Sein letzter Kampf XI

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Pentzw
Kalliope
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Sein letzter Kampf XI

Beitragvon Pentzw » 13.09.2016, 22:37

XI. Die Verschwörung des Popen


Im purpurnen Gewand wie Rotkäppchen stand ein Mann vor meinem Bett, ein riesiges, golden-funkelndes Kreuz über der Brust und machte mit der Hand so komische Bewegungen.
Ich rieb mir noch den Schlaf aus den Augen, bis ich kapierte, oh, das war der Herr Pfarrer und ist dabei, mir seinen heiligen Segen zu spenden.
„Ich bin der neue Kaplan“, sagte er. „Ich werde jetzt öfter kommen. Genauer gesagt einmal im Monat, um nach meinen Schäfchen zu schauen.“
„Ob die Herde noch vollständig ist.“
„Ihr Wort in Gottes Ohr. So ist es.“
Es erübrigte sich zu fragen, ob er auch in unser, meiner Frau und meines, Zimmer treten dürfe bei seinen regelmäßigen Inspektionen, äh, Kümmerungen um die hirtenlosen Schafe: es war ein katholisches Heim. Zum anderen war auch die Frage überflüssig insofern, als meine Frau streng gläubig war, jeden Sonntag nicht nur zur Kommunion ging, sondern auch zur Beichte, wobei ich mich fragte, was sie überhaupt zu beichten hatte, kam sie doch kaum aus den vier Wänden hierheraus.
Ich konnte mich also auch nicht verweigern und ließ alles über mich ergehen. Ich hoffte, der ungerufene Gast würde desto schneller wieder verschwinden - bildete ich mir ein, wurde aber schnell eines Besseren belehrt.
Denn meine Frau, vergraben in ihrer riesig sich um sie wölbenden Bettdecke - Erbstück ihrer bäuerlichen Abkunft, innen bestückt mit Federn von Gänsen aus dem Bauernhof, woraus sie stammte - mit strampelte mit den Füßen und Armen und schrie den Pfaffen zu Hilfe. „Herr Pfarrer, Herr Pfarrer...!“ Was sie noch schrie, weigerte ich mich zunächst wahrzunehmen.
Der Herr Pfarrer wandte sich zu meiner Ehefrau hin und ging die paar Schritte zu ihr hinüber zu ihrem Bett, es war ein großer Raum, in dem wir lebten und beugte sich über sie. Er versuchte sie zu beruhigen, beruhigte ich mich und wandte mich anderen Dingen zu.
Plötzlich aber erschien auch die ehrwürdige Oberschwester –hatten sich die beiden, Schwester und Kaplan abgesprochen, verschworen und wanden sich absichtlich gegen mich? nein! unwahrscheinlich! - und genauso unvermittelt begann meine traute Frau über mich im lautesten Tonfall zu reden, zu lamentieren und schließlich zu schimpfen –wobei sich die Lautstärke entsprechend erhöhte.
Nachts im Schlaf würde ich schreien, gestern gar sei ich aus dem Bett gestiegen und hätte herumgeistert. In ihrem schreckverzerrten Gesicht richteten sich ihre Augen und zudem ein ausgestreckter Finger auf mich, sprich ihr ganzer Körper war voller Hass auf mich gerichtet –als wäre ich der Leibhaftige.
Zuerst hätte ich, behauptete sie, wollen aus dem Zimmer gehen, das aber geschlossen gewesen wäre, woraufhin ich ins Klo gegangen wäre, danach aber, als ich mein Geschäft verrichtet hätte, nicht herunterspült...
Klar, die Frau war schlagartig verrückt geworden, das arme Ding. So etwas kam vor offenbar –bei diesen hanebüchene Gespenstergeschichten!
„Der wird mich noch vergewaltigen!“, kreischte sie hysterisch auf.
Mann, ich kriegte einen Hals! Würde ich über meine Ehefrau gehen, hieße dies schon eine Frau vergewaltigen, ist es so weit schon gekommen?
Der Pope schloss die Augen, die Lider senkten sich schwer wie Blei, verharrten in geschlossener Stellung, als wollte er sich die Szene in allen Einzelheiten vorstellen, aber erstaunlicherweise zuckten sie nicht ein klitzekleines bisschen, bevor er sie wieder öffnete, Dann legte er die Hände in Falten, räusperte sich, bevor er sanft wie ein Frühlingswindchen folgende Worte hervorhauchte: „Das ist aber eine Sünde!“
Der junge Geistliche erschien mir in der Ausübung seiner Amtspflichten doch etwas übereifrig zu sein. Na ja, kennt man ja, die neuen Besen, sie kehren besser, eifriger, eilfertiger...
„Genau, er wird mich noch vergewaltigen!“, blies meine hysterische Alte, ob solcher Frömmigkeit aufgestachelt, ins Horn. Ich konnte es wirklich nicht glauben, dass die so gaga bereits, so senil, so plemplem war, dass sie ihren hochehrwürdig Angetrauten denunzierte, anklagte und von sich stieß. Das war in unserer 50-Jahre-Ehe kein einziges Mal passiert, dass sie mich, wie mein Neffe sagen würde, von der Bettkante gestoßen hätte - worauf ich stolz bin! Stets war sie bereit –wie es sich gehört, verdammt. Beine auf –der Mann kommt mit seinem Schlegel, jawohl! Das ist die wahre Maxime für die deutsche Frau! Gebärbereit muss diese sein! Immer, stets und allzeit!
Aber meine Frau schimpfte weiter –flankiert von Oberschwester und Oberpopen! Demokratisch schüttelten diese synchron den Kopf und machten im TzTz-Ton: „Nein, nein!“, bevor sie gepaart mit Brechreiz die folgende Worte noch herausstießen: „So etwas geht natürlich nicht. Vergew...!“ Dann sprach der junge Pfarrer: „Laßt uns beten!“ Dazu rückte er den Stuhl etwas nach hinten, schlang seinen purpurne Robe von einem seiner Knie hinweg, der dort aufgeschlagen war, beugte den Rücken, den Kopf und faltete die Hände, um das Vater-Unser zu beten. Die ehrwürdige Schwester stand stumm daneben, die Hände in ihren geheiligten Schoß gefaltet.
Wo, bitte, war ich hier gelandet, in welchem Wahnsinnsland, wo man nicht einmal seine Ehefrau mehr...
Nachdem die beiden mich wie einen ungezogenen Schuljungen gewarnt hatten, dem beim nächsten geringsten Vergehen die Schulrelegation ins Haus stand, –wovor, ich sag es noch einmal: vor meinen heiligen ehelichen Pflichten und Rechten – und endlich gingen, atmete ich, der listig geschwiegen hatte, endlich auf und schwor mir: na warte, Alte, Dir werde ich’s heimzahlen!

