Der verrückte Jungmann

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Pentzw
Kalliope
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Der verrückte Jungmann

Beitragvon Pentzw » 12.12.2014, 18:11

Auszug aus dem Roman „Der Nymphomanenmord! Zu bestellen über pentzw@web.d

Dass sie sich nach einer therapeutischen Sitzungsstunde in eine Kneipe mit ihren Klienten begiebt, war bisher kaum passiert. Die daraufhin fortgesetzten, privaten Treffs ihrer Patienten mit ihrer Anwesenheit sozusagen zu flankieren, bildet wirklich die Ausnahme, ist's doch künstlich und unangemessen, steht sie auch hier noch im Mittelpunkt. Die Klienten mussten nicht nur lernen, sich normal unter Normalen zu verhalten, sondern auch ohne eine Fachfrau. Aber heute hat sie sich dazu verleiten lassen, mitzugehen. Kippen wir halt noch ein Bierchen! Warum auch nicht! Ja nun, fragte sie sich jetzt, warum sie es getan hatte, dieses Unvernünftige, Ungewöhnliche, Unprofessionelle? Wenngleich es keinen Sinn mehr hatte, nach dem Warum zu suchen, es war womöglich längst zu spät dafür, in dieser Situation, in der sie hoffte, heil herauszukommen und ihren Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
Aber doch, es lag bestimmt an den ungewöhnlichen Ereignissen des Verlaufes dieser Therapiesitzung.
Was ein Abend für sie! - Ja, sie hatte ihn als Triumph empfunden! - Desto tiefer der Sturz jetzt!
Zurück zur Sitzung, die zu erinnern erschien ihr nur zu tröstlich, ihre beängstigende Lage nunmehr mildernd und erträglich zu empfinden. In dieser Blechkiste hier, in diesem stählernen Käfig jetzt! ...
Aber sie dachte an ihr verlorengegangenes Prinzip. - Allein ins Auto, mit einem Patienten, zu steigen - grundsätzlich nicht. Das war ein eisernen Gesetz: Trennung zwischen privat und beruflich. Niemals hatte sie das getan bislang. Nur der Gedanke war schon absurd, jemanden in ihren privaten Bereich zu lassen, den sie nicht sehr gut kannte. Nicht einmal Tramper nahm sie mit, obwohl sie selbst in jungen Jahren dies auch getan hatte. Höchstens also Freunde, Freunde von Freunden allenfalls kamen in Frage, dass sie sich einer Situation aussetzte, die jenseits ihres beruflichen Terrain stattfand. Und wenn, dann nur, wenn sie das Steuer in der Hand behielt. Hier wortwörtlich gemeint. Sie fühlte sich sicherer und unabhängiger, denn niemanden eigentlich traute sie gutes Autofahren zu. Nein, darin war sie entschieden eigen: nur sie selbst leitete, was bedeutete, dass, wenn sie in Gefahr geriet, wenigstens sich selbst die Schuld daran geben konnte. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass dies passierte, war gegenüber dem anderen Fall verschwindend gering. Und der andere Fall erschien geradezu höchst unwirklich, eben nämlich, da sie neben einem anderen sitzt, nachdem sie das noch niemals hatte zu- und geschehen lassen.
Das war fast eine unvermeidliche Empfindung, die da auftauchte: heute würde ein Unglück passieren.
Genau dahinein schlitterte sie gerade. Sie fuhr nicht. Ein anderer. Und es geschah ein Unglück. Genauer gesagt, ein furchtbares Unglück. Allerdings völlig anders, als sie es sich hätte träumen lassen...
Man war bester Stimmung gewesen. Man hatte sie beredet. Sie hatte zu viel getrunken. Die anderen drangen auf sie ein, die Stimmung war allseitige Heiterkeit und Ausgelassenheit, sie schwamm im Wasser und auf Wolken, alles erschien so phantastisch und rosa. Fast, als hätte man ihr etwas ins Glas hineingetan. Hatte man das? Ein furchtbarer Gedanke blitzte auf und funkte ihr durch Mark und Bein. Sie war aber Realistin genug, sich darüber nicht weiter den Kopf zu zermartern, es würde nichts ändern, nunmehr, wo sie da nun einmal in der Falle saß.
Wieder schweiften ihre Gedanken, wer weiß wohin ab und sie schollt sich denn, als sie wieder den Zipfel eines bewussten Momentes zu erhaschen und festzuhalten imstande war: Wegen Nachhängens irgendwelcher unliebsamer Erinnerungen, die, wenn auch nur wenige Minuten zurücklagen, tendiert sie dazu, sich ein weiteres Mal gehen zu lassen, statt besser sämtliche Nervenstränke zu bündeln.
