Hirnloser Affe

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Pentzw
Kalliope
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Hirnloser Affe

Beitragvon Pentzw » 06.08.2014, 18:36

„Mann ohne Hoden!“
Willi hat uns sein Bier entgegengeprustet, das er gerade zum Mund geführt und hatte einlaufen lassen. „Das klingt wie Frau ohne Busen!“, sagte ich mehr nüchtern als höhnisch. So bin ich nicht, so wie Willi.
Heini, der Betroffene, dachte eine Hunderstel Sekunde nach, allenfalls, wie ein Hund, dem man auf den Schwanz getreten ist und den Schmerz erst einmal registrieren muss, um schlagfertig zu bellen. „Frau ohne Busen, okay, nicht so schön, aber die Hauptsache geht immer noch!“ Heini lachte dazu feist und lärmend. Dann hat er einen mächtigen Schluck aus dem Humpen gemacht und gegrinst und gegrient.
Ich bin ja nicht so, mehr der Stille, liebe Harmonie über alles, wirklich und ich verabscheue das eigentlich, dieses ordinäre Dahergerede, aber sie sind meine besten Freunde, die einzigen Freunde, die ich habe. Ich mag sie. Meinen einzigen Bruder ausgenommen.
Heini antwortete genauso geistesgegenwärtig, die beiden können es nicht lassen, sich permanent zu kappeln: „Okay, wenn Du meinst, Alter. Machen wir doch einmal die Probe!“ Es war schon spät, das Bier war mir zu Kopf gestiegen, ich vertrag diese starken Biere hier in Bayern nicht, bin ja eher die Hellen gewohnt, die man bei uns, in Berlin trinkt. Jedenfalls, ich war auf etwas anderes konzentriert als auf das Getuschle der beiden Streithähne, das nun folgte. Ob sie sich gegenseitig etwas vorgewichst, wer der Schnellere oder Längere, ich weiß nicht, ich lag dann schon unterm Tisch. Egal!
Ich darf mich vorstellen.
Oskar ist mein Name. Ich gehe in Arbeit. Bin Arbeeder, äh, Arbeiter genauer gesagt. Ich bin Junggeselle. Schon seit Jahren... Äh, was noch? Nun, mehr braucht man im Grunde nicht zu wissen, es ist genug für die Geschichte, die ich erzählen will oder muss, meine Psychologin hat es mir geraten, wenn man so sagen will: „Schreiben Sie doch einmal ihre Geschichte auf, weswegen Sie hier in Therapie sind.“
„Meinen Sie, dass das hilft?“, habe ich skeptisch und leise meine Stimme erhoben.
Ich glaubte Willis und Heinis Stimme zu hören, wie sie feist lachend sagten: „Zumindest schadet’s nicht! Ha, ha!“
„Ja, das meine ich!“, hat die Therapeutin entgegnet, als hätte sie die beiden gehört.
Na dann!

Kater am nächsten Morgen.
Wieder ist Heini dahergekommen. Ich habe das Gespräch längst vergessen gehabt, aber nein, Heini ist eben Heini.
Ich habe kaum etwas verstanden, so hat mir der Kopf bebrummt. Aber hellhörig bin ich geworden, als er gesagt hat: „Du bist doch Junggeselle?“
„Ja!“
„Nun, diese Frau lebt allein und du lebst allein...“ dabei hat er gegrient wie gestern Abend, als er einen mächtigen Schluck genommen hat.
Später, als ich diese alleinstehende Mutter mit Kind geheiratet habe, hat er sogar gelacht, als ich es ihm mitgeteilt habe. Ich habe mich darüber etwas gewundert, heute weiß ich, warum er gelacht hat. Naja.

Natürlich, ein bisschen misstrauisch bin ich schon geworden, mir war nicht wohl zumute dabei, erinnere ich mich – wenn nicht der Alkohol gewesen wäre...
„Und wieso heiratest D u sie denn nicht?“ Da ist ihm natürlich das Grinsen schnell vergangen, was mir auch wieder leid getan hat. Denn mein bester Freund und Arbeitskollege ist in diesem menschlichen Aspekt, ähm der Sexualität, behindert. Äußerlich zumindest, ich kenne mich da nicht so aus. Jedenfalls läuft er nur noch mit einem Hoden herum. Hodenkrebs... Nach der Operation... Was das für eine Bedeutung hat, weiß ich natürlich auch nicht, bin ja kein Arzt.
Jedenfalls bin ich in mich gegangen und habe mir gesagt: Nun, mein bester Freund und Kupferstecher hat vielleicht nicht unrecht, versuch’s, du bist schließlich Junggeselle, schon seit Jahren, zu lange vielleicht. Und ich habe es versucht. Mit Erfolg!

