Märchen

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Joachim Stiller
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Märchen

Beitragvon Joachim Stiller » 26.01.2011, 18:26

Hier einmal zwei kürzere Märchen von mir.

Zunächst das Märchen vom grünen Frosch und dem stolzen Adler

Eine Tierparabel, frei nach dem Indianermärchen: „Wie die Maus zum Adler wurde.“
Eines Tages verlief sich ein kleiner, grüner Frosch auf einer großen und unüberschaubaren
Wiese. Das sah ein Adler, der hoch oben in den Lüften seine Kreise zog. Der Adler stürzte
herab, griff sich den Frosch und hob ihn hoch bis über die Wolken. Der Frosch jammerte, er
hatte große Angst und sagte zum Adler: „Lass mich sofort wieder herunter!“ Da dachte sich
der Adler: „Du bist nur ein kleiner grüner Frosch, und ich bin ein stolzer Adler; du wirst mir
nicht schmecken!“
Und der Adler flog tiefer, landete neben der Wiese, und setzte den kleinen grünen Frosch an
einem schönen Tümpel wieder auf die Erde.
Und die Moral von der Geschicht: Wenn Du ein Adler sein willst, so lass dem Frosch das
Leben!

Und nun noch das Märchen vom weisen König

Es war einmal ein alter König, der bekam eines Tages Besuch von einem Zauberer. Der
Zauberer brachte dem König ein Geschenk dar. Er hielt einen silbernen Apfel in der einen
Hand und einen Goldenen in der anderen. Und so sprach der Zauberer zum König:
„Wählt zwischen den beiden Äpfeln. Der silberne verspricht Euch Jugend und Schönheit. Der
goldenen aber mach alt und grau. Doch wählt mit bedacht, denn einer der beiden Äpfel ist
vergiftet.“
„So“, antwortete darauf der König, „Ihr wollt mich also auf die Probe stellen. Gebt mir den
goldenen Apfel!“
Da sagte der Zauberer:
„Eine gute Wahl. Dieser Apfel verleiht Euch das ewige Leben. Hättet ihr aber den silbernen
gewählt , wäret Ihr des Todes gewesen.“
Nun Sprach der König:
Ihr schenkt mir das Ewige Leben, so schenke ich Euch auch das Leben, obwohl Ihr mich auf
die Probe gestellt habt. Alter schützt vor Weisheit nicht!“
Darauf erwiderte der Zauberer:
„Weisheit schützt vor Alter nicht.“

Gruß Joachim Stiller Münster

Joachim Stiller
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Re: Märchen

Beitragvon Joachim Stiller » 26.01.2011, 19:33

Und nur noch zwei Märchen, die etwas normale Länge haben...

