Danach.

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vogel
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Danach.

Beitragvon vogel » 01.09.2009, 19:23

Danach.

Langsam legte sich der Staub. Erste Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg durch den dunstigen Himmel. Ich drückte mich noch immer dicht hinter den schützenden Stein als ihre Hand mich vorsichtig berührte. „Es ist vorbei“, flüsterte sie. „Es ist vorbei.“ Ihr Atmen ging schwer, bei jedem Luftzug, den sie tat, bewegte sich ihre Brust heftig auf und ab. Ihre braunen Haare hingen ihr wirr ins Gesicht. Sie sah mich an. „Alles in Ordnung?“ Ich nickte stumm und lockerte mich langsam. Sand fiel uns von den Schultern, als wir aufstanden und in die Ferne blickten. Alles war still. Wir bedeckten unsere Augen mit den Händen, so kraftvoll erschien uns plötzlich die Sonne. Es war nichts mehr zu sehen, alles war fort. Ich sah sie an, sie wirkte so stark als sie aufrecht vor mir stand. Mutig blickte sie zum Horizont. Ihre Augen suchten etwas. Leicht fuhr der Wind durch ihre Haare. Einzelne Strähnen blieben an ihren feuchten Lippen haften. Ihre Augen leuchteten in der Sonne, ob sie weinte? Ich wollte meine Finger auf ihre Schulter legen, aber ich konnte mich nicht rühren. Mein Blick streifte über ihren Körper: sie trug einen Umhang, der ihn verdeckte. Ich wusste, dass ihre Kleider vollkommen verstaubt waren. Sie trat einen Schritt zurück und reckte sich um noch weiter blicken zu können. Diese Bewegung gab den Blick auf ihre Beine frei. Ihr Rock war zerrissen, doch er musste einmal sehr schön gewesen sein. Ich blickte auf den Boden, betrachtete unsere Schuhe. Meine Bänder waren offen. „Hey“, hörte ich sie neben mir sagen. Ich blickte sie an. Sie streifte sich ihre Kapuze über und griff in ihre Tasche; sie holte eine Flasche heraus. Wasser. Sie drehte sich in meine Richtung und sah mich an. „Hier. Die wirst du brauchen. Lauf in diese Richtung, dann werden sie dich finden.“ Mein Blick folgte ihrem ausgestreckten Arm. „Jetzt brauchst du mich nicht mehr.“ Ich sah sie zum ersten Mal lächeln. Sie war so zuversichtlich. Dann sprang sie über den Stein, der uns beiden Schutz geboten hatte. Sie lief davon. „Warte!“ Doch sie hörte mich nicht mehr. Sie lief einfach davon. Eine Weile sah ich ihr noch nach und blickte auf die staubbedeckte Erde. Dann drehte ich mich um und ging in die Richtung, die sie mir gezeigt hatte. Ich habe sie nie wieder gesehen.

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Re: Danach.

Beitragvon Hamburger » 18.09.2009, 23:30

Moin vogel,

ich finde den Text nicht schlecht, aber auf Grund diverser Punkte will er bei mir nicht recht funktionieren. Ich führe das etwas aus.

Zunächst gefallen mir einige Kleinigkeiten nicht und werfen mich beim Lesen aus der Bahn.

1) „Ihr Atmen ging schwer“ würde ich z.B. in „Ihr Atem ging schwer“ ändern. Die Formulierung wirkt sonst sehr kantig.

2) Auch der Satz „Ihre Augen leuchteten in der Sonne, ob sie weinte?“, hat mich aus dem Lesefluss geworfen. Hier würde ich zwei Sätze besser finden, also: „Ihr Augen leuchteten in der Sonne. Ob sie weinte?“ In der Ursprungsversion denke ich mir vor dem „ob“ sofort das „als“ und merke dann, dass der Satz so nicht funktioniert.

3) Ein dickerer Schnitzer als diese beiden kleinen Mängel ist für mich aber folgende Formulierung: „Ich wollte meine Finger auf ihre Schulter legen, aber ich konnte mich nicht rühren.“ Mir ist klar, was du sagen willst, aber für mich klingt das so formuliert mehr nach einem 1B-Splatter-Movie, weshalb ich das Gängige „meine Hand auf ihre Schulter legen“ hier sehr vorziehen würde. :-)

Inhaltlich wirfst du viele Fragen auf. Wovor hat die Hauptfigur Schutz gesucht? In welcher Beziehung steht sie zu der anderen Frau? Warum brauchte sie diese offensichtlich, braucht sie nun aber nicht mehr? etc.

Im Text findet sich aber keine Andeutung, um eine Idee davon zu bekommen. Ich verstehe die Situation am Anfang genauso wenig wie in der Mitte oder am Ende – und das lässt mich dann doch unbefriedigt zurück, da ich keine Spur sehe, über die ich nachdenken könnte, ohne etwas in den Text hineinzuinterpretieren, was er eigentlich nicht hergibt, ihn also gewissermaßen beliebig zu handhaben.

Dabei gelingt es dir bei mir als Leser durchaus, mein Interesse für die Situation zu gewinnen. Aber als dies erreicht ist, ist auch schon wieder Schluss und viele Fragen bleiben.

Schade.

Lieben Gruß,

Hamburger

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Re: Danach.

Beitragvon vogel » 24.09.2009, 12:46

Hallo Ham,

vielen Dank für deine ausführliche Kritik. Ich stimme dir durchaus zu, alles sehr schwammig. Das wollte ich zwar auch, aber scheinbar, ist es doch etwas viel Schwamm geworden. ;-)
Das mit dem SplatterMovie finde ich ja lustig. Der Gedanke ist mir noch nie gekommen. Ich werde auf jeden Fall mal drüber nachdenken.

Ursprünglich war meine Idee ein Sandsturm. Aber fand ich dann etwas abgegriffen. Also habe ich die Ursache weg gelassen. Ich hoffe mir fällt da noch etwas ein. Wenn ich den Text bearbeitet habe, lasse ich es wissen.
Ich danke vielmals!

Viele Grüße,
V.
Mein Ich ist ein Pfogel aus Metall, doch Du hast ihn berührt und beschützt.

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Re: Danach.

Beitragvon Hamburger » 29.09.2009, 02:03

Hallo vogel :-) ,

ich muss sagen, die Ursache wäre mir zwar nicht unwichtig, aber noch am wenigsten wichtig. Wichtiger wären mir die Ausarbeitung der Figuren und ihrer Beziehung zueinander. Also da etwas weniger Schwamm und ein bisschen was Handfestes, dass den Raum für die eigene Phantasie eröffnet. ;-)

Bin gespannt auf den bearbeiteten Text.

Liebe Grüße,

Mirko


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