Blond, mit Kind, Tochter, aber schon etwas älter, Teenager-, Jugendalter halt.
Wegen letzterem Faktor habe ich Bedenken angemeldet.
„Aber die sind noch biegsam! Überleg mal, Oskar. Pubertät, erziehungsbedürftig, lenkbar, das wirst du schon schaukeln!“ Nun, ein Kind habe ich mir schon immer gewünscht. In meiner ersten Ehe habe wir es 7 Jahre lang versucht, vergebens. Dann ist sie mir davongeloofen, meine Allerwerteste. Davongelaufen, um es im korrekten Hochdeutsch auszudrücken.
Egal! Warum nicht ein Adoptivkind, Kind ist Kind, habe ich mir gedacht. Und besser so ein biegsames junges Ding, als einen harten Holzkopf, oder Holzscheit, wie die Bayern hier sagen. Oder besser als gar nichts, um korrekt zu sein.
„Darf ich dich Papa nennen?“, hat mich dann die Tochter gefragt. Ihr glaubt gar nicht, wie stolz mich das gemacht hat. Aber als sie vom nächsten Wochenendbesuch bei ihrem leiblichen Vater, übrigens Willi, der aber von einer anderen Abteilung stammt, will heißen, innerhalb der gleichen Firma anderswo arbeitet, zurückgekommen ist, war sie wie verwandelt. Zunächst reserviert, aber ihre Zurückhaltung verwandelte sich bald schon in andere Eigenschaften: bießgurgig, frech, pampig undsoweiter
Damit will ich nicht den leisesten Zweifel an der Loyalität Willis, meines zweitbesten Freundes, geäußert haben. Klar, sie ist die Tochter von ihm. Aber das macht die Situation im Grunde noch verfahrener oder unverständlicher. Eigentlich musste sie mich doch deshalb schon gemocht haben, finden Sie nicht auch? Aber nein? Nein, Willi steckt nicht dahinter. Willi ist Willi, einer meiner besten Freunde auf dieser Welt. Willi, doch nicht! Der steckt nicht dahinter, niemals nicht und überhaupt nicht. Undenkbar! Nein, das glaube ich nicht, unbedingt nicht.
Deswegen, weil ich ihn angerufen habe zuvor. Klar, es ist seine Tochter. Ob er’s mir zutraute, glaubte und beruhigt sein könne und sich fühle, dass und wenn ich seine Tochter gut erziehen, halten, betreuen, nenne es es, wie Du willst, habe ich mehr stotternd als zaghaft nachgefragt.
„Eh!“
„Was meinst Du mit „Eh“ Willi?“
„Du fragst mich also, ob Du meine Geschiedene...“
Stumm war’s am Telefon. Hat er den Hörer bedeckt oder ihm Stimme verschlagen gehabt, ich weiß nicht.
„Ja, natürlich, schließlich...warum auch nicht?“
Das war ganz schön gewagt, ich weiß.
„Eh, also, die Frage überrascht mich.“
„Warum denn, ist doch unter Kumpels...“
Er ließ mich meine Ausführung, meine Verkündigung, meinen Eideserklärung oder Formel verkünden, die ich mir lange vorher überlegt habe und wenn ich einmal zu reden anfange, dann stoppt mich so schnell keiner, außer wenn der andere wirklich etwas sagt, fragt und macht.
„Also, Kum.., Oskar, mach, was Du willst!“ Und hat aufgelegt.
Ich habe das buchstäblich genommen. Ich habe eine Frau gewollt, sie hat mich gewollt und wir haben einen Bund fürs Leben geschlossen, oder besser einen Ehevertrag sind wir eingegangen, schließlich sind die romantischen Zeiten passè, haben wir hinter uns gebracht, diesen Kinderschuhen sind wir erwachsen, oder wie’s Opa beliebte breitzähnig lachend auf den Punkt zu bringen: einmal auf den Kopf gefallen, nie mehr auf den Kopf gefallen.

Apropos, Harmonie. Meine Psychologin meint, ich sei harmoniesüchtig und dass dies ein Fehler sei. Also, anders gesagt, so stark wie ich nach Harmonie strebe, dies sei nicht normal.
In Butan oder irgendwo dort im Himalaya schon, da soll es ja auch einen Faktor für den BIP geben (Brutto-Inlands-Produkt), der diesen bestimmt. Aber der BIP dort ist ja nicht auf das Gesamt der produzierten Güter und Dienstleistungen bezogen, sondern heißt so etwas wie das Brutto-Glücks-Produkt (BGB).
Dumm nur, dass die Psychologin mich nicht verstanden hat oder darauf eingegangen ist, denn sie hat bloß die Brauen verengt und gegrummelt: „Aber wir leben nun einmal nicht in Butan!“
„Leider, habe ich geantwortet. Leider, leider!“
„Genau, das ist Ihr Fehler, Oskar!“
Ich wollte, wir duzen uns, darum habe ich gebeten am Anfang. Sie empfände ich zu distanzierend. Sie hat es zunächst abgelehnt, mit Bestimmtheit in der Stimme, aber manchmal verfällt sie doch in dieses Anredepronomen. Ansonsten beharrt sie krampfhaft auf dem „Sie“. Sie meint, das gehöre zur Therapie. Ich müsse unbedingt lernen, Distanz aufzubauen, wo Distanz vonnöten ist. Komische Formulierung, finden Sie nicht auch? Erinnert mich irgendwie an Politiker. Obwohl die ja meistens nicht studiert sind, aber jetzt plappern schon unsere Gelehrten den Politiker nach. Finde ich höchst bedenklich.
Aber ehrlich, ich will bei der Wahrheit bleiben. Das Gespräch war fingiert, ich bin kein Träumer, von wegen BGB. Das habe ich nur erfunden, mir halt so ausgemalt. Manchmal träume ich zu viel, ich weiß. Aber die Courage habe ich nicht, so mit einer vom Amt zu reden, niemals. Obwohl ich’s gern täte. Aber die Umstände sind zu ernst. Aber träume tue ich halt schon manchmal. Ansonsten bin ich Realist, ich bin schließlich Arbeiter und im real-existierenden Sozialismus aufgewachsen, das ist ein Fakt. Und der Fakt ist der, das die Dr. Psychologin mich siezt. Was ich richtig finde.

