Die Macht des Stinkefingers I - Szenen/Stimmen aus Sachsen

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Pentzw
Kalliope
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Die Macht des Stinkefingers I - Szenen/Stimmen aus Sachsen

Beitragvon Pentzw » 29.02.2016, 23:02

Szenen und Stimmen aus dem Freistaat Sachsen-Anhalt I


Bürger.

Was muss ich da hören? Junger Flüchtling zeigt dem Volk, uns, dem deutschen, den Stinkefinger, als er von einem pflichtbewussten Ordnungshüter, Beamten und Polizisten versucht wird, in seine mietgeldfreie, hochluxuriöse und denkmalgeschützte (wo gibt es noch etwas umsonst!) Residenz getragen wird, sich wehrt getragen zu werden.
Was?
Das Dachgeschoss brennt bereits lichterloh.
Das spielt keine Rolle, Gast ist Gast, Flüchtling Flüchtling, und Volk ist das Volk. Kann er nicht froh sein, ein Dach übern Kopf zu haben? Offenbar nicht.
Als ich die Meldung hörte, hat es mich beinahe aus meinem Fernsehsessel gehauen, aber ich bin beruhigt wieder zurückgesunken, als ich vernahm, dass die Staatsanwaltschaft gegen den jugendlichen Rohling wegen dessen Verhaltens (des Stinkefingerzeigens) ermittelt wird. Da regen sich die Linken noch darüber auf, dass man ihn roh, mit Nacken- und Zangengriff hatte aus dem Bus gezerrt, besser und richtiger zerren müssen...
Da sieht man mal, wie wenig integrierbar er in unserer Gesellschaft und Kultur ist. Mochte er auch schon ein halbes Jahr Sprachkurs für die deutsche Sprache in seinem Heimatland hinter sich haben. Von christlichen Werten überhaupt keine Spur.
Andernfalls hätte er sich ein Bild von unserem geliebten Jesus gemacht. Wie der stillgehalten hat, als ihn die Römer gefangen nahmen, durch Jerusalem kriechen ließen unter der höhnenden, grölenden, spuckenden Menge des Volkes, (bei uns gelten die heute als Landfriedensbrecher, schon verrückt, wie sich die Zeiten ändern) und noch vorbildhafter ruhig, gelassen und ohne Widerstand leistend sich mit drei Nageln hatte an ein Holzkreuz nageln lassen.
Zudem hat er selbst einem seiner Jünger, der ihn verriet und verleugnete, als es um die Wurst ging und er von einem Römersoldaten dafür ein Ohr abgesäbelt kriegte, dieses wieder eigenhändig an den verräterischen Kopf geklebt. Simon, mein Bruder usw. Ja, ich kenne die Bibel.
Aber Jesus, dem hat man dabei, um die Ausgaben zu senken, dafür die Fuße übereinandergelegt und nur einen Nagel benötigt. Jesus hat nicht gemurrt, nicht sich benachteiligt gefühlt gegenüber anderen, die Diebe, Kindermörder und Verbrecher waren (heute Hartz-IV-Empfänger, Kinderschänder, Knackis und Mafiosi).
Er hat ganzklar die Rationalität und Effektivität dieses Umstandes erkannt und geschwiegen und nicht unter den anderen Gefangenen etwa ein Sit-In, eine Flyer-Aktion oder gar Gegendem organisiert wegen inhumer Behandlung durch staatlich-rationelle Sparmaßnahmen (Essensbon, Zuwendung von ausrangierten Kleidern und Ortsaufenthatsbeschränkungen).
Nein, Jesus hat christlich, wie er war, durch und durch schweigend, fromm und unendlich duldsam alles über sich ergehen lassen und ertragen.
Das nenne ich Christlichkeit.
Diese Neuankömmlinge, Flüchtlinge und Muslime haben davon noch kein bisschen Ahnung. Es wird schwer werden, ihnen unsere fundamentale christliche Kultur nahezubringen, sehe ich genauer auf den Stinkefinger dieses renitenten Jugendlichen, der noch ein Kind war - schier unmöglich, diese auch so zu verinnerlichen, dass es deutlich in ihrem Verhalten an den Tag kommt und wir zufrieden mit ihnen sein dürfen und sagen können: schau, der ist aber gut assimiliert.


Die ganze linke Welt, Muslime und Christen und andere Mitfühlende diffusen Glaubens usw., fragen sich, wie geht es dem Opfer, das so brutal von einem Polizisten in die Zange genommen wurde und aus dem Bus gezerrt worden war; um in ein Haus geschleppt zu werden, wo bereits der Dachboden lichterloh brannte.

Stinkefinger-Junge.
Bei ihm steht ein Reporter, der in Englisch eindringlich auf ihn einredet.

Warum ich den Stinkefinger gezeigt habe? Das fragt mich dieser englischsprechende deutsche Journalist ernsthaft. Die Polizei hat mich schon danach gefragt, selbst einige Mitflüchtlinge haben - offenbar unverständlich und kopfschüttelnd - diese Frage an mich gestellt.
“Junge, Du bringst unsere Sache in Misskredit!”
Allerdings ein anderer, einer meiner Anverwandten hat mir verhalten auf die Schulter geklopft und geraunt: “Gut gemacht! Ali.”
Der Reporter wechselt von britischem Englisch in Amerikanisch, aber ich schweige. “Junge, Du verstehst mich doch. Alle sprechen sie einigermaßen Englisch, woher Du kommst.”
Ich verdrehe die Augen und starre teilnahmslos gegen die frische, weiß-getünchte Decke der Flüchtlingsunterkunft. Wo sind wir hier eigentlich, denke ich. Achja, dann kommt es mir wieder. In Sachsen. Ist das England, denke ich. Ich habe da so ein Angelsachsen oder so ein ähnliches Wort noch im Ohr aus der Schulzeit.
Der Reporter gibt es auf, obwohl er gar nicht genervt und enttäuscht wirkt, scheinbar hat mein Schweigen auch sein Schreiben inspiriert. Ich bin froh, dass ich es morgen nicht in der Zeitung lesen kann, was er sich wohl zusammenphantasieren wird.

