Parabel zur Debatte über den Mohammed-Film

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Marius Nam
Kerberos
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Parabel zur Debatte über den Mohammed-Film

Beitragvon Marius Nam » 18.09.2012, 21:37

Marius Nam

Mein Freund Mohammed

Ich habe einen allerbesten Freund, der heißt Mohammed. Seit nunmehr dreizehn Jahren gehen wir miteinander durch dick und dünn. Wir machen alles gemeinsam, Mohammed schläft sogar in meinem Bett und ich kann nicht auf die Toilette gehen, ohne dass er mir folgt. Dreizehn Jahre, das ist ein ehrwürdiges Alter für einen Hund.

Man sieht Mohammed seine Jahre an. Sein weißbraun gemustertes Fell ist nicht mehr so glatt und glänzend wie früher. Auf einem Auge ist er seit einem Kampf mit einem anderen Hund blind, das andere Auge leidet an grauem Star. Vor allem aber kann er seine Hinterläufe nicht mehr so gut bewegen. Ein Bein schleppt er ein wenig hinterher; der Arzt sagte, das sei Arthrose.

Wenn er läuft, hat Mohammed Schmerzen, das sieht man ihm an. Aber auch ich bin nicht mehr gut zu Fuß und so passen wir zueinander. Unten im Haus ist ein kleines von Vietnamesen betriebenes Lebensmittelgeschäft, um die Ecke der Waschsalon, ein Stückchen weiter der Dönerladen, den Abou, mein Freund betreibt. Hier im Kiez sind die Wege kurz und das ist gut für uns beide.

Es war ein Freund von Abou, der mir Mohammed überlassen hat. Damals, kurz nach dem Tod meiner Frau, saß ich häufig in seinem Laden, ich trank ein Bier oder auch mehrere und er nippte an seinem arabischen Tee, bediente Kunden, klopfte mir auf die Schulter und teilte mein Schweigen. Eines Tages sagte er: Mein Freund, hab ich eine Idee. Du brauchst Hund, damit du nicht so allein bist!

Ich war überrascht, denn ich hatte noch niemals ein Haustier besessen. Vielleicht war ich zu schwach, um mich gegen den wohlmeinenden Rat zu wehren, am nächsten Tag jedenfalls war besagter Freund in dem Laden und hielt einen entzückenden kleinen Welpen in seinen Händen, kaum größer als ein Handteller. Es war ein Cockerspaniel mit braunen Hängeohren, geflecktem seidig schimmernden Fell, noch tapsigen Beinen und sehr sehr müde.

Hier, ist für dich, sagte der Freund mit breitem Grinsen und legte mir das Tier in die Hände. Musst du gut auf ihn aufpassen, nicht ganz reinrassig, aber ist edles Tier! Wie heißt er denn? Heißt Mohammed, wie ich, sagte der Freund nicht ohne Stolz. Musst du ihn noch kastrieren lassen. Ich war sofort in Mohammed verliebt und zum ersten Mal seit vielen Wochen ging wieder ein Lächeln über mein Gesicht. Es war der Beginn einer echten Freundschaft.

Ich weiß nicht mehr, wie viele unbeschwerte Jahre wir hatten, ich müsste das nachrechnen. Aber dann kam die Sache mit den Karikaturen. Irgendein Zeichner hatte Karikaturen des Propheten Mohammed veröffentlicht und plötzlich gab es Anschläge auf Zeitungen, Botschaften, Leute wurden erschossen und so weiter. Mein Freund Abou tippte sich an die Stirn und sagte: Spinnen, die Leute, werden sie hoffentlich bald wieder vernünftig, Inshaallah! Mich aber beschlich ein ungutes Gefühl.

Zu jener Zeit begann ich mich intensiver mit dem Islam zu befassen. Ich kaufte mir Bücher, auch eine Übersetzung des Heiligen Koran und ich las Mohammed laut daraus vor. Er ist ein geduldiger Zuhörer, er legt seinen Kopf in meinen Schoß und manchmal stößt er dumpfe Laute aus, als wollte er das Gehörte kommentieren. Einige Tage haben wir uns sogar am Fasten versucht.

Und dann haben sich die Ereignisse überschlagen: In Afghanistan verbrannten amerikanische Soldaten Koran-Exemplare und wieder kochten die Emotionen hoch. Abou fluchte zusammen mit seinen Gästen auf Arabisch und spuckte auf den Boden. Dann verbrannte ein Sektenführer in Amerika den Koran. Abou sagte zu mir: Mein Freund, du weißt, ich freu mich, dich zu sehen. Aber es ist besser, wenn du kommst ohne Hund!

Ohne Mohammed irgendwo hinzugehen? Wie soll ich das machen, habe ich Abou gefragt, aber der hat nur mit den Schultern gezuckt und mir vieldeutige Blicke zugeworfen. Ich dachte nach. Und je mehr ich mir Gedanken machte, desto mehr bemerkte ich auf der Straße Menschen, die mir feindselige Blicke zuwarfen, wenn ich mit meinem Hund spazieren ging. Kaum traute ich mich noch mit ihm auf die Straße.

Ich verzichtete darauf, ihn laut beim Namen zu rufen. Ich kaufte mir eine Hundepfeife, aber Mohammed heulte nur, wenn ich sie benutzte. Ich überlegte mir, ihm einen anderen Namen zu geben, experimentierte mit Moritz und Hamlet, aber Mohammed tat, als hörte er mich nicht rufen. Wie soll man auch jemandem einen anderen Namen geben, der nun mal so heißt?

Als dann die Sache mit dem Mohammed-Film passierte, ertappte ich mich dabei, mir zu wünschen, der Spuk möge ein Ende haben. Mohammed ist doch alles, was mir nach dem Tod meiner Frau noch geblieben ist! Er ist mein Bindeglied an frühere Zeiten. Gewiss ist er alt und wird nicht mehr lang leben, aber ich würde es niemals übers Herz bringen, ihn einschläfern zu lassen. Das wäre eine Sünde, so viel ist mir klar.

Ach, wir leben in schwierigen Zeiten …

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