Nicht geimpft! Eine Parabel

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andres
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Nicht geimpft! Eine Parabel

Beitragvon andres » 08.08.2007, 14:26

Nicht geimpft

Johannes ist erst 2 Jahre alt. Auf dem Arm seiner Mutter beobachtet er ein blau- flackerndes Etwas. Es bewegt sich, wird größer und kleiner und manchmal leuchtet es sogar orange-rot auf. Johannes ist fasziniert. Mit großen Augen verfolgt er das Unbekannte. Und dann greift er danach. „Nein Johannes!“ ruft die Mutter und hält das kleine Händchen energisch fest. „Böse. Das ist eine Gasflamme. Das ist nichts für dich! “

Johannes ist jetzt älter. Er ist mit seiner Klasse im Ferienlager. Abends wird ein großes Lagerfeuer gemacht. Wie angewurzelt steht er vor dem großen Holzhaufen und sieht, wie das Feuer auflodert. Zuerst brennen die kleinen Holzstücke. Langsam aber sicher fangen auch die großen Brocken Feuer. Überall glüht und leuchtet es, die Flammen schlagen höher. Es knackt und knistert immer lauter. Einige Schüler weichen erschrocken zurück. Johannes steht immer noch da. Er hat alles um sich herum vergessen. Wie angewurzelt beobachtet er das Farbenspiel der Flammen, die pulsierende Bewegung der Glut, die emporschießenden Funken. Er hört das dröhnende Knacken des Holzes und fühlt die überwältigende Wärme.
Und plötzlich, ganz leise, wie ein undeutliches Flüstern, vernimmt Johannes die Stimme seiner Mutter: „Nein Johannes, böse!“

Johannes wartet einen Moment. Dann steht er mit einem Schritt inmitten den Flammen.
werden.

Edekire
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Re: Nicht geimpft! Eine Parabel

Beitragvon Edekire » 08.08.2007, 18:08

lieber andres,

erstmal herzlich willkommen im forum :-)

so und nun zum text.

grndlegend:
für meinen geschmack sagst du viel zu viel. ich finde an parabeln gerade schön, wenn sie mehrdeutig sind. das wäre bei dieser vielleicht durchaus möglich, wenn nicht der titel dem leser schon sagen würde was du meinst. ich würde an deiner stelle etwas weniger eindeutig werden.



sprachliches:

warum der name? nur mal so als frage, warum nicht einfach er? macht etwas allgemeingültiger würd ich sagen

Johannes ist erst 2 Jahre alt

das ungefähre alter des kindes geht aus dem folgenden absatz eigentlich hervor. der satz ist irgendwie ein etwas ungeschickter einstieg. er kling so sehr nach: so ich, der autor, erzähle jetzt was mit bedeutung. und zwar ganz auktorial parablisch...

Auf dem Arm seiner Mutter beobachtet er ein blau- flackerndes Etwas.

müsste meiner meinung nach " vom arm seiner mutter aus" heißen. ich dachte erst das orange rot sich bewegende etwas ist auf ihrem arm.

Johannes ist fasziniert. Mit großen Augen verfolgt er das Unbekannte.


mit großen augen impliziert (wenn auch ein bisschen abgegriffen) fasziniert. johannes ist fasziniert ist daher überflüssig.
kleine Händchen

händchen sind immer klein oder? adjektive sind manchmal nützlich meist aber recht einsparbar.
Böse. Das ist eine Gasflamme. Das ist nichts für dich!

würde ein mutter nicht eher sagen: das ist heiß, da tust du dir weh? oder sowas.

Johannes ist jetzt älter. Er ist mit seiner Klasse im Ferienlager

der zweite satz mach ersteres eigentlich auch so klar.
Langsam aber sicher fangen auch die großen Brocken Feuer.


Brocken? unpräzise... stöcke, oder scheite meintewegen oder einfach äste. brocken sind was zumindest quasi rundes.

Einige Schüler weichen erschrocken zurück

warum erschrecken sie? was du beschreibst ist für feuer das ziemlich normale verhalten. vielleicht eher: einige schüler weichen vor der hitze zurück oder so.
Wie angewurzelt beobachtet er das Farbenspiel der Flammen, die pulsierende Bewegung der Glut, die emporschießenden Funken.
nochmal wie angewurzelt.. in einem so kurzen text solltest du so eine wiederholung einer sowieso schon verbrauchten und etwas klischeehaften wendung vermeiden.
Er hört das dröhnende Knacken des Holzes und fühlt die überwältigende Wärme

das ist ein typisches adjektivprobölem hier: dröhnend klingt so schön bedrohlich. aber ein knacken kann doch nicht dröhnen. feuer kann schon dröhnen, aber dann muss es schon ein waldbrandkaliber haben. aber knacken ist einfach klein andauerndes geräusch und eher leise.
ganz leise, wie ein undeutliches Flüstern

auch etwas redundant. mein rat. lieber sparsam. die bedrohung durch worte wird durch zu viel (insbesondere adjektive) meist verwässert. was trägt ist das bild das du zeichnest.

Johannes wartet einen Moment. Dann steht er mit einem Schritt inmitten den Flammen.


vielleicht eher lauscht einen moment? er hat ja gerade was gehört.. aber muss nicht sein. aber : entweder inmitten der flammen oder mitten in den flammen.


inhaltlich: ich finde es gibt einen inhaltlichen haken. meiner meinung nach reagiert die mutter vollkommen natürlich. jeder würde sein baby davon abhalten sich in einer gasflamme schwer zu verletzen. das er deshalb "nicht geimpft" muss ja nicht dazu führen das er sich so vorsätzlich umbringt. jetzt kannst du natürlich sagen, dass ist ja auch nur die vordergründige handlung und es geht um das prinzip, dass man sein kind nicht vor allem schützen muss, weil es sonst ja auch nichts kennt und mit gefahren nicht umgehen kann oder so. aber ich finde eine parabel muss auf der ersten ebene auch funktionieren. und das tut sie meines erachtens nicht.

so jetzt habe ich dir deinen ganzen text auseinandergepflückt. deshalb will ich extra nochmal sagen: ich finde man kann durchaus was daraus machen. aber bedeutungsschwere, die eine parabel irgendwie immer hat zwingt zu präzision. wenn du es für dich in anspruch nimmst deinem leser was erzählen zu wollen musst du es auch sehr genau machen. denn warum sollte er sich sonst zeit nehmen zu durchdenken was du schreibst.

ich hoffe du lässt dich nicht durch meiner zerrupferei verschrecken, ich würde gerne mehr zu lesen kriegen, eine parabel ist zumindest mal was neues hier und wer neues hier der auch mal was postet ist auch gut. also bleib und poste undkritisier oder sag einfach was dir einfällt zu wer weiß was...


alles liebe

frl. ede
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Re: Nicht geimpft! Eine Parabel

Beitragvon andres » 09.08.2007, 00:41

lieber ede,

zuerst einmal vielen dank für die schnelle und ausführliche reaktion!

einen grundgedanken vorweg: einige deiner anmerkungen bezügl. der wortwahl möchte ich nicht detailiert kommentieren. die meisten aussagen könnte man sicherlich auf ihren sinngehalt reduzieren (z.b. -kleine-händchen).
da es sich hier aber nicht um eine technisch-nüchterne beschreibung (wie etwa in einer bedienungsanleitung ) handelt, sondern um eine parabel, halte ich es nicht für notwendig jeden satzteil in der vorgeschlagenen art und weise zu revidieren.

bei bestimmen formulierungen wollte ich eine gewisse atmosphäre aufbauen, sozusagen des lesers vorstellungsvermögen anregen (wem wird nicht warm ums herz, wenn er an eine zarte hand eines kleinkindes denkt?).

"brocken" oder "scheit"? meiner meinung nach ist diese frage in einem literarischen Text zweitrangig. letztendlich ist es auch eine frage des persönlichen geschmackes bzw. des individuellen stils.
der zweite teil der parabel schildert größtenteils die sehr subjektive sicht des johannes, als eine krasse zuspitzung dieser subjektivität sollte auch die stimme der mutter verstanden werden. für johannes ist das "knacken" eben "dröhnend", die "wärme" "überwältigend".

nun zu deiner inhaltlichen kritik:
würde ein mutter nicht eher sagen: das ist heiß, da tust du dir weh? oder sowas.

mir ging es im engeren sinn gerade darum, eine dogmatische erziehung zu kritisieren. die mutter begreift ihr kind eben nicht als vernunftbegabtes wesen, sondern als unselbstständiger befehlsempfänger. bei einem baby bzw. kleinkind ist dies sicherlich z.t. berechtigt (oder "natürlich"), diese haltung aber als grundprämisse beizubehalten kann, und das hat der weitere verlauf gezeigt, böse enden. die worte der mutter sollen diese haltung skizzieren, daher wäre es nicht sinnvoll sie anders darzustellen.

