Berlin - Hauptstadt der Arschlöcher

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ich555
Kerberos
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Berlin - Hauptstadt der Arschlöcher

Beitragvon ich555 » 13.10.2011, 13:21

Hier mal Mitte, destruktive Kritik willkommen. Aber ist nichts für schwache Nerven. Bitte weist auf Rechtschreibfehehehler hin, bin Freizeitleghasto.

der Rest ist hier: http://berlinhauptstadtderarschloecher.blogspot.com/

Viel Spaß!

Mitte
Hmm, jaaa, Mitte. Gib's mir richtig. Hardcore. Mitte ist der große harte Schwanz Berlins, mit dem sich die Stadt selber fickt. Mitte ist alles – was Berlin nicht ist. Geschäftig, reich, sauber, elitär, überschön, es will auf Augenhöhe mit den Metropolen der Welt sein. Wer Berlin sehen will, der geht wo anderes hin.
Nicht, dass es deswegen keine Arschlöcher hier gäbe. Mitte ist der Brutkasten für die nächsten Generationen von Arschlöchern. Mitte ist Zukunft, nicht Vergangenheit. Die DDR gab es mal, aber Sie ist weg,. Den Palast der Republik sucht der Besucher vergeblich. Wie schon die Nazis und die „Kommunisten“ selbst hat der Berliner Senat in guter alter faschistischer Tradition alles abreißen lassen. Historische Reflexion ist was für Weicheier. Nicht, dass der Berliner das aus purem Hass und Rachegelüsten veranstaltet hätte. Sicher, das ist eine Motivation gewesen, aber die tiefe Korrumpiertheit des Berliner Systems ist nicht zu vernachlässigen. Die CDU freut sich wenn gebaut wird, dann bekommt sie Bestechungsgelder von Unternehmern, die sich das, weil sie Mitglieder sind, sowieso wieder abgreifen. Die SPD freut sich, weil es dann Arbeit gibt, und auch für sie ein Stück vom Schmierkuchen abfällt. Die Linke dürfte sich nicht so gefreut haben, besonders weil viele original DDR-Betonköpfe sich mit ihr vor der Arbeitslosigkeit retten. Aber hey, bis sie ausstarben war die CDU auch ein Refugium für Nazifossilien. Die FDP fand das auch super, weil es Zerstörung war, und Zerstörung kurbelt die Wirtschaft an. Was wir nach denen eigentlich bräuchten wäre ein neuer Krieg. Alle zusammen holen sich einen runter auf das, was dort wieder auferstehen soll und diese debile Geisteshaltung erst möglich gemacht hat: Preußen. Ja, sie wollen ein Stadtschloss wieder aufbauen. So hässlich, dass es Schloss genannt werden muss, damit es nicht mal historische Mehrzweckhalle durchgeht. Eben das wird es aber werden, da der Bau zwar viel Geld kostet, aber Niemand so recht weiß, wozu er, außer Potenz zu signalisieren, eigentlich da sein soll. Glücklicherweise fehlen bis jetzt die Mittel dafür. Die statt dessen ungefragt daliegende Wiese ist bei Weitem die bessere bauliche Variante.
Der Schlossbau steht symptomatisch für Mitte: verfehlter Weltmachtanspruch. Klar, für Berliner Verhältnisse glänzt und blitzt es ganz schön. Das ist auch nicht schwer wenn der Rest der Stadt zugeschissen vor sich hin vegetiert. Aber verglichen mit Paris, London, New York ist Mitte armselig und provinziell. Das Wissen die Mittehipster, und das macht sie fertig.
