Mein gescheiterter Dschihad/Liebesgeschichte-Krimi

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Pentzw
Kalliope
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Mein gescheiterter Dschihad/Liebesgeschichte-Krimi

Beitragvon Pentzw » 13.12.2011, 00:17

Wir hatten es doch so akribisch genau und gemeinsam voller Hoffnung, Freude und Seligkeit vorbereitet, warum mussten sie es zum Scheitern bringen? Selten habe ich zu meinen Glaubensmitmenschen eine derartige Nähe, Liebe und Verbundenheit gefühlt, wie an diesen Tage, die die schönsten meines Leben gewesen waren..
Jeder hatte sein Plastikpaket verborgen um den Leib geschnürt, den er, sobald wir uns unter die Menge verteilt hatten, zünden sollte. Wir, das waren Drei und wir wollten uns unter die dicht drängende Menschenansammlung verstreuen und verteilen, jeder an einem für diese Arena sensiblen Punkt, an dem nicht nur Hunderte von Menschenleben mit in den Tod gerissen wurden, sondern zudem sensible Stellen des Gerüstes, auf denen die Zuschauertribüne der weitläufigen Arena erbaut worden war.
Was aber bemerkte ich dann? Was musste ich also bemerken, obwohl ich es nicht sehen wollte, wirklich nicht wahrnehmen wollte, ich gerne meinen traurig werdenden Augen erspart hätte?
Ich hatte mich gerade auf meinen Sitzplatz niedergelassen, freigemacht von freundlichen Menschen um mich herum. Ich saß gesammelt da. Die Gebetsformeln, die ich sprach, wurden von den leisen, mechanischen Tönen der tickenden Uhr an meinem Zwerchfell begleitet und instinktiv hielt ich nach meinen Mitkämpfern Ausschau.
Mir fielen beinahe die Augen aus, was ich von meiner Position aus sah, was ich sehen musste und was nicht in unserem Plan passte, was zu passen hatte. Die beiden standen vor meinem Augen Hand in Hand, ein unzertrennliches Paar, welches sie bereits in diesem hiesigem Dasein waren, und was sie wohl im Jenseits weiter sein wollten, diese Verblendeten.
Das war gegen jegliche Abmachung!
Es erzürnte mich sehr.
Am meisten verstand ich meinen Bruder nicht. Warum hatte er das getan? Er hing sehr an seiner Ehefrau - was ich verstehen kann. Aber an einer Frau so zu hängen, wie er hing, kann ich nicht verstehen. Was war es dagegen, wenn er in den Himmel kam und dort als Märtyrer triumphal Einzug hielt? 7 Huri besäße er für sich zur freien Verfügung, Jungfrauen von edelstem Geblüt und reinster Schönheit, hingebungsvoll und devot bis zum entpersönlichten Sklaventum – was gibt es Schöneres?
Und was war dagegen seine langjährige Ehefrau?
Ich musste meinen Kopf schütteln vor so viel unangemessenem Dummheit und Borniertheit. Wir hatten es doch so akribisch genau und gemeinsam voller Hoffnung, Freude und Seligkeit vorbereitet, warum mussten sie es zum Scheitern bringen? Selten habe ich zu meinen Glaubensmitmenschen eine derartige Nähe, Liebe und Verbundenheit gefühlt, wie an diesen Tage. Kaum jemals, dass ich anderen Menschen so nahe war. Selbst Fatima, die Frau meines sehr verehrten Freundes, konnte ich sehr gut leiden und erschien mir in einem völlig anderen Licht als bislang. Keine andere Frau habe ich bis dato derartig als eigenständiges, liebenswertes und nicht abstraktes, nicht weit weg und unerreichbar erscheinendes Wesen wahrgenommen. Ja, es waren die schönsten Tage meines Leben gewesen...
Man musste mir meine Qualen angesehen haben, mein Fäusteballen und mein Stammeln natürlich, das ich vor aller Augen vollführte, denn ich bemerkte, wie mich einige sonderbar musterten und vor Unverständnis die Stirn krausten.
Aber diese Starrköpfigkeit meines Kampfgefährten ärgerte mich in den verbleibenden Sekunden unbändig weiter, womit nicht gesagt, dass dies allein Grund und Ausschlag meines bald erfolgenden unvorhersehbaren Verhaltens sein würde. Aber ich möchte dennoch sagen, dass es sehr dazu beitrug und wenn, in der Weise, dass mir unser Auftrag in einem etwas anderen, fahleren Lichtschein erschien als zuvor. Wenn meine Mitgläubigen solch unverständliche, unreine irdische Sentimentalitäten nachhingen, konnte es mit der Moslemgemeinschaft im Ganzen nicht besonders weit her sein, dachte ich verbittert.
Jedenfalls untergrub dieser Anblick meinen Willen und ich begann in diesem Moment zwar nicht an meinem Glauben, aber um so mehr an unserer Sache zu zweifeln.

Zweifel nagten also hier schon an mir.
Aber sie entfesselten sich zu einer völlig unerwarteten Reaktion, als ich sehen musste, wie sich plötzlich meine beiden Kampfgenossen, der Glaubensbruder und die –schwester daran gingen, sich zu küssen. Zu küssen – war das eine! Aber noch dazu in aller Öffentlichkeit - dieses Verhalten war inkommensurabel mit unserem Glaubensinhalten. Sie noch dazu in verhüllendem Kopftuch. Welches Zeichen sendete sie damit nach außen an die Ungläubigen aus?
Nein, das war nachgerade die denkbar schlimmste Verletzung, Missachtung und Blasphemie unseres Glaubens!
Ich fühlte mich unsäglich betrogen, spürte einen schmerzhaften Stich in meiner Brust, ich glaube im Herzen und blitzschnell durchfuhr es mich: dafür willst du nicht sterben!
Wenn meine Mitkämpfer dies tun, nein, dafür musst du nicht sterben, dachte ich mir und geriet plötzlich in eine ungebändigte Panik in die unbeschreibliche alles zerstörende Einsicht, dass ich mich hier für nichts und wieder nichts aufopferte.
Diese Art Verzweiflung, anders kann ich es nicht sagen, machte mich fuchsteufelwild, und wahnsinnig geworden, erhob ich mich, riss die Jacke auf, so dass die aneinandergereihten Explosionskörper deutlich sichtbar wurden. Die Menschen um mich begannen plötzlich wie aus dem Häuschen zu schreien, wichen von mir zurück, nach hinten, bereits einer über den anderen und so machte sich mir ein Weg frei, der es mir erlaubte, durch die Menge nach oben zum höchsten Punkt der Arena wider- und reibungslos durchzurennen.
Ich hörte schon den Explosionskrach, roch bereits die Explosionsemissionen, danach unmittelbar hinter mir eine furchtbare Hitze aufglühen und auf mich zuschießen, begleitet von dem Bild, das man oft in Actionfilmen sehen kann, wonach der Held unmittelbar gefolgt von brennenden Flammen millimetergenau dem Inferno entfliehen kann.
Aber ganz so einfach war es dennoch nicht. Sowie die Hitze unerträglich nahe gekommen war, ließ ich mich zwei Stockwerke hinunter auf einen Rasen fallen und robbte besinnungslos und panikartig weg von Feuer, Explosion und Massenhysterie.

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