Ihr Zögern in der Kneipe – lange genug? Nein, sie brauchte sich keine Vorwürfe zu machen. Oder? Wie lange hatte sie gehadert? Doch drei Pils intus und vielleicht darin eine klammheimlich hineingetanene Pille und als sich ein Klient dazu bereit erklärt hat, sie mitzunehmen, war sie schwach geworden und unterlassen, dieses Angebot ernsthaft zu prüfen. Wie lange hatte sie mit der Entscheidung gerungen? Ein Ding der Unmöglichkeit, ein gefährliches Unterfangen, das wusste sie sehr wohl. Am Schlimmsten und Leichtfertigsten überhaupt, dass sie je die Überlegung in Erwägung gezogen hatte. Sofort hätte sie verneinen sollen.
Sie konnte es sich nicht verzeihen jetzt.
Zusammenreißen, alle Hebel, die an dir sind, in Bewegung setzen, alle Glieder spannen und sich auf die Gegebenheiten ausrichten, auf das Wesentliche, aufs Ziel, auf die Flucht konzentrieren, sofern, ja wenn sich eventuell ein Hoffnungsschimmer auftut, eine Luke öffnet, durch die zu entkommen und zu entschwinden wäre, sie könnte, ausreißen, vor dieser Bestie von Mensch neben sich, der sie gefangenhält, bedrängt, befingert und betatscht und das in unnormaler Art und Weise. Wundert es, da er ein Schizo, ein Psycho, ein Gestörter ist?
Obachtgeben, erst einmal die Tragweite deiner Fluchthandlung übersehen. - Bislang jedoch bot sie aber leider keine.
Wie fing es an?
Alle Stimmen ihrer Sitzungsteilnehmer ringsum bedrängten sie zur fortgeschrittenen Stunde in der Kneipe: "Lassen Sie sich doch heimfahren, bevor Sie wegen Alkohols ihren Führerschein riskieren!" Der Typ selber, der sie chauffieren will, weil er in ihrer Nähe wohnt, hält sich eher zurück. Eigentlich ein gutes Zeichen das. Obwohl das erste Mal dabei, hat er doch ein souveränes Verhalten an den Tag gelegt, sich wunderbar eingefügt in die Gruppe, offen seine Gefühle geäußert, soweit sie sich noch erinnern kann. Hm, überdurchschnittlich intelligent ist er ja wohl, sonst hätte er sich ja in der Gruppensitzung nicht derartig besonders aufgeschlossen verhalten. Sicher, sie durfte schon dankbar sein für sein Engagement im Dienst des Matriarchats, aber in sein Auto einzusteigen, sich heimbringen zu lassen, das ging doch zu weit.
Misstrauisch bleiben. Manche Patienten tendieren ja dazu, in die Rolle des Therapeuten zu schlüpfen. Damit versuchen sie, von ihren eigenen Problemen abzulenken stattdessen. Ganz zu schweigen, dass sogar die dümmsten Schizophrenen im Zuge ihrer Schübe besonders hochintelligentes Verhalten aufweisen. Intelligenz und Geisteskrankheit schlossen sich keineswegs aus, im Gegenteil. Viele Geisteskranke waren hochintelligent. Andere, die dumpfbackigen unter den Frustrieren, ertränkten doch eher ihre Probleme in Alkohol oder kleisterten sie zu mit Medikamente zu.
Und hier? - Noch immer dieser Wirrwarr im Kopf.
"Du hast alles einigermaßen abgecheckt, letztlich", sagt sie sich, bevor sie bei ihm einsteigt. Diese Gedanken, Rechtfertigungen für einen Leichtsinn? Irgendwie schon, ja.
Die Tür fiel ins Schloss, das Auto startete, es fuhr los. Jetzt war es geschehen. Zu spät. Für was auch immer. Man wird sehen.
Draußen, außerhalb des Autos, durch die Windschutzscheibe gesehen. purzelte die Umwelt wie zusammenklappende Kartenhäuser vorbei. - Diese lästigen Erinnerungen, ojemine, noch dazu der Alkohol. - Der lockere, beruhigende und intelligente Eindruck dieses Typen - interessant! Sie musste sich doch seine Akte vornehmen, unbedingt, gleich Morgen, nachholen, was sie versäumt hatte, hätte längst schon geschehen sollen.