Obwohl, dies darf ich hier ja, ich mir es so vorstelle.
Anredepronomen: Du oder Sie?
„Aber gerade bei einer Psychologin doch nicht das Sie!“, argumentiere ich.
„Warum?“ Ihre Augen öffnen sich weit wie eine Erdbebenspalte im Boden.
„Na, Sie, Sie wollen doch gerade meine Vertrauensperson sein, und da ist doch das Sie, eben, wenn Vertrauen aufgebaut ist, immer wieder wie ein Keil im Holz, halt ein Spalt tut sich auf, der nicht sein müsste!“
„Hm!“, reagiert sie nachdenklich.
Das hat gezündet, denke ich triumphierend, obwohl mir, sie werden es gleich erfahren, alles andere als zum einem Triumpfgefühl zumute ist.
„Aber, nein, Detlef! Äh, wie heißen Sie wieder mit dem Vornamen?“
Ich grinse.
„Sehen Sie, soweit ist es schon gekommen, vor lauter Vertrautheit habe ich schon ihren Nachnamen vergessen. Das darf nicht sein!“
„Wieso?“
Von wegen, unsere Begegnung findet schließlich in einem öffentlichen Rahmen statt und da sei es geboten – aber lassen wir es.
Annemarie, wie sie mit Vornamen heißt, hätte ich mich nie im Leben getraut so anzureden. Ich bin sehr distinguiert. Neben meiner Harmonie-Sehnsucht ist Höflichkeit der zweite Faktor bei meinem persönlichen Bip! Ja, nu, es ist schon gut, dass wir uns siezen.

Aber noch mal zurück zur Harmonie.
Die Göre hat mir also dann das Leben zur Hölle gemacht. Ich sage Ihnen, das ist mir unerträglich, wie gesagt, Streit und Kabbelei.
Spätabends, nachts, im Bett, habe ich es ihrer Mutter verklickert: „Hase!“, habe ich gesagt, so fange ich immer an, so habe ich sie angeredet. Also, richtig, muss es heißen: Ich f i n g so an, sie anzusprechen, wenn ich sie ansprach. Hm, komisch, irgendwie. Jedenfalls war es so, wenn ich zu meiner Frau über ihre Tochter etwas sagen wollte und das war jeden Tag am Schluss. „Hase! Du musst etwas unternehmen! Ich komm nicht mehr klar mit Deinem Töchterchen.“
„Ja, Äffchen. Was ist denn heute wieder passiert?“
Dann habe ich erzählt, was heute wieder vorgefallen ist.
Man muss wissen, als Schichtarbeiter, nach der Frühschicht, bin ich gleichzeitig mit meiner Tochter, die von der Schule kam, nach Hause gekommen. Und dann ging’s los, jeden Tag, wegen jeder klitzekleinen Kleinigkeit sind wir uns in die Wolle geraten.
„Ja, Äffchen. Ist es schon so weit gekommen?“
„Ja, Hase. Nimm sie einmal ins Gebet, sonst werde ich noch verrückt!“
Die letzten Worte dürften wohl im Lärm der Stereoanlage von nebenan untergegangen sein. Das Zimmer der Göre schloss nämlich unmittelbar an unseres an. Aber ein Ort der Intimität und Privatheit – vergiss es, dazu kam es gleich gar nicht. Die Wände unseres trauten Schlafzimmers hatten Ohren. Besonders dann waren die Lauscher aufgerichtet, wenn wir zur Sache gingen, meine Ehefrau und ich. Ob Pubertierende, besonders weibliche, einen sechsten Sinn, ein drittes Auge, ein unbekanntes Organ dafür haben? Wundern würde es mich nicht! Wohl eher ist ihr ein Röntgenblick gewachsen vor lauter Bosheit, entstanden aus deren Energie von Hass, Neid und Eifersucht, eine unerschöpfliche Quelle sozusagen.
Aber bleiben wir in der Wirklichkeit.
Jedenfalls, meine Frau, die stumme Klagemauer, muss ich schon sagen, in letzter Instanz, in letzter Konsequenz eben, ist zu ihrer Tochter gestanden.
Immer!
Wie Pech und Schwefel. Und ich habe am meisten das Pech abgekriegt.
„Ach Äffchen, sie ist ja noch ein so kleines Kind!“, irgend so einen Hutschi-Kutschi-Kinder-Bla-Bla hat sie dann von sich gegeben, der mich halt dann weich und nachgiebig gestimmt hat. Mann, ich liebe meine Frau. Und Mann, ich liebe Kinder!