Mittehipster sind das, was sich aus den Kreativen um die Auguststraße degeneriert hat. Sie hocken in Galerien und steril-modischen Bars und sehen überproduziert aus. Die Autowerbung zu ihrem Leben existiert leider nicht. Ihre Baumwolltaschen, eckigen Brillen, ach so dynamischen Turnschuhe zu Anzügen und das noch nicht mal mehr erfundene Apple Gimmick erzählen von tief sitzender Unerfülltheit. Nicht, dass es schon peinlich genug wäre, sich auf das urbane sich selbst verwertende Kreativentum einen abzuwichsen. In Berlin ist das Eingestehen der absoluten Minderwertigkeit.
Wenn das zum Mittehipster durchdringt kann er ja schick einkaufen gehen, am Hackeschen Markt. Da steht Leben vergessen und Freude konsumieren auf dem Programm. Garantiert ist dort nichts Brauchbares zu finden, dafür aber eine wahre Geisterbahn an internationalen Modefetischisten. Shoppen, die endgültige Aufgabe der Existenzberechtigung, ist hier Volkssport. Für alle die genug Geld haben es aber auch jedem in Gesicht zu kacken. In den Boutiquen hinter der Theke enden die Mittehipster, die es geschafft haben.
Die, die es noch schaffen wollen, fristen ihr trauriges Dasein in Galerien. Die sind so steril, dass ein zerplatzer Schädel eine wahre Wohltat wäre. Aber nein,. Statt dessen gibt es nur das, was vor 20 Jahren auf einem fremden Planeten unter Voraussetzung allgemeiner Lobotomie mal als Kunst hätte gelten können. Doch Kunst, das ist in Mitte das, was es kostet. Kunst geht so ab 2000€ los, gute Kunst ab 20000€. Für noch eine Null mehr hat es schon fast Charakter. Das reicht, um Touristen Authentizität vorzugaukeln. Es ist ein vernichtendes Urteil, wenn der eigene Horizont schon so verengt ist, dass einen sogar ein Berliner Galerist abziehen kann. Das lässt erahnen wie scheiße das Leben in London, Paris und Schanghai sein muss.
Erfrischend stehen zwischen all den totsanierten gedrungenen Altbauten die Monumente des real Existierenden Sozialismus. Die Wohnbaugenossenschaft Mitte verfügt über ein breites Sortiment an Schuhschachteln für den Kapitalismusverlierer jeder Couleur. Obwohl nein, man sollte schon Deutsch sein, aber vielleicht weniger als auf dem freien Markt. Die WBM-Blöcke tun so, als wären sie Altbauten. Sie ducken sich auf die gleiche Traufhöhe und stehen dicht an dicht. Sie sind die domestizierte Version der riesigen Plattenmonster Lichtenbergs und es fernen Ostens. Von Innen sind sie noch ein wenig deprimierter, da man in den engen Löchern kaum Licht hat. Obwohl es auch einige Monster gibt. Erwähnenswert ist der Bunker direkt am Alexanderplatz. Sein provozierend unsaniertes Grau muss den Stadtoberen das kalte Kotzen bescheren. Wie ein großes „leck mich“ steht er gegenüber des krampfhaft aufkapitalisierten Alexanderplatzes und sagt: „Es gibt noch Verlierer, in eurer Mitte.“ Der Schein trügt nicht. Schafft der Besucher es durch die furchteinflößende Angstzone, die sich Eingang schimpft, findet er sich direkt in Russland wieder. Fahles Licht macht aus jedem einem Junkie, und wieso nicht, die Crackfolien liegen schon da. Der chemische Geruch wabert in der Luft und mischt sich mit reinstem Ostmief. Der für einen fetten Westberliner zu kleine Fahrstuhl sieht nicht aus, als könnte er etwas anderes als Fallen. Im engen Treppenaufgang zieht man besser die Ellenbogen ein, denn die Wände sind