Plötzlich fuhr er in einen Feldweg hinein, hielt an einer Waldeslichtung. Er drehte den Zündschlüssel nach links, schaltete die Scheinwerfer ab. Er wendete sich ihr erneut zu. Jetzt war’s geschehen. Was geschehen war, hat sie auch nicht bewusst mitgekriegt, mitgekriegt hat sie es eigentlich jetzt erst, in der Erinnerung versunken und kalt aufgeschreckt, denn sie war dort draußen gewesen, mit ihren Gedanken in der am Auto vorbeitrudelnden Umwelt, Welt. Weite, weite Welt. Zu weit. Für sie.
Aufgesperrten Auges, wie ein scheues Reh, das nicht weiß, was mit ihm geschieht, nimmt sie alles nur zu überdeutlich wahr.
Diese widerlichen Annäherungsversuche, seine Finger, die sie berühren und sofort wieder zurückweichen. Dann ist einmal Ruhe.
Vor dem Vollmond sind schwarze Wolken aufgezogen. Dann dieser Körper, sein Körper, der wie eine zerstörte Plastik erscheint, wie ein Torso, dessen Teile verrutscht sind, jedenfalls unproportional an dem Körperrumpf hängen, als wär’s ein obskure dadaistische Skulptur. Und im Detail dieses Gesicht, welches sie jetzt schärfstens wahrnimmt: das spitze Kinn weit vor den Backenknochen herausstehend und die verwirrten Haare, die wie bei einem Punker zersaust sind.
In diesen fährt er herum mit seinen Händen, wobei er jetzt mit viel zu lauter verdruckster Stimme spricht: "Gell, ich bin nicht böse! Oder?"
Sofort ist sie nüchtern, angstbesetzt, andrenaliert. Vorbei ist der Spaß, geraten ist sie in einen Alptraum, wo und wie herauszukommen keinerlei psychotherapeutische Anleitung gleich welchen Coleurs jemals in irgendeinem dicken Fachbuch beschrieben worden war.
"Nein, nein", sagt sie mit leisester, beschwörendster Fistelstimme, als könnte sie jemand hören. "Ich hab dir doch schon in der Gruppensitzung gesagt, dass ich dir dankbar bin!" Dankbarkeit? Falsch, völlig falsch in diesem Zusammenhang hier, nachts, im Auto, unterm Vollmond, auf einem einsamen Feldweg. Darum ging es gar nicht, nicht im mindesten. Er würde es nur als Aufforderung verstehen, sich an sie heranzumachen...
Aber schon kommt's im bedrängenden Ton, ohne dass sie sich im geringsten sammeln, bedenken und vorbereiten könnte: "Ja, sag's noch einmal, dass ich okay bin!" "Du bist okay!" "Okay! Jetzt sag mir, dass ich nichts Schlechtes mit dir machen will!" Er rückt an sie heran. "Okay! Du willst überhaupt nichts Schlechtes mit mir machen!"
"Überhaupt", dadurch klingt der Satz falsch. Sogleich rückt er wieder ab.
"Was soll das heißen? Du verrätst mich, gieb's zu!"
Sie schweigt. Es ist ihr eigentlich alles zu blöd, wenn sie’s sich richtig überlegen würde, objektiv gesehen, sofern sie dazu Zeit hätte, nachzudenken.
...wäre nicht dieser Mensch ein seelisch Kranker...
Sie gehöre doch am besten bestraft wegen ihrer Unvorsichtigkeit, auf die sie sich hatte eingelassen. Wie eine Anfängerin, eine frisch gebackene Absolventin und Abgängerin der Universität, die das erste Mal eine eigene Therapiegruppe geleitet hat. Oh nein!
"Ha! Du giebst's also zu, dass du mich verrätst? Ich wußt's doch!" Der Ton ist unüberhörbar scharf und eindringlich. Sie richtet sich im Beifahrersitz steif auf, als habe man ihr eine kalte, eiserne Pistole in den Nacken gestoßen.
Sogleich erwidert sie: "Niemals, wirklich niemals verrate ich dich. Ich könnt das gar nicht tun."
Verunsichernd ist bloß, dass sie nicht weiß, ob sie ihn tatsächlich erreicht. Hierdrinnen ist es sehr dunkel, außer an seinen von Lichtern reflektierten Blitzen der Augenpaare kann sie sich nirgends orientieren. Diese Signale, die brennend in der Dunkelheit funkeln, verdunkeln und verblassen recht schnell wieder, aber um sofort wieder aufzustrahlen.
