Afrikareise - Hausen, nicht wohnen IV

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Pentzw
Kalliope
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Afrikareise - Hausen, nicht wohnen IV

Beitragvon Pentzw » 03.10.2015, 14:09

29.08.2015 Samstag

7 Uhr
Bunamwaya/Kampala

Ich teile mit dieser 6-köpfigen Familie Wohnung, Dusche, Klo und habe einen Raum für mich, der das Zimmer von Achy, dem 16jährigen Sohn von Andrew ist. Er schläft während meiner Anwesenheit hier im Haus auf der Coach im Wohnzimmer, daneben auf dem Boden auf einer Matratze Fred, der Bruder der Hausfrau Joanita.
Meine Zimmertür ist aus Eisen und Blech mit einem Loch in Armeshöhe, in das man greifen muss, um nach oben an den Riegel zu kommen, mit dem man die Tür durch Verschiebung schließt und öffnet. Es ist eine klobige, schwere Eisentür, die verrostet und verschlissen wirkt, was meint, dass dessen Besitzer keinerlei Wert darin sieht, es so behandeln und zu halten, dass der Benutzer Freude daran hat. Es ist einfach ein bloßer Nutzgegenstand, nicht wie ein Möbelstück und passte besser als Stall- denn Zimmertür.
Wurde er benutzt für die Verrieglung von Sklaven, die man nicht mehr neben den Ställen einquartierte, sondern schon in des Masters Räumlichkeiten, [so wird er gerufen, der Herr und Gebieter: Master], im zivilisatorischen Übergangsstadium von Tier zu Mensch?

Frühstück in dem ca. 12 qm großen Wohnzimmer auf einem Sessel der Coachgarnitur mit einer Coach, zwei Sesseln und ein kleines zweisesselige Sofa.
Eine Ameise läuft am Rand des Tellers herum, der sich auf einem kleinen, kaum 20 cm über den Boden reichenden länglichen Tisch steht. Unter diesem sind noch einmal Fächer, die als Ablage für Marmelade, Zucker und Salz dient. Ab und an läuft übrigens auch ein 4 mm langer schwarzer Käfer über die Platte, aber seltener.
„Die Ameise sucht nur nach Zucker!“
„Verständlich. Das arme Tier!“
Vorsichtig lege ich die nächste Scheibe auf den Teller, neben den Honig und mir wird klar, dass das ein Fehler gewesen ist. Aber der Honig tropft schon von der Spitze des Messers. Jetzt muss er verstrichen werden. Der Ameise wird’s schmecken.
Ich unterhalte mich mit jemanden, gehe dazu über, Marmelade auf das Toastbrot zu schmieren. Das Brot liegt dabei auf dem Teller, während ich darüber die Konfitüre streiche. Schon knabbert die Ameise gierig, als ich die Scheibe hebe, wonach sie schnell davonkrabbelt. Ich töte sie, trage sie zur Tür und schnippe sie ins Freie hinaus. Sofort kommt ein Huhn gelaufen und pickt es sich auf, dieses Leben, das ich tötete. Es scheint ihr zu bekommen, mir die Hygiene auch. Wie lang wird es dauern, bis die nächste ihren Platz eingenommen hat und wundere mich überhaupt, warum sie allein hier leben? Ameisen sind doch Herdentiere. Schon sehe ich eine andre über die Tischplatte Haken schlagend krabbeln.
Während ich vor mich hinstarre, sehe ich Fliegen im Gegenlicht des verdunkelten Zimmers schwirren. Es ist Sonntagfrüh. Auf dem Sofa schläft Fred, der gestern lange ausgewesen war. Ich denke, du könntest dich wieder mal mit Autan einprägnieren, bevor es zu spät ist.
Zum Haarwaschen brauche ich übrigens kein xtra Haarmittel, das Rasiergelee tut’s auch und sehr gut. Es wird dann wichtig, wenn ich nach einigen Ausflugstagen zurückkehre, Haarkrätze dünkend, hysterisierend und befürchtend, weil ich so wenig belastende Dinge mitschleppe als möglich, insbesondere nicht die fusseligen Toilettenutensilien, welche in dem Durcheinander in der Reisetasche nur mehr Verwirrung und Umstände verursachten. Nur Seife ist auf Dauer unzureichend für Haarpflege. Im Gegensatz zu Andrew, der nur heiß duscht nach der Arbeit, tue ich dies kalt.