bis zum fünften Stock voll mit Fäkalien. Wer nicht bedacht läuft, den lassen die auf der Pisse klebenden Schuhe ins Vergnügen fallen, Spritzen liegen bereit. Aus den Fenstern sieht man über den Alexanderplatz auf die Frankfurter Alle, ehemals Stalinallee. Die singt ein Hohelied vom „Kommunismus“, der Alexanderplatz vom Kapitalismus, und der Müllschlucker zur Seite zeigt, wo alles trotzdem hingeht. Manche Bewohner haben eine einfache Lösung gefunden: Alpentapete. Wenn man schon verarscht wird, dann bitte richtig. Reality fuck off. Das wäre der passende Ort für Mittehipster, ein perfekter Ausdruck ihres Inneren.
Mitte ist noch mehr, immer mehr, MEHR! Mitte ist ein Kokser. Besonders im Wochendene, dem Club hoch überm Alex. Gute Idee, aber schnell in billigste Exklusivität abgedriftet. Ein Spitzenclub für hirnlosen Elektro und simulierten Druffispaß. Die Forstsetzung des Hackeschen Marktes mit anderen Mitteln. Die BWLer, die sich in diesen Etablissements emotionslos auf dem Klo in den Arsch ficken, wollen mal Biznesmeni werden. Biznesmeni sind die andere große Gruppe des Mittevolks. Sie sind eher in der Wilhelmstadt zu finden, dem komplett abgeschliffenen Bereich der Stadt südlich von Unter den Linden. Es ist ein Blinder Fleck mitten in Berlin, der für den normalen Berliner kaum mehr ein Begriff ist. Hier langweilen sich große Hotels, Anwaltskanzleien und Botschaften um den komatösen Gendarmenmarkt. Die Friedrichstraße bietet für mehr Geld all das, was andere Einkaufsstraßen auch bieten und ist dabei noch um einiges unansehnlicher. Das Wilhelmsviertel ist, bis auf versprengte Altbauten, eine grauenhafte Emulsion aus dem, was Architekten in den 90ern für wegweisend hielten. Selten ist Berlin so oft silber und verwaschen spleenig türkis wie in den schnurgraden Straßen dieser Gegend.
Berechtigterweise ist sie als außer für Touristen, die sich an der Militärromantik des Checkpoint Charlie aufgeilen, nur für Biznesmeni interessant. Sie sind die Klone der Wirtschaft, die die Globalisierte Welt verseuchen. Den Agenten aus Matrix gleich tauchen sie überall auf und machen das Leben schlechter. Die Speerspitzen des Neoliberalismus definieren ihre Menschlichkeit über Einkommen und sind daher besser. Alles andere ist sekundär. Genau das drückt die Ästhetik der Wilhelmstadt aus. Ganz nach dem neoliberalen Muster der Unterstützung der Reichen durch die Ausplünderung des Restes erzeugen Sie Elend. Das schleicht sich von Süden heran, wo von Kreuzberg aus verschachtelte Sozialbauten herankriechen. Sogar einen Motz-Obdachlosenladen findet man dort. Ein friedliches Nebeneinander? Eher der Lackstiefel auf dem nackten Pennerarsch.
Über den Biznesmeni gibt es nicht viel zu sagen, was nicht in American Psycho besser dargestellt wäre. In seiner Eigenschaftslosigkeit zerstört er Berlin. Das macht ihn zu einem der extremsten Arschlöcher, da er sogar die Diversität der Arschlöcher zerstört. Nach ihm nur Starbucks.
