Warum ich ein Buch abstoße VIII

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Pentzw
Kalliope
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Warum ich ein Buch abstoße VIII

Beitragvon Pentzw » 14.09.2014, 20:32

Buch im Gespräch

Es ist im Gespräch. Ich treffe Bekannte in einer anderen Stadt als der ich wohne.
„Bist Du schon wieder hier!? Was suchst Du in Fürth?“
„Ich schaue nach, ob mein Buch in dem Offenen Regal dort vorne an der Straße schon weggekommen ist?“
„Hä?“
„Ja, wenn es weg ist, dann stelle ich ein neues hinein.“
Meine Saufbekannten haben noch nichts von solchen Regalen gehört. Ich erkläre es Ihnen gestikulierend: reinstellen Buch, rausnehmen-dürfen Buch.
„Aha, gute Idee!“
Es ist ein Ehepaar. Die Frau weist ihn daraufhin, dass sie gleich zum Fernsehkrimi nach Hause gehen müssen.
„Ja!“, erzähle ich weiter. „Mein Buch ist leider seiner Zeit vorausgewesen. Nunmehr treten alle auf diesem Thema herum und auf mein Buch herab, sozusagen.“
„Welches Thema?“
„Nymphomanie! Das Buch heißt Nymphomanenmord!“
„Hä! So ein Thema, das jüngst dieser, wie heißt er wieder?“ Er schaut zu seine Gemahlin bittend hin, um sich das Wort, das ihm auf der Zunge liegt, aber in seinem Gesellschaftstand natürlich absolut tabu ist, stichwortgebend sagen zu lassen, wieso schließlich ist man verheiratet? Die Frau kennt aber nur Fernsehfilme, wenn überhaupt. Der Titel reicht ja schließlich und die Schauspieler auch.
„Es modert sei 20 Jahren im Keller vor sich hin, also muss es jetzt endlich raus!“
„Gut, verstehe. Aber, hä?, wieso schaust Du da nach, ob es aus dem Regal entfernt worden ist? Hast Du mehrere Exemplare von dem selben Buch.“
„Ja, 200 Stück.“
„Hä?“
„Ja, jetzt sind es nur noch 50, ungefähr!“
„Hä? Wie heißt das Buch nochmals?“ Er kommt ins Grübeln, das erste Mal an diesem Abend im Biergarten auf der Straße, in einem bierseligen Zustand, der dazu natürlich nicht einlädt.
„Achso, das ist Dein Buch!“
„Ja, genau!“
„Du hast ein Buch geschrieben?“
„Du hast wirklich ein Buch geschrieben!!??“
Ehepaar ist gut synchronisiert. Eine gute gehende Ehe, zweifellos.
„Das will ich mal sehen!“, sagt er.
„Gut, dann können wir zum Fernsehkrimi losgehen. Es liegt auf dem Weg.“
Wir machen uns dorthin auf dem Weg. Ich zeige ihnen mein Buch. Ist noch da. Keiner hat es gelesen. Na, ist noch nicht Hochsaison, der Herbst, die melancholische Zeit kommt ja bald, Geduld, meint der Autor.
Es sind sogar noch zwei Exemplare darin, aber wenigstens kann ich mich eines entledigen, indem ich dem männlichen Ehehälfte-Bekannten eines überreichen darf.
„Hm, sind nur 130 Seiten. Das ist gut. Das könnte ich schaffen. Weißt, bei diesen Wälzern mit mehr als 500 Seiten, da krieg ich schon einen Koller, wenn ich sie nur von Ferne wahrnehme. Aber das hier...“ Er blättert darin herum, vielmehr lässt die Blätter wie ein Profi-Kartenspieler zwischen seine Hände sich rollen und blättern, als wäre es ein funktionaler Gegenstand, den man auf seine Tüchtigkeit hin vorher inspizieren muss, bevor man es zum Einsatz bringt.
„Aber ich lass es doch lieber erst Manni lesen.“, schränkt er schon wieder ein. „Das ist ein Bücherwurm. Der liest alles. Der soll mal seinen Senf dazu abgehen!“ Damit ist er natürlich aus dem Schneider und braucht es nicht zu lesen. Soll mir recht sein, Leser ist Leser.
Wir laufen die Straße zur Pegnitz hinunter, werden schon wieder vom Thema abgelenkt, als wir einen Riesenschwarm Vögel über die relativ niedrigen Dächer der kleineren Großstadt kreisen sehen, die sich für den Flug in den Süden warmmachen.
„Bestimmt Schwalben?“
„Oder auch nicht!“
Was höre ich da: Widerspruch in der Ehe?
Es erinnert mich an die kurze Affäre, die ich einmal mit dieser Frau, nunmehr Ehefrau, hatte.
Als wir am Fluss angekommen sind, gabelt sich der Weg des Ehepaars. Sie geht links mit mir ein Stückchen weit zu sich nach Hause, er geht rechts in seine Wohnung, vielleicht um später nachzukommen, wer weiß. Gut möglich, dass nicht. Er hat kein Problem mit Eifersucht und selbst wenn seine Ehefrau Nymphomanin ist, kratzt es ihm scheint’s kaum. Wir verabschieden uns. Ich gehe über die Brücke mit seiner Ehegattin allein weiter.
Sie erzählt mir, wie sie wohnt, zeigt mit dem Finger dorthin, also zum Greifen nahe, auch für mich!? „Man kann in einen wunderschönen Hinterhof schauen und und und..“
Also, eine Einladung, mit ihr in ihre Wohnung zu gehen, allein, wie damals. Auch da hatte ihr Noch-nicht-Ehe-Mann kein Problem darin gesehen. Vielleicht war es für beide eine Trennung gewesen, ich habe es nicht kapiert, was verstehe ich auch schon Paaren?
Interessant war es allemal, denn schon am Abstreifer vor ihrer Tür zu ihrer Wohnung verkündete sie: „Ich zieh mich schon mal aus!“ Kann sein, dass das eine Aufforderung zum Sexualakt war. Wahrscheinlich. Doch mich bockte sie nicht, die unromantische Begegnung nicht, nymphomanisch bin ich zudem nicht. Denn wenn ich es wäre, so, da der Ehemann weg ist, bietet sich jetzt heute Abend eine Gelegenheit dazu: „Du kannst mir ja schnell mal Deine Wohnung zeigen, ich habe noch Zeit bis zum Film, den ich mir anschauen will.“ Das Filmhaus befindet sich gegenüber ihrer Wohnung.
Damals saß sie in ihren Dessous vor mir auf dem Barhocker ihrer mit einem aus dem Central Park die ganze Wand überdeckten Herbst-Allee-Bild. „New York, das ist meine Lieblingsstadt“, hat sie geseufzt. Ja, die Metropole der „Perversen“ der ganzen Welt, wie man so sagt, ich aber nicht negativ meine.
Wie gesagt, ich bin nicht geil-wie-ein-Bock-um-jeden-Preis, damals nicht, heute Abend auch nicht.

