Kleiner Prinz + Luftschloss-Architekt/Fahrt zum Leuchtturm

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Pentzw
Kalliope
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Kleiner Prinz + Luftschloss-Architekt/Fahrt zum Leuchtturm

Beitragvon Pentzw » 02.12.2014, 13:12

Der Zauderin Begründung im Brief? Weil ich am Telefon vorgegeben habe, ein Herausgeber zu sein und sie darin getäuscht habe. Ich frage mich, ob die Täuschung wirklich kränkend war, so, dass sie sie gezwungen hat, sie mir zu vergelten. Ich kann es nicht glauben.
In der Tat, ich rief vor ein paar Wochen bei ihr an, um mich als Herausgeber zu geben. Es war nicht beabsichtigt, ich wollte ihr eine Freude machen, gleichviel, plötzlich meldete ich mich nämlich am Telefon als Herr Herrmann, ein Anthologist, der mit den größten Verlagen dieses Landes zusammenarbeitete und sie bat, einiger ihrer Poems für eine solche Blütenauslese der zeitgenössischen Literatur zur Verfügung zu stellen:
„Wie kommen Sie aber gerade auf mich?“
„Nun, ich habe von Herrn Pentz ein paar von Ihren Kleinodien lesen können.“
„Das stimmt, Herrn Pentz habe ich ein paar zum Lesen gegeben, aber ich wusste nicht, dass er davon Kopien gefertigt und weitergereicht hat.“
„Aber hat er. Umso besser doch, oder?“
„Nun, ich weiß nicht!“
„Jedenfalls kommen Sie jetzt endlich zu einer Veröffentlichung, das ist doch schon einmal etwas.“
„So gesehen schon...
Nun ging ich als Herausgeber ins Detail. Dabei war ich mir sicher, sie war sich jeder Sekunde dessen bewusst, dass das niemals ein Herren Hermann am anderen Ende der Strippe war, der sie versuchte, in den renommiertesten Verlagshäusern dieses Landes unterzubringen. Nein, das war zu offensichtlich einfach ein Spiel, auf das sie einging und das mit einigem Genuss, bin ich der festen Überzeugung.
Denn wie hat sie gesagt - wir waren zusammen auf einer Dichterlesung – „na klar, ich geh kaum aus einer meiner Wohnung, suche keinen Kontakt mit der Literaturszene, vor allem mit Verlegern, wie der dort in der Ecke.“ Sie spitzte lächelnd, gemischt aus Schmerz und Sehnsucht, zu diesem hin. „Und die Hoffnung, ein Verleger käme zu mir nach Hause ist illusorisch.“
Ich bewunderte ihren Realitätssinn. Zumal, man musste sich das vergegenwärtigen, sie ihre Poems ja nur handschriftlich niederlegte und standhaft weigerte, sie in allgemein lesbare Form der Druckschrift zu übertragen. Ein paar Freunde machten sich die Mühe der Entzifferung, darunter ich bei zwei kleinen Gedichten, und das schien ihr schon genug zu sein. Zumindest Grundlage zur Hoffnung, eines Tages von einem mit der richtigen Nase entdeckt zu werden – wie Herr Hermann eben. Ich spielte in diesem Telefongespräch genau diese ersehnte Rolle eines literarischen Weihnachtsmannes, der jeden Wunsch auf der Wunschliste erfüllt. Ist doch schön! Jedenfalls spielte sie mit.
„Ich muss mir noch die Umstände überlegen!“, ging sie in die Reserve zum Schluss des Gespräches hin. Bezüglich Kopierrecht undsoweiter. Von Geld war keine Rede. Es lag auf der Hand, dass die verkannte Autorin eine Veröffentlichung, auch neben vielen Autoren in einer unpersönlichen Anthologie als Belohnung und zu ihrer Befriedigung akzeptieren würde.
Ich glaube, das war es im Wesentlichen. Im Einzelnen den Dialog des Gespräches wiederzugeben, erübrigt sich. Man kann es sich vorstellen. Ein junger aufstrebender Literaturagent macht der verkannten, älteren Autorin den Mund wässrig, ihre brachliegenden, unveröffentlichten kleinen Sinnsprüche und Gedichte dem großem Publikum zuführen zu wollen. Die Autorin ziert sich wie eine verschämte, ältere Jungfrau und der junge aufstrebende Verführer setzt sämtliche Lockmittel ein. Nur eben hinsichtlich Literatur das Ganze, nicht hinsichtlich einer realen Verführung zum Schäferstündchen. Ich glaube, das kann man sich gut vorstellen.
Nun aber, mir dies zum Vorwurf zu machen, ist doch grotesk. Wie ein junges Mädchen, das behauptet, sie sei verführt worden von dem Routiné, dem Sexual-Protz, dem galanten, raffinierten Verführer - nein, das ist zu lächerlich. Es ist einfach der Stoff, mit denen Zauderer sich selbst nähren! Mehr nicht!

