Verbrannte Erde XVI - Stille vor dem Sturm

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Pentzw
Kalliope
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Verbrannte Erde XVI - Stille vor dem Sturm

Beitragvon Pentzw » 14.09.2015, 17:24

In der Ferne blitzte es im National Park des Murchison Falls. Dem dicken blauen Horizont durchzuckten rote, gelbe und organgene Strukturen des Zerfalls und der Zerstörung.
Hier war das Herz Afrikas, die letzten Bastionen des unentdeckten schwarzen Kontinents.
Als es noch zu entdecken war. Im siebzehnten, im achtzehnten Jahrhundert etwa.
Es gab noch etwas zu entdecken, heute aber?

„Lightning. Aha, wie heißt das auf Deutsch?“
„Blitz.“
„Wie Blitzkrieg?!“
„Genau.“
Der Ire lächelte verhalten.
Die beiden jungen Polizistenanwärter schauten auf. Weil sie ein deutsches Wort gehört hatten. Ansonsten schallteten sie ab. Ihnen wurde zu viel Englisch gesprochen, wie sie unumwunden bekundeten.
Das brachte mich auf eine Idee.
„Kennst Du den Film von Humphrey Bogart, Casablanca?“
„Nö!“
„Einige von seinen Filmen spielen um den Murchison Fall, den Seen hier in Ugandas.“
„Realy?“
„Ja, wirklich.“
Das war nicht so amüsant und interessant, wer kannte schon Humbrey Bogart? Offenbar nicht die Welt.
Das andere war schon interessanter. Deswegen schloss ich meine Rede mit offenem Ende so: „Und die bösen Guys in seinen Filmen sind...“
Die Anwärter öffneten erneut die Augen.

Wie in dem Film „Casablanca“ so auf dieser Reise wiederholt sich die Geschichte.
Immer wieder.
Bevor es losging zum Bootsausflug, stand da ein Polizistenanwärter vor dem Bus, die Hände in die Taille gestützt und blickte mißtrauisch auf dem Boden, der sumpfig und klitschig und matschig war, auf den wir treten mussten, um einzusteigen.
Erstaunlich, niemand rutschte darüber aus. Versank darin. Nur Dreck trug man davon.
Wir sahen an diesem Tag Krokodile, ja, aber auch Vögel. Von denen sollten wir allerdings wenig zu hören bekommen dürfen.
Also, wie bei „Casablanca“, wo plötzlich eine Schar von den gleichen Leuten, die heute unser Boot bevölkerten, in die lauschige Athmosphäre der vom Jazzpianisten erfüllten Töne stürzten und eindrangen und lautstark ihre Heimat-ist-die-Schönste-Lieder erschallen lassen, brach bald das laute Gelächter und Geschnatter und Gepoltere dieser Leute aus, dass einem die Ohren wehtaten. Sie hatten zwar Anfangs Aufmerksamkeit für die Tiere mit bestausgerüsteten Foto- und Videokameras bekundet, besonders bei den spektakulären Jahrtausend-Reptilien. Aber bei Beobachtungen und Lauschen von nestenden Vögeln war‘s vorbei.
PLötzlich war das Bier auf dem Boot alle.
Aber zu ihrer lärmenden Freude kam ein anderes vorbei, dem man dessen Ladung abkaufte mit lautestem Jubel-, Bravo- und glucksendem Geschrei, sämtlich hochteuere Linsenobjekte richteten sich auf die Szene des Flaschenbieraustauschs und der Warenübergabe. „Da werden sie zuhause aber staunen!“, schrie einer auf.
Damit war das Fest gerettet und das Besäufnis perfekt.
Der Ire wusste Bescheid, schien mir. Er lächelte so.
„Hörst Du‘s. Das ist Casablanca live.“
Der Unterschied: Damals waren jene, Soldaten, nicht vom Alkhol trunken, sondern - was ja bekannt sein sollte. Heute, „Zivilisten“, waren sie nur noch besoffen und lärmten disharmonisch.
Armes Afrika.
Als die gröhlenden Besoffenen von Deck waren, war das einheimische Begleitpersonal augenblicklich ruhig und glücklich und hingebungsvoll zählte es die Einnahmen - ein gutes Geschäft - und verteilte unter sich das Geld dank dieses Landes dort oben in Europa.
Wo waren die Polizistenanwärter gewesen? Auf dem oberen Deck. Sie hatten natürlich nichts von dem Getöse und Geschrei mitbekommen. Sie lächelten immerhin nur jetzt.
Als wir auseinandergingen, am Ende der Safari, waren sie die einzigen, die sich nicht verabschiedeten. Es lag wie eine Bedrohung in der Luft. Es sollte heißen, sie würden wiederkommen.

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