All das nicht bemerkend shoppt der Berlintourist von der übelsten Sorte in der Gegend vom Brandenburger Tor. Herangekarrt in Busladungen verseucht er Berlin mit ländlicher Beschränktheit. Natürlich bringt er locker sitzendes mit ehrlicher Arbeit verdientes Geld mit, weswegen der durchschnittliche Berlin ihn geil findet. Politiker würden gerne Solidatitsbrei hoch und verweisen auf die Wirtschaftsleistung. Wie so oft wenn arme Schweine wie Hotel- und Sternerestaurantbesitzer irrsinnig Kohle einfahren hat das allerdings kaum Einfluss auf das Fußvolk. Für die wird das tägliche Leben teuer und unlebenswerter, aber für die Wirtschaft verkauft der kapitalismusdomestizerite Berliner schon lange seine eigene Mutter. Das Stadtbild sowieso. Das Brandenburger Tor kann man also getrost als real gewordene Postkarte mitsamt Pferdekutschen aus Berlin ausgliedern.
Mitte wäre nicht Mitte, wenn es nicht mehr mehr zu bieten hätte. Den first-class-Strich zum Beispiel, die Oranienburger Straße. Die abends auf die Straße laufenden Nutten haben meterlange Stiefel an und sehen ungefähr so menschlich aus wie Robocop. Wer unverständlicherweise in einer der turigefickten Bars dort was trinken gehen will darf sich nicht erschrecken, wenn es ihn aus dem Dunkel anzischt, dass man auch Karte nehme. Nein, die Nutten haben nicht noch eine weiter Körperöffnung zum Einlesen, obwohl das der Logik der totalen Körperverwertung gefallen dürft folgen würde. Sicher anturnend für junge Liberale. Aber die Nutten sind in Wirklichkeit Prostituierte, legal und öffentlich, sie haben ihre persönlichen Absteigen um die Ecke und zahlen Steuern. An der Oranienburger Straße läuft das ganz gesittet ab. Die minderjährigen Junkies, die lieber gleich im Park bleiben wollen findet man an der Kurfüstenstraße.
Am Ende der Straße steht das Tacheles und sieht wild aus. Ist es aber leider nicht her. Das Vorzeigebesetzehaus ist mittlerweile nicht viel mehr als ein Museum seiner selbst. Die frühen Neunziger, in denen Westfreaks den erstaunten Ossis zeigten wie besetzen geht, sind vorbei. Mittlerweile haben sie sich gegenseitig verklagt, weil mache Millionäre geworden sind, andere nicht.
Innen reihen sich Ramschkunstläden aneinander, alles ist nur dem Ambiente entsprechend um einiges billiger als in den Galerien. Im Cafe fliegen Kiffer achtkantig raus und das Kino spielt Filme wie die großen zu Abstrurzpreisen. Im Somme kann der Garten hinterm Haus noch ein wenig Entspannung bieten, wenn nicht grade eine zweihundertköpfige Tourigruppe hindurch geführt wird. Der Graten wure schon erheblich verkleinert durch die Neubaugelüste diverser Investoren. Dem Allemeinwohl verpflichtet dachten sie sich, was Berlin an historischer Stelle dingend braucht ist: ein Einkaufszentrum. Zum Glück grätschte die Finanzkrise dazwischen. Die Grünen versuchten auch den Banken gut zuzureden, was ohne die Krise sicher sehr erfolgversprechend gewesen wäre. Banken sind schließlich bekannt für ihre wilde Philanthropie.
Wem das Tacheles zu öde ist, der kann zum Schokoladen weiterziehen. Eines der wenigen besetzten Häuser, das sich in Mitte noch hält, unweit der Galerienverstopften Torstraße. Es gibt Bier, Kultur, Freude – es kann eigentlich kaum Mitte genannt werden. Natürlich steht die Räumung seit Jahren vor der Tür. Dann wird Mitte endgültig zur Wüste. Vielleicht besinnt sich Berlin und verkauft den ganzen Mist an München oder den Meistbietenden.

