Kritikerins Tod - Nächtlicher Überfall 22. Teil

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Pentzw
Kalliope
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Kritikerins Tod - Nächtlicher Überfall 22. Teil

Beitragvon Pentzw » 21.02.2013, 12:59

Es trommelt an meiner Schlafzimmertür. Ich fahre senkrecht hoch, denke sofort an den Nachbarn: „Ist denn der verrückt geworden?“ und werfe mich in Schale sozusagen, nur das nötigste, nämlich den Bademantel um mich geworfen und schon poltert es wieder, während ich mit der Schlaufe des Gürtels beschäftigt bin. Ich renne wütend auf die Tür zu und murmle: „Das wird er mir büßen!“ Das Nachbarschaftsverhältnis kann man daraus gut ablesen.
Die Schläge an die Tür wiederholen sich verstärkt und so laut, dass ich befürchte, die Tür könne aus den Angeln springen, in die Wohnung fallen und mich darunter erschlagen.
„Brennt’s denn?“, schreie ich aus Sarkasmus, während ich den Schlüssel umdrehe. Bloß ein Allgemeinplatz halt. Damit sollte ich noch bitteren Ärger ernten.
Vor mir stehen zwei dunkle Gestalten im Gegenlicht, Polizisten, die sich ohne Umschweife, von wegen, sie sind verhaftet und jede Aussage, die sie treffen, könnte gegen sie und im Namen des rechtstaatlichen Rechtstaates und so, auf mich stürzen, mir schmerzhaft die Arme auf den Rücken verschränken, als wäre Gefahr im Verzug. Dann schleppen sie mich die Treppen hinunter, aus der Haustür, ein Bild, das sich mir schmerzhaft eingebrannt hat, der Nachbar wegen. Was bekommen sie zu sehen? Sagt mir, was würden Sie über mich denken?
Auch denke ich im Moment überhaupt nicht an die Kritikerin: dass die Polizei mir hier wohl auf die Spur gekommen sein könnte. Ich bin einfach arglos, rechne überhaupt nicht mehr damit. Übrigens sollte ich damit recht behalten. Dieser nächtliche Blitzbesuch der Polizei passiert aus völlig anderem Motiv, unverhofften.
Gedemütigt auf dem Bürgersteig, auf der Straße, stehe ich mit am Rücken gebundenen Händen und geknickten Kopfes da, ein Anblick, den viele hier Wohnende insgeheim genießen und innerliche Entzückungsschreie entlocken dürften.
Merkwürdig, die Szene ist grell beleuchtet. Sogar das Flutlicht vom nahen Fußballfeld hat mich im Fokus, erhellt grell den Hauseingang, das Polizeiaufgebot und mittlerweile einige herangetretene kecke Nachbarn. Das weist auf eine gut vorbereitete Großaktion hin, die Feuerwehrleute sind auch zugange, aha, was nur rechtfertigt diese Umstände überhaupt? Ich bin derartig geblendet, dass ich, was eine natürliche, aber verwehrte Reaktion ist, mir die Augen mit den Händen zuhalten möchte, aber auf schmerzhaft deutlichen Widerstand stoße, gleichen doch die Polizistenhänden Schraubstöcken.
So kneife ich verbissen die Augen zu.
Noch denke ich: Haben die Fußballer nichts besseres zu tun, als ihre Flutanlage auf mich zu richten, anstatt auf ihren Altar Fußballrasen?
Quatsch alles, ich weiß, bis mir denn doch Zweifel kommen, denn ein rot-orangener flackernder Schein flutet die Szenerie auch ein bisschen ein.
„Brennt es hier irgendwo?“, stoße ich wieder ahnungslos aus.
„Spielen Sie hier nicht das Unschuldslamm. Sie wissen haargenau, was los ist!“, brüllt mir ein Beamter ins Ohr.
Was nur soll ich wissen?
Das einzige, was hier gewiss scheint, ist, dass ich wie ein gemeiner Verbrecher auf die harte Tour hinter Schloss und Riegel gebracht werden soll. Da kann nur eine Verwechslung vorliegen, wenn derartig unangemessene Methoden angewendet werden bei jemanden, der sich keiner Schuld bewusst ist.
