoehle.html


Zurück zu „Texte“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 39 Gäste