shuya
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Re: Berlin - Hauptstadt der Arschlöcher

Beitragvon shuya » 13.10.2011, 16:21

ich fass mich schnell kurz, weil ich grade nicht mehr zeit habe:
ich verstehe die wut aber sätze wie "der harte schwanz der berlin fickt" oder die anderen ausbrüche
sind m.E. ein no-go. nicht weil es "zu hart wäre" für mich, oder "zu jung, zu frech" - sondern weil das humbug ist.
es gibt keine harten schwänze die eine acht millionen stadt ficken
basta.

wenn du argumentieren willst, gegen gentrifizierung und korruption,
dann solltest du lernen die themen wirklich zu verstehen und mit einem gewissen ernst ran zu gehen
da haben schwänze und "arschfickereien" nichts drin zu tun - schwachsinn. ob ein bwler homobiheterosexuell ist, spielt doch in den von dir angesprochenen
themen einfach keine rolle
und sollte es auch nicht.
wenn du beschreiben willst wie die jungs und mädels drauf sind, dann hör auf mit sexistischen platitüden
und vorallem benutze ihre sexualität nicht um eine ausgefeilte oder intelligente charakterbeschreibung abzukürzen
á la "wer sich aufm club in den arsch ficken lässt, ist ein schmieriger banker druffie" und wenn wir "banker" und "druffie" sagen, dann weiß ja jeder
welches pack wir meinen, nech?!

deine kritik verschluckt sich selber mit sowas, ich würde da vorsichtig sein mit meinen aussagen
bevor du in die selbe argumentationsschine driftest wie die.

ich555
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Re: Berlin - Hauptstadt der Arschlöcher

Beitragvon ich555 » 14.10.2011, 12:45

Hey,

danke erstmal für die schnelle Antwort.

Es stimmt, das ist alles sehr flach und umgangssprachlich, aber das ist gewollt. Es keine Charkterstuden oder Sexualitätsdebatten auslösen, dafür gibt es Fachliteratur. Die Gentrifizierung und ähnliches werden in der Einleitung beschrieben, daher wird das in den Kapiteln nur angeschnitten. Es geht nicht um faktischen Wissensgewinn, sondern ein kurzer ubjektiver Eindruck in die Geisteshaltung der Berliner soll gegeben werden. Der Erzähler ist nur eine Perspektive.

Trotzdem habe ich versucht die Ratschläge umzusetzen, das poste ich im nächsten Beitrag.


Nebenbei, Belin hat 3,5 Mio Einwohner, oder?

http://de.wikipedia.org/wiki/Einwohnere ... von_Berlin

Gerne mehr Kritik!

ich555
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Re: Berlin - Hauptstadt der Arschlöcher

