Sein letzter Kampf XII

In diesem Forum kann sich jeder mit seinem Text der Kritik des Publikums stellen. Selbstverständlich auf eigene Gefahr ...
Pentzw
Kalliope
Beiträge: 951
Registriert: 11.04.2011, 19:59

Sein letzter Kampf XII

Beitragvon Pentzw » 10.10.2016, 16:52

Werwolf voran!

Ich fühle mich so minderwertig, nutzlos und überflüssig.
Meine Tochter lässt es mich spüren, bewusst oder nicht, sie ist derartig von ihren Familie, Kindermachen und –kriegen beschäftigt, dass ich wie Luft bin.
„Dass Du mir nur nicht daneben sabberst!“ Ich bin kein Automat, in dem man ratzfatz Geld hineingesteckt und fertig. Ich brauche mein Zeit.
„Was?“
“Ich muss doch sehr bitten, ist das schon einmal vorgekommen?“
Obwohl ich ihr es nicht übel nehmen kann, dass ich in ihren Augen nur noch ein längst zu entrümpelnder Gegenstand bin, bei dem man nicht weiß, wohin man ihn am geschicktesten entsorgen könnte. Wie in einem Automaten man Geld hineinsteckt, wird mir das Essen zugeführt und das Trinken eingeflösst.
„Nein, aber was nicht ist, kann noch werden.“
„Aber...“
„Ich sage es nur vorsorglich, versteh mich recht, Vater.“
Wie die mit ihrem leiblichen Vater spricht! Aber am Ende hat sie sich doch besonnen, gemerkt, mit wem sie es zu tun hat, sonst hätte sie nicht „Vater“ gesagt. Ich atme also wieder auf.
Und im Grunde verstehe ich meine Tochter nur zu gut, ich weiß, worauf ich stolz bin, sie ist mir sehr ähnlich. Sie war nicht umsonst immer so fasziniert von meinen Erzählungen über die strammen Mädels vom Bund Deutscher Mädchen.
Aber ich will Mensch sein!
Trotzdem, mir wird klar, warum die Roboter bald die Herrschaft übernehmen. Bei den Alten haben sie es schon längst. Roboter verursachen keinen Dreck. leichter, einfacher und sauberer zu warten sind sie als unsereiner. Mit so einem sollte ich auch in unmittelbaren Kontakt kommen, um nicht zu sagen intimen.

Danach hat sie mich das erste Mal weggesperrt, hat einfach den Schlüssel herumgedreht und mich im Zimmer versauern lassen. Zur Rede gestellt, hat sie geantwortet: „Och, das habe ich nicht absichtlich gemacht!“
Aber heute hat sie es wieder getan. Ich bekomme Panik. Ich muss mich übergeben, fäkalieren sowohl urinal als auch penial, ich ersticke hier drinnen, wenn ich nicht die Tür einramme! Ich gehe mit dem Kopf voran, der Schädel ist der stabilste Teil am Körper, also denn... ich renne... ich!?