Die Begegnung mit einer Autorin, einer ehemaliger

Wen ich danach antraf, war interessanter als ein verkorkstes Sexabenteuer.
Im Offenen Regal kramte eine Frau herum. Ich sagte: „Lassen Sie mir noch ein paar Bücher übrig!“, und verschwand erst einmal auf dem Klo. Zurückgekommen saß sie still da neben den Büchern auf dem Sofa, verloren in der großen Halle, das Foyer einer Festival-Halle.
Ich erzählte ihr meine Belange, die mich hierherführten.
Sie nahm meinen Nymphomanenmord in Händen und hielt es während der ganzen Zeit.
„Dann habe ich heute Abend noch einen Schriftsteller kennengelernt".
Ich winkte geschmeichelt ab. „Einen gescheiterten, bitte sehr!“
Sie erzählte, dass sie auch einmal ein Buch herausgegeben hat. Es war sehr erfolgreich. Sogar in zwei Verlagen hatte sie gearbeitet, auf der Frankfurter Buchmesse war sie sogar präsent und im Gespräch mit einem größeren Verlag stand sie schon. Aber dann wurde sie krank, psychisch krank.
„Das tut mir leid!“
„Ja!“ Von den Medikamenten beeinflusst war ihr Redefluss geprägt, nämlich schleppend zog er sich dahin. Aber sie erzählte gut. Es machte Spaß ihr zuzuhören. Und das Schönste war, dass sie wunderbar zuhören konnte. Ich empfand sogar die Freiheit, meine Wort zu wählen und treffend zu setzen, ohne mich gedrängt zu fühlen.
„Nunmehr kann ich aber nicht mehr schreiben. Ich bin blockiert.“
„Ja, ich verstehe. Psychopharmaka!“
„Ja!“
Sie blickte auf mein Buch, das ganz schwarz ist, mit deutlichen weißen Lettern geschrieben steht: Der Nymphomanenmord.
In diesem Moment dachten wir das Gleiche. Ich riet ihr demnach: „Ich glaube, es ist besser, wenn Sie es wieder zurückstellen. Es wohl zu harter Tobak!“ Das „für Sie“ schwebte in der Luft.
„Ja, das ist vielleicht besser!“, sagte sie gemächlich und stellte es zurück.
Ich bot ihr an, mit mir nach Hause zu fahren, da wir ein Stückweit gemeinsamen Weges hatten.
Sie fragte mich, ob wir uns einmal treffen wollten. „Wollen Sie mich einmal anrufen?“
„Warum nicht.“ Ich tippte ihre Telefonnummer in mein Handy. Aber ich wusste, ich würde so schnell nicht dazukommen, mich bei ihr zu rühren.
Zum Schluss bot sie an, mir ihr Buch zu schicken.
„Ist gut. Im Gegenzug bekommen Sie meines zugeschickt, also das erste, das erfolgreiche, das gute, das, wohinter ich heute noch stehe. Mein erstes Buch war ja ein großer Erfolg gewesen und heute wird es noch sehr geschätzt. Es ist zeitlos geblieben. Ist sogar ins Englische übersetzt worden, aber ich habe bislang keine Mittel gefunden, es zu veröffentlichen. Es fand sich auch kein Mäzen, der, wie das erste, hätte die Herausgabe finanzieren wollen.“
Ich bin gespannt auf ihr Buch.

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