Verbrannte Erde XX - Menschen abends am Bahnhof III

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Pentzw
Kalliope
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Verbrannte Erde XX - Menschen abends am Bahnhof III

Beitragvon Pentzw » 03.02.2016, 23:46

Nordbayern, Bezirk Oberfranken, geographisch Nord-Ostfranken, Forchheim – ich fragte ein paar Leute, ob sie mit mir mitfahren würden, aber sie würden mir entgegen kommen müssen. Einige zögerten, aber nicht lange, die Bahn ist einfach zu teuer.

Zwei russisch-sprachige Begegnungen der weniger schönen Art.

Bei der ersten echauffierte sich der Mann, weil der Zug zu spät einfuhr, als ob ich daran Schuld hätte.
Dann hatte er kein Kleingeld.
Abbruch der netten Bekanntschaft.

Daraufhin ein russisch-deutsch-sprechendes Fräulein.
Zwischen platinblonden Haaren stachen ganz deutlich die natürlichen, schwarzen Haare durch; ein dunkler Lippenbart war unübersehbar und als sie sich ihre wunden Haxen, musste man schon sagen, vor meinen Augen verarztete, wirkten die langen Zehen noch krummer als ohnehin schon.
Sehr misstrauisch: zuerst wollte sie die Karte sehen, dann erst bei Abfahrt des Zuges ihren Obolus übergeben, schließlich erst nachdem wir würden Fürth passiert haben, also kurz vor dem Zielbahnhof, alles Vorwände, angeblich, um nicht von mir gelinkt zu werden, zu vermuten war aber. dass sie am Ende gar nicht würde geben wollen.
Sie dokterte an ihrer verwundeten Zehe herum, weswegen ich nicht sofort auf das Quit-Pro-Quo insistierte. Außerdem war auch mir eine Zehe wundgelaufen und abgeschürft worden und gewesen, so dass sie mir immerhin ein zu überziehendes Pflaster überreichte, damit ich meine akuten Schmerzen lindern und drohende Blutvergiftungs-Schäden untergraben und zuvorkommen konnte.
„Kommt wahrscheinlich eh kein Kontrolleur auf dieser Strecke.“, womit sie wohl recht haben durfte, aber mir blieb diese Bemerkung im Hals stecken, argwöhnend, dies bildete ein weiterer Grund für sie, überhaupt nicht entgegenkommend zu sein.
„Das ist mir alles zu blöd!“ - Ich gestehe, nicht die feine Englische Art ist das gewesen.
Ich verließ das Zugabteil, sie dackelte und gänsemarschierte mir nach, beide dümmer als die dümmste Gans auf Erden, hatten wir doch beide schließlich nichts davon, anders hätte ja jeder nur die Hälfte des Fahrpreises bezahlen müssen. Nun blechten wir beide den vollen Preis.
Außerdem konnten wir erst wieder in einer halben Stunde weiterfahren.
Eine wahrhaft jämmerliche Begegnung.

Auch ein Italiener ist frech geworden, wollte nicht den Teil der Vereinbarung subito einhalten, ein Kellner, ein Koch, ein Capo von einem italienischen Restaurant in der renommierten Sandstraße Bambergs, man stelle sich dies vor, erlaubt sich so etwas! Keine Spur Angst um seine Reputation. Egal, er telefonierte munter weiter, während er eigentlich entgegenkommen wollte und sollte.
Als der Empfang unterbrochen war, wies ich ihn erneut auf seine Säumigkeit hin.
Mit einer abrupten wegwerfenden Handbewegung winkte er ab, meinte noch etwas gemurmelt, Ja-am-Zielort und wählte wieder eine Nummer mit seiner Maschine.
Mir wurde es zu bunt, drohte sogleich bei der nächsten Station auszusteigen, was ihm nicht einmal ein Lidzucken abringte, so dass ich kurzerhand vor der nächsten Station aufstand, um auszusteigen und ihn damit die nächsten zwei Haltestellen ohne Fahrkarte fahren und zurückzulassen.
So ausgefroren und kaltschneuzig wie der sie gebärdete, juckte ihn dies aber kaum.
Munter hatte er weitertelefoniert, als ich mich erhob, mich zur anbeiliegendne Ausgangstür bewegte und einige zwanzig Sekunden wartete, bis wir in den nächsten Bahnhof einfuhren und sich die Türen öffneten. Er war völlig ungerührt und plapperte ziemlich laut und aufgeregt weiter in sein Telefon hinein.
Es war kein Jüngerer, denn die sind allesamt, unabhängig ihrer Nation, außer den Türken vielleicht noch, die lassen es gerne Mal darauf ankommen, recht anständig, nicht säumig und durchaus zuvorkommend.
Muss ich es ausdrücklich sagen, dass dies keine repräsentativ statistische Erhebung ist!