Als ich erwache, bin ich endlich dort, wo ich hinwollte - in meinem Heim. Aber man hat mich auch eingesperrt. „Vorerst Mal!“, wie die Frau Oberin gesagt hat und dabei hat sie mit den Augen geklimpert, mit den Mundwinkeln gezuckt, unaufhörlich, ist mir gar noch nicht so aufgefallen bislang. Ist das ein älterer Tick? Trinkt wahrscheinlich zu viel Kaffee, pappeln den ganzen lieben langen Tag, diese Schwestern, und dabei wird eine Kanne nach der anderen heruntergekippt, na klar.
Ah, was sehen denn da meine trüben Augen? Ist es zu fassen? Wer kommt da herein? Wirklich, eine dunkelhäutige, recht schwarze, oje offenbar neue Krankenschwester.
Hm!
Nicht schlecht!
Die Proportionen sind ungehörig. Wer hätte das gedacht, aber man lernt nie aus in seinem langen Leben. Also, rann an den Speck, Herr Schlecht!
Ob die wohl unsere Sprache beherrscht? Zuerst versuche ich es erst einmal mit Hochdeutsch! Wenn, dann können die ja nur diesen Dialekt, weil wo haben’S schließlich unsere Sprache gelernt?
„Sind Sie wohl neu hier?“
„Kann man wohl sagen!“
Oi –die Schule war die Straße, nicht schlecht! Sehr gut sogar. Wahrscheinlich eher war es das Federbett des ein oder anderen Volks...
„Rücken’S mal zur Seite!“
Die geht aber rabiat ran, mein lieber Scholli. Wenn die auch so im Bett ist, dann gute Nacht Weihnachtsmann! Dann kannst du einpacken mit deinen Geschenken!
Was macht die auf dem Klo?
O nein! Ich bin ja an einen Fahrzeug gebunden, was ist das hier? Aber nein, ich kann nicht mehr aufstehen. Hab’ich einen Schlaganfall gehabt, ’zefix! Nicht mehr erinnern kann ich mich! Was ist da nur passiert?
„Bis Morgen!“
„Bis Morgen, Fräulein!“
„Frau!“
„Frau Wie?“
Zack, schon hat sie die Tür geöffnet, geschlossen und zugesperrt.
Was mache ich nur, wenn ich mich nicht mehr bewegen, nicht mehr frei sein kann, herumlaufen, wie es mir gefällt? Aber zum Fenster hin komme ich bestimmt, wie ich merke. Den lästigen Vorhang weggezogen, direkter Blick auf den Garten. Aha, die bauen schon wieder. Da kommt doch mein junger Bekannter.
Dass der mir ja vom Hals bleibt! Ich ducke mich einmal lieber wieder weg!
Neonazis –tz! Laffen, jawohl, sind sie allesamt!
Aha, und schon wieder ist er verschwunden.
Na, jetzt bin ich festgenagelt! Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als den ganzen Tag auf den drögen Tümpel zu glotzen, oder was? Aha, da schwimmt ja wieder so ein Koi, Goldfisch, Rotbarsch, ähnlich wie der heimische Karpfen. Gib sie den Raubtieren, den fränkischen Hauskatzen oder den Aasgeiern zum Fressen!
Soll ich hier versauern mit Glotzen, Stieren und Vergucken auf vor sich hintümpelndes Brackwasser, in dem rote Fische im Schneckentempo ihre Kreise ziehen, damit ich darüber einschlafe? Einschlafe heißt hier sterben!
Vielleicht sollte ich doch wieder mit dem junger Schnösel, Stenz und Halbstarken Kontakt aufnehmen. Mann, der Kampf muss weiter gehen! Besser der Krieg muss am Laufen und Rollen bis zum Sieg sein... Legt einen Zahn drauf, ach was, zwei gleich! Der totale Krieg muss sein!
Werwolf voran!