Ich hätte gerne gewusst, was dieses gelbe Flackerlicht hinter dem Haus dort bedeutet.
Der Polizist betastet sogar meine Weichteile, der ich die Beine gespreizt dastehe und die Arme über das Dach des blaulichtleuchtenden Polizeiautos geworfen habe.
„Muss das sein?“, frage ich. Das einzige, was ich anhabe, ist der Bademantel, darunter das Unterhemd. Nicht einmal einen Slip trage ich. Aber die Hände des Polizisten betasten mich systematisch von oben nach unten, links und rechts und zurück.
„Seien’s still jetzt! Sie kommen schon noch zum Reden. Mehr als Ihnen lieb sein wird, befürchte ich.“
Jetzt bin ich aber erbost. Da hört sich aber allmählich alles auf. Muss ich mir das bieten lassen?
Ein anderer Polizist rapportiert in sein Handy: keine Schusswaffe, möglicherweise Küchenmesser oder anderer gefährlicher Gegenstand, wird gerade untersucht. Diese militärische Unart, Sätze ohne Subjekt zu bilden – widerlich!
Immer mehr Nachbarn rotten sich zusammen, bilden eine größere Gruppe vor dem Gartenzaun gegenüber, stehen direkt gerichtet zu mir, beglotzen mich schamlos. Ich will protestieren, aufbegehren gegen all das, Polizei, Nachbarschaft, Feuerwehrleute.
„Muss das denn sein?“
Keiner der Polizisten reagiert, fassen es als bloße rhetorische Floskel auf.
Sie legen mir jetzt Handschellen um.
Fußballweltmeisterschaft ist doch nicht derzeit, einziger Anlass, wo ich jemals sich die Nachbarschaft habe zusammenlaufen sehen, oder Einbruch, Mord und Totschlag – was eigentlich los, Kuhmist.
Was passiert?
Was habe ich damit zu tun?
Habe ich etwas verbrochen?
Ich bin mir keinerlei Schuld bewusst, verdamm mich.
Trotzdem behandelt man mich wie einen Verbrecher.
Statt vielleicht gar zu schreien, beobachte ich plötzlich fasziniert, wie ein Nachbar, das Alpha-Tier, der informelle Leithammel der Straße hier, zu einem älteren Polizisten hingeht, der etwas abseits vom Geschehen steht, um einen besseren Überblick zu haben und ein riesiges Funkgerät, größer als jegliches Handy, in Händen hält. Das Ungetüm knistert und scheppert laut.
Alpha-Nachbar und Alpha-Polizist tuscheln miteinander. Dieser Nachbar war schon immer der Ordnungswauwau der Straße, ungekürt, nun offiziell.
Er genießt brustgereckt seine Stellung, jetzt, wo er neben den Haupt-Polizisten stehen darf. Sein feistes, freudiges Grinsen hin und wieder, zwischen ernsten Blick, spricht Bände: „Bürschchen, wurde auch Zeit. Jetzt haben wir dich endlich!“
Wieder werde ich von diesem orange-roten Schein angezogen, der hinter dem Haus um die Ecke hervorkommt. Gleichzeitig dringt in mein Ohr die schrille Sirenen der Martinshörner - außer von der Polizei auch noch von Feuerwehr-Autos.
Natürlich, mein Grillplatz, mein Scheiterhaufen zur Verbrennung von unliebsamer Literatur.
Aber allein deswegen wird man nicht gleich so rüde behandelt, da muss noch weiteres im Busch sein. Höchstwahrscheinlich hat das Feuer zum Nachbarhaus übergegriffen. Ich erinnere mich, ich habe es nicht richtig ausgelöscht und so ist wohl jemand Unschuldiger in Mitleidenschaft gezogen worden.
Mir schwant etwas...

Buch erhältlich unter e-mail-adresse siehe:
http://www.pentzw.homepage.t-online.de/literatur.html

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