Anzeichen starker Nervosität?
"Mann, hör doch auf damit. Du bist doch nicht ganz sauber?" Sollte sie so reagieren, antworten und reden? Könnte sie bei jedem, den sie richtig einzuschätzen weiß, nicht aber bei diesem Psychopathen hier. Lebensmüde ist sie nicht. Der andere Weg, an seinem gesunden Menschenverstand zu appellieren, wäre wahrscheinlich umsonst: hier handelt es sich vielleicht um einen Total- Gestörten, dem mit äußerster Vorsicht entgegenzutreten ist.
Sicherlich ist es ein Regelverstoß, noch lange aber nicht ein Verbrechen innerhalb des Berufsstandes, schläft eine Sozialpädagogin mit einem Patienten. Im Sozialwesen erwartet man ja, dass die Engagierten die engsten Kontakte bis in den privaten Bereich hinein knüpften, vielleicht auch nicht gerade in den intimen.
`Bitte, bitte ihr schwarzen Wolken, geht wieder weg vom Vollmond! Verschwindet!', bittet und bettelt sie nun gar wie ein kleines Kind. Immer wieder verdunkeln diese die Szene. Klareres Licht wurde die Situation klären, überschaubarer machen, sicherer sie sich fühlen.
"Na gut! Ich gieb dir eine Chance!"
Ein Was entfährt ihr im Schrecken, hat sie’s fast so aufgefasst: Ich geb dir deine letzte Chance!'
"Ich glaub an Dich. Verstehst, ich gieb Dir eine Chance!“
"Jaaa", säuselt sie ihm mit allem weiblichen Scharm beruhigend ins Ohr. Der da hat eindeutig nicht alle Tassen im Schrank, mehr als sie vermuten durfte.
Sie kehrt sich ihm frontal zu, auf alles gefasst.
Schweigen.
Schweigen.
Sie streckt zaghaft die Hand aus und streichelt gespielt-liebevoll das umdüsterte Gesicht, diese Grimasse, um ihn zu beruhigen. Er küsst sie gewalttätig, wirft sich sogleich wieder zurück und hält so weit, als es der Kabinenraum ermöglicht, Abstand.
Ruhe.
Sein Atmen bewegt sich heftig in der Dunkelheit.
Könnte man nur Genaueres erkennen.
"Willst'de'ne Zigarette?"
Aber erneut wälzt er sich auf sie zu, zupft am Pulloverausschnitt, beugt sich vor, um besser hineinlugen zu können, kichert überirdisch, kindisch und blödsinnig. Als er sich zurückgelehnt hat, reibt er sich die Hände im Schoß.
`Oh Gott', denkt sie. `Da stecke ich ja ganz schön im Schlamassel. Wie so ein richtiges Dummerler bin ich reingesaust. Hoffentlich geht das gut!" Diese Gedanken dröhnen überlaut in ihrem Kopf und sie bekommt sie nicht weg. Sie wähnt sich in einem geschlossenen Eisen- und Blechbehälter, auf dem in einem fort darauf eingeschlagen wird.
Der Vollmond dringt durch. Mit offenbar sich verdunkelnder Mine schaut der Mann im Mond, als hätte er ihre Gedanken erraten.
"Ich will überhaupt nichts Schlechtes! Nicht Schlechtes, nichts Schlechtes...", winselt's, sprich: Lach mich ja nicht aus, lach mich ja nicht aus!
"Ja, ich versteh dich. Ich versteh dich wirklich!" Ihn erst beruhigen, danach kann sie ja weitersehen.
Doch ist er immer noch nervös. Er wartet auf etwas! Ah ja!? Wenn's denn sein muss!
Sie zieht sich aus. Überzieher herunter, spätestens aber als sie ihre Blusenknöpfe öffnet, denkt sie: `Was soll's? Seh’s so, das Schicksal will es so, dass du gleich mit einem Mann schlafen wirst. Wann war es das letzte Mal? Lange, sehr lange her. Außerdem, ich kann ja sowieso nichts tun'.
Sie entkleidet sich weiter, während er jede ihrer Handbewegungen mit misstrauisch-angstlich schwirrend-funkelnden Pupillen verfolgt. Parallel zu ihr entkleidet auch er sich, aber kein Handstreich vor ihr erfolgt. Erst muss sie die Bluse geöffnet haben, als er dies mit seinem Hemd tut.