Zurück zur streitsüchtigen, lieben, kleinen Tochter.
Sie öffnet die Geschirrspülmaschine, tut Geschirr hinein und haut den Deckel jedes Mal so zu, dass der Platindeckel zerspringt. Ich erkenne nicht gleich den Schaden, baue die Maschine auseinander – ich kriege so ziemlich jede Maschine auseinander u n d wieder zusammen – und was passiert: die Göre haut erneut das Gerät so zu, dass der Deckel wieder bricht, den ich notdürftig und provisorisch zusammengeleimt habe.
Ich habe mir gedacht und gesagt: „Oskar, nu musst Du doch mal was sagen. So geht das nich weiter. Denn ist der Deckel irreparabel gesprungen, kann man die ganze Maschine austauschen, sprich wegschmeißen und eine neue kaufen. Was dann? Nö! Wenn nun die Göre erneut die Maschine wieder so zuhaut, springt der neue Deckel schließlich auch wieder auseinander. Das kommt auf die Dauer zu teuer.“
Okay, ich spreche mit der Göre. Was macht aber die, nachdem sie mir eine Minute stumm und verständnislos angehört und angeguckt hat: geht zur Spielmaschine, öffnet sie und haut erneut die Tür zu, so dass ich sogar den Deckel springen höre.
Ich bin keine Petze, wirklich nicht, aber das war zu viel. Abends berichte ich es ihrer Mutter. Was macht diese daraufhin! Nüscht! Äh, nichts, rein gar nichts. Lacht dabei, wie Leute lachen, die sich über den Schaden des Nachbars freuen und legt sich auf die Coach, Füße ausgestreckt und pennt ein.
Nun, das geht so weiter. Und wird immer schlimmer. Jeden Tag eröffnet sich eine neue Frontlinie.
Dabei war die Göre faul wie’s Tier. Meinst, die hätte länger als eine Stunde über ihren Schulbüchern gepaukt, nein, Handy, Stereoanlage, Glotze, das war ihre Welt. Das begann sofort nach dem Heimkommen und zog sich bis in die Nacht hin.
Trotz Zuredens meinerseits: „Stehst Du nicht kurz vor dem Abi? Weißt Du nicht, wie wichtig dieser Abschluss für Dein späteres Leben ist?“
„Ja, Papa!“
„Schau mich an!“
„Lieber nicht!“
„... ich habe niemals die Möglichkeit gehabt zu studieren!“
„Du armer Tropf! “
„Und was bin ich nu!“
„Ich weiß, ein...“ „
„Nur ein Arbeeter! Genau! Wenn ich aber solche Chance gehabt hätte, wie Du heutzutags....“
Die Göre, wie ihre Mutter, lümmelt auf der Coach und Füße quer durchs Wohnzimmer gestreckt und gähnt gelangweilt und murmelt noch, bevor sie aufsteht: „Wenn der Hund nicht geschissen hätte, hätte er den Hasen erwischt!“
„Ich muss doch sehr bitten!“, erhebe ich noch meine Stimme, aber schon ist sie mit ihrem Köter aus der Terrassentür raus Gassi gegangen.

Doch ich finde das schon komisch, die jungen Dinger heutzutage, die haben niemals geträumt im Leben. Hochhackige Schuhe, schmucke Handtäschchen, weiß-gebleichtes Haar, vielleicht noch ein schreiendes Tattoo auf der Pelle an aufreizender Stelle und natürlich ein schickes Händy zwischen die lackierten Pfoten: von der Puppe oder noch besser von der Milchbottel direkt zum Händy etcetra - so sind die aufgewachsen. Die bilden sich ein, sie könnten mit ihrer Schicki-Mickie-Tour einen Millionär angeln und dann hätten sie ausgesorgt, oder was? Von wegen Gesellschafts-Utopie, das war einmal. Ne, die jungen Gören haben’s nie gelernt, von einer besseren Welt zu träumen, geschweige denn, dafür zu kämpfen. Ich ja auch, mittlerweile, aber es gab wenigstens einmal eine Zeit, wo ich’s noch tat!
Sprich die mal auf Utopie und Gesellschaftsentwürfe und bessere Welt undsoweiter an, was antworten sie dir? „Komm mir bloß nicht mit solchen Klapperstorchenmärchen!“
Hat man da noch Töne? Diese Ignoranz!
Na ja!
Einmal ist mir doch der Kragen geplatzt. Wie war ich über mich erschrocken. Ich habe mich Tage lang in Schuldgewühl gewälzt und versteckt, aber, was gesagt war, war gesagt.
Das war an einem Nachmittag, wo sie besonders nach zu vielem Parfum gerochen hat, oder Gel, Deo, Eau de Cologne, was immer, aber das stinkende junge Ding stieg mir in die Nase hoch, stand mir bis zum Hals und hat mir halt gestunken.
Na, dann habe ich sie aber zur Arbeit angetrieben, will heißen zum Lernen.
„Ja-Ja!“, hat sie genervt geantwortet.
Sie ist in ihrem Zimmer verschwunden und den ganzen Tag nicht daraus hervorgekommen. Ich habe gedacht, nu hast du sie am Wickel, das war der Erfolgsschlag. Obwohl, wie gesagt, ich auch gleichzeitig mich vor Schuldgefühlen verzehrt habe. Das fand gleichzeitig statt.
War es aber ein Sieg?
Haha, niemals nicht. Heute weiß ich nämlich, was das heißt, Ja-Ja, aber jetzt ist es zu spät: Ja-Ja heißt so viel wie Du-kannst-Mich-Mal, aber heute, wie gesagt, äh.