Zitat:
aber ich finde eine parabel muss auf der ersten ebene auch funktionieren. und das tut sie meines erachtens nicht

versteht man die erste aussage der mutter wörtlich, so muss ich dir vollkommen recht geben. meiner meinung nach können die ersten worte der mutter aber sehr gut als grundprämisse interpretiert werden. es ging mir gerade darum, eine symbolträchtige situation an den anfang zu stellen, um das weitere verständins der parabel zu erleichtern bzw. zu ermöglichen.

die namenswahl des protagonisten ist schnell erläutert: meiner erfahrung nach werden solche fehler oft in stark christlich-konservativen haushalten gemacht. ich behaupte natürlich nicht, dass sich dies immer so verhält. dennoch wollte ich durch die nameswahl einen hinweis auf die familiäre situation geben (der name "johannes" wird gerne von christlichen eltern benuzt)

mir ging es auch darum, das motiv des impfens zu erläutern. natürlich ist damit nicht der rein biologisch-technische vorgang beim artzt gemeint. vielmehr meine ich damit die konfrontation mit einem "negativen element" (negative erfahrung). wird diese konfrontation erfolgreich gemeistert, so kann in zukunft eine größere "dosis" bewältigt werden.
wer z.b. schon in der schule lernt, mit misserfolgen umzugehen, wird später selbige besser verarbeiten können. dieses prinzip findet sich meiner meinung nach auch in vielen anderen situationen/lebenslagen.

abschließend muss ich mich wirklich bedanken. ich war schon in anderen foren und habe da weniger gute erfahrungen gemacht. ich freue mich, dass hier die texte wirklich gelesen und kommentiert werden :-D ...mfg
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Re: Nicht geimpft! Eine Parabel

Beitragvon Edekire » 09.08.2007, 23:55

lieber andres,

hm..
da es sich hier aber nicht um eine technisch-nüchterne beschreibung (wie etwa in einer bedienungsanleitung ) handelt, sondern um eine parabel, halte ich es nicht für notwendig jeden satzteil in der vorgeschlagenen art und weise zu revidieren.


ich bestehe sowieso nicht darauf das man meine anmerkungen so umsetzt wie ich das denke. ich tue meine meinung kund, was du daraus machst ist deine sache.

aber ich meinte nicht das du in bedienungsanleitungsstil verfallen solltest. was ich meine ist das adjektive meist nicht notwendig sind um die vorstellungskraft des lesers anzuregen. das bild zählt. viele adjektive neigen zum kitsch und zum verwässern. das ist natürlich auch nur wieder meine meinung aber ich glaube nicht nur meine allein ;-)



also, wenn du sagst das das johannes ahrnehmungen sind, dann solltest vielleicht nicht so auktorial erzählen. ich weiß, auktoriales erzählen ist ein stilmittel der parabel. aber dann nehme ich deine beschreibung nicht wirklich als seine wahrnehmung auf und kritiser dem entsprechend. holz tritt einfach nicht in brockenform auf. ich arbeite mit holz und wohne in einem haus das mit holz beheizt ist. holz hat einfach eine spaltrichtung (es ist anisotrop :-D ) um holz brockenförmig zu machen muss man es drecheln oder schnitzen oder sonstwas unternehmen und warum sollte man sowas tun wenn man ein lagerfeuer machen will...
"brocken" oder "scheit"? meiner meinung nach ist diese frage in einem literarischen Text zweitrangig.

wie kann die eintscheidung ein wort betreffend in einem literarischen text zweitrangig sein? präzision ist gerade hier wichtig. sonst werden sachen leicht schief.
bei einem baby bzw. kleinkind ist dies sicherlich z.t. berechtigt (oder "natürlich"), diese haltung aber als grundprämisse beizubehalten kann, und das hat der weitere verlauf gezeigt, böse enden.


mit diesem satz umreißt du meines erachtens das zentrale problem deines textes: du stellst nur eine szene dar in der das verhalten der mutter natürlich wirkt. und dann das böse ende. das wirkliche problem, nämlich das "beibehalten dieser grundprämisse" klammerst du aus. das ist der grund warum mit johannes verhalten das ja wirklich krass ist unmotiviert vorkommt. ich könnte genausogut interpretieren wenn ich das lese (und deinen titel mal ausklammere) man sollte mit kindern nur unter strenger aufsicht lagerfeuer machen. oder sowas in der art.


name: wenn du auf einen christlichen hintergrund hinlenken willst würd ich einen etwas ungewöhnlicheren und deutlicher christlich besetzten namen ausweichen. auf die idee wär ich im leben nicht gekommen, ich kenne einfach ne ganze menge johannese und verbinde mit denen auch nichts christliches.



ich muss auch sagen, dass ich aussagemäßg mit dir nicht unebdingt übvereinstimme. ich bin keineswegs der meinung, dass man kinder in watte pracken sollte, aber ich glaube auch keinesfalls, das abhärtung und fehlschläge unbedingt dazu führen das jemand stark flexibel oder sonstwie besser wird. ich finde auch dass die aussage die du in deiner antwort machst aus deinem text ncith wikrlich hervorgeht
vielmehr meine ich damit die konfrontation mit einem "negativen element" (negative erfahrung). wird diese konfrontation erfolgreich gemeistert, so kann in zukunft eine größere "dosis" bewältigt werden.


wie hätte eine erfolgreiche meisterung mit dem feuer aussehen können? der faszinazion von selber widerstehen vielleicht. für einen zweijährigen sicherlich schwer zu machen.

so, ich werde jetzt mein buch feritg binden und dann schlafen. deshalb soweit erstmal

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Re: Nicht geimpft! Eine Parabel

Beitragvon andres » 10.08.2007, 16:32

Aloa Ede,

Wie regt man das Vorstellungsvermögen seines Lesers an, ohne den Text unnötig zu verlängern? Sicherlich hätte ich noch den einen oder anderen Nebensatz einfügen können. Doch das wiederum hätte meiner Meinung nach die Erzählung verwässert.
Meine Intention war es u.A. einen kurzen Text zu verfassen, der trotzdem die beabsichtigte Aussage zum Ausdruck bringt.
Ein ausschmückendes Adjektiv zu gebrauchen erschien mir daher die stilistisch richtige Wahl. Auf der anderen Seite ist hier die Grenze zu einer allzu kitschigen Darstellung leicht überschritten, da gebe ich dir recht. Du bist der Meinung, dass dies hier passiert ist, ich nicht. Da Du bis jetzt der Einzigste bist, der diesen Punkt an meinem Text kritisiert hat, ist es vorerst nur deine Meinung.

Zitat: wie kann die eintscheidung ein wort betreffend in einem literarischen text zweitrangig sein? präzision ist gerade hier wichtig. sonst werden sachen leicht schief.

Ein literarischer Text sollte primär eine Aussage transportieren, Form und Ausdruck sind deshalb nicht unwichtig. Sie dienen aber primär der Verdeutlichung der Grundaussage und sind kein Selbstzweck. Aus diesem Grund wundert es mich, dass du so viel Wert auf eine Frage wie „Brocken oder Scheit?“ legst. Auch wenn man deiner Meinung nach „Scheit“ sagen sollte, könntest du meine Wortwahl als Neologismus deuten, womit sich jede weitere Erörterung erübrigen würde.

Um deiner weiteren Kritik zu begegnen, möchte ich die Worte der Mutter noch einmal genau analysieren. Die Mutter sagt: „Böse. Das ist eine Gasflamme. Das ist nichts für dich! “.Hier ist keinerlei Erklärung zu finden. Denkbar wäre doch eine Warnung wie „Das ist eine Gasflamme. Die tut dir ganz doll weh, wenn du sie anfasst.“ Die Mutter beschränkt sich aber lediglich auf ein einfaches Verbot, also auf eine böse/gut- Einteilung. Am Anfang der Parabel fällt diese Feinheit natürlich nicht auf, sie erscheint tatsächlich als natürlich. Hat man aber das tragische Ende im Kopf, so lässt sich diese Feinheit gut identifizieren. Das Ende liefert somit den Schlüssel zum Verständnis der Aussage der Mutter. Allein das tragische Ende des Protagonisten erklärt „das Beibehalten der Grundprämisse“. Ein Einfügen eines erklärenden Mittelteils wäre somit überflüssig und würde wirklich (so wie in deinem ersten Kommentar bemerkt) „zu viel verraten“.

Die Parabel ist so konzipiert, dass die Aussageabsicht interpretierend erschlossen werden muss. Deine Kritik ist größtenteils formaler Natur und bezieht weitere Bedeutungsebenen nicht mit ein. Natürlich weist der Name „Johannes“ in deinem Bekanntenkreis nicht unbedingt auf eine christlich-konservative Familie hin. In einer Parabel jedoch kann jedes Detail eine Hilfe bei der Interpretation sein. Wie du schon in deinem ersten Kommentar bemerkt hast, ist der Name „Johannes“ in dieser Parabel ungewöhnlich. Bei einer Interpretation gilt es nun diese ungewöhnliche Element zu deuten.

Zitat: wie hätte eine erfolgreiche meisterung mit dem feuer aussehen können? der faszinazion von selber widerstehen vielleicht. für einen zweijährigen sicherlich schwer zu machen.

In der ersten Situation ist die Reaktion der Mutter auf die kindlich- unbedachte Neugier wichtig. Diese Reaktion ist insoweit richtig, als das sie das Kind schützt. Das Kind an sich spielt in dieser Situation eher eine passive Rolle, eine aktive Entscheidung ist von ihm (wie du treffend bemerkt hast) nicht zu erwarten.
Die nächst folgende Frage müsste nun lauten: Wie wird das Konzept der Mutter in Anbetracht des stetig wachsenden Kindes und des tragischen Endes weiterentwickelt? Die Antwort: gar nicht! Es bleibt bei einer restriktiv-starren gut/böse- Einteilung. Ein zunehmendes Verständnis des Kindes wird vollkommen ignoriert. Das fördert den Trotz und Unwillen des Kindes. Bis zu der Zeltplatz-Situation konnte es nicht die Erfahrung machen, dass die mütterlichen Gebote auch eine Schutzfunktion haben. Bei Johannes steht nur die gefühlte Dominanz der Mutter im Vordergrund.
Dementsprechend hat die Lagerfeuersituation auch eher symbolischen Charakter. Mit fortgeschrittenem Alter hat Johannes auch etwas mehr Freiheiten. Diese missbraucht er, indem er aus einer Trotzreaktion heraus gegen den mütterlichen Verbotskatalog verstößt. Das dies zu seinem Schaden gereicht, sieht er nicht. Die Lagerfeuersituation ist meiner Meinung nach nur symbolisch zu verstehen. Jeder ca. 10-Jährige ist in der Lage die Hitze eines Feuers als sehr schmerzhaft zu begreifen. Sieht man das Feuer aber als Symbol der Gefahr, die Johannes gemäß dem mütterlichen Verbotskatalog streng meiden muss, so kommt man von einer allzu wörtlichen Deutung weg.