Hierzu formierten sich allmählich vor meinen Augen Vorstellungen, die falsch gedeutet werden würden, wenn sie mit Vergewaltigung gleichgesetzt werden würden. Seit wann ist Vergeltung Vergewaltigung? Aber seine Frau... Die Anna, diese treue Seele, nein. Wart’s erst einmal ab. Vielleicht fängt sie sich auch wieder.
Bald schon wieder stand der Pope auf der Matte, also auf unserem Wohnzimmerteppich und wedelte wie der Hund mit seinem Schwanz mit seinem Kreuz, das mir ganz anders wurde dabei. Mein Ehefrau sang dazu im Chor! Damit war klar, den bekam ich nicht mehr los, jetzt hieß es: meine Frau oder ich. Entweder ich zog hier aus, oder sie!
Bevor meine Taten aber Gestalt annehmen konnten und es endlich dazu kommen und ich mich rächen konnte, wurde ich wieder unter Beschuss genommen.
Während das so weiterging, während der Herr Pfarrer Tag für Tag erschien und seinen Sermon über mich ergoss, rüstete ich mich insgeheim.
Zunächst, vorsichtshalber, ich rührte keinen Tee mehr an, der mir gebracht und kredenzt wurde. Wer weiß, was die Schwestern auf Geheiß der Oberschwester, denn nur diese hatte ich zu fürchten, befürchtete ich, dahineinschütteten? Lieber trank ich aus meiner selbstgekauften Flasche Malzbier, Limo oder sonst etwas, weil trinken musste ich natürlich. Willi unterstützte mich dabei, diese Getränke zu besorgen.
Aber eben und immer noch war Vorsicht angebracht!
Natürlich konnte ich mich nicht stets verweigern, musste so tun als ob, oftmals heimlich aufstehen und den Tee wegschütten und dann vor der Schwester flöten: „Ach, war der Tee heute wieder gut!“ Verdammt, das Leben war schon hart! Besonders, wenn es gegen die Frauen ging!
Willi hatte Recht. Die Weiber haben doch das Zepter in der Hand, das Sagen haben sie und die Hosen an. Die natürlichen Feinde des Mannes! Warum wurde mir das nur so spät klar? Gleichberechtigung –jaja!
Aber klar, was geschieht denn um mich herum, hier im Senioren-Heim?