Dann sehe ich den Dolmetscher der Behörde auf mich zustreben. Genau, den kann man fragen, was das Sachsen hier mit Angelsachsen zu tun hat. Ich hatte die Engländer doch als Gentlemen in Erinnerung. Aber diese hier benahmen sich alles andere als solche. Barbarisch heißt es. Sachsen und Barbaren, ahha!
Aber ich bin gar nicht zu Wort gekommen, denn der Polizisten-Dolmetscher hat mit mir sofort in unserer Muttersprache Tacheles geredet: “Ali, Du befindest Dich hier in einer anderen Welt.”
“Ich weiß!”, seufzte ich, der ich noch in meinem Feldbett lag, von der Feuerwehr provisorisch, spontan und schnell herbeigeschafft, nachdem unsere vorbereiteten Federnbetten mit Edelstahlrost Opfer des Dachstuhlbrandes geworden waren. Der Seufzer rührte aber daher, dass es in so einem Bett sich schlecht nächtigen lässt, wie jeder weiß. Ich bin ja außerdem hier nicht in der Wüste, wo es sein müsste, so ein Notbehelfbett. Ich bin in dem reichsten Teil der Welt! Sachsen, hm.
“Da bist Du nun endlich im reichen Teil der Welt gelandet, Projektion des Paradieses hier auf Erden, und wächst nicht in einem blauen Himmelbett auf, links und rechts zwei geile, BH-sprengende Oberweiten-Babys einem entgegenstreckend und Rock-me-Baby, Rock-me hauchend, sondern dies”, dachte ich wehmütig.
“Okay, ich erkläre Dir einmal, was die Einheimischen von Dir hier erwarten.”
Erstens, als ob ich das nicht gewusst hätte, zumindest geahnt. Trotz meiner 15 Jahre!
Zweitens, so deutlich ausgesprochen, klang das wie ein schlechter Witz: Arbeiten, Geld scheffeln, Haus bauen oder zumindest Eigentumswohnung kaufen, monatlich drei Viertel des Arbeitslohnes in die Heimat schicken, damit dieses wieder nicht nur wie früher, sondern nach dem neuesten Stand der Technik aufgebaut wird. Dies ermöglichst Du ihnen, dass Du wie eine Schraube in dem Räderwerk einer Maschine in Sklavenstätten genannt Fabriken den Buckel krümmst, bis Du ein Hohlkreuz kriegst. Aber Deine Mischpoke kann sich inzwischen Zuhause in ihren neuen Häusern elektrische Fernbedienung der Kühlschränke, der Herde und des Fernsehers einrichten.
Jedem sein dicker Pick-up!
Ich hörte gar nicht mehr hin.
Ich glaube, dem Dolmetscher hätte es die Sprache verschlagen, wenn er gewusst hätte, was ich wirklich dachte. Das konnte ich ihm nicht antun, da ich merkte, wie sehr es ihm gefiel mit einem zu sprechen, der authentisches Arabisch sprach. Selbstgefällig malte er im alten, blumigen Arabisch eine Phantasmogramm auf, das mehr als lächerlich war, das eher... Momentan fehlen mir die Worte und ich bin zu faul, mich danach oder darum zu bemühen.
Jedenfalls, was immer diese Leute hier von mir erwarten, kann mir gestohlen bleiben. Ich habe meine eigenen Vorstellungen vom Leben im reichen Westen. Ich weiß, ich steh nicht allein, viele, sehr viele in meiner Generation träumen das Gleiche insgeheim, was sie sich aber wohl nicht auszudrücken getrauen. Nur mein Onkel Azis al Bani ibn Dalabdul el Kuschni, der hat es mir noch als Leitmotiv auf den Weg gesagt: “Junge, vögle Dich quer durch Europa. Packe den Stier an den Hörnern und entreiß ihm die schöne Europa. Dann bearbeite sie, wie es sich für einen potenten Mann gehört. Zähme die feministischen Biester, wie du es mit einem feurigen Araber tust. Ich möchte hier einmal viele Großneffen und Großnichten begrüßen können, aus aller Frauen Länder. Verstanden!”
Ich hatte verstanden.
Natürlich, nur um die Frauen dreht sich die Welt!
Dass das noch keiner kapiert hat. Nicht um Flüchtlinge, die reich werden wollen und ihre Goldklumpen den faulen, gierigen Verwandten in der Heimat in den Rachen schmeißen wollen. Das ist doch alles Schmonzens. Alter Schmonzens.
Ich wundere mich, dass sich das noch nicht herumgesprochen, dass es nur darum geht. Schon im alten Griechenland. Da hat es doch diesen Trojaner-Krieg gegeben, um Helena. Worum schlugen sich die Köpfe ein? Wegen einem Weibsbild. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Aber die Menschen vergessen leicht.
Aber wir Jugendlichen, wir haben den Auftrag, die Welt aus ihrem Dornröschenschlaf zu reißen, wenn nötig mit zugegebenermaßen alten Ideen, egal, Hauptsache Bewegung...
Apropos Bewegung. Ich muss aufstehen. Diesen Auftrag erfüllen. Dann hat mein Leben einen Sinn und meine Zukunft ist gesichert. Auf nach Köln!

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