Zitat: ich bin keineswegs der meinung, dass man kinder in watte pracken sollte, aber ich glaube auch keinesfalls, das abhärtung und fehlschläge unbedingt dazu führen das jemand stark flexibel oder sonstwie besser wird.

Es geht nicht um ein primitives Abhärten, sondern um das Finden eines eigenen Standpunktes zwischen strengem Verbotskatalog und Trotzreaktion.
Wird dem Kind schon früh ein geringes Maß an Selbstständigkeit gewährt, so hat es die Möglichkeit selber zu erkennen, dass die Gebote der Eltern sinnvoll sind.
Ein Kind läuft z.B. auf einem rutschigen Untergrund. Die Mutter rät ihm (kein Zwang!) diesen Untergrund zu verlassen. Das Kind hört nicht und fällt prompt hin. Abgesehen von den vergossenen Tränen hat es eine wichtige Lehre erhalten.

Zitat: ich finde auch dass die aussage die du in deiner antwort machst aus deinem text ncith wikrlich hervorgeht

Nun ja, es bedarf einer Interpretation, da hast du recht. Kafka hat aber z.T. noch kürzere Parabeln geschrieben, aus denen sich noch weit mehr herausholen lässt.

Ich glaub, ich geh jetzt mal mein Buch binden...Vielleicht können wir uns ja mal austauschen ;-) !?

mfg

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Re: Nicht geimpft! Eine Parabel

Beitragvon razorback » 11.08.2007, 15:03

Okay, Andres, jetzt bist Du deutlich zu weit gegangen:

Kafka hat aber z.T. noch kürzere Parabeln geschrieben, aus denen sich noch weit mehr herausholen lässt.


Du vergleichst Dich allen Ernstes mit Kafka? Tu das besser nicht. Du begibst Dich in Höhen, in denen Du nicht atmen kannst. Deine Geschichte ist so weit von Kafka entfernt... das passt einfach nicht.

Und damit Du das nicht in den falschen Hals bekommst, nehme ich mal mich als Maßstab. Es gibt hier, in diesem Forum, Leute die besser schreiben (teilweise deutlich besser) und Leute, die schlechter schreiben als ich (teilweise deutlich schlechter). Aber selbst die, die mir hier unerreichbar überlegen sind, reichen nicht einmal entfernt an Kafka heran. Ich würde also vermeiden, meine Schreiberei in einem Atemzug mit Kafka zu nennen - da kann ich nur verlieren. Demut kann nicht schaden ;-) .

Soviel dazu...

Jetzt aber erst einmal ein freundliches Hallo, schön, dass Du hierher gefunden hast. :-)

Zu Deinem Text:

Ich gehe teilweise mit Ede konform, vor allem, was den Gebrauch von Adjektiven betrifft. Deine Replik über die Bedienungsanleitung geht daneben, finde ich. Zu viele Adjektive sprechen entweder für einen unsicheren Autor (ich will sichergehen, dass der Leser genau versteht, was ich meine) oder für Misstrauen gegenüber den Lesern (womöglichen erfrechen die sich, etwas anders zu sehen als ich). Beide Motive sind verwandt und schaden dem Text. Die Kunst ist doch nicht, dem Leser möglichst viel von den eigenen Bildern aufzupfropfen, sondern dessen Phantasie soviel Freiheiten zu lassen, wie eben möglich. Dein mit überflüssigen und unpassenden Adjektiven angefüllter Text ähnelt einer Bedienungsanleitung sehr. Nur ist es eben eine Bedienungsanleitung für die Phantasie, nicht für den Fernseher. Und wo die Bedienungsanleitung für den Fernseher Abbildungen hat hast Du - zu viele Adjektive.

Außerdem birgt diese Adjektivflut die Gefahr des Klischees ("kleine Händchen").

An anderen Punkten würde ich Fräulein Ede widersprechen. Das betrifft zum Beispiel die "Brocken". Gut - Holzklötze brennen nicht besonders gut. Unerfahrene Leute (Ferienlager!) schmeissen sie trotzdem ins Feuer, und was spricht dann dagegen, sie Brocken zu nennen?

Aber das ist nur eine Marginalie. Viel wichtiger finde ich die Diskussion um den Satz der Mutter:

„Böse. Das ist eine Gasflamme. Das ist nichts für dich! “


Zuerst dachte ich auch: Sowas würde ich nie zu meinen Kindern sagen! Die Information, was die Flamme speist wäre für die im Alter von zwei Jahren völlig uninteressant gewesen, wogegen die Information, dass es gleich weh tun wird, zentral gewesen wäre.

Aber andererseits sagen die Leute die beklopptesten Sachen zu ihren Kindern. Ich habe - ohne Witz - schon einmal eine Mutter gehört, die zu ihrem nicht ganz Zweijährigen sagte: "Jonas, wir hatten doch eine Vereinbarung." Die Elternwelt ist bunt und voller Irrsinn. Und um eine dogmatische Einstellung zu verdeutlichen sind die sinnlose Information und der unerklärte Befehl doch nicht schlecht.

Die Situation ist auch gut gewählt. Als Gegenbeispiel: An einer belebten Straße zum Beispiel werden auch die liberalsten Eltern zu Unteroffizieren, wenn sie etwas Grips im Kopf haben. Hier kann ein kurzes, scharfes "Stop!" lebensrettend sein, Erklärungen folgen später. Aber in der Situation, die Du schilderst, drohen nur ein paar Brandblasen, da muss man nicht gleich eine Flamme für "böse" erklären. Passt also.

Allerdings finde ich Deinen Johannes hier etwas alt. Ein Zweijähriger, der noch nicht weiss, was eine Flamme ist, geschweige denn, dass sie heiss ist? Gut, nun könnte es sein, dass die Mutter nicht nur dogmatisch, sondern auch überbehütend ist.

Das mit dem christlichen Elternhaus... hm..., ich weiß nicht. Kann sein, dass es in Deinem Umfeld so ist, meine Erfahrung ist etwas anders. Ich selbst bin Katholik, meine Kinder sind bzw. waren auf einem katholischen Kindergarten... keine Johannesse, Matthäusse oder Joseffe weit und breit. Nichtmal eine Maria, trotz vieler italienischer Eltern. :-D Gut, neuerdings gibt's da einen Lukas...


Was ich damit sagen will: Deine Absicht, einen christlichen Hintergrund aufzuzeigen, funktioniert offenbar nicht überall - bei Ede und mir zumindest nicht. Wenn Dir das wichtig ist, solltest Du vielleicht noch ein oder zwei weitere Fährten legen.

Dann noch zwei Fragen:

Warum sind eigentlich Menschen, die Dogmen anprangern, oft so dogmatisch?

Ein literarischer Text sollte primär eine Aussage transportieren, Form und Ausdruck sind deshalb nicht unwichtig. Sie dienen aber primär der Verdeutlichung der Grundaussage und sind kein Selbstzweck.


Aha?

Und Zweitens: Wie kommst Du auf die Idee, dass Dein Text sei eine Parabel? Wohlgemerkt: Ich sage nicht, dass es keine ist, das steht mir nicht zu. Du bist der Autor, und Du bestimmst, was Dein Text ist. Du könntest ihn auch zum Haiku ernennen - dann würde ich eine ähnliche Frage stellen.


Noch ein Tipp: Es macht immer einen etwas seltsamen Eindruck, wenn jemand neu hierherkommt und sich so verhält, als müsse er den hier Anwesenden Selbstverständlichkeiten erklären. Zum Beispiel, was eine Parabel ist und wie man an sie herangeht. Ich sage gar nicht, dass Du das tust, man könnte Dich nur so verstehen. Und es ist ziemlich witzig, wenn jemand ausgerechnet Ede die Parabeln zu erklären versucht. Schau mal ins Archiv, was sie so schreibt, Du wirst verstehen, was ich meine ;-) .

Zum Schluss möchte ich Dein Kompliment zurückgeben. Es ist immer schön, wenn hier neue Leute hin kommen, die breit sind, ihre Texte einer Diskussion auszusetzen und nicht gleich beleidigt wegrennen, wenn sie auf Kritik stoßen.

Bis bald

Razor
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Re: Nicht geimpft! Eine Parabel

Beitragvon andres » 11.08.2007, 18:53

Hallo razorback,

schön, dass sich noch eine weitere Person in die Diskussion eingeklinkt hat.
Zu deinem ersten Punkt: Ich möchte nicht, dass meine Aussage als ein Vergleich meiner Persönlichkeit mit Kafka gedeutet wird! Du hast recht, ein solcher Vergleich entbehrt jeder Grundlage. Die Erwähnung von Kafka sollte lediglich zeigen, dass man aus einer kurzen Parabel einiges an Sinngehalt herausholen kann. Diese Erwähnung stellt eine Antwort auf die als Zitat gekennzeichnete Bemerkung Edes dar. Man könnte es auch so formulieren: Aus einer kleinen Geschichte lässt sich sehr viel herausholen, was Kafka eindrucksvoll demonstriert hat.

Noch etwas zu meiner Person: Ich möchte mich nicht mit Kafka vergleichen, dennoch habe ich den Anspruch, mit meinen Texten mehr als einen trivialen Sinngehalt zu vermitteln. Normalerweise schreibe ich keine Ratgeber für den richtigen Umgang mit Kind und Lagerfeuer ;-) .

Nun weiter: Da du auch der Meinung bist, dass zu viele Adjektive verwendet werden, sollte ich dies bei einer zukünftigen Überarbeitung beachten. Obwohl ich mich naturgemäß nicht über Kritik freue, sehe ich sie als eine wichtige Verbesserungsmöglichkeit.