Beitragvon ich555 » 14.10.2011, 12:46

Tiergarten – Moabit ist Absturz ***
Das Herz des Tiergartens ist ein großer Park, der Berlin in seiner Mitte eine Pause von sich selbst verschafft. In den guten alten Zeiten schossen die Kaiser hier ihr Wild. Im Westberlinern war er ein praktischer Puffer vor den Russen, damit man wenigstens 15min Zeit hatte, bevor die auf dem Kurfürstendamm standen. Zu Loveparadezeiten Zuhause für hunderttausende Spaßverirrte, die sich in den Büschen besinnungslos rammelten. Heute ist der Tiergarten ein großes Nichts. Ihm fehlt das entspannte Gefühl eines Stadtparks, vielleicht auch, weil er von allen Seiten von Tangenten durchzogen wird. Die Wege und Brücken sind so bedacht angelegt, dass sie jeden Gedanken an unberührte Natur sofort Lügen strafen. Man glaubt es kaum, es Leben trotzdem Tiere in allen Ecken. Wie überall in Berlin ziehen die furchtlosen Füchse besonders Nachts ihre Bahnen. Tags mümmeln Kaninchen dumpf auf den Wiesen. Große Raubvögel kreisen über ihnen und versuchen ihrem friedlichen Leben ein Ende zu machen. Ganz selten sieht der Besucher sogar eine der tellergroßen Wasserschildkröten aus den Kanälen kriechen. Ob sie Nachfahren der ursprünglich heimischen Sumpfschildkröten, oder ausgesetzte Ungeliebte sind, bleibt dem Besucher zu ermessen.
Mitten im Park ist ein mörderischer Kreisverkehr. Berlins Place de la Bastille XXX ist die ultimative Herausforderung für Autofahrer. Der Fußgänger, der Zeit hat seine Umgebung wahr zu nehmen, kann sich von der nationalsozialistischen Ästhetik der Siegessäule in seiner Mitte provozieren lassen. Das Name ist Programm. Der Goldene Engel auf dem Turm wurde von den Nazis hier her verfrachtet und steht für die ewige Überlegenheit Deutschlands über Frankreich. So peinlich dieses protzige Denkmal ist, Berlin ist froh über alles, was es an Kultur hat, und stellt einfach Obama davor. Wenigstens hätte Hitler da das kalte Kotzen bekommen.
Der Tierpark spannt einen Raum vom Zoo zum Brandenburger Tor. Der gleichnamige Bezirk geht ungefragt nördlich und südlich davon weiter. Während der Norden, Moabit, nichts als trostlos ist, findet man im Süden eine bunte Abwechslung aus gescheiterter Integration, Drogensumpf, hochherrschaftlicher Arroganz und schlicht windigen Geschäften.
„Moabit ist Beste.“ Behauptet zumindest der selbsternannte Bürgermeister und ein paar Hipster, die es aus Kostengründen dahin verschlagen hat. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Moabit ist Absturz. Bis kürzlich hat Moabit niemanden Interessiert. Es war eine Zwischenstation der nicht existenten Stadtmitte und der sozialen Sackgasse Wedding. Wer schnell und dringend schlechtes Heroin braucht, kann es an der Turmstraße bekommen, das was es aber auch. Kiez um Kiez aus schön anzusehenden Altbauten reihte sich aneinander und wurde nur an und an von dem obligatorischen 70er Jahre bockigen Sozialbunker unterbrochen. Hier eine hübsche aber uninteressante Markthalle, dort ein bisschen Industrie, Eckkneipe um Eckkneipe und nichts, was einem in Erinnerung bleibt. Moabit ist eine gute Gegend für deprimierende Altersarmut. Für verschwendete Lage im Zentrum. Um die Turm- und Beusselstraße sogar für handfestes soziales Elend, aber ohne jegliches Flair. Viele Moabiter stehen zu ihrem Loch und finden es ganz gut. Reisbrei ist auch ganz gut. Werden sie gefragt, wo man mal ein Bier trinken könne, bleibt ihr Gesicht so leer wie die Regale im Hertie. Ganz recht, man kann in Moabit nichts trinken gehen, vielleicht ist Hertie deshalb weg gezogen. Das hält man ja nüchtern auch nicht aus. Nichts trinken heißt, nicht mit Wedding-Cowboys versacken. Bier und Korn gibt es natürlich auch auf der Straße bei den vielen Runden vertrauenswürdiger Gestalten.
Weil zentral und rein rechnerisch begehrenswert musste es soweit kommen, dass Moabit aufgewertet wurde. Die Aufwertung des Stadtteils von oben zog besonders im südlichen Moabit die passenden Einwohner nach sich. Junge Leute mit viel Kapital waren und sind bereit, es für Moabit zu verschwenden. Als einer der wenigen Orte in Berlin könnte Moabit es schaffen, direkt von den öden Bodensatzbezirk in den öden satten Mittelstandbezirk überzugehen. Die Zwischenphase der Künstler und Kreativen, die das Viertel sonst aufwerten müssten, wird übersprungen.