Dann fing sie mit der Internet-Chose an. Da habe ich sie überhaupt nicht erreicht, konnte sie nicht mehr ansprechen. Die war wie weggetreten, glaubt man mir das?
Dann diese Angeberei mit den 500 Freunden, die sie habe.
Sie hat mich angefrotzelt und gefragt: „Und Du, wie viel hast du denn Freunde? Hm!“
„Du willst mir doch wohl nicht verklickern, dass diese virtuellen Freunde echte Freunde sind?“
„Ach, was verstehst Du denn schon!“
„Ich muss doch sehr bitten!“
Aber Vernunftargumenten war die nicht zugänglich, nur diesen Plattformen im Internet da, das war ihre Welt. Lächerlich, diese Internetseiten, die morgen schon wieder in Luft aufgelöst sind und übermorgen keiner kennt. „Hohler als Vakuum!“
Dieses virtuelle Getue trieb noch ganz schön seltsame Sumpfblüten, kann ich Ihnen sagen. Ich bin dabei was verrückt geworden. Solch einen Schwachsinn nachzuhängen, nein!
Playstation, Second World… das ging ja noch.
Schlimm wurde es erst mit diesem Ei von einer Ente da, aus Japan natürlich, war natürlich keins, ein Roboter aus Plastik und Silizium, aber die Göre hütete es wie ihren eigenen Augapfel, bediente es akkurat und pünktlich wie vorgeschrieben, knipste dort ein Lämpchen an, verstellte hier einen Schalter, sonst, oh Schreck, wie sie hysterisch herausstieß, „schlüpfe das Ei” nicht und „diese armen, armen Dinger, diese Enten!” Schluchz, schnief, schnatter.
Man glaubt es nicht. Aber naja, von der Babyflasche direkt ans Handy, eins wies andere.
Sie will übrigens Lehrerin werden. Na, das passt zu ihr, da wird sie glücklich werden: Streit ohne Ende mit den Schülern, schließlich weiß man doch, wie’s da zu geht, in unseren Klassenzimmern. Na, ich gönne es ihr, dieser Göre.

Nun, jetzt ist mir die Frau weggelaufen.
Die Tochter hat das Abitur gemacht, wundert mich, wie sie das geschafft hat und habe meine Frau noch gefragt, weil ich schon gemerkt habe, dass so eine komische Stimmung herrschte in unserer Familie. Tochter und Mutter haben sich oft komisch benommen, ich weiß auch nicht, Blicke verstohlen zugeworfen oder gegen die Decke geschielt, wenn ich mal was gesagt habe.
Ich habe meine Frau gefragt: „Ist alles in Ordnung?“
„Ja, Hase! Was soll nicht in Ordnung sein?“
„Bist Du mit mir zufrieden, ich meine im Bett!“
„Oh ja, Hase, sehr sogar!“
Gut, habe ich gedacht. So weit, so gut.
„Und alles klar, in einer Woche geht’s in die Türkei in den Urlaub?!“
„Oja, natürlich. Ich freue mich schon darauf! Unser erster gemeinsamer Urlaub, nach Jahren wieder. Wird schön!“
Dabei hat sie vergnügt in die Hände geklatscht und sich wieder ihrem Fernsehbildschirm, Kaliber Kinoleinwand-Größe und Marke Hollywood zugewendet und geglotzt und geglotzt, bis sie eingeschlafen ist.
Ich hab’s ja nicht so sehr mit diesem Flimmerkasten. Ich lese ja ab und mal ein Buch, meist Krimi, aber immerhin.
Wie auch immer, das habe ich schon verstanden, dass sie müde war nach der Maloche, sie hat ja auch einen extrem schweren Beruf. Pflegen Sie einmal behinderte, ältere Menschen. Das ist Knochenarbeit, kann ich Ihnen flüstern.
Wir haben ja nicht viel Geld gehabt, aber ich war immer zur Stelle, wenn irgendetwas nicht mit ihrem kleinen Volvo in Ordnung war. Da bin ich gesprungen, das hätte Sie mal verfolgen sollen. Das war eine Schau! Ich habe auch gemerkt, dass die Nachbarn dann immer große Augen gekriegt haben, sich buchstäblich die Hälse verrenkt haben über ihre Gartenzäune und die Köpfe zusammengesteckt und gesagt: Der sorgt sich vielleicht um seine Familie, das ist ein guter Mann!
Nicht wahr, so denken sie doch hier, in Bayern, auf dem Land. Aber nicht meine Frau, leider. Wir sind ja beide nicht von hier. Sie kommt aus Sachsen, ich aus Berlin.
Aber was wollte ich noch einmal sagen? Genau!
Das Ding von Auto war sehr oft kaputt, aber keine Sorge, Hase hoppelte sogleich heran und seine zwei geschickten Läufer, Pfoten, äh Hände bauten das auseinander, was kaputt war und kriegten zu 99 Prozent das auch wieder zusammen, das soll mir mal einer nachmachen!

