Mission Delta

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Muffin
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Mission Delta

Beitragvon Muffin » 20.03.2003, 16:41

Mission Delta

Mir war von Anfang an klar, dass mich diese Mission bis ans Äußerste fordern würde. Das war nicht irgendein Auftrag, es war der Auftrag. Ich durfte ihn nicht vermasseln, aber das würde nicht vorkommen, ich war ja nicht irgendein Agent. Ich war Agent 01 und ich war der einzige, der für diese Mission in Frage kam. 03 und 04 waren noch zu unerfahren und 02 hatte keine Zeit, also wählte Big Daddy mich aus. Zweifellos eine gute Wahl, denn es ging um Geld, viel Geld.
Am Morgen des 18.03. um 10.15 Uhr traf ich die ersten Vorkehrungen. Ich schlich mich aus dem Haus und hinterließ als falsche Fährte einen Zettel, auf den ich schrieb: Bin auf der Sonnenbank und Schaumfestiger kaufen.
Das würde den Feind für eine Weile zu denken geben.
Als ich also um genau zehn Uhr achtzehn, getarnt mit einer verspiegelten Sonnenbrille in die U-Bahn stieg, war ich noch frohen Mutes diese Mission erfolgreich zu beenden. Mein Plan war idiotensicher. Selbst 04 hätte das nicht vermasselt.
Etwas nervöser eilte ich wenig später durch ein gewisses Einkaufzentrum, unterwegs zum GiV (Geschäft ihres Vertrauens). Ein Ziehen in der Magengegend zeigte mir wie nervös ich wirklich war. Was, wenn die Sache, die große Sache, nicht mehr da war? War die Sache in die Hand des Feindes gefallen, den Big Daddy immer nur die Person X nannte?
Ich pirschte mich an, robbte unter einem Wühltisch durch und erreichte die gewisse Stelle. Meine Angst war natürlich unbegründet. Da hing sie. Die geheime Sache. Ich riss sie an mich. Was ich habe, habe ich. Nun musste ich nur unbemerkt an meinen V-Mann herankommen. Ich erblickte die ViV (Verkäuferin ihres Vertrauens) und hastete, von einigen Kleiderständern verdeckt auf sie zu und drückte ihr die Sache in die Hand.
„Haben sie das Geld?“ flüsterte sie.
„Ich wollte erst sicher gehen, dass sie die Sache auch haben.“ Die ViV nickte.
„Ich hinterlege sie ihnen an der Kasse, damit die Geldübergabe stattfinden kann.“
Sie riss ein kleines Zettelchen von der Sache und klebte noch schnell einen kleinen Aufkleber darauf.
„Hier.“
Ich nahm den Zettel zögernd entgegen. Konnte man dieser Frau trauen? Einer Frau voll Profitgier? Was, wenn sie die Sache einfach an jemand anderen verkaufte?
Wie auch immer, mir blieb keine Wahl. Ich holte das Geld. Ich schlich mich zur Bank, duckte mich dort hinter einen Kontoauszugsautomaten und versuchte verzweifelt mich an meine Geheimnummer zu erinnern. Wir würden das Geld von meinem Konto abheben. Ein genialer Schachzug von Big Daddy, weil sein Konto überwacht wurde. Wir würden die Sache von Schwarzgeld finanzieren: Baukasse. Als der Geldautomat frei war, holte ich das Geld. Zweihundert Euro in bar.
Ich also zurück zum GiV. Ich stellte mich da in eine verdächtig aussehende Schlange.
Es war die Falsche.
Als ich schließlich die Richtige gefunden hatte, war es schon viertel nach elf. Spät, zu spät. Zu spät für Plan Alpha. Plan Alpha sah vor, die Sache, während der Abwesenheit der Zielperson, ins Haus zu schmuggeln. Die besagte Person war jetzt aber wieder zu Hause.
Plan Beta trat in Kraft. Aber Plan Beta war gefährlich, sehr gefährlich.
Die ViV packte mir die Sache in eine tarnfarbene P&C-Tüte.
Wiederum mit einer verspiegelten Brille und der tarnfarbenen Tüte bewaffnet, bestieg ich die U-Bahn auf dem Weg zu V-Mann II. Big Oma. Sie war zwar nicht eingeweiht, aber durchaus vertrauenswürdig. In Heißen stieg ich genau um 11.30 Uhr aus der U-Bahn.
Dies war feindliches Gebiet. Keiner weiß, wen man hier trifft. Jeder könnte ein Feind sein. Ich schlich unauffällig über die Straße. Um nicht aufzufallen, stellte ich mich an der Bushaltestelle neben einen fremden Mann und tarnte mich als Schwarzhändler.
„Ssssch,“ sagte ich leise. „Willst du ein A?“
„Ein A?“ rief er.
„Ssch,“ machte ich. „Ja, ein A.“
„Quatsch, was will ich mit einem A?“ schrie er.
„Ssch,“ machte ich wieder. „Ich habe auch ein B.“
Es hatte geklappt. Die Leute hielten mich für komplett übergeschnappt.
Halb in den Vorgärten laufend, halb zwischen Autos geduckt, ging ich eine gewisse Straße hinab um zu Big Oma zu kommen. Der letzte Weg bis zur Tür war der gefährlichste. Es gab keine Deckung. Ich rannte geduckt zur Tür und klingelte. Niemand machte auf. Verdammt. Auch Treten gegen das Kellerfenster, um Big Opa zu rufen, misslang.. Niemand zu Hause. Plan Beta war schief gelaufen. Es war an der Zeit Plan Delta einzurufen. Das einzige Problem war, es gab keinen Plan Delta. Ich hatte zwar noch zwei andere V-Männer, aber Little Oma konnte den Mund nicht halten und Steinbeißer Lotte war arbeiten. Es war etwas anderes angesagt: Panik.
Aber Ruhe. Ich bin Profi. Vielleicht ist Big Oma nur einkaufen. Ich schlich an den Geschäften vorbei. Optiker, Schreibwarenladen, Fahrschule, nichts. Doch da! Beim Bäcker! 02! Meine Rettung. Agent 02 sah mich irritiert an. Schnell war er eingeweiht. In seinem Marschgepäck schmuggelten wir die Sache ins Haus an der Zielperson vorbei.
Geschafft!
Ich nahm sofort telefonisch Verbindung mit Big Daddy auf.
„Mission erfolgreich, wenn auch knapp, beendet,“ sagte ich.
„Prima, Töchterchen. Mama wird sich über die Lederjacke zum Geburtstag sicher sehr freuen.“
Sicher.
Das schönste aller Geheimnisse: ein Genie zu sein und es als einziger zu wissen. (Mark Twain)

