Wie bastle ich einen Windsorknoten

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der_Baer
Medusa
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Wie bastle ich einen Windsorknoten

Beitragvon der_Baer » 16.10.2002, 15:57

Der Bär kommt gelegentlich auch frisch gewaschen, geputzt, gewandet und gestylt aus seiner Höhle und wenn er den Aussagen der holden Weiblichkeit trauen darf, ist es dann durchaus möglich, eine gewisse elegante Männlichkeit hinter dem geschniegelten Outfit und dem Bierbauch zu vermuten.


Meistens jedoch grummelt er in seiner Höhle lustlos vor dem Monitor und langweilt sich entsetzlich. Damit aus ihm nicht ein extremer Fall für den Anstaltspsychiater wird, steht er ergo unter ständiger Beobachtung der von allen geliebten Oberschwester Maexle.


Als einstens die Nacht hereinbrach und der Bär schlaflos an seinen überschäumenden Hormonen zu knabbern hatte, meinte das mitleidige Chefkarbolmäuschen mit energischem Betreuerton:


„Bär, du brauchst eine Aufgabe! Und ich habe auch genau das Richtige für dich, denn wenn ich mir ansehe, wie lax sich die angeblichen Herren der Schöpfung hier gewanden, kommt mir das Grausen. Bring doch ein wenig Attraktivität in die Reihen der Urmelkistenbewohner, damit auch mein oberschwesterliches Frauenauge gelegentlich Grund zur Freude hat an ihrem Arbeitsplatz.“


Nun gehört der Bär zur Sorte derer, die einer attraktiven Mitdreissigerin keinen Wunsch abschlagen können. Die einfachsten Regeln, um das sittengefährdende Erscheinungsbild zu reduzieren, waren schnell durchgekaut. Mittlerweile düsen einige ausgesprochen attraktive Insassen durch die Gänge, doch noch ist das Maexle nicht vollends zufrieden mit den kleinen Details, also hat sie kurzerhand im Speisesaal der Anstalt einen Vortragsabend angesetzt und kein Geringerer als der Bär muß gemäß ihren Anordnungen das Hauptreferat halten.


Die Sitzreihen sind fast voll und noch immer treibt die Oberschwester einen Patienten nach dem anderen herein. Hinten in der letzten Reihe hockt amüsiert der grüne Frosch, streckt seine langen Beine in der ihm eigenen Nonchalance und harrt der Dinge, die ihm ein nervöser Bär vermitteln soll, obwohl er ja eigentlich viel lieber sein Damespiel mit der Oberschwester zu Ende gespielt hätte.


„Liebe Mitleidende! Heute geht es um ein Problem, das jeden Mann ereilen kann und wird. Wir verwenden sie alle des öfteren und jeder von uns kämpft mit ihnen einen steten Kampf. Manch einer unter euch getraut sich kaum ohne sie an die Öffentlichkeit und viele von euch haben es richtig satt, den Kasten zu öffnen und zu sehen, wie sie ihm entgegen leuchten: die Binder! Oder auch Krawatten genannt! Kaum einer unter euch ist in der Lage ohne Verkrampfung seiner oberen Extremitäten einen ordentlichen Knoten zu binden, so daß es aussieht, wie es soll und den Damen auch gefällt. Unsere herzallerliebste Oberschwester Maexle wird euch jetzt Übungskrawatten austeilen und wir beginnen dann mit der Lektion Nr.1, dem Windsor-Knoten.“


Und so geschah es! Nach einigem Getuschel, Geraune, Geraunze und zaghaften Beschimpfungen des Vortragenden, die von OSM mit gewohnt freundlicher Manier und Spanischer Fliege (dies ist übrigens kein Krawattenknoten) im Keim erstickt wurden , hatte jeder sein Übungsexemplar und unter dem munter auffordernden Blick der Initiatorin ging es an die praktischen Experimente.


„Hergehört und hergeschaut. Wir nehmen jetzt die Krawatte so, daß die linke Hand das dünnere Ende umfaßt und die rechte Hand das breitere Ende. Dann hängen wir den Binder so um den Hals, daß das breite Ende auf der Brust doppelt so lange ist, wie das dünne Ende und kreuzen nun beide Enden, indem wir die breitere Länge über die schmale legen.“


Die ersten Schmerzensschreie wurden laut, konnten aber unter den beruhigenden Attacken der Oberschwester schnell im Keim erstickt werden. Besonders schlimme Fälle wurden unter behutsamer Anteilnahme ins Anstaltslazarett abgeschoben, wo morgen einige hoffentlich die Letzte Ölung noch erleben werden.