Damit ist das Projekt, mein Plan, mein Vorhaben mir ihr, das Hörspiel „Der kleine Prinz und die Zauderin“ zu verwirklichen, gestorben. Ich habe mir eine neue Protagonistin in spe ausgesucht. Vielmehr, Zufall, Du bist ein Segen, ist sie mir über den Weg gelaufen, als ich frustriert von diesem Stell-Dich-Ein, bei dem ich sitzengelassen worden, nach Hause gefahren bin – in der U-Bahn. Die Neue stieg zu, ich las gerade in meinem Manuskript, als jemand vor mir stand, sich nicht setzte, mich nicht ansprach, einfach vor mir stehengeblieben war, der ich im weichen gepolsterten Sitz der U-Bahn kopfgeneigt über meinem Lesestoff saß. Ich musste schließlich aufschauen.
„Jasmin!“

(Wie ihr das erste Mal begegnet bin, wird unter folgenden Link geschildert, zweiter Teil viewtopic.php?f=7&t=6949)

„Das kann kein Zufall sein, dass wir uns hier wieder begegnen!“.
„Nein!“, entgegnete ich freudig und dachte dabei natürlich sofort an meine Zauderin in dem geplanten Hörspiel.
Wir tauschten die Telefonnummern aus.
Ich ahnte, natürlich wird es bei Jasmin auch nicht leicht werden.
Aber, tatsächlich, trotzdem, nichtsdestotrotz, sie ließ mir nach einer Woche unerwartet eine Nachricht zukommen.
Immerhin! Hoffnung flammte auf!
Postwendend schickte ich ihr das Manuskript zu.
Erneut rief sie zurück.
Es war weit nach Mitternacht, egal.
Wir unterhielten uns angeregt, ich war eingelullt von ihrer sanften, wenn auch medikamentös beeinflussten Stimme, sei’s drum, zunächst war es der Text, dann das Leben, schließlich Männer und Frauen, worüber wir unsere Gedanken austauschten. Ich sah am Fenster den Vollmond hereinscheinen. Ich hätte nunmehr bestimmt keinen Schlaf gefunden. Die Unterhalten brachte mich wohltuend durch die Nacht. Ich dankte dafür Jasmine insgeheim. Allein deswegen schon hat sich eine Kontaktaufnahme mir ihr gelohnt, und ob am Ende dabei wirklich ein Hörspiel herauskommen würde, spielte momentan überhaupt nicht die geringste Rolle.
Ihre bestimmende Stimme war für mich die reinste Medizin und Balsam meiner aufgekratzten Seele. Wirklich, in diesem Augenblick und danach, war es mir gar nicht mehr wichtig, ob und dass das Projekt das Licht der Welt erblicken möge. Allein schon dieses Gespräch zur Mitternachtsstunde, an einem Freitag, an dem ich normalerweise rastlos die Kneipen und Diskos durchstöberte und –rannte, war es wert gewesen! Mehr und besser kann nicht gesagt werden, wozu mir auch die Worte fehlten.
Wenn nun jemand denkt, aha, der junge Mann ist wieder mal verliebt, so täuscht er sich gewaltig. Es war wirklich nur die Stimme. Denn die Erscheinung Jasmins war alles andere dazu angetan, dass man sich in sie verliebte. Aus Respekt ihr gegenüber unterlasse ich weiteres.
Nein, es war wirklich nur diese bestimmte, resolute Stimme, die da sagte: „Oh nein, alles andere als einen Mann könnte ich zurzeit ertragen. Allein schon das Gesäusle, die fehlst mir jetzt und ich habe Sehnsucht und all das, was er mir ins Ohr säuseln würde, würde mich in den Wahnsinn treiben. Nein, Verliebtsein ist wirklich das Letzte, was ich mir jetzt wünschte.“
So redete sie. Aber w i e.
Die Bedeutung dieser Aussage zu erfassen, können keine Worte leisten. Selbst der größte Dichter würde daran scheitern. Das kann nur die Stimme vermitteln, was hier ausgesagt wird oder gesagt werden möchte. Und deswegen - vielleicht begreifen es jetzt auch die eingefleischtesten Puristen des geschriebenen Wortes - muss es Hörspiele geben. Weil eine Stimme mehr sagen kann, eindringlicher und nachhaltiger ist - auch hier greift jedes Wort zu kurz gegenüber der menschlichen Stimme.
Jedenfalls wurde mir schlagartig klar, Jasmin musste die nächste Zauderin sein. Sie oder keine!
So bat ich sie schließlich, ich war schon so etwas von hin und weg, sie solle mir bitte noch einmal ihre Adresse zukommen lassen, ich hatte ihren Zettel mit von ihrer Hand verfassten Adresse einfach als Anschrift für den Brief mit Manuskript verwendet und die Umstände standen dagegen, weil ich gerade im Bett lag eingelullt im selig denkbar wohlsten Zustand, um noch nach Papier und Bleistift zu suchen.
Das war wahrscheinlich ein Fehler, ein taktischer nämlich.
Bis jetzt hat sie mir ihre Adresse nicht zukommen lassen!
Nun ist mir klar, dass auch sie Eine ist, von Haus auf, eine Zauderin und auch bei ihr wird es nicht leicht werden, aber ich bin kein Zauderer, würde ich sonst solch ziemlich aussichtslosen Projekte in Angriff nehmen? Aber vielleicht bin ein anderer Typ Mensch wie es der Zauderer sind, für diesen Menschensorte man auch einen bestimmten Ausdruck finden müsste: Der-Vergeblich-Planende – Der-Nicht-Realisierbares-Planende,- der Wolkenkuckus-Bewohner, vielleicht passt am besten der Luftschloss-Architekt.
Ich denke mir, ob das Zauderinnen-Projekt zustande kommt oder nicht, aber ich musste an diesem meinen neuen Aspekt menschlichen Erscheinungsform dranbleiben, der sich plötzlich aufgetan hat. Allein deswegen schon ist die Zauderin der ideale Nährboden für meine Phantasie, die bereits neue Sumpfpflanzen gebiert. Bleib am Ball!
Und überlege Mal, was hierzu, zum Luftschloss-Architekt, der Kleine Prinz etwas zu sagen haben wird. Wie würde die Begegnung standfinden...

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