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Re: Mission Delta

Beitragvon Hamburger » 24.03.2003, 11:56

Hallo Muffin!

Abermals ein witziger Text von dir, wengleich etwas albern. Dennoch habe ich gelacht. Das liegt zum einen daran, dass ich Agentenparodien mag. Einer meiner liebsten Filme ist "Zwei bärenstarke Typen" mit Bud Spencer und Terence Hill. Der Film zieht das Genre herrlich durch den Kakao. Es ist natürlich nur ein Unterhaltungsfilm und keiner meiner Freunde versteht warum ich darüber in meinem Alter noch lachen kann - aber ich kann`s.

Zum anderen sind viele Stelen mit einem trockenen Humor ausgestattet, den ich mag.

Zum Beispiel...

Wir würden die Sache von Schwarzgeld finanzieren: Baukasse.


oder...

Aber Ruhe. Ich bin Profi. Vielleicht ist Big Oma nur einkaufen. Ich schlich an den Geschäften vorbei. Optiker, Schreibwarenladen, Fahrschule, nichts.


Auch wenn einige alberne Highlights im Text enthalten sind (die Tarnung als Schwarzhändler), so überdrehst du an manchen Stellen. Der Witz mit Big Daddy ist gut, lutscht sich aber durch die Widerholung mit Oma und Opa aus. Da wären andere Codenamen besser gewesen. Das Legen der falschen Fährte geschieht durch einen ziemlich unlustigen Zettel.

Aber das sind Kleinigkeiten und nichts ist wahrscheinlich geschmacksabhängiger als Humor.

Formal hätte ich aber trotzdem noch zu bekritteln, dass "der Auftrag" mit einem fettgedruckten Artikel stärker gewirkt hätte, wie auch ein kursiv gedruckter Text auf dem Zettel.

Und - wie auch bei deinem letzten Text - das Ende ist wieder kein Knaller. Auch wenn die Idee, das Wort "Sicher" zu wiederholen und damit abzuschliessen, nicht schlecht ist. Ein ausgefalleneres Stück als eine Lederjacke hätte die ganze Geschichte noch aufgewertet.

Insgesamt: ein guter, unterhaltsamer Text.

MFG,

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Re: Mission Delta

Beitragvon Imhotep » 25.03.2003, 22:16

Gefäält mir sehr,sehr gut! Lustige Story, einfallsreich unerwartete Momente sowie tolle Codenamen. Der Schluss auch ganz ok. Vielleicht hätte noch ein Satz hinten gut gepasst à la "Und zieh endlich das doofe Agenten Kostum aus, ich hoffe du warst damit nicht einkaufen!" *g Wobei das ja schwer sein wird mt der Logik und so...

Aber wirklich lustig: mehr ;-)
autos epha

Muffin
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Re: Mission Delta

Beitragvon Muffin » 28.03.2003, 15:32

Hihi, das mit dem Agentenköstüm ist toll.
Ich arbeite noch an einer zweiten Version. Mal sehen, ob die besser wird.
Das schönste aller Geheimnisse: ein Genie zu sein und es als einziger zu wissen. (Mark Twain)


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