Zitat: Zu viele Adjektive sprechen entweder für einen unsicheren Autor (ich will sichergehen, dass der Leser genau versteht, was ich meine) oder für Misstrauen gegenüber den Lesern (womöglichen erfrechen die sich, etwas anders zu sehen als ich)

Es ist immer schwierig, eine Aussage zu vermitteln, ohne den Leser zu sehr zu führen. Ich wollte vor allem eine Denkrichtung vorgeben. Orientiere ich mich aber an den inhaltlichen Reaktionen, so habe eigentlich noch nicht genug gelenkt.

Zitat: Das mit dem christlichen Elternhaus... hm..., ich weiß nicht. Kann sein, dass es in Deinem Umfeld so ist, meine Erfahrung ist etwas anders. Ich selbst bin Katholik, meine Kinder sind bzw. waren auf einem katholischen Kindergarten... keine Johannesse, Matthäusse oder Joseffe weit und breit.

Sicherlich macht hier jeder seine eigenen Erfahrungen. Mir sind einige stark konservative Familien bekannt, die den amerikanischen Puritanern Konkurrenz machen könnten. Hier gehört eine dogmatische Erziehung schon fast zum guten Ton. Eine Erfahrung in diesem Bekanntenkreis hat mich auch ursprünglich zu dieser Parabel inspiriert. Aber wie schon im vorletzten Kommentar angedeutet, möchte ich keine allgemeine Aussage über christliche Haushalte machen.

Zitat: Warum sind eigentlich Menschen, die Dogmen anprangern, oft so dogmatisch?

Dogmatisch? Es ging mir lediglich darum zu betonen, das der Sinngehalt eines literarischen Textes wichtiger ist als Form und Stil. Ich halte das für eine einfache Grundregel der Textkritik. Wird diese Regel nicht beachtet, so läuft man Gefahr, bestimmte Stilmittel, Satzkonstruktionen, Formulierungen usw. ausgiebig zu analysieren und dabei die inhaltliche Komponente zu vernachlässigen. Letztlich bewundern wir zwar das dichterische Geschick eines Goethe oder Schiller, was wäre dieses Geschick aber ohne die dahinter stehenden Gedanken/Ideen? Inwiefern bin ich hier dogmatisch?

Zitat: Und Zweitens: Wie kommst Du auf die Idee, dass Dein Text sei eine Parabel? Wohlgemerkt: Ich sage nicht, dass es keine ist, das steht mir nicht zu. Du bist der Autor, und Du bestimmst, was Dein Text ist. Du könntest ihn auch zum Haiku ernennen - dann würde ich eine ähnliche Frage stellen.

Zugegebenermaßen habe ich zuerst den Text verfasst ohne mir konkrete Gedanken über seine Textart zu machen. Sicherlich könnte man auch von einer Kurzgeschichte sprechen. Da ich aber eine bestimmte Lehre vermitteln will, halte ich die Bezeichnung Parabel für angebracht.
Natürlich habe ich mir auch die allgemeine Definition einer Parabel auf wikipedia durchgelesen. Schließlich denke ich, dass meine Text die Kriterien einer Parabel erfüllt.

Zitat: Noch ein Tipp: Es macht immer einen etwas seltsamen Eindruck, wenn jemand neu hierherkommt und sich so verhält, als müsse er den hier Anwesenden Selbstverständlichkeiten erklären. Zum Beispiel, was eine Parabel ist und wie man an sie herangeht. Ich sage gar nicht, dass Du das tust, man könnte Dich nur so verstehen. Und es ist ziemlich witzig, wenn jemand ausgerechnet Ede die Parabeln zu erklären versucht. Schau mal ins Archiv, was sie so schreibt, Du wirst verstehen, was ich meine

Ich möchte mich hier als Neuling keineswegs wie ein Lehrmeister benehmen. Doch die Kritik an meiner Parabel war mir eindeutig zu formal. Form- und Stilkritik ist wichtig und angebracht, wenn dies aber auf Kosten der inhaltlichen Stellungnahme geht, wurde meiner Meinung nach das Ziel verfehlt. Das ist nicht nur meine persönliche Meinung, sondern allgemeine Regel einer Textanalyse in der Schule und auch an der Uni. Um es noch einmal klar zu formulieren: Ich habe lediglich auf Edes Kritik reagiert und wollte keine generelle Aussage über Edes Fähigkeiten/Kenntnisse oder das Forum an sich machen.
Noch eine Bemerkung an Ede: Ich wollte dich auf keinen Fall beleidigen. Wenn ich dies unbewusst getan habe, so tut es mir leid!

Ich bin ganz deiner Meinung: Nichts geht über eine kritische und sachliche Diskussion. Und natürlich freue ich mich, dass das in dem Forum hier möglich ist :-p .

mfg

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Re: Nicht geimpft! Eine Parabel

Beitragvon razorback » 11.08.2007, 19:02

Hallo nochmal,

ich habe gerade keine Zeit - ich muss nach Köln (siehe Rubrik "Schauspiel"). Daher muss ich mich später vernünftig um Deine Antwort kümmern. Nur kurz: Ich glaube nicht, dass Du irgendwen beleidigen wolltest (und sonst scheint Dich ja auch niemand so verstanden zu haben), keine Sorge.

Ich fand nur die Konstellation witzig :-D .

Bis dann

RZB
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Re: Nicht geimpft! Eine Parabel

Beitragvon Edekire » 11.08.2007, 21:11

ich habe auch leider keine zeit und es könnte passieren das es eine weile dauert bis ich antworte, weil ich grad zeimlich beschäftigt bin und dann am montag wegfahre. du hast mich nicht beleidigt.

ich finde die diskussion gut und interessant und werde mich auch weiter dazu äußern. aber schön das der razot auch mitmischt. ich bin ein zeimlich unstrukturtierter mensch und manchmal finde ich es schwer zu fassen, was ich zu einem text denke. ob das was du sagen willst in dem text drinsteckt, finde ich fast schwer zu sagen. ich hatte da so gewisse meinungschankungen mit mir selbst. vielleicht ist das zentrale problem das ich hatte, eher so das ch über viel sprachliches gestoltpert bin und eine noch recht oberflächliche aussage zu forciert fand. dadurch mag es sein, das ich mir nicht so sehr die mühe gemacht habe viel weiter zu denken. ich mag gerne denken, aber vielleicht denke ich am liebsten wenn ich erst nichts erstehe und sich dann langsam etwas entschlüsselt.

wir können uns im ürbeigen gerne überdas binden von büchern austauschen :-)

so far

edekire
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Re: Nicht geimpft! Eine Parabel

Beitragvon razorback » 14.08.2007, 21:27

Hallo Andres,

ich schulde Dir noch eine Stellungnahme. Ich möchte mich auf eine - für mich zentrale - Aussage Deiner letzten Stellungnahme beziehen, weil ich glaube, dass hier der Kern unserer Meinungsverschiedenheit liegt. Und weil sie, glaube ich, außerdem der Schlüssel zu der Frage ist, warum Dein Text hier so anders behandelt wurde, als Du es vielleicht erwartet hast:

Form- und Stilkritik ist wichtig und angebracht, wenn dies aber auf Kosten der inhaltlichen Stellungnahme geht, wurde meiner Meinung nach das Ziel verfehlt. Das ist nicht nur meine persönliche Meinung, sondern allgemeine Regel einer Textanalyse in der Schule und auch an der Uni.


Zuerst eine ganz allgemeine Anmerkung: Deine Art, Tatsachen vorzustellen provoziert. Nachdem Du es hier wieder tust, glaube ich tatsächlich, dass Du niemanden belehren oder bevormunden willst, aber glaub mir - es kommt so rüber ;-) . Du darfst ehrlich drauf vertrauen, dass sich hier Leute tummeln, die Textanalyse seit dem Deutsch Leistungskurs betreiben, Germanistikstudenten, Leute ohne weitreichende akademische Bildung, dafür aber mit einem sehr wachen Instinkt... Ich bin, damit Du mich dahingehend einordnen kannst, ein Mittelding: Kein Deutsch LK, sondern Englisch (aber dort auch reichlich Textanalyse, danke), kein Germanistikstudium, dafür aber Philosophie (und Geschichte und Politikwissenschaft, aber was die Textarbeit betrifft, war die Philosophie am aufwendigsten). Heute verdiene ich mit Text eine Großteil meiner Brötchen. Und ich bin hier, was akademische Analysekompetenz angeht, keineswegs herausragend, eher der Durchschnitt.

Warum erzähle ich das? Nun - weil es eben sehr provozierend ist, wenn ein Neuling hier hereinplatzt und erklären will, was "allgemeine Regeln" sind. Damit möchte ich Dir keinesfalls absprechen, eine Meinung zu haben, und die auch deutlich zu sagen. Es ist der Ton...

Jetzt also zum Kern des Pudels:

Du meinst, das Ziel wurde verfehlt? Konkret - passivisch verschleiert immer so schön - Ede und ich hätten das jeweilige Ziel verfehlt. Nun ja - ich kann nicht für Ede sprechen, aber was glaubst Du denn, was mein Ziel war?

Um keine Rätselspielchen zu veranstalten: Mein Ziel war, Deinen Text zu lesen, zu loben, wo ich ihn gut finde und Dir dort, wo ich Schwächen erkenne, Vorschläge zur Verbesserung zu machen. Das deckt sich vielleicht nicht mit den allgemeinen Regeln eines Germanistikseminars, aber dort befindest Du Dich auch nicht. Du lieferst hier keinen Text zur Inhaltsanalyse ab - wieso sollte irgendjemand irgendein Interesse daran haben, diesen Text zu analysieren, wenn noch so viel Kafka unanalysiert im Schrank steht (sorry :-D ) ?