Als ich vom um die Ecke sich befindendem Klo zurückkomme, haben die Hühner die letzten Brösel und Krümel vom Teller gepickt, ich scheuche sie rabiat aus dem Lebens-Wohnzimmer. Ob die es jemals lernen werden wie die Katzen etwa?
Dann putze ich den Tisch sauber ab, gehe noch einmal in den Klo-Duschraum, der sich neben meinem Schlafzimmer befindet, um mir erneut die Hände zu waschen.
Zu Sechst teilen wir neben Wohnzimmer, Klo-Duschraum und weiter hinten um die Ecke einen zweiten Schlafraum, in dem Andrew, Joanita und Cloe schlafen.
Neben den zwei Schlafräumen befindet sich die Klo-Dusche.
Die Dusche ist im Klo, das Duschwasser macht die Kloschüssel jedes Mal feucht. Die Tür lasst sich nicht verschließen, nur anlehnen, weil der Riegel defekt ist. Sie schließt nicht den Türrahmen ab, sondern hat einen 20 Zentimeter hohen Spalt unten frei, welcher das überall vom Duschen herumspritzende Wasser in den Flur entweichen lässt. Ein Handtuch davor auf den Fliesen des Bodens saugt die Feuchtigkeit auf.
Die Klospülung hat einen Hebel, den man erst einmal gefühlvoll hineindrücken muss, damit die volle Spülkapazität des Beckens zur Geltung kommt, ansonsten spuckt es nur Wasser in Abständen von 20 Sekunden aus, sobald man sie jeweils bedient.
Seit einiger Zeit fehlt der Vorhang, so dass die anderen Räume derartig feucht werden, dass zum Beispiel das Zigarettenpapier, das offen auf dem ovalen Tischchen in meinem Schlafzimmer liegt, stets verklebt ist. Die ersten fünf Zigarettenpapierchen bekomme ich, ohne dass ich Löcher in das Papier reiße, nicht auseinander.
Richtig unangenehm ist die ständige Feuchtigkeit in meinem Zimmer, die nur nächtens nachlässt, wenn es kälter wird und die offenen Fenster Zugluft gewähren. Mangels Niederschläge jüngst, brüten die lieben Insekten nicht aus und ich habe kaum ein solches Stechinsekt auf meiner Haut gespürt. So ist die Furcht vor Mücken gleich welcher Art total verflogen, ich sprühe mich nicht mehr mit Autan ein. Das Fenster soll ab jetzt immerzu offen bleiben, natürlich mit geschlossenem Vorhang, so dass ich auf Besserung der Trockenheit in meinem Refugium hoffe.

