Mücke wird zu Elefant I

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Pentzw
Kalliope
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Mücke wird zu Elefant I

Beitragvon Pentzw » 22.02.2015, 16:20

So etwas passiert, dass man sich verpasst. Du wartest auf jemanden, gehst schliesslich nachfragen zu ihm, weil dir der Geduldsfaden reisst, und im gleichen Moment will der andere dich abholen, wobei ihr euch verpasst, weil jeder einen anderen Weg gegangen ist. Auch wenn es sich nur um ein paar Sekunden gehandelt haben muss, aber so etwas passiert.
Da war aber jemand, der nicht an Zufälle glauben wollte.
„Sag mir, wo warst du nur?", kam diese Fragerei zum dritten Mal nun. Es ging nicht in ihr Hirn hinein, dass wir uns verpasst haben.
Ich hatte ihr erzählt, arglos wie ich war, dass ich eine andere Lady im Gemeinschaftsraum angetroffen habe, die die Fenster geputzt hatte. Ihr hatte ich mich nur kurz vorgestellt als ein Besucher von Mary, dabei hatte sie längst schon Bescheid gewusst. Das war hier so etwas wie ein Zweckwohngemeinschaft, finanziert von der Regierung für im Altenteil Lebende. Dass Mary mit ihrer von Eifersucht determinierten Fragerei einer anderen Altersgruppe angehören musste, mag glauben, wer will. Genauso, dass Liebe und all solche Scherze das Privileg von Teenies wären. Ergo auch nicht die Eifersucht.
Wir befanden uns in einem Land, in dem eine andere Sprache gesprochen wurde als die hier Geschriebene, nichtsdestotrotz ging mir ständig ein Sprichwort durch den Kopf, das diesem Idiom entspringt. Und diese Redewendung kam über alles, was ich sah und wahrnahm, überall sah ich Mücken zu Elefanten werden. Auch ihre Eifersucht mit dem sich verpassenden, auf sich wartenden, vielmehr aufeinander wartenden Liebenden.
Was hast du mit Anna gesprochen? - Wer ist Anna? - Du weisst genau, wer das ist. - Du meinst, die, die im Gemeinschaftsraum? - Warst du bei ihr auf dem Zimmer?
Ich konnte nur ein pff, ein unhöfliches, allerdings nur für Deutschmuttersprachlicher als solches empfindendes bah oder pff ausstossen. Gelobt sei das Babylon der Neuzeit!

Auf einer Sightseeing-Tour durch die Megastadt.
Obwohl sie hier zu Hause war, zeigte sie sich doch pass erstaunt, wenn solch ein Wolkenkratzer der Bahn oder dem Bus zu nahe kam. Wie kann nur dieses grosse Ding gerade stehen und nicht umkippen?
Aber in deiner Heimat, in Afrika, gibt es doch auch solch grosse Gebäude.
Aber ja.
Siehst du, daran ist die Gravitation schuld. Wie dieses Haus vor Dir, dass nicht umfallen kann deswegen, genau das gleiche in Afrika. Obwohl ein anderes Land, doch die gleichen Naturgesetze. Gravitation.
Oja. Sie war doch sehr erstaunt.
Bei einem Bummel durch den Greenwich Village Park - Grennwich Village kennt man von daher, dass dort das Mass aller Dinge ruht, das Meter - näherten wir uns einem der vielen metallenen Angeber dort, die sich ein Denkmal haben setzen lassen. Von hinten schlichen wir uns heran, um ihn zu ueberraschen und zu erschrecken, aber sie blieben eisern. Einer schaute ungeruehrt mit seinem starren Über-Über-Blick weit über die Themse hinweg bis nach West Indien vermutlich. Im Frontblick sah ich die unübersehbare zwischen die Weste gelegte Hand und dachte, nichts besonderes, kennt man ja von Napoleon her. Aber trotzdem las ich da am Fussende NELSON. Nur sie erkannte sofort das Wesentliche an dieser schrägen Figur, etwas wirklich auch ins Auge stehendes oder stechendes Etwas.
DEN SEIN GROG IST ABER GANZ SCHON GROSS.
Ja, wirklich, phänomenal. Jetzt sah ich es auch!
Würdest du ihn statt mich lieber im Bett haben, war meine Frage.
Sie schluckte, bildete ich mir ein, sagte dann aber, Nun, nein, lieber Dich, wenn Du Deinen GROG seinen Job properly erledigen lassen würdest. Und ihn nicht stattdessen bewundernd zur Schau stellen... - hörte ich noch, bevor ich mich wütend und mißverstanden abwendete.

Ich muss das wohl Verdeutschen, obwohl es dann vielleicht nicht so funzt. Würdest Du fleissiger im Bett sein, statt Deinen Schwanz nur bewundern statt arbeiten zu lassen, wäre da kein Problem zwischen uns.
Jetzt schluckte ich. Aber ich schlug es in den Wind. Daran war keine Spur Wahrheit. Sie machte wieder einmal eine Mücke zu einem Elefanten.