Gut, wie ging’s weiter?
Eines Tages, ich komme nach Hause: alles ausgeräumt. Zumindest fast. Der Hoden-Heini, mein bester Freund, gerierte sich als Koffer- und Möbelträger. Zuerst habe ich noch gar nicht gerochen, von wo der Braten herwehte.
Sie hat mich am Arm genommen und mich in ein Zimmer gezerrt, die Tür hinter sich verschlossen und gesagt: „Es ist Schluss!“
Ich habe vielleicht einen kurzen Moment gebraucht, aber doof bin ich nicht. Dann habe ich geistesgegenwärtig reagiert: „Na gut. Soll ich Dir helfen beim Umzug?“
Ich bin ja nicht auf die Birne gefallen, mir war ja klar, dass die schon längst eine neue Wohnung gefunden hat. So habe ich zugepackt. Wenn jemand ziehen will, so darf man ihn nicht daran hindern, nicht wahr! Außerdem, ich habe ja auch schon solche Gedanken gehabt, die mir sagten: Es hat alles keinen Wert, versuch’s mal im Herbst, nach dem Abi der Tochter und nimm dir eine Auszeit von dieser Beziehung. Ist vielleicht besser.“
Aber vielleicht habe ich das gar nicht gedacht, im Nachhinein denke ich. Ich habe mir das schon gedacht. Ja, ich glaube, ich habe schon mit diesem Gedanken gerungen. Ernsthaft? Das weiß ich nicht mehr genau.
Jedenfalls habe ich ihr beim Umzug geholfen, gestrichen, geweißt, getüncht, gegipst, lackiert und was es alles zu tun gab, worüber ich froh war, um zu vergessen. Sie haben mich immer mit großen Augen angeguckt, weil ich bin ein guter Handwerker, das wissen sie ja schon. Ich glaube da sind meiner Abtrünnigen schon die Zweifel gekommen, ob sie mich mit einem solchen „Hallodri“, oder wie das heißt, eintuschen solle. Da war ich richtig stolz, und ich habe mir die Hände gerieben, innerlich versteht sich. Bei diesem Spiel muss Pokerface sein oder wie das heißt, gute Miene zum bösen Spiel auf gut Deutsch. Stilaugen haben sie schon gekriegt, die ich mein Leben lang nicht vergessen werde.
Als ich zu mir nach Hause, in unsere verlassene Wohnung gekommen bin, da habe ich gesehen, dass der Küchenschubladen offenstand. Dort habe ich meinen Autobrief verkramt. Weil der Volvo von meiner Frau, der gehört mir. Weil ich war derjenige, der am meisten verdient hat in unseren Ehe und in den gemeinsamen Haushalt und Lebensunterhalt den Löwenanteil gesteckt hat. Alles was ich verdient habe. Ich bin ja nicht kleinlich.
Und was war? Brief von Volvo weg und Besitzer ist derjenige, der diesen Brief in Händen hält, egal, welcher Name darin steht.
Dann hat das Telefon geklingelt. Das war wie im Film. Du entdeckst, deine Frau hat dich bestohlen und im selben Moment gesteht sie dir aus der Ferne via Telefon, dass sie einen Neuen hat: „Falls Du es noch gemerkt hast. Es ist Heini!“ Dabei hörte ich dreckiges Gelächter im Hintergrund. Heini und unsere Tochter. Dann hat sie aufgelegt. Seitdem habe ich natürlich noch lange nicht meine Ruhe. Meine Frau will von mir Unterhalt. Ist das vorstellbar? Aber da hat sie sich aber geschnitten. Warum, dazu komme ich gleich.
Okay, jedenfalls, seitdem werde ich hauptsächlich mit SMS und E-Mails der Abtrünnigen, Frau wie Göre, bombardiert. Dabei ist „hirnloser Affe“ noch das harmloseste. Aber ich will nicht ins Detail gehen. Das erspare ich mir und der Welt.

Heute ist die Nachbarin gekommen und hat mit mir geredet.
„Ist es wahr, was die Leute erzählen? Deine Frau hat Dich verlassen.“
„Ja.“
„Mit wem?“
„Mit Heinrich...“
„Du meinst Deinen Freund, den, der da Mal dagewesen ist vor...“
„Auf der Geburtstagsfeier von meiner Schönen...“
„Heini!“ Sie legt die volle Handfläche auf ihren Mund, als wolle sie sich übergeben. „Nein!“, presst sie heraus. Ich schaue sie fragend an.
„Aber Oskar.“ Sie klopft mir tröstend auf die Schulter, die eingeknickt sind. Sie ist ja schon recht korpulent im Vergleich zu mir und so wäre ich beinahe vom Stuhl gefallen. Sie hat glücklicherweise nichts gemerkt.
„Komm, da brauchst Du doch nicht traurig zu sein. Mit dem habe ich auch Mal gebumst. Und ich kann Dir versichern, nach dem dritten Stoß ist die Luft raus, mehr geht bei dem nicht.“ Und sie hat gelacht.
Würde man nicht meinen, das hätte mich getröstet? Klar, schon, sie wollte mich trösten, ich habe es verstanden. Aber nein, hat sie eben nicht. Im Gegenteil. Nun, ich bin noch tiefer in den Sumpf geraten. Vielleicht stimmt doch etwas nicht beim mir? Oder ist das normal?
Was meinen Sie, Frau Dr. Phil Psychologin? Y So heißt Sie wirklich, nicht? Finde ich lustig, ähm.