Man hat mich wieder herausgelassen. Aber frei bin ich auch nicht. Seit dem Sprung mit dem Kopf gegen die Wand, überkommen mich öfter Schwindelgefühle. Außerdem kann ich mich nicht mehr so bewegen, wie ich möchte.
Ich sitze vorm Altenheim, habe zwar einen Rollator, sogar mit hohem Lenker, sitze also aufrecht wie ein Herrenmensch, ganz standesgemäß und wie es sich für mich gehört, jawohl!, nur halt mithilfe einer Prothese, beobachte die hin- und herhastenden Schüler vom Gymnasium nahebei, die nicht minder sich abhetzenden Fußball-Clubberer, Besucher des Heimes, auch unter Strom stehend, weil sie pflichtschuldigst ihren Verwandtenbesuch abhaken und - wie ich sehr ich sie alle beneide!
Natürlich, Stress, Tortur ist das, zeugt von einer gehörigen Portion Selbstzerfleischung, was die Sportler betrifft sogar freiwillig und freudig, aber gleichzeitig auch zeugt es von Freiheit! Jawohl! Freude durch Kraft, Kraft bringt Freude. „Zäh wie Leder, hart wie Stahl und schnell wie Windhunde“, ja! Und die Schüler: „Wer gehorchen kann, darf auch einmal befehlen“, ja!
Doch bin ich nur noch ein halber Mensch. Bestehe nur noch aus Medikamenten, Prothesen und sonstigen Hilfen, kaum mich kaum mehr selbstständig fortbewegen. Ich bin am Ende.
Aber ich muss kämpfen, und ich werde kämpfen, ich spüre noch so viel Unrast in meiner Brust, nur weiß ich nicht mehr, wohin damit. Besser noch, ich habe Angst und Panik, ich kann meine Rastlosigkeit nicht mehr in die rechten Bahnen legen, lenken, führen, nämlich in den Kampf für mein Volk.
„Meine Nation ist die Halluzination!“
Natürlich, Willi wieder, dieser renitente Arsch von Mensch! Kommt mir gerade recht in meinem deprimierten Zustand, hat mir der Himmel geschickt und dem schütte ich jetzt eine Fuhre Scheiße über. Da kann ich mich ein bisschen entladen, jawohl!
Ich wende mich ihm frontal zu, baue meinen Schädel vor seinem auf und durchdringe ihn mit meinen stechenden Augen.
„Was murmelst Du für einen Scheiß“, schreie ich ihn an.
Aber was ich da sehen muss, lässt mich sofort zurückfahren. Welch ein Häufchen Elend, die Augen wässrig und verschwommen, als ob er schon das Nichts erblicken würde. Ja, er steht schon mit einem Bein im Jenseits, im Nirwana (Neffe), im Tod.
Meine Fresse, der baut vielleicht etwas von ab!
„Geht es Dir gut?“
„Oja! Bestens! Obwohl ich in letzter Zeit immer mehr schwächle, ich merke es. Akzeleration der Ekzeleration oder so ähnlich!“
„Wie bitte?“
Er spricht wirklich, wie wenn er jedes Wort zweimal abwägen würde, etwas langsamer als sonst.
„Äh, ich meine, meine Verlangsamung beschleunigt sich, wörtlich heißt das: Beschleunigung der Verlangsamung des Denkens, Fühlen...“
„Mann, Willi, wir brauchen Dich doch noch. Denk an unseren Kampf! Noch haben wir nicht gewonnen!“ Ich schüttle Willi an den Axeln, aber er stammelt weiter unverständliches, unsinniges Zeug. brabbelt daher und ich bekomme Angst, weil ich mich plötzlich so allein fühle.
„Nur ein Patriot ist ein Idiot!“
Ich höre am besten nicht mehr hin. Das steckt an, mit Sicherheit. Bist Du dauernd mit Menschen zusammen, deren jeder zweite Satz lautet; was wollte ich wieder sagen oder was habe ich gerade gesagt oder wie lautet wieder das Wort oder jetzt ist es mir entfallen undsoweiter, dann fängst du auch an, vergesslich zu werden. Alzheimeritis zu kriegen, da hilft keine Medizin, kein Antibiotikum gegen, nein.
Oh, was sehe ich da, da kommt ja meine afrikanische Gazelle dahergesprungen, da strafft sich meine Brust und mehr, da fühle ich mich gleich wie ein Mann, gefangen in einem Biotop oder wie das heutzutage wieder heißt: Biotop ursprünglicher Daseinszustände, paradiesisch, wie bei Adam und Eva.
Aber, auf welche Gedanken man kommt, wenn man trübsinnig wird...
Wie sie so daherschreitet, -springt, tanzt, da ziehe ich sie aus, reiße ihr die Kleider von ihrem molligen Körper, Augen-Sex hat mal mein Neffe gesagt, nennt man das, sie spürt’s, ich merk’s, da kann mir keiner etwas weismachen, die Frauen merken es sofort, werden aggressiv oder genießen es.
Die Afrikanerin – sowieso! Normalerweise. Soweit ich weiß. Nur bei dieser da tappe ich im Dunkeln. Weder wütend noch erregt, reagiert sie. Was ist mit der eigentlich los? Hinter ihr Geheimnis muss ich kommen, Mann.
„Tschüss Willi!“
„Tschau, A...“
Räusper.
„Ist schon gut.“
Ich gehe rasch auf die Jagd und auf die Pirsch hinter der afrikanischen Busch- und Steppengazelle her!

Zurück zu „Texte“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Google [Bot] und 52 Gäste