Weiß, blass und fahl werden die nackten Körper nun vom freien, vollen und scheinbar lachenden Mond beschienen, just in dem Moment, wo die Wolken weitergezogen sind. Dieser blöde Mond aber auch, nunmehr hat er die volle Durchschlagskraft erreicht!
Ihr Pendant stellt sich in dem Moment, als die letzten Hüllen fallen, derartig unbeholfen an, während er genau ihre Bewegungen imitiert – aber das geht ja nicht, Du Dummkopf - als käme er vom Mars, in die Haut eines Erdenbewohners geschlüpft, dieses außergalaktische Experiment erforschend, genannt, wie treibt’s Männlein mit Weiblein. Was wunder, stünden außerhalb vor den Scheiben kleine, grüne Männchen vom Mars, hin- und herspringend wie Rumpelstilzchen vielleicht: wie gut das niemand weiß, was man macht, wenn es wird heiß oder so ähnlich. Stünden auf der anderen Seite Menschen, so würden die über das kuriose Geschehen hierdrinnen nur erstaunt den Kopf schütteln.
Leider ist er kein Überirdischer. Dazu riecht er allerdings doch zu irdisch nach Bierschweiß.
Marsmenschen, Vollmond, an was sie denkt? Besser täte sie daran, den Ernst der Situation im Auge zu behalten. Aufzupassen.
‚Weswegen, warum nur ist sie in sein Auto gestiegen? Vielleicht überhaupt zur Zeit ein Bedürfnis nach einem schönen Erlebnis, oder wie oder was, Fräulein Psychologin?’, wieder diese sinnlosen Fragen und höhnischen Stimmen.
Aber nichts kann sie dagegen tun.
`Interessieren würd's mich ja schon, wie's ist, wieder einmal einen Mann in den Armen zu halten! - Bist du verrückt! - Naja...'
Dumme, saudumme Gedanken sogar, als wolle sie sich etwas vormachen, ihr Missgeschick, was es doch eindeutig war, zu steigen ins Auto zu einem Fremden, einem Patienten von ihr, zu verschleiern? Aber entscheidend ist, dass sie dies hier nicht aus Lust und Begierde, sondern aus reinem Selbsterhaltungstrieb tut - so!
Er ist soweit. Wülste von Fett umschwabbeln seinen Körper. Dies ist ihr vorher gar nicht ins Auge gestochen. Aber hier lässt sich nicht darüber hinwegsehen.
Es kitzelt ihr in der Nase und angewidert schnüffelt sie, denn sie riecht einen säuerlicher Schweißgeruch.
Er bemerkt’s, denn er zieht sich zurück und wirft sich in die Rückenlehne, wobei er verschämt seine Hände über die Weichteile hält.
"Du, ich sag Dir. Wenn du mich verrätst..." Bevor er erneut die Nerven verliert, schnell das Steuer der Gefühle herumreißen. "Oh, nein! Nein!", mit allem Nachdruck in der Stimme.
Der Mond zeichnet mittlerweile seine Erscheinung noch klarer ab. Sehr unvorteilhaft für ihn: Ein richtig widerlicher großer Bierbauch erhebt sich aus ihm. Wegen dieser Sitzlage und aus einem anderen nur zu verständlichen Grund fällt's ihm schwer, das Präservativ überzustülpen.
Es dauert.
"Br." Sie friert. "Was ist?", kommt's erneut bedrohlich. "Nichts, nichts. Ich frier nur etwas!" Das macht ihn nervös, diese ungünstige Ausgangslage verstärkt offenbar seine Hilflosigkeit und er scheint hektisch zu werden.
Aber was kann man schon dagegen tun, gegen die Kälte zum einen und der Angst zur anderen: Ihr wird noch kälter. Das war das allerschlechteste Szenario.
Sie muss sich zusammenreißen!
"Ist schon wieder gut, geht schon wieder!" Mündlicher Beschwichtigungsversuch, obwohl es ihr alles andere als so ergeht, wie ihre Aussage meint.
Es scheint ihn überzeugt zu haben, denn er beugt sich über seinen Bauch und schaut auf das merkwürdige Ding, das er in Händen hält und nicht weiß, richtig zu handhaben und flucht: "Verdammtes Ding!" Seine Tappigkeit im Umgang mit dem Gummi ist nicht mehr mit der Massigkeit seines Körpers zu erklären, hellt ein dunkler Gedanke langsam in ihr auf. Irgend etwas anderes steckte dahinter?
`Oh Gott, nein! Auch das noch!' Plötzlich ist ihr klar: Der ist noch Jungfrau!