Dann kommen Sie ins Spiel.
Denn, weil, ich bin nach alldem durchgedreht und als ich mich vor den ICE werfen wollte, hat mich die Polizei in ihre Fängen gekriegt, dann gibt’s ab in die Klapse. Vollgepumpt mit Medikamenten bin ich herausgekommen, mit der Auflage: keine Arbeit, erst mal Besuch bei der Psychologin des hiesigen Gesundheitsamts.
„Ich will wieder arbeiten!“, habe ich gesagt.
„Damit ist einstweilen Schluss, Herr Hinz!“
„Wie, wie stellen Sie sich das vor! Ich muss arbeiten, ich muss mir die Miete verdienen. Was glauben Sie, dass 60 Prozent von meinem Verdienst ausreichen?“
„Ich verstehe Sie ja, Herr Hinz! Aber, ich befürchte, wenn Sie wieder auf Arbeit sind, dann begegnen Sie doch diesem, diesem...“
„Heini!“
„Genau, ihr bester Freund und jetziger Lebenspartner ihrer Frau!“
„Ja, schon!“
„Und zum anderen treffen Sie auch dann den Mann ihrer Stieftochter!“
„Willi...“
„Genau!“
„Aber der arbeitet doch in einer anderen Abteilung!“
„Aber in ihrer Firma!“
„Ja, das stimmt!“
„Und was glauben Sie, was dann in Ihnen vorgeht, wenn Sie die beiden sehen?“
„Äm, ich weiß nicht!“
„Ja, aber ich. Ich befürchte, dann drehen Sie mir wieder durch.“
„Äh, aber ich muss arbeiten, verstehen Sie das denn nicht? Ich...!“
„Herr Hinz. Gehen Sie einmal für ein paar Wochen in Urlaub...“
„War ich doch. Komm doch gerade erst aus der Türkei!“
„Ja, nun. Dann fahren Sie zu ihrem Bruder. Der wohnt doch in Berlin. Dann sind sie weg vom Schauplatz, das ist beste Medizin für Ihre Seele, glauben Sie mir.“
„Ja, aber ich m u s s arbeiten!“
„Nein, müssen Sie nicht. Sie werden erst dann wieder arbeiten, wenn i c h grünes Licht gebe. Eher nicht!“
„Aber...“
„Keine Diskussion mehr. Ich hoffe, ich habe mich klar genug ausgedrückt!“
Mir ist die Spucke weggeblieben und die Haare zu Berge gestanden.

Warum sich meine Herzallerliebste aber selbst ins Fleisch geschnitten hat
So, seitdem bin ich nämlich arbeitslos.
Komme gleich auf meine Schöne, aber davon abgesehen, ich weiß nicht, wie ich die Miete meiner neuen Wohnung bezahlen kann. Natürlich musste ich aus der alten raus. Zu teuer. Aber die neue ist auch schön hoch!
So, was nu?
Ich bin zu alt, um eine neue Arbeitsstelle zu suchen. Außerdem bin ich an meiner alten schon seit 25 Jahren. Da habe ich ein gewisses Gehalt, das ich niemals mehr erreichen werde. Und bei Null anfangen, das geht nicht. Aber die beim Amt sind stur. Saustur, wie die Bayern hier sagen.
Die Psychologin sagt mir zwar dauernd etwas anderes, aber ich bin doch nicht blöd. Keeene, aber auch wirklich k e i n e Firma stellt mich mehr so ein, als wie ich bei meiner alten habe Lohn bezahlt bekommen. Nein, die macht mir kein U für X vor, nee, keiner nicht, so!
Meine Schöne will mich jetzt übrigens verklagen.
„Zahl mal schön den Unterhalt!“ Weil ich mehr als sie verdienen würde. Da hat sie sich aber getäuscht. Nunmehr verdiene ich weniger, viel weniger. Und nun habe i c h sie verklagt. Der Anwalt ist zwar teuer, saumäßig-teuer, aber ich werde jetzt von ihr Unterhalt verlangen können. Sie wird sich ganz schön ärgern. Tut mir zwar leid...
Aber - so sieht’s aus!