Der Venezolaner, spanisch sprechend, schimpft über Spanien. „Korruption, allüberall. Du wirst eingestellt, darfst zwei Jahre arbeiten, wofür das Arbeitsamt Dich Arbeitgeber unterstützt, dann entlässt Du Deine Angestellten. Dann beginnt der Reigen von vorne. Und überhaupt, wenn Du nur sechs Monate arbeiten darfst, dann darfst Du sechs Monate von der Stütze leben, was ist das?! Aber alle nutzen es aus, alle Arbeitgeber machen es. Und als Immigrant, egal ob schwarz oder weiß, spanisch sprechender Venezolaner oder Marokkaner, Du bist Ausländer, Immigrant, Unerwünschter, Persona non grata, nur Geduldeter. Amen.“ Der da sprach war Mauerer, Erneuerer alter Kanalisationsrohre und –strukturen in Deutschland. Hier fühlt er sich wohl, nicht diskriminiert, von vielen Arbeitgebern hofiert und nicht unterbezahlt.

Ein aus Bayern-Schwaben kommendes Pensionisten-und-Rentner-Ehepaar hetzt herum. Dabei sieht der Mann ganz lustig aus: er hat ein Mütze auf, auf der inmitten das Logo eines großen Enzians prangt. Wer an etwas anderes denkt, sei selber schuld!
Die beiden sind aufgestachelt, besonders die Frau: „Ich habe meinen Enkeln gesagt. Ihr tut mir wirklich leid. Wir haben jetzt 50 Jahre lang Frieden gehabt. Aber ihr...“ Der Mann erzählt von einem befreundeten hohen Gewerkschaftsfunktionär, der ihm folgendes erzählt haben soll: „Und da hat der Moslem, ein Türke, der schon Jahrzehnte hier lebt, gesagt. Warte ab, bald werden die Christen vor uns im Staub Knie, das Haupt auf die Erde gerichtet und die Hände zu uns aufgestellt und bitten: verschont uns! Gewerkschafter halt, mich wundert es nicht, so wie ich sie kenne – aber alles nur persönliche Erfahrungen

Einem Tätowierer begegnet, der spricht: „Natürlich ist die Injektion jeglicher Fremdkörper gefährlich. Die Haut lebt, sie ist Teil eines Kreislaufes, die Pigmente sollen die Lymphknoten anschwellen lassen...“
Er selbst ist auch vom Scheitel bis zur Sohle tätowiert.
Draußen ist ein stechendes Abendrot über einem bleischwarzen Weiher mit Buschwerk, aus dem rabenschwarze Vögel ausschwärmen, wie bei Van-Goghs letzten Bildnis, auf dem die schwarzen Raben über die goldenen Ähren eines wogenden Kornfeld kreisen.
Hier beginnt der idyllische Strecke nach der Metropole Erlangen-Nürnberg-Fürth, dort ist noch nicht eine Trenn, Schall- und Sichtwand aufgebaut, die einem von der Natur trennt...

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