„Wir nehmen nun das breite Ende und führen es hinter dem schmalen Teil herum bis es gerade nach links zeigt, danach klappen wir es vorne herum, bis es nach rechts lugt. Schön locker halten, nicht festzurren!“


Einige unter uns wiesen im Gesicht mittlerweile eine dunkelrote Färbung auf, gedämpftes Keuchen zeugte von ersten Strangulierungsversuchen und das inzwischen eingetroffene Notarztteam von RTL dokumentierte die vergeblichen Bemühungen und setzte für den letzten Überlebenden einen Sonderplatz im Container in Aussicht und derjenige, der am geniesserischsten zu Röcheln im Stande war, durfte auf einen Schallplattenvertrag hoffen. Den Song sollte Dieter Bohlen produzieren unter dem Arbeitstitel „No Air Tonight“.


„Von rechts führen wir nun das breite Ende hinten herum bis zur Mitte, ziehen es zwischen linkem und rechten Kragen nach vorne und stecken es hinter der Schlinge nach unten. Danach ist der Knoten im Prinzip fertig, es bleibt uns nur mehr, den Knoten fest zu ziehen.“


Unter dem Schwenk der acht Fernsehkameras kippten einige Mitspieler zu Boden, der kurz auftretende Tumult konnte mit einem scheu von Maexle eingesetzten Wasserwerfer flugs beendet werden und einige Tapfere zeigten stolz ihre Gordischen Knoten und prahlten mit ihrer ausgefeilten Überlebenstechnik. Die Oberschwester bedankte sich bei jedem erfolgreichen Freiwilligen mit einer ergreifenden Umarmung und gab dann das Zeichen, den Unterricht fortzusetzen.


„Nun haben wir also den Windsorknoten geschafft und werden unsere Kenntnisse vervollkommen. Die Fortsetzung des Windsorknotens ist der halbe Windsorknoten, den man halber Windsorknoten nennt, weil ihn nur die Hälfte überleben wird. Wir nehmen also, wie gehabt die Krawatte mit der linken Hand am schmalen Ende .....“


Leider mußte der Vortrag an dieser Stelle unter Gejohle des Auditoriums unterbrochen werden, da ein Attentäter mit einem Ziegelstein den Vortragenden an der Stirn traf. Die Ausforschung des Täters ist noch im Gange, man vermutet allerdings, das ein Teilnehmer des Seminars aus unverständlicher Sorge um sein eigenes Wohlergehen hinterrücks diese feige Tat wahr machte.


Als der Bär seine Augen wieder aufschlug, blickte er direkt in ein paar AUGEN, und was für Augen!!! Ihm zerriss es fast die Brust, als die glücklich, zärtliche Umarmung zeigte, wie sehr die Oberschwester sich um sein Wohlergehen gesorgt hatte. Als sie ihn auf ihren kräftigen Armen zurück zu seiner Höhle trug, konnte er es nicht unterlassen, ihr dankbar einen Kuß auf die Wange zu hauchen und Maexle trug ihn über die Schwelle ....
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Re: Wie bastle ich einen Windsorknoten

Beitragvon razorback » 16.10.2002, 18:50

Verdammt! Was fällt dieser Geschichte ein, mir zu gefallen? Sie ist gespickt mit beschreibenden Adjektiven (manchmal mehrere hintereinander!!!) und umständlichen Formulierungen und sie gefällt mir trotzdem. Das ist gegen jedes Gesetz - und beweist letztlich, dass selbst ein Stil, den ich theoretisch verabscheuen müsste, mir richtig eingesetzt Spass machen kann. Was bedeutet das für mich? Noch wütendere Attacken gegen die, die ihn nicht richtig einsetzen :-E ;-)

Wahrhaftig, Bär, ich habe ziemlich gelacht. Sehr gelungen. Daher auch nur wenige Anmerkungen zu Punkten, die ich dennoch für verbesserungswürdig halte:

1.) Die Konstruktion mit "unter"

(...)konnten aber unter den beruhigenden Attacken der Oberschwester schnell im Keim erstickt werden.


ist eigentlich keine schlechte, taucht aber zu häufig auf und wird deshalb ein wenig nervend.

2.) Die Sprünge in der Erzählzeit stören ebenso wie die Tatsache, dass Du am Schluss plötzlich in die erste Person springst.

3.) Der Schluss ist mir etwas zu überdramatisch.

4.) Einige Kleinigkeiten, so stören mich zum Beispiel die Spanische Fliege (das ist so ein Gag as Gag can), der im Keim erstickte Schrei (schiefes Bild) o.Ä.

Alles in allem aber: :-D :-D :-D
O You who turn the wheel and look to windward,
Consider Phlebas, who was once handsome and tall as You

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Re: Wie bastle ich einen Windsorknoten

Beitragvon der_Baer » 16.10.2002, 20:21

Okay, ich habe die Kritik wohlwollend zur Kenntnis genommen und will versuchen, deine Ratschläge zu beherzigen. Ob es mir gelingt, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

Aber wenigstens scheinst du dich streckenweise amüsiert zu haben, und das war ja der eigentliche Zweck der Übung.

Vielleicht findest du ja in meinem nächsten Posting eine ansprechendere Artikulation *g*

Danke für das Lesen und die Kritik, Wolfgang
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