Gestern habe ich mit meinem Nachbarn gesprochen, als ich ihm angeboten habe, sich von meinem Sperrmüll-Schamott nach Lust und Laune zu bedienen. Übrigens ist das meiste von ihr: „Ich habe diesen Krimskrams nicht mehr nötig. Ab jetzt lebe ich in anderen Dimensionen.“ Was sie damit gemeint hat, weiß ich nicht. Hat Heini im Lotte eine 6 gehabt?
„Warum ziehst Du eigentlich aus?“
Ich habe ihm von meinem Schicksalsschlag erzählt, grob und querbeet.
„Mann!“, hat dieser ausgestoßen. Und was dann kam, kann man nur unter Hobby-Therapeut einordnen, dabei ist er doch Busfahrer.
„Du musst jetzt anfangen, Dich zu hinterfragen.“
„Äh.“
„Bei Dir musst Du beginnen, nicht die Schuld in die Stöckelschuhe deiner Frau schieben.“
“Aber ich liebe sie noch.“
„Mann, Du musst Dich befragen, erforschen, in Deiner Vergangenheit rumkramen, wieso und warum Du auf die Tussi hereingefallen oder ihr auf dem Leim gegangen bist!“
„Aber ich liebe sie.“
„Genau, das ist der Punkt. Der Schwachpunkt: Liebe.“ Dabei lacht er etwas zugeknöpft, krampfhaft und gebrochen auf. “Liebe, das ist eine Schimäre. Das ist Schall und Rauch, Wahn und Mythos, Sucht, Siech...“
“Äh?“
„Jedenfalls bräuchtest...“
„Man braucht doch Liebe so... .“
„Ja, stimmt“, räumte er ein. „Aber bei Dir war es eindeutig einseitig. Du sieht man, Du musst lernen zu erkennen, wo und wann echte Liebe oder falsche Liebe im Spiel ist.“
„Im Spiel?“
„Na, halt erkennen, ob Du die andere, deine Partnerin, ein Tussi ist oder eine, ja, Frau; jedenfalls, ob wahre Gefühle, aufrichtige...“
„Meine Frau ist keine Tussi.“
„Was? Natürlich! Erkenne, lerne, entdecke, was ist es, dass Deine Frau dich auf Eis gelegt hat.“
„Auf Eis. Im Gegenteil! Mir ist immer warm ums Herz, wenn ich an meine Schöne denke.“
„Aber diese E-.Mails, diese Sms’, diese Frechheiten...“
„Ja, das ist nicht schön von ihr. Nicht die feinste Art, das schon...“
„Oh, Mann ich kann Dir nur sagen...“
„Aber nein, meine Frau ist keine Tussi. Das verbitte ich mir. Nein, nein, nein. Ich liebe meine Frau.“
„Ich geb’s auf!“

Mittlerweile hat sich meine Nachbarin aus dem selben Haus angeboten, na, wie soll ich mich ausdrücken? Ich darf mein Auto vor ihrer Haustür abstellen, obwohl ich nicht mehr hier wohne, darf ruhig bei ihr klingeln, wenn mir danach zumute ist, wenn ich Gesellschaft haben will, vor allem, wenn ich mich allein fühle, darf ich sogar jederzeit bei ihr anrufen, egal, welche Tages- oder Nachtzeit ist, immer. Diese Nachbarin hat zwar mit dem Heini geschlafen, aber man glaube jetzt nicht, ich würde mich an dem, den Neuen rächen, weil er mir meine Schönheit weggenommen hat und ihm eins auswischen wollen, indem ich mit dieser Nachbarin etwas anfange. Sie haben ja miteinander, Sie wissen schon. Nein, es tut mir einfach gut, das sich jemand um mich kümmert, ist doch verständlich?

Anfügung

Ach übrigens, wo ich gerade von meiner Seelendoktorin heimkomme, hier mein Bericht. Thema: Anredeverhalten.
„Aber gerade bei einer Psychologin doch nicht das Sie!“, habe ich argumentiert.
„Warum?“ Ihre Augen öffneten sich weit wie eine Erdbebenspalte im Boden.
„Na, Sie, Sie wollen doch gerade meine Vertrauensperson sein, und da ist doch das Sie, eben, wenn Vertrauen aufgebaut ist, immer wieder wie ein Keil im Holz, halt ein Spalt tut sich auf, der nicht sein müsste!“
„Hm!“, reagiert sie nachdenklich.
Das hat gezündet, dachte ich triumphierend, obwohl mir bald alles andere als zum einem Triumpfgefühl zumute sein wird.
„Aber, nein, Detlef! Äh, wie heißen Sie wieder mit dem Vornamen?“
Ich grinste. ‚nen echten kapitalen Alzheimer, und das bei einer Psychologin!
„Sehen Sie, soweit ist es schon gekommen. Vor lauter Vertrautheit habe ich bereits ihren Nachnamen vergessen. Das darf nicht sein!“
„Wieso?“
Annemarie, wie sie mit Vornamen heißt, hätte ich mich nie im Leben getraut so anzureden. Ich bin sehr distinguiert. Neben meiner Harmonie-Sehnsucht ist Höflichkeit der zweite Faktor bei meinem persönlichen Bip!
Von wegen, unsere Begegnung fände schließlich in einem öffentlichen Rahmen statt und da sei es geboten – aber lassen wir ihre Argumente mal außer Acht und...
Übrigens und überhaupt: Ich schreibe dies hier nur nieder, weil ich jetzt ja Zeit habe, genug Zeit. Ich glaube, ich schule um, per Fernkurs oder wie immer, und werde Schriftsteller! Wie finden Sie übrigens meinen ersten Gehversuch?
Also bis bald, geschätzter Leser. (Seufz.)

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