Von der streckenweisen Unbegreifbarkeit des Wettka

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le tob
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Von der streckenweisen Unbegreifbarkeit des Wettka

Beitragvon le tob » 11.04.2003, 20:04

Von der streckenweisen Unbegreifbarkeit des Wettkampffiebers.


Außerhalb unseres Autos ziehen Objekte vorbei und vermischen sich mit den Regentropfen und der Dämmerung zu einer grauen, bewegten Mauer. Ich kann sie nicht einzeln fassen. Dafür bin schon zu müde und meine Sitzposition zu unbequem.
Der Rhythmus, mit dem wir über mit dem Auto über die Straße holpern, stimmt mit dem meiner Musik nicht überein. Und das nervt. Denn ohne Rhythmus kann ich nicht schlafen. Und ohne Schlaf muss ich wieder ans Turnier denken. Das will ich aber nicht. Im Schlaf träume ich vielleicht davon. Aber das weiß ich dann nicht. Unterbewusstsein? Mental Training! Ich bin beruhigt.
Das mit dem Rhythmus kann ich sowieso vergessen. Denn unser Fahrer hat sich mit der deutschen Autofahrerkrankheit anstecken lassen, immer schneller sein zu wollen als alle anderen. Aber da das Fahrverhalten der anderen genauso wenig planbar ist, wie meine Gedankensprünge, bin ich froh, angegurtet zu sein. Und auf Rhythmus keine Chance.
Je näher wir der Grenze kommen, desto stärker wird dieses Gefühl. Woher es kommt weiß ich nicht. Nur das es vorkommt. Und mir nicht gut bekommt.
Es ist so eine Mischung aus Turniernervosität und.... Aus was eigentlich? Bestimmt nicht nur Turniernervosität. Vielleicht ist es auch dieser leicht unangenehme Uniformwechsel, bei dem man erst realisiert, dass man das Land wechselt. Was für ein Land eigentlich?
Wenn ich jetzt versuche, das zu beantworten schweife ich gedanklich total ab. So kann ich nicht schlafen. Doch dann denke ich an den Rhythmus. Let´s schweif!
Vorurteile gibt es viele. Ob die alle stimmen? Polaken oder Polen? Polakien? Willkommen in Polen. Ich bin beruhigt. Also habe ich recht. Dieses Land hat mehr zu bieten als Autodiebe und Mafia.
Doch komme ich von dem unangenehmen Gefühl nicht ganz los. Liegt es an den Häusern? An den Straßen? An den Feldern? Dann müsste ich das gleiche Gefühl auch im Burgenland haben. Das kann ich mir aber nicht vorstellen. Warum nicht? Liegt es an der Heimat? An der Schrift? Schrift! Das könnte es sein. Mit slawischen Schriftzügen assoziiert man sofort Zerfall, Armut und Kommunismus. Traurig eigentlich. Eigentlich sogar sicher.
Vielleicht sollte ich mich doch ein wenig mit dem Turnier beschäftigen. CD Wechsel. Kein Hip Hop mehr. Zuviel Ghetto, sex and crime. Das ist nicht gut für mein Gefühl.
Morgen muss ich wieder klar denken. Weil mit so vielen Gedanken im Kopf kann ich nicht locker fechten. Kann ich überhaupt locker fechten, wenn ich doch kämpfen soll ?
Wahrscheinlich denke ich beim Fechten auch zuviel nach. Müsste mich mehr auf die Intuition verlassen. Aber das kommt mit der Routine.
Wie beim Reisen. Je mehr Strecken ich zurück lege, je mehr Turniere ich bestreite, je mehr Länder und Leute ich kenne und je mehr ich nachdenke, desto stärker wandelt sich mein Gefühl. Denn ich freue mich darauf zu sehen, dass es Polakien wirklich nicht gibt.
"Seien wir realistisch-fordern wir das Unmögliche" Che

gelbsucht
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Re: Von der streckenweisen Unbegreifbarkeit des Wettka

Beitragvon gelbsucht » 15.04.2003, 00:43

Hallo le tob,

kann es sein, dass diese Geschichte an deine letzte Geschichte anschließt? Letztere hab ich, ehrlich gesagt, nicht verstanden. Das Gefühl der Nervosität, der innerlichen Unruhe, der Angespanntheit, der Konfusion, der Konfrontation mit der Fremde vermittelst du hier sehr präzise. Allerdings wirkt dein Erzählstil bisweilen etwas planlos und abgehackt. Es wird viel reflektiert und geplaudert, ohne dass man am Ende eine Ahnung hat, worauf es hinausläuft. Letztlich wirkt die Moral deiner Geschichte ("ich freue mich darauf zu sehen, dass es Polakien wirklich nicht gibt.") gut gemeint, aber etwas platt. Soetwas muss zwischen den Zeilen durchdringen, anstatt einfach salopp konstatiert zu werden. Der Leser muss es ahnen, muss durch das Erzählte selbst zu diesem Schluss kommen, anstatt mit der Nase darauf gestoßen zu werden. Ich meine, du solltest vielleicht etwas subtiler vorgehen, etwas unterschwelliger resümieren.

;-) gelbe grüsse :-)
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Re: Von der streckenweisen Unbegreifbarkeit des Wettka

Beitragvon Hamburger » 15.04.2003, 23:42

Hallo le tob!

dieser Text hat mir nicht so gut gefallen. Er ist wesentlich direkter als der Erste, leider aber auch platter. Da schliesse ich mich gelbsucht an.
Eines möchte ich aber noch hinzufügen. So viel auch reflektiert wird in deinem Text, über folgende Stelle...

Das mit dem Rhythmus kann ich sowieso vergessen. Denn unser Fahrer hat sich mit der deutschen Autofahrerkrankheit anstecken lassen, immer schneller sein zu wollen als alle anderen.


...hast du nicht gut genug nachgedacht. Dein Plädoyer gegen Klischees in allen Ehren...

Dieses Land hat mehr zu bieten als Autodiebe und Mafia.


...aber das mit den deutschen Autofahrern ist auch so eines. Eine einfache Generalisierung, die nicht zu halten ist. Du hast damit leider selber ein Klischee verwendet, was sich in deinem Text nicht gut macht.

Ich bin übrigens schon in Brasilien, Italien und Spanien auf diversen Beifahrersitzen gesessen und habe mich jedesmal nach dem deutschen Fahrverhalten gewöhnt (zum Beispiel wenn ein Fahrer mit 80 auf die gelbe Ampel zudüste um noch in die Kurve zu gehen und die Gegenfahrbahn zu schneiden :-E ).


MFG,

Hamburger
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