Auf sich selbst ärgerlich, hilft sie ihm schließlich. Giebt es etwas Schlimmeres? Irgendetwas höhnt in ihrem Bewusstsein dazu, nichts anderes als bloß eine Psychologin zu sein, in diesem Fall sozusagen eine mit Haut und Haaren. `Ich bin auch hier wieder die Sozialhelferin, mehr nicht!', bestrafen sie von irgendwoher gefunkte Signale, die sie stromstoßartig martern.
"Ratter, ratter", ihr Sitz wird von ihm gekonnt nach hinten gezogen. Technische Fertigkeiten hat er ja...
Nun liegt sie in der Waagrechten und wartet.
Es dauert.
Er versucht mit Hindernissen, seine Masse auf sie herüberzubewegen, zu transportieren und zu schleppen.
Seine handwerklichen Fertigkeiten liegen jedenfalls nicht auf dem Gebiet, das gerade angesagt ist.
Spricht aus letzter Bemerkung Frust oder nüchterne Feststellung?
`Du dumme Gans, du! Gerade das frustriert dich noch mehr. Was hast du denn eigentlich erwartet, he!?' Aber aus ist's mit dem Denken. Zum Klagen hat’s keine Zeit mehr, denn ihr Klient hat sich über sie geworfen, liegt, wie wenn er nicht wüsste, was tun, reglos in einem schwebend-wirkungslosen Zustand auf ihr.
Ein Ruf erfolgt: Ihr Klient braucht weitere Unterstützung in einer besonderen Lebenslage, Frau Sozialhelferin!
Zähne zusammenbeißen, das ist jetzt das Gebot der Stunde. Also gut, führ ihn an die richtige Stelle, diesem Baby, um's zu zeigen, wie's richtig Pippi zu machen hat, Hinführung zu einem ordnungsgemäßen Sexualverkehr...
Aber, bin ich denn keine Frau? - Aber nein, denn nur Männer entjungfern!
Sie spürt's endlich in der Hand: die Größe seines Zipfelchens verhieß, dass sie davon auch nicht allzu viel haben würde. Also wohl oder übel zwangsläufig ein einseitiges Geschäftsverhältnis eingegangen... welch komische Formulierung ihr da kommt? Aber sie kann nicht weiter darüber nachdenken, stattdessen höhnt wieder diese Stimme: „Du bist eben nur eine Psychologin!' In ihrem Innern hört sie es eindeutig. `So weit kommt's noch! Bist auf dem besten Wege, wohl auch noch schizo zu werden, oder was!?', wehrt sie sich gegen diese Anklage.
Bevor es wirklich brisant wird, kommt ihr der geniale Gedanke. Wie war das mit den Prostituierten, die sie einmal betreut hatte? Wie gingen die zu Werke, wenn’s brenzlig und... Genau, Handbetrieb. Solch unerfahrene Klienten merken das gar nicht, spüren zudem kaum den Unterschied, weil das Kondom schon Anspannung, Druck und Fesselung genug ist.
Sie spürt noch annähernd etwas, was auf den Phallus schließen lässt, lässt nicht locker, sondern tut so, als führe sie ihn zum erwünschten Punkt, macht schnell die Beine ganz weit und drückt nun mit beiden Händen den umfassten Gegenstand.
„So, jetzt aber Mal los! Gieb es mir!“
Sie lauscht, ob das gut angekommen ist. Ist der Ton nicht vielmehr verräterisch, entlarvend, abstoßend? Aber sie merkt, dass er gar nichts mehr hört und sieht, weil er keucht, stöhnt und schnaubt, als erklimme er den höchsten Berg.
"Aaah" stöhnt er jetzt bereits. Sie registriert's oder besser ahnt’s, was dies bedeuten könnte. Seine Stoßbewegungen zwischen ihrem festen Griff verändern sich merklich, sprich dass es ihm zu kommen scheint und sie merkt, wie das Etwas zusammenschrumpft und welkt, so dass sich erleichtert die Hand löst und gänzlich von ihm abrutscht. Danach ist nichts mehr zu sehen: Völlig erschlafft versteckt sich sein Würstchen zwischen seinen Fleischbergen. Zudem ist auch nichts mehr los.
Er liegt einige lange Sekunden wie tot da, den Kopf auf die Rückenlehne gesenkt.
"Hat's Dir Spaß gemacht?", fragt er dann.
"Ja, es war wunderschön!"

Auszug aus dem Roman „Der Nymphomanenmord! Zu bestellen über pentzw@web.de

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