Verbrannte Heimat oder Heimatvertriebene...

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Pentzw
Kalliope
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Verbrannte Heimat oder Heimatvertriebene...

Beitragvon Pentzw » 17.07.2014, 16:48

vom Lande mitgenommen. Ums klar zu sagen, wir schreiben das Jahr 2014 und Sie haben richtig gelesen, es heißt nicht etwa: Heimatverbundene!

Ich stand am Bahnhof, war überwältigt vom Frühling, von Was-Auch-Immer.

Ich blickte in das Gesicht eines großzügigen Tages, mein Herz war so geöffnet und geweitet, dass ich ein junges Mädchen fragte, ob sie nicht zufällig dorthin fahren wolle, wohin auch ich fuhr.

„Mutti hat mich gut versorgt mit Kuchen“ Das prall-gefüllte Päckchen, das aus ihrer Tasche quoll, wurde sorgfältig und behutsam wieder hineingeschoben und – geschichtet, während wir noch auf der Bahnhofsbank warteten. Rotkäppchen, mit Wein und Brot, das nicht vom rechten Weg abkommen darf. Und bald fühlte ich mich als böser Wolf.

„Ich bin gut versorgt worden von Mutti während meines Heimataufenthaltes (klingt wie wenn sie Heimaturlaub von der Front gehabt hätte) oder meines Wochenendes in der Heimat (das moderner)."

Die nächste Großstadt sei ihr „genug weit weg.“

Dann kam der Zug.

Sie schlief zunächst sofort ein.

Nur langsam fuhr der Zug an. Er ruckelte dabei.

Schließlich wachte sie auf.

„Merken Sie es nicht, wie Sie Ihre Stadt einschläfert?“

Hieß das, dass sie von ihrem Heimatstadt-Aufenthalt am WE geschafft war? Oder Sie sei Ihrer Heimatstadt ermüdet und überdrüssig Orts-, Tapeten-, Menschenwechsel birgt Wunder in sich, glaubt man schier nicht – sagte ich aber nicht, nicht andeutungsweise. Keiner hat das Recht, die Idylle anderer zu stören.

„Aber kann ich verstehen. Da war keiner am Marktplatz vorhin. Wie ausgestorben. - Wie viel Einwohner hat denn Ihre Heimatstadt überhaupt?“

„Ach, es war Termenfest. Deswegen wohl!“

„Aber die Therme? Die aus der Römerzeit. – Was, wirklich? Sprudeln die Therme heute noch oder wieder?“

Na, war ein Witz! Klar, was bleibt den Leuten übrig, dort, wo der Hund begraben liegt, sucht man sich die allerabwegigsten Wege der Zerstreuung.

„Das nicht, aber...“

„So wie in Budapest vielleicht! Übrigens eine Stadt, wo es noch sprudelnde Therme gibt!“

„Weiß ich!“, sagte sie, zog die Lippenwinkel senkrecht nach unten, als hätte sie in einem besonders sauren Apfel gebissen.

Schnell unterbrach ich mich wieder, will nicht allzu unhöflich sein, wie sehr es mir auch gegen den Strich geht. Dabei bin ich selbst so einer von hier. Nur fehlt mir das, was die anderen so festkleben lässt.

„Na, sehen Sie, wie meine Geburtsstadt, die ist schon Vorstadt von der Metropole (alles verschlingende Krake). Ihre wird wohl auch bald Vorstadt von dieser werden.“ Man muss wissen, meine war näher am Schwarzen Loch angesiedelt als ihre.

Das war eigentlich wieder daneben, wenn man es von einem anderen Standpunkt aus betrachtete. Es war nicht mein Tag.

„Also, ich wollte sagen, bald wächst Fremde und Heimat zusammen und dann fühlen Sie sich nicht mehr so zerrissen...“

Aber Heimat ist Heimat und Fremde ist Fremde und Schnaps ist Schnaps und Dienst ist... wie all diese Sprüche auch heißen mögen.„Das glaube ich kaum... nicht.... weniger. Mein Vater fährt schon seit 35 Jahren jeden Tag mit dem Zug dorthin und zurück.“

„Sehen Sie! Wie eine Vorstadt eben.“

„Kann man vielleicht sagen“, kam es müde, vermengt mit Enttäuschung, Genervtsein von mir, dem Desillusionisten wider Willen.

Ich befahl mir: Werner halt jetzt aber wirklich die Klappe!

„Auf Wiedersehen!“

Boah!- immerhin eine Antwort. Tonfall kläglich. Dabei hätte ich ihr gerne das Gefühl vermittelt, welche Freude ich an diesem Tag empfand. Warum nur wollte sie nicht mitempfinden, mieselieserisch? Lag nur daran, dass sie zu sehr an dieser „Heimat" geklebt hatte.

Die Finger hatte ich mir an dieser Heimat verbrannt. Es war doch nicht mein Tag.

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