Willi klärte mich auf.
„Also!“, dozierte er. „Die Frauen warten heutzutage nicht mehr, bis er, ihr Ehemann, abgekratzt ist, vergiften ihn nicht mehr oder stupsen ihn die Kellertreppe hinunter, den Herrn Gemahl! - Für was gibt es denn Pfaffen?
Kaum ist der Göttergatte in so einem Senioren-Heim-Zimmer abgekarrt, abgestellt und hinter Schloss und Riegel gebracht, die Angetraute stellt bestenfalls noch einen Blumenstrauß aus Gummi und Plastik auf das Nachtschränkchen ab, und schon lässt sie sich nicht mehr sehen. Wie ein lästiges Altmetallteil, das man endlich, sperrig, rostig und schwer auf den Schrottplatz hat transportieren und abliefern können, werden die männlichen Ehehälften hierher kalt- und abgestellt, auf Wartestellung gebracht –bereit für die Aussegnungshalle.
Bei Frau Meyer beispielsweise hat natürlich noch die Tochter mitgeholfen! Elternteil-Entledigung.“
War ich denn bisher nur von Blindheit geschlagen worden? Die treibende Kraft sind doch die Kleriker. Deshalb vergöttern die Frauen diese derart!
„Ein Phänomen, ja. Ein unerklärliches, nein“, hat Willi rätselhaft gesagt.
„Man weiß ja aus der Geschichte, hat er weiter doziert, kaum befanden sich die Männer unter der Erde, schon hingen sie an den Lippen der Priester wie der Ekel am Fleisch und saugten Blut.
Nein, heutzutage ist es anders...“
Ein Kristallleuchter ging mir auf!
Oh, wie vorteilhaft, praktisch und bequem! Bevor der Mann das Gras von unten betrachtet, sind Frau und Kleriker wie Mann und Frau. Aber von der durchtriebensten Sorte. Gemeinsam schaffen sie den unliebsamen Nebenbuhler beiseite.
„Ja, ich habe miterleben müssen, nicht wenige Male, dass, wenn so eine treue Ehefrau ihren Alten loshaben wollte, flugs sie mit dem Paffen daherkam, Die fanden Mittel und Wege, den Ehemann zu übertölpeln und in ein Altenheim zu verfrachten, wo er hieb- und nagelfest sicher- und kaltgestellt war. Dabei waren diese Männer alles andere als, zumindest noch lange nicht tattrig, senil und geifernd, beileibe nicht.
Orchestriert wurde dann die Farce damit, dass der Herr Pastor von seiner Kanzlei herunterposaunte, dass keiner ihrer Schützlingen allein und ohne die drückend mild-barmherzige Hand einer Schwester, eines Pflegers oder von ihm höchstselbst vom Diesseits ins Jenseits entwischen würde. Alle, alle kriegten sie den christlich-notwendig-gebotenen Beistand. Dafür garantiere er und schwöre vor dem Allmächtigen.
Aber Pustekucken!
Ich hab’s erlebt, dass sich dann weder Ehefrau, Pfaffe noch Kinder um den entgeisterten Ehemann mehr kümmerte. Sage mir keiner, dieser Umstand trug nicht dazu bei, dass gerade diejenigen Männer, die aus ihren goldenen Käfigen vertrieben worden sind, am schnellsten ins Gras bissen.“
Traurig, traurig.
Wir schwiegen einhellig.
Wer aber ist der eigentliche Drahtzieher im Hintergrund? Allein der bigotte Paffe, der willige Helfer der Frauen!