Natürlich KANNST Du eine Inhaltsanalyse anfragen - und wahrscheinlich bekommst Du sie sogar. Aber, wenn ich dieses Forum richtig beurteile, gehen die meisten hier zunächst einmal nicht davon aus, dass es das ist, was Du willst.

Es hat sich einfach so eingebürgert: Wer hier einen Text einstellt, sei es ein Haiku oder ein Roman, will in aller Regel wissen, was die anderen davon halten, möchte Bestärkung, wo die anderen seinen Text gut finden und Kritik (womöglich mit Verbesserungsvorschlag), wo er nicht gelungen ist.

Wir haben hier - wie in jedem Forum - ganz unterschiedliche Leute. Manche gehen tatsächlich in erster Linie auf den Inhalt, andere beschäftigen sich mit der Form, es gibt Leute, die sich ausschließlich an einem einzigen Wort festbeißen können, und manche liefern irgendwelchen wirren Kommentare, die zwar wiederum einer eigenen Analyse bedürfen, aber dennoch ganz hilfreich sein können.

Ich gehöre zu den Leuten, die sich vor allem mit der äußeren Form eines Textes beschäftigen. Aus drei Gründen:

1.) Die Form wird stets unterschätzt (Dein Kommentar ist ein weiteres Beispiel), die meisten glauben, Inhalt gehe über Form. Und wo wir Autoren sind, empfinden wir alle so - die GESCHICHTE ist wichtig, nicht der Satzbau. Ganz mein Empfinden - wenn ich selbst schreibe. Aber das stimmt eben nur so lange, wie wir nur für unsere Schublade schreiben. Sobald wir unseren Text Lesern zumuten, wird die Form entscheidend dafür, ob und wie die Geschichte wahrgenommen wird. Wenn wir unsere Leser mit Schachtelsätzen, Verlaufsformen und Passivkonstruktionen foltern (tust Du nicht - das sind nur Beispiele), dürfen wir uns nicht wundern, wenn unsere Geschichten nicht gelesen werden, und seien sie noch so toll. Wenn wir unsere Leser langweilen, weil wir keine Dramaturgie aufbauen können, sind wir selbst Schuld, wenn die Botschaft in unserem Text keinen interessiert.

Leserverachtung ist ja bei uns Literaten gerne genommen. Ich bin aber der festen Ansicht, dass man nur bei der Geschichte selbst nicht an den Leser denken darf. Wer versucht, eine Geschichte zu schreiben, weil es gerade modern ist, weil er belehren will, oder weil er von Lesern bewundert werden will, wird scheitern. Bei der Form aber ist es genau umgekehrt - wer die Form mißachtet wird nicht gelesen, weil er einfach schlecht schreibt.

Dabei bedeutet gute Form nicht unbedingt Gefälligkeit. Nimm Kafka (Du hast ihn in die Diskussion gebracht, ätsch ;-) ): Der schreibt extrem sperrige Inhalte, klar. Aber er tut es mit großartigen Bildern und einem wunderbaren Stil. Er war - neben allem anderen - auch ein Meister der Form. Der erste Satz der Verwandlung ist für mich einer der besten ersten Sätze, wenn nicht DER beste erste Satz in der deutschsprachigen Literatur. Und es ist nicht der Inhalt, der ihn so stark macht:

Nach dem Erwachen aus unruhigen Träumen fand Gregor Samsa heraus, dass in seinem Bett die Verwandlung seiner selbst in ein ungeheures Ungeziefer statt gefunden hatte.

Tut weh, oder? Aber am INHALT hat sich nichts geändert.

2.) Aus einem weiteren Grund ist die Form keine Nebensache, kann keine Nebensache sein - in gewisser Weise ist sie sogar wichtiger als der Inhalt. Denn sie ist das Handwerkszeug, das wir wählen, um uns auszudrücken. Deshalb sind wir Autoren, keine Maler, keine Komponisten, keine Regisseure. Wenn Dir die Form als weniger wichtig erscheint - warum bist Du dann kein Bildhauer? Alleine die Tatsache, dass Dir irgendwann mal jemand beigebracht hat zu schreiben, kann ja nicht der Grund sein. Als Autor musst Du ja auch irgendwoher die Überzeugung und den Drang haben, mit Sprache arbeiten zu können und zu wollen. Nur die Sprache - nur die FORM - macht Dich zum Autor, nicht der Inhalt.

3.) Der dritte Grund ist der subjektivste: Ich verstehe mich am besten auf die Kritik von Stil und Sprache. Darin bin ich gut, darin habe ich inzwischen jahrzehntelange Erfahrung. Und daran habe ich Spaß. Dazu kommt, dass ich offenbar selbst einen ganz vernünftigen Stil schreibe. Ich habe hier schon sehr lange Texte eingestellt, und die Stellungnahmen zum Inhalt waren stets kontroverser als die zum Stil. Im Beruf geht es mir ähnlich. Ich fühle mich auf diesem Terrain also sehr sicher, und scheinbar auch mit einigem Recht.

Mit Inhaltsanalysen dagegen tue ich mich schwerer. Denn Inhaltsanalyse ist - viel mehr als Stilkritik - reine Meinung. Ob ich Deine Aussage nun teile oder nicht, wen interessiert das groß? Bestenfalls sind wir uns einig und finden uns gegenseitig toll, schlimmstenfalls sind wir uneins. Und dann? Was bringt das mehr als "schön, dass wir mal drüber geredet haben?"

Wobei ich da schon einen Schritt zu viel gemacht habe. Erstmal muss ich Deine Aussage ja herausfinden, mir also die blödeste aller blöden Lehrerfragen stellen: "Was will der Autor mir damit sagen?"

Nun, erstens kann es sein, dass er mir gar nichts sagen will, sondern einfach eine gute Geschichte erzählt. Kennst Du "cat in the rain" von Ernest Hemingway? Eine gute Geschichte, wie bei Hemingway üblich. Wenn man aber zwanghaft Botschaften darin sehen will, geht man am Ende so weit wie ein Lehrer von mir, der den Regen als Fruchtbarkeit deutete und einen Regenmantel folgerichtig als... na... genau: als Kondom. Leute, die Botschaften hören, landen üblicherweise im Irrenhaus. Leute, die überall Botschaften lesen, dürfen statt dessen unterrichten. Irgendwas stimmt da doch nicht :-D

Selbstverständlich kann es sein, dass ein Autor eine Botschaft vermitteln will. Dann macht er allerdings einen Fehler, wenn es einer Analyse bedarf, um sie zu finden. Wenn seine Botschaft so verdammt wichtig ist, soll er sie nicht verstecken. Und wenn sie nicht so wichtig ist, soll er mich nicht damit behelligen. Die Kunst ist, die Botschaft nicht zu verstecken, und die Leser trotzdem zu unterhalten. Aber es sagt ja niemand, dass das Autorenleben einfach sei.

Und auch hier - unterhaltsam muss nicht einfach bedeuten. Kafka zum Beispiel... ;-)

So oder so bleibt eine inhaltliche Kritik reine Meinungs und Geschmackssache. Schon das Urteil "langweilig" ist wieder ein formal-handwerkliches, da es auf fehlenden Spannungsaufbau hindeutet. Ich bestreite gar nicht, dass Meinungs- oder Geschmacksäußerungen wichtig sind. Wenn ich hier eine Geschichte einstelle, und fünf Leute schreiben "hat mich nicht angesprochen, fand ich banal", dann brauche ich keine Formanalyse mehr, dann ist der Text inhaltlich schlecht. Aber auf eine solche Kritik zu reagieren, den Text zu verbessern, ist sehr schwer. Deshalb bin ich damit so zurückhaltend - man übernimmt eine größere Verantwortung.

Aber da Du es möchtest - zum Inhalt Deines Textes.

Aus zwei Gründen machst Du eine inhaltliche Beurteilung (merkst Du, wie ich mich um das Wort "Analyse" drücke ;-) ) Deines Textes sehr schwer.

Zum einen ist er extrem kurz, hat also nicht besonders viel Inhalt. Und zum anderen bezeichnest Du ihn als Parabel. Ich finde aber in diesem Text nichts Gleichnishaftes, abgesehen vielleicht vom letzten Satz. Das kann durchaus mein Unvermögen sein, gebe ich zu. Aber wenn Leute sich in Ungeziefer verwandeln, vor dem Gesetz rumlungern, als Boten nie das Ziel erreichen, dann erkenne ich Gleichnisse. Wenn eine Mutter hingegen ihrem Kind die Flamme verbietet und nämliches Kind dann später in rückwärtsgewandter Rebellion in ein Feuer tritt... dann ist das vielleicht ein wenig abwegig, aber erscheint mir doch noch recht bodenständig. Eher ein Pars Pro Toto, als eine Metapher.

Wenn ich davon ausgehe (und da kommen wir schon in den unsicheren Bereich - vielleicht kann ich davon ja gar nicht ausgehen), dass Du auf die Schädlichkeit frühen Drills auf Gehorsam hinweisen willst, ensteht ein zentrales Problem: Dein Kind schadet sich selbst, indem es nicht auf die Mutter hört. Es mag sein, dass Du die Flamme hier als positives Symbol verstehst, diese Symbolik lässt sich aber aus dem Text meines Erachtens nicht erschließen. Die Flamme hier ist eine Flamme - und wer da rein geht, hat im nächsten Moment ein arges Problem. Im Grund zeigst Du also nur, dass das Kind besser auch am Lagerfeuer noch auf die warnende Stimme der Mutter gehört hätte.

Bleibt noch, dass die Mutter vielleicht besser hätte erklären sollen, warum man nicht in die Flamme greifen sollte ("Nicht! Das ist heiß! Tutt weh!" oder so). Da Dein kurzer Text aber nicht zeigt, ob sich die Rebellion gegen den Befehl an sich richtet, oder aus Unverständnis resultiert, bleibt das reine Spekulation.