Gegessen wird meist um 22 Uhr, wenn alle versammelt und eingetroffen sind. Man nimmt das Mahl zu sich, während man den Teller mit den Händen auf den Schoß hält. Die Sesselgarnitur ist auf die lange Mauer ausgerichtet, an der hoch oben der Fernseher thront, sprich die Glotze läuft. Im Ambiente des Geflimmeres der 24 Bilder pro Sekunde plus synchronisierenden Lauten, Geräuschen und Stimmen wird gespeist.
Will man Kaffee und Tee aufgießen, muss man nach außerhalb des Hauses gehen. In dem Anbau eines kleinen Raumes befindet sich die Küche. In dieser befindet sich auf dem Boden eine Feuerstelle: ein kleiner Kocher. Fällt der Strom aus, ist daneben eine Feuerstelle. Darauf wird der Wassertiegel gesetzt. Mit einem Handtuch muss man diesen erhitzten Blechtopf in den Wohnbereich tragen.
Kühlschrank und Herd stehen im Wohnraum, neben und unterhalb des breiten Fernseh-Bildschirms.
Der ca. 30 qm große Vorhof, teilweise mit Gras belegt neben dem roten, leicht staubbildenden Löschboden, ist mit Hühnern und Ziegen bevölkert, die hierauf munter ihre Notdurft verrichten.
Seile sind quer gespannt, worauf die immer zu waschende Wäsche hängt. Ein ausrangiertes Auto steht in der Ecke, zudem ein Baum, an dem eine Ziege gebunden und angeseilt ist, meist von zugelaufen oder geliehen, um die eigenen zu begatten und zu decken. Über dem Rasen versprengt liegen Bananenschalen zum Verzehr der Nutztiere, welche vom Nachbarn geholt oder von der nahen, kleinen Bananenplantage gesammelt worden sind. Die Umfriedung besteht aus einer über zwei Meter hohen Backsteinmauer. Im Hof ist noch ein Stall für die Ziegen. Daneben ist eine verputzte Autogarage.

Familiengäste aus Europa ziehen es vor, sich ihr Essen selbst zuzubereiten.

Gestern ist übrigens die auf der Spitze eines drei Meter langen Steckens angebrachte und an das Abflussrohr an der Hauswand gebundene, possierliche Plastikantenne gebrochen, erodisiert, sagte Andrew. Ein 1 ½ stündiger Stromausfall kam hinzu.
Der provisorische Antennenhalter ist dem Umstand zuzuschreiben, dass das Haus sich im Aufbau befindet, im ständigen Werdensprozess, ein Stein wird auf den anderen gesetzt nach Möglichkeit der Bezahlung neuanzuschaffenden Baumaterials. Leider hat ein zuerst beauftragter Cousin, der nichts vom Bauen verstand, die Grundmauer mit minderwertigen Steinen legen lassen, so dass sich von daher die Feuchtigkeit in den Räumen erklären soll. Hat es geregnet, steigt das Grundwasser und die Steine saugen es auf, von Grund bis zur Spitze.
„Für besseres Material ist es jetzt zu spät, viel zu spät! Ich möchte ohnehin wegziehen!“
Ich verstehe es so, dass es abzureißen zu teuer kommt. So wird weitergebaut nach Maßgabe des finanziellen Rahmens.
Ich treffe später einen Fachmann in Europa. Er befindet sich auf der Reise nach Afrika.
„Das liegt nicht am guten oder schlechten Baumaterial, sondern an einer Teerplane, die zwischen Grundsteinen und Boden gelegt werden muss. Darüber muss ein Termitenabwehrmittel gestrichen werden.“
Damit können diese nicht von unten das Gebäude annagen, womit nicht eines schönen Tages einem die Decke auf den Kopf stürzt.

Mittlerweile wird die ganze Familie plus Dauergast Fred von mir mitversorgt.
Ich bezahle die ganze Verköstigung, plus erhobenen Energieverbrauchspreis für Strom.
Der Eindruck ist in mir erwacht, als warten alle darauf, bis ich abends Essenswünsche äußere, um dann dieses in 5fach vermehrtem Umfange einzukaufen.
Lege ich einen Fastenabend ein, kaufen sie sich selbst etwas zu essen.
Ich gönne es ihnen, weswegen ich für alle einkaufen lasse, ja aber so spät zu essen, wird mir auf einmal bewusst, ist höchst ungesund.
„Willst Du heute Abend geröstetes Fleisch?“
„Nein. Keineswegs. Heute kriege ich nichts mehr hinunter.“
Eine Stunde später sitzt die Familie vor einem gerösteten Fleischgericht.
Naja, geht auch ohne mich!

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