„Ficken", kam es immer einmal wieder und jedesmal zuckte ich über diese Silben zusammen, bis ich es schliesslich leid war und den Versuch unternahm, dieses Wort auszumerzen. Aber wirklich, kaum ein deutsches Wort sprach und verstand sie, d i e s e s jedoch, vom Teufel geritten, um so mehr. Nur, wie ihr verständlich machen, welche Bedeutung dieser Ausdruck hat oder besser welchen ominösen Stellenwert es in unserer Sprache besass...
„Schau her, wenn Menschen ihr Essen, hmm, dann essen sie. Wie du jetzt. Du isst dein Brot. Wenn Tiere ihr Essen, hmm. Jedenfalls sie fressen. Menschen essen und Tiere fressen. So ist es auch bei Sex. Menschen lieben sich und Tiere..."
„Ficken."
„Nein, eben nicht. Eigentlich fickt niemand, niemand fickt niemand, äh, oder niemand fickt überhaupt, weder Mensch noch Tier. Tiere treiben es."
„Aber wer fickt dann?"
„Eigentlich niemand. Vielmehr schon der Mensch, aber nicht normale, halt böse Menschen ‚ficken'."
„Hm. Ich verstehe."
Das verstand sie also, obwohl es so nicht richtig war. Aber egal. Für den Anfang genügte es ja mal.

Sie behauptete, sie habe die letzten dreißig Jahre keinen Sex gehabt.
„Ich bin meinen Söhnen immer ein gutes Beispiel gewesen.“
Glaube es oder nicht, jedenfalls verhielt sie sich im Bett tatsächlich wie eine Nonne, sich dessen bewusst.
Sie habe Dinge gesehen, im Internet, olala.
Ich könne sie ruhig lehren, wie man guten Sex macht.
Mit der Aussage, ich könne „DABEI“ machen, was ich immer ich wolle, da, was mir gut täte, ihr auch gut täte, bezogen auf Sex, sprengte natürlich imaginäre Türen, die mir nur so um die Ohren flogen und Einblicke in Bereiche eröffneten, bei deren Vorstellung ich immerzu nur schlucken musste, kurzum, Mücke wird zu Elefant. Sie hat es nun einmal gewollt!

Nun, ich als Sexlehrer. FRAGEZEICHEN.
Das traf auf nichterfüllte Liebesvorstellungen. Jeden Abend schmachtete sie bereits um 20 Uhr in ihrem Bett auf mich, der erst und höchstens schon um 24 Uhr schlafen ging. Dann hatte ich nicht jeden Abend Lust.
Das war für sie unverständlich. Schließlich hatten wir nur begrenzte Zeit, eine Woche, und da war eine sexlose Nacht bitter verlorene Zeit.
Zweifel der Liebe schüttelte sie .
Immerhin war da ein Ansatzpunkt. - Ihre direkte Art, mit ihren Händen meinen Grog anzugehen, malträtierte ihn wund. Schmerzend hatte ich keine Lust vorerst, bis er sich wieder erholte. Da wäre eine orale Ansprache anstatt der Hände wohltuend.
„Das kann ich nicht. Ich hab‘s wohl gesehen, aber ich kann es nicht, ich kann es nicht..."
Sie konnte, beim nächsten Mal, langsam arbeiteten wir uns da ran und meine Schmerzen waren bald verschwunden.

Eine andere Dimension lehnte sie partout ab.
„Das machen nur Homosexüelle."
„Du hast also etwas gegen die..."
„Ja, das ist eine Krankheit, die geheilt gehört."
„Oh, weißt Du, dass es in meinem Leben einmal eine Zeit gab, wo ich mich nur homosexuell verhalten habe oder besser musste..."
„Hm. Bist Du, bist Du..."
„Nein. Nicht mehr. Wahrscheinlich war ich es nie richtig. Homosexuelles Verhalten ist stark gesellschaftlich verursacht..."
„Häh..."
„Aber das ist kompliziert. Wirklich kompliziert..."
„Aber mal wirklich. Du hast, nachdem Du zwei Söhne geboren hast, keinen Sex mehr gehabt?“
„Ja wirklich. Ich ging danach in eine arabischen Land arbeiten. Dort durftest Du nicht einmal einen Mann in die Augen blicken, sonst hätten sie Dich gesteinigt als Ehebrecherin. Im Urlaub, wenn ich nach Uganda zurückgekommen bin, habe ich mich auch mit keinem Mann eingelassen. Es wütete lange genug das AIDS dort.“
„Ich verstehe.“
„Als ich nach England gekommen bin, wo mein zweiter Sohn gelebt hat, habe ich mich ganz seiner Ausbildung und Erziehung verschworen. Ich war die beste Mutter der Welt. Die perfekte Großmutter.“
„Bis ich dann kam!“
Plötzlich langte sie mir an meinen Belly. Ich wehrte entschieden ab. „Aber das ist doch das einzige, was ich an Dir kenne.“
So gesehen hatte sie recht.
„Aber trotzdem. Du musst begreifen, dass das kein opportunes Verhalten ist. Das ist barbarisch.“
„Barbarisch?“ Sie lachte. „Oh nein. In Afrika sind die Menschen nicht barbarisch. Das ist eine Erfindung des weißen Mannes.“
Ich wusste, das stimmte nur zu genau. Ich erinnere mich, bei Doris Lessing gelesen zu haben, dass die letzteren hemmungslosen Sex nach Afrika gebracht haben, unter Bäumen und Blicken anderer miteinander geschlafen hatten und dieses Verhalten schließlich von den Schwarzen nachgemacht worden war...

Die Enttäuschung war am stärksten, als ich nicht am letzten Abend mit ihr geschlafen hatte.
„Wie werde ich Dich in Erinnerung behalten! So!?“
So, ohne die letzte Nacht in wilder Umarmung zugebracht zu haben...
„Aber Du wirst ja in Deutschland genügend Freundinnen haben, die mehr Erfahrung haben als ich.“
„Das hilft auch nichts, Erfahrung. Sex ist kompliziert. Wirklich kompliziert...“

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