Wenn Du also etwas in dieser Richtung sagen wolltest, solltest Du den Text meines Erachtens noch schärfen. WAS in dem Ruf der Mutter veranlasst Johannes, in das Feuer zu steigen?

Alles Gute

Razor
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Consider Phlebas, who was once handsome and tall as You

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Re: Nicht geimpft! Eine Parabel

Beitragvon Edekire » 17.08.2007, 22:50

hallo :-)

wenn ich jetzt antworte tute ich teilweise ins gleiche horn wie der razor. ich machs mal trotzdem ist ja egal. deshalb erst etwas anderes:
Mir sind einige stark konservative Familien bekannt, die den amerikanischen Puritanern Konkurrenz machen könnten. Hier gehört eine dogmatische Erziehung schon fast zum guten Ton. Eine Erfahrung in diesem Bekanntenkreis hat mich auch ursprünglich zu dieser Parabel inspiriert


find ich irgendwie interessant. ich glaube meine reaktion (nicht das das unbedingt besser wäre) wäre gewesen diese situtaion nachzuzeichnen. vielleicht hängt es damit zusammen das ich gerade lieber geschichten erzähle. oder weil meine parablisisch, symbolisch tiefsinnigphase gerade vorbei ist.. mich würde die situation trotzdem interessieren.


also ich falle zemlich in die kategorie die du aufgemqcht hast. deutsch lk. zwei semester literaturwissenschaften studiert. das zweite nur aus hobby.
wenn ich hier kritisere, dann kritisier ich stil. ich sag auch was zu anderen texten, manchmal einfach nur das ich sie mag, oder das da nen t fehlt, oder sonstwas. ich mache keine analyse. für mich ist das ein workshop hier. weil wir nicht zusammensitzen können beschenken wir einander aus der ferne mit anregung, kritik, lob oder sonstwas. ich sehe ach nicht ein warum ich inhaltlich analysieren sollte. natürlich muss einer kritik des stils ein gewissesn verständnis zugrunde liegen.

wenn sich z.b johannes gegen die vorschriften auflehnt, sollte sich das sprachlich wiederfinden. du schreibst aber: johannes wartet einen moment. obwohl du, laut deiner aussage, perspektivisch in seiner nähe bist, wartet er. wartend klingt aber nicht nach auflehnung. wenn der leser deines kurzen textes das aber herauslesen soll, sollte es sich sprachlich manifestieren.
ich kann den möglichen trotz und den möglichen gehorsam den du erwähnst werde sehen noch fühlen.
sprache und inhalt sind für mich eins. ich erzähle ein geschichte, ich liebe geshcichten. wenn ich wollte könnte ich den letzten text den ich hier hereingestellt habe auf ein paar sätze reduziern: zwei leute, von denen der ein schon nen knall hat, können nicht miteinander leben obwohl sie einander lieben. nicht gerade sehr spannend was? ist mir aber egal. lies mal: sagt lila, von chimo. so ein wunderbares buch. das kann fast genauso zusammenfasssen, + beshcreibung des sozialen elends in den pariser vororten.

der stil erzeugt das bild. vielleicht ist das so ein bisschen wie beim film, wo auch aus einem guten drehbuch murks werden kann, wenn der rest nicht stimmt.


ob das literaturwissenschaftlich einer parabel entspricht, ist mri eigentliuch egal. für mich ist es einfach ein text.

ich glaube wenn man mir sagen würde: schreib mal ne parabel, würde ich etwas märchenhaft erzählen und müsste die gelegenheit ausnutzen das ich nicht die grenzen der realität gebunden bin.
weil ich gerne spiele und assoziere, ebenso aber auch weil ich glaube, das surralität den leser dazu animiert zu bohren zu denken und suchen...

aber ich bin ich :-)

abendlicher gruß
edekire
ich wünschte ich hätte musik, doch ich habe nur worte
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Re: Nicht geimpft! Eine Parabel

Beitragvon andres » 19.08.2007, 11:05

Zeit ist bei mir leider gerade Mangelware :-(( . Eine Antwort ist in Produktion...

lg

andres
werden.

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Re: Nicht geimpft! Eine Parabel

Beitragvon andres » 22.08.2007, 18:17

Aloa Razor,
Aloa Ede,

Zitat: Du darfst ehrlich drauf vertrauen, dass sich hier Leute tummeln, die Textanalyse seit dem Deutsch Leistungskurs betreiben, Germanistikstudenten,...

Generell freue ich mich, wenn gebildete Personen auf meine Beiträge antworten und es dann zu einem Meinungsaustausch kommt. Leider (oder zum Glück?) habe ich keine Möglichkeit, den tatsächlichen Bildungsstand meines Gegenübers zu überprüfen (Jeder könnte sein Profil mit schönen Namen schmücken, ohne je ein Werk von dem Autor gelesen zu haben). Also bleibt mir als zuverlässiger Indikator nur das hier geschriebene Wort. Auf dieser Basis schätze ich meinen Gesprächspartner ein. Welchen akademischen Rang er nun wirklich bekleidet ist mir eigentlich nicht so wichtig. Außerdem ist ein akademischer Rang keine Garantie für eine konstruktive Konversation. Eine sog. „akademische Analysekompetenz“ muss auch erst mal durch eine schöne Textanalyse bewiesen werden :-) . Ansonsten steht diese Kompetenz nur auf einem Blatt Papier.
Zusammenfassend gesagt: Die Kompetenz einer Person zeigt sich meiner Meinung nach nur in der Qualität seines Textbeitrages. Sicherlich fragst du dich dann, warum ich in meinem letzten Beitrag überhaupt die Schule/Uni ins Spiel gebracht habe. Nun, ich wollte lediglich zeigen, dass die „allgemeinen Regeln“, die ich erwähnte, nicht meine persönliche Kreation sind.

Zitat: Natürlich KANNST Du eine Inhaltsanalyse anfragen..

Ich möchte dir nun zeigen, warum ich eine bestimmte (analysierende) Reaktion erwartet habe.
Wie schon treffend bemerkt, klingt meine Parabel im ersten, d.h. wörtlichen Sinn unlogisch.
...Die Schutzreaktion der Mutter ist notwendig und natürlich. Ein Junge weis mit 10 Jahren schon, dass ein Sprung in ein Lagerfeuer schmerzhaft ist...
An diesem Punkt könnte man einen Schlussstrich ziehen. Die Parabel macht keinen Sinn, sie enthält zu viele Adjektive, ist somit stilistisch angreifbar. Wahrscheinlich handelt es sich schlicht um einen missratenen Versuch.
Von anderen Autoren (z.B. Kafka) wissen wir aber, dass ein Text nicht notwendig auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen muss. Bestes Beispiel: Eine wörtliche Interpretation von Kafkas „Prozeß“ ist meiner Meinung nach schwierig. Warum gestehen wir dann nicht auch dieser Parabel weitere Bedeutungsebenen zu? Wie sind diese nun aber zu erschließen? Wir sehen die Handlung an sich einfach als größtenteils allegorisch und versuchen sie zu deuten. Ich habe auf eine solche Vorgehensweise in meinen Kommentaren erklärend hingewiesen. Warum sollte man sich aber die Arbeit machen....

.... wenn noch so viel Kafka unanalysiert im Schrank steht?

Ich habe diesen Text verfasst und in einem Literatur-Forum publiziert. Literatur ist ein wirklich großes Wort, seine Schwester :-) heißt Interpretation. Viele literarische Werke muss mann analytisch-interpretierend erschließen (ein Beispiel folgt weiter unten). Diese Grundregeln sind in einem Literatur-Forum natürlich bekannt, weshalb ich sie hier nicht „auszutreten“ brauche.
Aus diesem Grund kann ich meiner Meinung nach auch eine genauere Betrachtung verlangen.

Zitat: Aber, wenn ich dieses Forum richtig beurteile, gehen die meisten hier zunächst einmal nicht davon aus, dass es das ist, was Du willst.

Um es einmal anders auszudrücken: Ich will, dass man versucht meine Parabel durch eine Deutung zu verstehen.

Zitat: Du meinst, das Ziel wurde verfehlt? Konkret - passivisch verschleiert immer so schön - Ede und ich hätten das jeweilige Ziel verfehlt. Nun ja - ich kann nicht für Ede sprechen, aber was glaubst Du denn, was mein Ziel war?

Im folgenden Satz meines Beitrages, auf den du dich beziehst, habe ich deutlich gemacht, dass ich von einer geltenden Richtlinie aus dem Bereich Schule/Uni spreche (Zitat: Form- und Stilkritik ist wichtig und angebracht, wenn dies aber auf Kosten der inhaltlichen Stellungnahme geht, wurde meiner Meinung nach das Ziel verfehlt. Das ist nicht nur meine persönliche Meinung, sondern allgemeine Regel einer Textanalyse in der Schule und auch an der Uni ). Überträgt man diese Richtlinie 1:1 auf unsere Diskussion, so ist eine solche Formulierung gerechtfertigt. Sicherlich muss man sich in diesem Forum nicht streng an universitäres Reglement halten (das Gegenteil wäre schrecklich ;-) ). Doch ein paar grundlegende Strukturen finde ich durchaus sinnvoll. Auf der anderen Seite möchte ich mich bei unserer zentralen Streitfrage, nämlich der Frage nach dem Verhältnis von Inhalt zu Form, nicht hinter staubigen Regelwerken verstecken, sondern meinen Standpunkt argumentativ erläutern.

Zitat: Die Form wird stets unterschätzt.

Da stimme ich dir vorbehaltlos zu. Die Form ist wichtig, sie entscheidet oftmals darüber, ob ein Werk gelesen wird oder nicht. Ein wirklich gutes Werk zeichnet sich durch eine vollendete Form und hervorragenden Inhalt aus.

Zitat: Wenn wir unsere Leser langweilen, weil wir keine Dramaturgie aufbauen können, sind wir selbst Schuld, wenn die Botschaft in unserem Text keinen interessiert.