Der Eisvulkan

Weit entfernt, in den südlichen Bergen, lebte Sauroman, ein böser Zauberer. Er war sehr
gefürchtet, und berüchtigt für seine Bösartigkeit. Sauroman hatte die gesamten südlichen
Berge in eine einzige Schnee- und Eiswüste verwandelt. Doch er war schon sehr alt, und so
kam der Tag, an dem er sich auf sein Lager legte, um zu sterben. Er verfluchte die Stunde
seines Todes, tat noch einen letzten Atemzug und verschied, als mit mal die Erde fürchterlich
erbebte und auf dem Gipfel einer der Berge ein Eisvulkan ausbrach und die halbe Erde mit
Eis und Schnee bespuckte. Sauroman indes wurde von den Eismassen begraben, und man hat
nie wieder etwas von ihm gesehen.
Zur gleichen Zeit spielte die kleine Marie im Garten des Hauses, in dem sie mit ihrer Mutter
wohnte. Es war Hochsommer, als plötzlich die Erde erbebte. Marie schaute auf und sah in der
Ferne den Eisvulkan, der seine Eismassen über die Welt spie, als sie von einer scharfen Spitze
am linken Auge getroffen wurde. Ein einzelner Eissplitter war ihr gerade ins linke Auge
geflogen und hatte es verletzt. Die kleine Marie schrie laut auf, sie hatte das Gefühl, erblinden
zu müssen, und das Auge begann fürchterlich zu brennen. Marie rief nach ihrer Mutter, die
sofort zu Hilfe eilte. „Mama, irgend etwas hat mich am Auge getroffen. Es tut fürchterlich
weh und ich kann gar nichts mehr sehen.“
„Wir werden zu Meister Gandalf gehen. Der weiß sicherlich Rat. So etwas geht nicht mit
rechten Dingen zu“ Meister Gandalf war der Älteste im Dorf und die Leute sagten, er habe
magische Kräfte. Die Mutter nahm also die kleine Marie bei der Hand und sie gingen durch
das Dorf zu Meister Gandalf. Er öffnete selber die Tür und bat beide herein. Dann ließ er sich
schildern, was geschehen war. Er schaute der kleinen Marie auch in ihr linkes Auge, konnte
so aber nichts entdecken. „Es ist der Fluch Sauromans,“ sagte Meister Gandalf. Sauroman ist
gestorben und der Eisvulkan ist ausgebrochen. Ich kenne aber eine Gute Medizin. Ich muss
nur ein paar Kräuter aus dem Kamillegarten holen. Daraus werde ich einen Tee Kochen, mit
dem wir das Auge behandeln.“
Meister Gandalf setzte Wasser auf und ging in den Garten, und nach einiger Zeit kam er mit
einer Hand voll Kamillekräutern zurück. In der Zwischenzeit begann das Wasser zu kochen.
Meister Gandalf bespuckte die Kräuter leicht, und warf sie in das jetzt kochende Wasser,
während er einige Beschwörungsformeln murmelte. Er nahm den Topf vom Herd. Der Tee
musste erst zehn Minuten abkühlen, denn so war er noch zu heiß.
„Und nun nehmen wie dieses saubere Tuch, tränken es mit dem Tee und legen es feucht auf
Dein Auge,“ sagte Meister Gandalf. Er wiederholte die Prozedur einige Male, und ganz
plötzlich löste sich der Splitter und wurde fortgespült. „Es tut schon gar nicht mehr weh“,
sagte die kleine Marie. Auch die Rötung war erheblich zurückgegangen. So wurde Marie
wieder Gesund, nachdem Sauroman sie noch in der Stunde seines Todes verhext hatte. (2009)

Gruß Joachim Stiller Münster

Joachim Stiller
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Re: Märchen

Beitragvon Joachim Stiller » 26.01.2011, 19:37

Hier nun das zweite Märchen:

Das Treppauf-Treppab-Triptrap

Tim wohnte mit seinen Eltern und einer ganzen Reihe Bediensteter in einem großen Schloss
am Rande eines großen Waldes, mitten auf dem Land. Es war ein wirklich großes Schloss mit
vielen Erkern, Winkeln, Zinnen und Türmchen, und natürlich auch mit geheimen Gängen und
verbotenen Zimmern, die kaum jemand je zu Gesicht bekam, geschweige denn, betreten
würde.
Tim hatte viel Phantasie. Überall im Schloss sah er unheimliche Gestalten und oft genug
begab er sich im Schloss auf die Suche nach unbekannten Räumen. Vielleicht würde er ja
irgendwann einmal einen echten Schatz finden, der irgendwo versteckt sein sollte. An seinem
neunten Geburtstag ging er wieder einmal auf die Suche und so stromerte er
gedankenverloren durch das Schloss. Da führte ihn der Weg in einen Teil des Schlosses, den
er noch nicht kannte. Er stieg Treppen hinauf und Treppen hinunter, und plötzlich hörte er
eine ganz feine Stimme rufen, das sauste auch schon auf einer der Treppen etwas unbekanntes
an Tim vorbei: „Platz da“, rief die Stimme, „ich habe keine Zeit zu verlieren.“ Und, husch
husch, war die Erscheinung auch schon verschwunden. Tim lauschte, aber es war alles ganz
still. Er wollte weitergehen, da hörte er die Stimme schon wieder, diesmal aus einer ganz
anderen Richtung. Und, potz Blitz, da kam die Erscheinung schon wieder vorbeigesaust.
„Halt, warte,“ rief Tim, als plötzlich vor ihm ein kleines Männlein stand.
„Wer ruft mich, ich habe keine Zeit.“
„Ich bin Tim,“ sagte Tim, „ich wohne in diesem Schloss.“
„So, so,“ rief das Männlein mit einer wundersamen, glockenhellen Stimme. „Ich kenne keinen
Tim.“
„Das macht nichts,“ entgegnete Tim. „Aber wer, um alles in der Welt bist Du, und wie heißt
Du?“
„Oh, du fragst mich nach meinem Namen? Ich bin das Treppauf-Treppab-Triptrap. Und da
Du mich nach meinem Namen gefragt hast, muss ich Dir von nun an immer zu Diensten sein.
Du brauchst mich nur zu rufen. Jetzt habe ich aber keine Zeit mehr.“ Und schwups, da sauste
das Treppauf-Treppab-Triptrap auch schon über die Treppen davon.
Eine Woche später zog es Tim wieder in diesen Teil des Schlosses. Er stieg wieder die
Treppen hinauf und hinunter. Tim lauschte zwischendurch immer wieder nach dem
sonderbaren Männlein, aber es war alles ganz still. Plötzlich kam er an den Fuß einer langen
Treppe, die in einen der Türme führte. Vorsichtig stieg er hinauf, und ganz oben stand er vor
einer verschlossen Tür. Tim lauschte wieder, aber es war nichts zu hören. Er öffnete die Tür
und trat in den Raum. Der Raum, eine Art Kammer, war erfüllt von dem Lichtschein eines in
der Mitte lodernden Herdfeuers, über dem ein Kessel hing, in dem irgend etwas kochte. Tim
blieb wie angewurzelt stehen. Da sah er hinter dem Feuer eine alte Hexe, die sich nach ihm
Umdrehte. „Ah, ein kleiner Junge, wie appetitlich.“
Die Hexe erhob ihren Zauberstab und richtete ihn auf Tim, murmelte ein paar Worte und ein
Blitz verwandelte Tim in ein Stück Holz. Er konnte sich nun nicht mehr bewegen.
„Hey, alte Hexe,“ rief Tim, „lass mich sofort los.“
„Oh, mein Bübchen, ich werde Dich kleinhacken, und dann kommst Du in mein Süppchen.“
Da fing Tim bitterlich an zu weinen. Er flehte die Hexe an: „Bitte, lass mich frei, ich tue auch,
was Du willst.“
„Na gut,“ sagte die Hexe. „Wenn Du mir eine Frage beantwortest, bist Du frei.“
Da hörte Tim auf zu weinen und er sagte: „Und wie lautet die Frage? Ich werde Dir jede
Frage beantworten.“
„Mein Bübchen, verrate mir, wie viele Treppenstufen das Schloss hat, dann bist Du frei. Ich
wette aber, dass Du diese Frage niemals beantworten kannst. Nun, was ist?“
Tim überlegte. Nein, er wusste die Antwort nicht. Aber plötzlich kam ihm eine Idee. Er wollte
das kleine Männlein von letzter Woche rufen und es bitten, ihm zu helfen. Und so rief er, so
laut er nur konnte: „Treppauf-Treppab-Triptrap, wo bist Du, ich brauche Deine Hilfe.“ Noch
im selben Augenblick stand das kleine Männlein vor ihm, so schnell war es herbeigeeilt.
„Platz da – ich habe keine Zeit – sehr zu Diensten – wer ruft mich – was kann ich tun?“
„Ich brauche Deine Hilfe,“ sagte Tim zu dem kleinen Männlein und erklärte ihm die ganze
Situation. „Weißt Du vielleicht die Antwort auf die Frage, wie viele Treppenstufen das
Schloss hat?“
„Nichts leichter als das, ich brauche sie nur zu zählen, bin gleich wieder da.“ Und das sauste
das Treppauf-Treppab-Triptrap auch schon los. Nur wenige Augenblicke später stand es
wieder von Tim. „Ich habe alle Treppenstufen Treppauf und Treppab gezählt, es sind 2345.“
Da stampfte die Hexe vor Wut mit dem Fuß auf. „Das hat Dir der Teufel gesagt.“ Es gab eine
Große Rauchwolke, und im selben Augenblick war die Hexe verschwunden. Auch die
seltsame Kammer war verschwunden und es sah nur noch so aus, wie auf einem ganz
gewöhnlichen Dachboden. Auch Tim war nicht mehr in ein Stück Holz verwandelt, sondern
war wieder der, der er vorher auch war, ein kleiner Junge von gerade einmal neun Jahren. Das
Treppauf-Treppab-Triptrap war inzwischen ebenfalls wieder verschwunden. Tim stieg nun
die Treppe herunter, und begab sich wieder in den Teil des Schlosses, den er besser kannte.
So ging für ihn das Abenteuer dieses Tages zu ende. (2009)

Bei den beiden letzten Märchen handelt es sich um zwei wirkliche rosenkreuzerische Heilmärchen, und das im allerbesten Sinne... Gruß Joachim Stiller Münster


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