Völlig deplatziert liegt noch das Ensemble um den Hansaplatz am südlichen Ende Moabits. Die U9 macht vor und nach der Station lange keinen Halt. Lange hat auch der U-Bahngast Zeit sich vorzustellen, was ihr erwartet. Legt er die Hand ans Fenster sieht er die Kabel zitternd vorbei sausen, das altersschwache Nervensystem Berlins. Trotzdem eine der ehrlichsten Ansichten der Stadt. Aus dem U-Bahnschacht kommend stellt er fest: Die Tunnel waren besser. Der Hansaplatz ist mehrheitlich das Produkt eines Architekturwettbewerbs in Kantigkeit. Visionär moderne Architektur steht rum und deklassiert den Menschen zum Wohnobjekt. Es sieht fast aus wie in dem Plattenvorstädten Ostberlins, trostlos und traurig.
Der südliche Tiergarten, im Volksmund geistreich „Tierarten“ genannt, ist interessanter. Zwischen Park und Kanal liegen aus dem Stadtleben extregriert die Botschaften. Sie zeigen eindrucksvoll, was für interessante Architektur Staaten auf Kosten ihrer Bürger schaffen können. Sicherlich ist Ägyptens hungernde Bevölkerung froh über die edlen Materialien, mit denen ihr Repräsentationsklotz gepflastert ist.
Hinterm Fluss beginnt die Potsdamer Straße, im Fachjargon „Potze“. Klingend, wie der Name ist, hat er natürlich eine nahe liegende Bedeutung. Hier befindet sich der zweite-Klasse-Strich zwischen Ramschläden und Unternehmen, die gerne in der richtigen Mitte Berlins wären. Der Live- Zombiefilm auf dieser Straße ist eigentlich Eintritt wert. Wer mit unproduktiven menschlichen Regungen wie Mitleid nichts anfangen kann, dem bieten die minderjährigen transsilvanischen Vampire ein schönes Schauspiel. Grade hat eine Anwohnerinitiative den Bau eines Bordells erfolglos zu verhindern versucht. Ganz nach dem bewährten Berliner Reflexschema der Symphtomverdrängung, war das Vorgehen nicht weiter verwunderlich. Dass damit argumentiert wurde, dass das Bordell den Kiez sozial kippen würde, allerdings schon. Denn die Potze ist per Definition schon gekippt. Die Verkörperung der Wilden Zwanziger war von anfang an nichts als eine Amüsiermeile, die bestenfalls glänzend scheinen konnte. Und das auch nur bei Nacht. Sogar das altehrwürdige Wintergarten Varieté und eine satt neoliberale ansässige große Tageszeitung haben das sinkende Schiff verlassen. Naja, das Varieté ist eigentlich eher gleich mit ertrunken.
Wie auch in Moabit meinen manche, hier geht es aufwärts. Es siedeln sich jetzt Galerien und Start-Ups an. Sie haben recht, insofern, als dass die Immobilienpreise steigen werden, egal was passiert. Dass die Potze gesäubert wird, ist aber sehr unwahrscheinlich. Ein Stück weiter Südlich liegt die Bülowstraße zugedröhnt. Als einer der Drehorte für Christiane F. ist sie heute noch hinreichend fertig um als authentisch durchzugehen. Das hängt nicht zuletzt an der umliegenden Bebauung. Schließlich war Tiergarten das, was Westberlin als Zentrum verstand. Also mussten so viele Altbauten wie möglich abgerissen werden. Mehr Menschen passten danach in die Schulkästen, die man damals für menschenwürdig hielt. Als direkte Konsequenz daraus schießen ab und an aus den Fensterschlitzen Bewohner mit Luftgewehren auf Passanten. Die Berliner wissen eben, wie man seinen Mitmenschen das Gefühl gibt, gebraucht zu werden. Und sei es nur als Zielscheibe.
Es ist erstaunlich, dass nicht mehr passiert. Eingerechnet dessen, dass diese unendlich trostlosen Wohnungen bis heute teurer sind als halbwegs menschenwürdige Altbauten, verwundert es, dass Leute sich das noch antun lassen. Vielleicht interessiert es aber einfach niemanden, denn es ist ja nur Tiergarten.
Das ist das eigentliche Problem des Bezirks. Nach der Wende wurde er vom Zentrum zur Innenstadtperipherie. Wie der taubstumme Bruder ist er immer da, aber niemand interessiert sich auch nur das Geringste für ihn. Tiergarten braucht keiner mehr, jetzt wo Mitte für Wichtige und Friedrichshain für Angesagte da ist. Grade das könnte jedoch für Tiergarten zum Potential werden. Es ist noch ein wenig echter und unprätentiöser als das neue Zentrum. Wahrscheinlich ist aber der Moabiter Weg zum schleichenden Auslöschung der, den der gesamte Bezirk beschreiten wird.


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