Natürlich soll sich kein Leser langweilen, doch welcher Leser ist gemeint? Die Frage nach der Zielgruppe eines Werkes halte ich hierbei für äußerst wichtig. Jede Zielgruppe hat verschiedene Vorstellungen von „langweilig“ oder „spannend“. Einige Zielgruppen „konsumieren“ Literatur mit dem Ziel der Unterhaltung, andere wünschen sich eine Kombination aus Unterhaltung und „lehrreichen Inhalten“. Für eine dritte Gruppe ist der unterhaltende Aspekt eher sekundär, bzw. sie lassen sich von „lehrreichen Inhalten“ unterhalten ;-) .
Allein diese doch recht grobe Differenzierung zeigt, dass man je nach Zielgruppe die Gewichtung von Form und Inhalt anders beurteilen muss. So ist z.B. bei unterhaltender Literatur die erste Seite enorm wichtig. Oftmals wird die erste Seite gelesen, um auf der Basis dieser Leseerfahrung zu beurteilen, ob das Buch lesenwert ist. Die weiteren Seiten mögen auch noch so formvollendet und lehrreich sein, wenn die erste Seite nicht anspricht, wird der Rest nicht gelesen. Folgerichtig haben also hier Form und Stil klar Priorität.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Zielgruppe einen großen Einfluss auf das
Inhalt-Form Verhältnis hat. Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden: Die gerade aufgezeigt Dreiteilung der Zielgruppen ist nicht wertend sondern rein deskriptiv gemeint.

Grundsätzlich halte ich eine zu starke Orientierung an den Wünschen der Mehrheit für schädlich. Möchte ich z.B. ein Buch über Kindererziehung schreiben, so erreiche ich bestimmt mehr Menschen, wenn ich in meinem ersten Kapitel den Zeugungsvorgang plastisch beschreibe ;-) . Möchte ich aber gezielt eine bestimmte Gruppe ansprechen, so schrecke ich damit gleichzeitig zwei weitere Gruppen ab. Ein sachlich-nüchterner Stil kann auch als zäh und zu trocken, also als langweilig empfunden werden. Ein lockerer Stil versetzt mit lustigen Anekdoten kann begeistern wie auch abschrecken. Ein guter Autor sollte meiner Meinung nach einen persönlichen Stil entwickeln und ihm dann treu bleiben.

Zitat:...in gewisser Weise ist sie sogar wichtiger als der Inhalt. Denn sie ist das Handwerkszeug, das wir wählen, um uns auszudrücken.

Um deine Metapher aufzugreifen: Mein Handwerkszeug ist kein Selbstzweck, sondern es soll mir bei der Produktion helfen bzw. die Produktion ermöglichen. Ein Tischler möchte einen Tisch produzieren, also gebraucht er sein Werkzeug. Der Tisch wird nicht produziert, um die Werkzeuge zu gebrauchen. Natürlich sind die Werkzeuge sehr wichtig, denn ohne Werkzeug gibt’s keinen Tisch! Sind deshalb aber die Werkzeuge wichtiger als der Tisch? Wenn ich Texte verfasse, sehe ich mich ungern als Handwerker, weshalb mir dieser Vergleich auch nicht sonderlich gefällt.
Weshalb bin ich Autor und nicht Komponist oder Maler? Alle 3 Berufsgruppen haben doch eines gemeinsam, sie vermitteln. Eine Frühlingswiese wird vom Autor in Worten dargestellt, der Maler benutzt die Leinwand und der Komponist die Noten. Alle versuchen eine möglichst intensive Erlebniswelt zu vermitteln. Sie benutzen „lediglich“ andere Medien. Natürlich ist der tatsächliche Unterschied sehr groß, die Zielsetzung aber (wenn wir beim Beispiel der Frühlingswiese bleiben) ist dieselbe. Keine der genannten Berufsgruppen beschreibt eine Frühlingswiese nur um sein Medium zu benutzen.
Man könnte meine Hauptaussage auch so formulieren: Eine gute Form ist ein Grunderfordernis jedes Textes, somit ist sie wirklich wichtig. Betrachtet man jedoch das Verhältnis zum Inhalt, so muss man den Inhalt als eigentlichen Zweck sehen. Somit hat der Inhalt Priorität.
Obige Frage konnte ich auch so beantworten: Ich persönlich benutze das Medium Wort aus einem Grund, der deinem Argument Nr.3 ähnelt. Mir liegt dieses Medium, ich fühle mich sozusagen in ihm „zu Hause“.

Zitat: Mit Inhaltsanalysen dagegen tue ich mich schwerer. Denn Inhaltsanalyse ist - viel mehr als Stilkritik - reine Meinung.

Wenn du mich fragst, ist eine Inhaltsanalyse der eigentlich spannende Teil einer Textanalyse.
Außerdem bilden Inhalt und Form eine verwobene Einheit, sodass eine genaue Formanalyse Rückschlüsse auf inhaltliche Fragen zulässt.
Doch warum bist du der Meinung, dass eine Stilkritik keine reine Meinung ist? Wenn man die einzelnen Epochen vergleicht, so gibt es eine Unmenge an Schreibstilen/Formvarianten allein in der deutschen Sprache. Bezieht man noch andere Länder oder Kontinente mit ein, kann man leicht den Überblick verlieren. In Anbetracht einer solchen Vielzahl halte ich es für unmöglich, objektiv über einen bestimmten Stil zu urteilen. Du und Ede, ihr seid der Meinung, dass meine Parabel zu viele Adjektive enthält. Während unserer Konversation kam ich zu dem Ergebnis, dass ich mich eurer Meinung anschließen kann. Eine arabischer Dichter vergangener Jahrhunderte bedient sich einer sehr blumigen Sprache. Er wäre vielleicht der Meinung, dass viel zu wenig Adjektive gebraucht wurden.
Ich bin der Meinung :-) , dass wir letztendlich nur über Meinungen sprechen. Ich bin dieser Meinung, du jener, dich berührt der Stil, mir gefällt er nicht. Manchmal erscheint es sinnvoll, eine Meinung zu ändern, ein anderes Mal überzeugen wir jemanden. Das ist natürlich nicht abwertend gemeint, schließlich haben wir ja alle bestimme Gründe für unsere Ansichten.
Diskutieren wir über eine bestimmte Form, so haben wir im Bereich der Grammatik ein festes Regelwerk. Wir können feststellen, dass gegen dieses Regelwerk verstoßen wurde. Welche objektiv richtige Aussage können wir aber darüber hinaus machen?
Trotzdem denke ich, dass ein Meinungsaustausch sehr wichtig ist. Warum? Es soll ja vorkommen, dass es verschiedene Meinungen zu einem Thema gibt (dieses „Gespräch“ ist ein Beispiel dafür). In so einem Fall versucht jeder seine Meinung zu erläutern. Jeder ist also gezwungen, seine Meinung mit Argumenten zu belegen und diese 1. zu formulieren und 2. kritisch zu überdenken. Oftmals ist man von seiner Meinung so eingenommen, dass man andere Meinungen vorschnell aburteilt. Ein kritischer Meinungsaustausch ist sehr nützlich, er bewahrt einen vor einer zu eindimensionalen Sicht und hilft bei einer Selbstüberprüfung. Wird ein Gespräch produktiv geführt, ist man in der Lage seinen Standpunkt gegebenenfalls zu korrigieren. So kann es zu einer langsamen Annäherung kommen. Eine sog. Synthese rundet unseren Standpunkt ab und erweitert unseren Horizont. Dann kann man wirklich sagen: "schön, dass wir mal drüber geredet haben!" . Auch wenn man letztendlich seine Meinung beibehält, profitiert jeder von einem solchen Gedankenaustausch.

Zitat: ...der den Regen als Fruchtbarkeit deutete und einen Regenmantel folgerichtig als... na... genau: als Kondom. Leute, die Botschaften hören, landen üblicherweise im Irrenhaus. Leute, die überall Botschaften lesen, dürfen statt dessen unterrichten.

Du sprichst hier ein heikles Thema an. Ähnliche Schlussfolgerungen wie die deines ehemaligen Lehrers sind mir schon in tiefenpsychologischen Interpretationen begegnet. So werden Märchen, Mythen und Sagen mit Vorliebe von Psychologen freudscher oder jungscher Schule gedeutet. Zugegeben, manche Deutungsansätze erscheinen wirklich abwegig. Ich persönlich habe mich näher mit der Tiefenpsychologie C.G. Jungs beschäftigt.
Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass sein Ansatz plausibel und nachvollziehbar ist. Das hat mich auch Respekt vor den „Irren“ gelehrt, schließlich sind wir (die Gesunden) im Prinzip nur weniger krank als die geistig Kranken. Doch das ist ein anderes (strittiges) Thema...

Um wieder zu unserem eigentlichen Thema zurückzukommen:

Zitat: Selbstverständlich kann es sein, dass ein Autor eine Botschaft vermitteln will. Dann macht er allerdings einen Fehler, wenn es einer Analyse bedarf, um sie zu finden. Wenn seine Botschaft so verdammt wichtig ist, soll er sie nicht verstecken.

Eine durchaus plausible Meinung. Ich möchte jetzt aber begründen, warum diese Vorgabe (Inhalte nicht verstecken) keinen Regelcharakter haben kann. Die deutsche Literaturgeschichte hat nämlich auch Werke hervorgebracht, die man zurecht bedeutend nennt, die aber deiner obigen Aussage widersprechen. Ein Beispiel: Effi Briest von Theodor Fontane. Dieses Werk ist definitiv nicht eines meiner Lieblingswerke, es passt aber in unsere Diskussion, weshalb ich hier darauf eingehen will. Das Werk beginnt mit einer nüchternen (architektonischen) Beschreibung des Elternhauses der Familie Briest.
Auf den ersten Blick erkennt man hier nur die Beschreibung des Hauses, des Gartens und der umliegenden Landschaft. Effi Briest schaukelt und wechselt einen scheinbar unbedeutenden Satz mit der Mutter. Nichts aufregendes also. Aus einem Kommentar von Fontane wissen wir aber, dass die ersten Seiten seines Werkes die komplette Exposition samt einem Ausblick auf die später zentrale Problematik enthalten. Spätestens hier also verabschieden wir uns von einem wörtlichen Verständnis und gehen zu einer Deutung über.