Aber was rege ich mich so auf, dies ist nicht gut für mein Herz und für einen drohenden Gehirnschlag, Schwamm drüber, denk über Anderes, Schöneres nach!
Das Schlimme dran ist, dass außer ein paar Impotenten die meisten Schwule sind bei diesen Schein-Heiligen, so sicher wie das Amen in der Kirche. Ja, mir braucht man nichts vorzumachen. Ich kenne mich da aus. Kein Mann hält es längere Zeit ohne aus. Dazu ist der Druck zu stark. Keiner erträgt solche Pein und Schmerz! Und die Heilige Maria ist auch kein Ventil! - Aber auch wirklich keins... Und Onanie, ein schrecklicher Witz! Nein, allesamt sind sie Homosexuelle. Geht nicht anders.
Bin ich eigentlich eifersüchtig, weil ich zu kurz komme?
Ja, bei diesen Matronen hier, die bocken keinen mehr.
Seufz!
Willi: „Die Frauen haben ihre Popstars, diesen bunten Mann mit lächelndem Schmunzeln. Die sind alle in den irrlichternen Mann mit lächelndem Schmunzeln vernarrt. Und mit seinem fetischistischen, überdimensionalen, goldenen Kreuz grinst er uns arg unverschämt, um nicht zu sagen herausfordernd an. Denk an das Poster am Eingang! Er stört mich mittlerweile, muss ich sagen und zwar ziemlich ungeheuerlich!“
Hust, hust, hust!
Katarrh!
Aufpassen, damit er sich nicht zur Bronchitis, dann Lungenentzündung, schließlich Exitus auswächst –warne ich Willi.
„Ich habe noch einiges vor! Und ich brauche Dich dazu!“
Hust, räusper, spuck...
„Ich kriege fast das Kotzen, wenn ich den Kleriker da unten am Eingag auf dem Poster nur ansehen muss, besonders in den Momenten und Anlässen, an dem ich an ihm vorbeigehen muss, nämlich wenigstens nach den Mahlzeiten und gerade aus dem Essensaal komme und wieder zurück in mein Zimmer gehen will.
Das stört die Verdauung. Mir vergeht der Appetit sozusagen rückwirkend wieder. Ja, wirklich.“
Hust, würg, spuck.
Willis Zustand bereitet mir Sorgen. Er wird doch nicht?
„Vor zwei Wochen habe ich mich sogar ertappt, wie ich den Eiferer dort mit der Faust gedroht habe, nachdem mich Frau Schau-Weit-ins-Land angestupst hat: „Wagen Sie es!“
Peinlich, peinlich...“
Willi ist schon zu bedauern. Mit Frauen hat er es auch nicht leicht.
„Diese Ratte kommt auch noch dran!“, hat er noch gebrüllt. Dann ist er schnell aus dem Zimmer gehumpelt. Wahrscheinlich war ihm sein Zustand zu unangenehm.
Peinlich war diese Szene mit dieser Frau Schau-Weit-ins-Land.
Peinlich, peinlich, mehr als peinlich!
Mehr als peinlich.

Was hilft schreien und jammern? Mir war einfach klar, wie sich das bei einem Todfeind nun einmal verhält: du musst zuerst zuschlagen, bevor er es tut, weil der Schlag ist in so einem Fall meist tödlich.
So tat ich es.
War etwas schwierig. Gift lag zwar genug rum im Zimmer, auf dem Spiegelsims im Klo, überall. Ich gab meiner Frau einfach ein paar mehr Tabletten, na ja, ein paar viel mehr, musste sogar ein bisschen nachhelfen, weil sie es wieder herauskotzte, aber das rief die Oberschwester auf den Plan. Die machte eines Tages tabala-rasa mit herumliegenden Pillchen und Tabletten, die Krähe, diese Elster.
Aber, bin ja kein Unmensch, vielleicht hat die Oberschwester doch recht. Solle sie doch nicht am Schluss erbärmlich krepieren, meine Angetraute, nein das hatte sie letztlich nicht verdient, 50 Jahre immer willig, nein, sondern friedlich, sehr friedlich. Ich frage, was gibt es Schöneres als, wenn die Zeit gekommen ist, friedlich einzuschlummern?
Na also!
Und Willi wusste Rat. „Blutverdünnungsmittel ist die Lösung! Du schüttest ihr jeden Abend ein bisschen von diesem Zeug in ihre Teetasse, die da auf dem Nachtschränkchen steht und die Sache löst sich von selbst mit der Zeit!“
Er hob den Zeigfinger: „Aber das musst Du konsequent durchziehen! Durchhalten, mein Kamerad, sonst kommt Dir der Feind auf die Schliche. Denn wenn Du nur einen Tag vergisst, kann es schon aus sein!“
Für wen hielt der mich? Ich tat haargenau, das was mir geheißen: konsequentes Handeln konnte ich zeigen. Jeden Abend tat ich es, es war eine gute praktische Übung, ja, man muss es von der sportlichen Seite auch sehen. Mein Kreislauf dankte es mir, mein Hirn, hatte ich schließlich doch wieder eine Aufgabe.
Leider zog es sich etwas hin, bevor sich die gewünschte Wirkung einstellte. Ich war geneigt, zu rabiateren, schnelleren Mitteln zu greifen, hätte ich aber Willi nicht gehabt, der mich immer wieder zur Geduld aufrief, hätte ich mich damit wahrscheinlich verraten.
Aber ich tat es, ich hielt durch.
Wenn der Überlebenswille gelockt wird, stehen alle Fasern des Körpers in Habachtstellung und schlagen die Haken zusammen, jawohl.
Einige Monate, kein Problem letztlich, wie gesagt, und meine Ehefrau, Gott hab’sie selig!, ging hinuber in die ewigen Jagdgründen.
How –ich habe gesprochen!

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