Die Angst anzuhalten

In diesem Forum kann sich jeder mit seinem Text der Kritik des Publikums stellen. Selbstverständlich auf eigene Gefahr ...
bloechi92
Kerberos
Beiträge: 1
Registriert: 19.06.2016, 16:12

Die Angst anzuhalten

Beitragvon bloechi92 » 19.06.2016, 16:15

Die Augen sind strikt nach vorne gerichtet. Der Rückspiegel erzählt die Geschichte von vergangenen Tagen. Das Ziel ist anvisiert. Wir rasen derart schnell die Strasse entlang, dass sobald wir das fixierte Ziel erreichen, es im selben Moment neben uns vorbeihuscht. Es ist ein flüchtiger Augenblick, ein unbefriedigendes Erkennen von Konturen und Farben. Anzuhalten, auszusteigen, uns gar umzuschauen und die goldenen Früchte unseres Treibens jenseits der Strasse zu betrachten, dafür fehlt uns die Zeit. Die Augen sind starr nach vorne gerichtet. Das neue Ziel ist angepeilt. Unser peripheres Sehen lässt uns bloss erahnen, was abseits der Strasse hätte sein können. Doch wir schreiten forsch voran und die Gedanken an die Umrisse des Strassenrandes verblasen schnell. Die Konzentration gilt der konstant hohen Geschwindigkeit und dem sicheren Erreichen unseres neuen Ziels. Von der Strasse abzukommen ist ein Unfall, der von den anderen Verkehrsteilnehmern nicht gern gesehen wird. Kommt ein Auto ins stocken, befürchten die nahenden Fahrer bereits Verspätung. Ein defektes Auto oder ein unkonzentrierter Fahrer ist deshalb auf der Strasse ein schwerwiegendes Vergehen. Die Angst den gleichmässigen Rhythmus zu verlieren ist gross. Ein Wagen der durch den vorderen zum Stillstand kommt, ein weiterer Fahrer der sein Ziel aus den Augen verliert, in der Heckscheibe des vorderen Wagens sein eigenes Spiegelbild erblickt und sich zu fragen beginnt, was wohl neben der Leitblanke für ein Leben auf ihn warten könnte.

Zurück zu „Texte“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 41 Gäste