Diesen Stil behält Fontane das ganze Werk über bei. Viele Zusammenhänge muss sich der Leser selber erschließen. Wichtige Ereignisse (wie z.B. die Affäre Effis) werden erdzählerisch überhaupt nicht dargestellt, es findet sich höchstens die Spur einer Andeutung. Ein Motiv (Bild eines Chinesen) tritt immer wieder ohne direkt ersichtlichen Grund auf. Dem Leser bleibt die Beantwortung der Frage nach der Bedeutung des Chinesen überlassen. Das Werk ist voll von Andeutungen, Motiven und versteckten Konflikten. Der Leser avanciert teilweise zum Detektiv, der der Handlung auf der Spur ist. Das ist für meinen Geschmack zu viel des Versteckspiels. Die Schüler, die sich damit befassen müssen/mussten tun mir aufrichtig leid. Auf jeden Fall beweist das Werk aber, dass man es grundsätzlich nicht als Fehler bezeichnen kann, wenn eine Botschaft in indirekter (versteckter) Form vermittelt wird. Es gibt natürlich elegantere und leserfreundlichere Schreibstile, durch die ein Autor eine Botschaft indirekt vermitteln kann.

Zitat: ....und da kommen wir schon in den unsicheren Bereich - vielleicht kann ich davon ja gar nicht ausgehen...

Ich glaube, dass hier das eigentliche Problem liegt, wenn es explizit um meinen Text geht.
Schon fast gezwungen, verlässt der Leser auf dem Weg zu einem Verständnis die wörtliche Bedeutungsebene. Hier besteht natürlich eine große Unsicherheit, wie das Zitat beweist. Diese Unsicherheit ist auch vollkommen angebracht, denn aufgrund der doch wenigen Information kann ich überhaupt nicht sicher sein. Als Autor nehme ich den Leser symbolisch nicht an die Hand, sonder schmeiße ihn sozusagen ins kalte Wasser. Ich finde aber, dass das Wasser nicht zu kalt ist, d.h. dass sich trotzdem eine schlüssige Interpretation finden lässt.
Ein zentrales Motiv hierbei ist die Flamme. Sie soll eine Gefahr darstellen, die von Johannes als solche nicht erkannt wird. Zudem fasziniert die Flamme Johannes, sie erscheint ihm als interessant. Die Mutter übernimmt eine vermittelnde Rolle, sie versucht Johannes vor der Gefahr zu schützen. Mir geht es nun darum, die Methode dieser „Vermittlung“ zu kritisieren. Die Mutter schafft es nicht, die Flammen als Gefahr zu „enttarnen“, sondern sie beschränkt sich auf ein dogmatisches Verbot. Als direkte Reaktion auf die Stimme (des Über-Ichs :-) ) stürzt sich Johannes in die Flammen. Hiermit wollte ich eine Protestreaktion veranschaulichen.

Nun, vielleicht habe ich dem Leser zuviel zugemutet, vielleicht sollte ich ein wenig mehr sagen. Zuerst warte ich, ob sich hier nicht noch jemand äußern möchte (der sich nicht von den seitenlangen Kommentaren abschrecken lässt ;-) ). Wahrscheinlich werde ich die Meinung einiger Bekannter einholen. Dann kann ich das hoffentlich besser beurteilen.

Noch ein paar abschließende Bemerkungen:
Bei anderen Gelegenheiten habe ich die Erfahrung gemacht, dass es im Gespräch über Literatur nützlich ist, sich möglichst genau auszudrücken. Das versuche ich auch hier. Zugegeben, ich habe nicht viele Beiträge gelesen bevor ich Meinen veröffentlicht habe. Vielleicht habe ich den Ton hier nicht richtig getroffen. Aber : „Nur die Weisesten und die Dümmsten können sich nicht ändern!“
Du hast erwähnt, das du u.a. mit Texten dein Geld verdienst. Mich würde interessieren, was genau du machst. Heutzutage mit Texten (ausreichend) Geld zu verdienen ist sicherlich der Traum jedes Hobbyautors, oftmals bleib es aber beim träumen. Selbst Kafka war hauptberuflich Jurist.

Noch einen Satz zu dir Ede: Deine Kritikpunkte überschneiden sich z.T. mit denen von Razor.
Daher ist dieser Beitrag auch als Antwort auf deinen Kommentar gedacht. Ich finde es gut, dass du hier deine persönliche Note mit einbringst. Schließlich leisten drei Gehirne mehr als zwei ;-) .

mfg

andres
werden.

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Re: Nicht geimpft! Eine Parabel

Beitragvon mög » 28.08.2007, 09:39

Weil du also so viel Wert auf inhaltliche Kritik legst, hier nur inhaltliche Kritik:

Die Vorstellung, dass man Kinder "ruhig mal auf die Schnauze fallen lassen sollte", weil das der Entwicklung zur Selbstständigkeit nur zuträglich sein kann und die Folgen unklugen Verhaltens am effizientesten verdeutlicht, ist eine derartige pädagogische Binsenweisheit, dass sie nun wirklich nicht unbedingt eine eigene Parabel zur Verdeutlichung braucht. Der Grund, warum sich in der Erziehungspraxis trotzdem selten jemand daran hält, liegt vielleicht in einem gewissen Instinkt, seine Brut zu beschützen, der ja an sich auch nicht gerade ausmerzenswert ist und gegen Instinkt ist besseres Wissen halt oft machtlos. Da helfen dann aber auch Parabeln nix. Grundsätzlich ist der Text von der Aussage her also eher obsolet.

Noch dazu ist das Beispiel denkbar schlecht gewählt. Es gibt ja wirklich genügend Bereiche, wo man seinen Kindern schlechte Erfahrungen kaum ersparen kann - falsche Freunde, _der_ falsche Freund, vermutlich gehört auch Alkohol dazu. Warum? Weil diese Bereiche ambivalent sind. Ein Mensch, der auf die Dauer schlecht für mich ist, kann gelegentlich auch sehr charmant und anziehend sein. Alkohol in Maßen wirkt anregend und ermöglicht in Übermaßen immerhin Erfahrungen von Intensität. Erst wenn das Gebot der Eltern "Schlecht für dich" anderen Erfahrungen des Kindes widerspricht, entsteht ein Problem.

Und genau diese Ambivalenz fehlt beim Feuer. Hier liegt der Fall doch ziemlich eindeutig. Das Kind hat im Laufe seines Heranwachsens ausreichend Gelegenheiten, die Behauptung der Mutter "schlecht für dich" in Bezug auf Flammen durch eigene Beobachtungen zu verifizieren. (zB andere Leute, die sich versehentlich irgendwo verbrennen, sowas passiert ja schnell mal. Kann mir keiner einreden, dass der gute Johannes noch nie gesehen hat, wie irgendwer mal ungeschickt bei einer Flamme angekommen ist und "Aua" geschrieen hat). Vor allem wird das Kind keine widersprüchlichen Beobachtungen machen. (Leute, die zur Selbstfindung über glühende Kohlen laufen mal ausgenommen, aber da wird auch ausreichend Tam-Tam drum gemacht, um klar zu stellen, dass hier ein Sonderfall vorliegt).

Ich bin nun mal in diesem besonderen Fall tatsächlich der festen Überzeugung, dass man nicht unbedingt selbst mal auf die heiße Herdplatte gegriffen haben muss, um zu wissen, dass das keine gute Idee.

Nenn mich naiv, aber ich glaube durchaus an das Potential von Vernunft (und dazu gehört auch die logische Schlussfolgerung, dass etwas, das bei dauerhaften Kontakt alles mögliche in Asche verwandelt und anderen Menschen bei Berührung ein "Aua" entlockt, möglicherweise nicht gesund für mich ist)in bestimmten Fällen Unheil zu vermeiden. Wenn wir wirklich nicht auch aus den Erfahrungen anderer lernen könnten, wäre die Menschheit schon in grauer Vorzeit ausgestorben, weil keiner es geschaft hätte, den logischen Schluss zu ziehen, dass er diese Beeren lieber nicht essen soll, wenn der Kollege nach ihrem Genuss gerade elendiglich verreckt ist.

Mir ist schon klar, dass Feuer hier nur eine Analogie sein soll, aber eine Analogie funktioniert nicht, wenn dem Bereich zu dem die Analogie gezogen wird, genau jenes Element - in diesem Fall die Ambivalenz - fehlt, das die zu transportierende Aussage überhaupt erst gültig gemacht hätte.
Man müsste das System seiner Widersprüche finden, indem man ruhig wird. Wenn man die Gitterstäbe _sähe_, hätte man den Himmel dazwischen gewonnen. (Elias Canetti)

mög
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Re: Nicht geimpft! Eine Parabel

Beitragvon mög » 28.08.2007, 11:54

Nachtrag:
Feuer als Symbol ist natürlich wunderschön ambivalent. (Das heimische Herdfeuer, Wärme, Geborgenheit/Zerstörung,Gewalt,Kampf)

Aber ich behaupte mal, das wird in diesem Text nicht genutzt und funktioniert in diesem Zusammenhang auch nicht.
Man müsste das System seiner Widersprüche finden, indem man ruhig wird. Wenn man die Gitterstäbe _sähe_, hätte man den Himmel dazwischen gewonnen. (Elias Canetti)


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