Sein letzter Kampf XVII

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Pentzw
Kalliope
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Sein letzter Kampf XVII

Beitragvon Pentzw » 16.05.2017, 11:02

Plötzlich sah sie einen anderen Bekannten und ihre Reaktion war starkes Glasschwanken.
Nichts passiert.
Heute gaben sich aber die exotischten Vögel die Ehre.
Wobei hier, bei diesem Neuhinzugekommenen, dieser Vergleich allzu sinnfällig war. Sein Gesicht, die Neugierde, die es ausstrahlte, erinnerte sie an einen bekannten Vogel aus ihrer Heimat. Es kommt bei vielen Menschen vor, dass sie aussehen wie Vögel, wenngleich sich das, in der Kultur der Weißen, äh, zivilisierten Welt angesprochen, als ziemlich ungehörig und tabuisiert anhörte. Menschen mit Tieren, insbesondere Vögel zu vergleichen.
Was soll’s? Dieser Herr war einfach ein Malibu.
Er arbeitete für eine Datenbank-Firma, die sich damit beschäftigte, Daten zu sammeln und auszuwerten hinsichtlich der sich entwickelnder Konjunktur in mehr nächster als langfristiger Voraussicht und Perspektive.
D e r Zukunftsindikator der Industrie: Daten von gestern.
Wie sollte man sich diesen Aberglaube erklären, staunte sie immer wieder, obgleich sie Aussagen über die Zukunft bisher als Scharlatanerie, Voodoo-Zauber und Hühnerblut-Auguren-Getue abgetan hat, veraltete Methoden und Verhaltensweisen aus dem rückständigen Afrika.
Aber hier im fortschrittlichen Westen? Schon erstaunlich. Aber, na ja, was will man schon über den Westen Positives sagen, letztlich? Der kocht auch nur mit Wasser und hext auch nur mit Stäbchen.
Sie nahm erneut einen Schluck.
Natürlich las man hierzulande die Zukunft nicht im Hühnerblut ab, sondern, noch merkwürdiger, obskurer, abstruser etc. pp., in abstrakten Zahlen, in Buchstaben und Ziffern. Dieser Zahlenglaube. Einen Moment dachte sie an einen sehr bekannten Science Fiction Roman, wo die Weltformel, oder Gott, das Geheimnis aller Dinge als eine Zahl präsentiert wird.
Typisch!
Abstrus!
Wie heißt das Wort: hirnrissig!
Die Parameter Statistik und Voodoo waren letztlich die gleichen.
Was Gestern war, wurde beäugt und ausgewertet und daraus Tendenzen gezogen und vorausgesagt, davon die Prognose abgeleitet und aufgestellt, wie es künftighin weitergehen wird. Ist das Blut heute roter als üblich, wird es heißer, so auf die Art.
Sie verzog hämisch das Gesicht und wollte der Entlarvung ihrer Gedanken dadurch entgehen, dass sie sich wieder das Glas an den Mund führte. Nicht, dass am Ende auf die Idee kam sie zu fragen: „Was denken Sie denn gerade?“ Und tatsächlich, der Herr neben ihr glaubte etwas bemerkt zu haben. Allerdings aus völlig falscher Perspektive heraus.
„Nett, dass sie sich freuen, mich zu sehen!“
Sie dachte sarkastisch, er kommt sich obendrein noch als Gedankenleser vor, neben all seiner hohlen Selbstgefälligkeit. Ob es einen Zusammenhang gab zwischen Karriere und Selbstüberschätzung. Sie dachte gerade an einen Spruch, den sie letzthin im Klo gelesen hatte: Lieber ein kleines Etwas, als ein großes Nichts. Sie stöhnt, verzögerte ihre Antwort, das der andere wiederum auf sich, auf seinen coolen Spruch bezog. Soll er doch!
Im mechanischen Tonfall kam es denn:„Warum?“
So leicht einzufangen war sie auch nicht. Des anderen Lachen bildete eine Querfalte über die ganze Gesichtshälfte. Sie verzog dazu keine Miene und ließ sich zu keinem auch nur annähernd als Höflichkeit gedachten Gesichtszug hinreißen.
Er lachte erneut, erstarrte in seinem Lachen gar. Aus Verlegenheit, weil er sie glaubte zu kennen, meinte er, sie spaße. Er denkt, denkt sie, er glaubt meine Späße bereits zu kennen. Lass ihn in seinem Glauben!
„Ich habe es deutlich gesehen. Sie haben gelächelt, als sie mich erblickten!“
Sie lächelte unwillkürlich. Shit, dass hätte sie nicht tun sollen.
„Sehen Sie! Ich hab’s doch gesagt!“
Eitler Maribu!
Typisch für diese Vögel, insbesondere, wenn sie sich in der Balzzeit befinden, dass sie sich mit ihren Gefieder aufbauschten. Auch beim sogenannten Pfau war das ja sogar sprichwörtlich im Deutschen. Na ja denn. Soll der Pfau sich freuen. Bald ist das eitel Tand!
Sie sagte etwas Untypisches, wenn nicht gar Unverständliches so in etwa: „Hm-ja-nein!“
Das rang ihrem Gesprächspartner erneut ein Lächeln der Gewissheit ab. Ihm erschien es bestimmt als gewinnend.
Sie drehte sich um, nahm ein Häppchen Käse-Quader und wollte es sich galant beim Umdrehen gerade in den Mund stippen, als sie es sich anders überlegte und in ihrer Bewegung und Stellung innehielt. Das war ein Affront dem anderen gegenüber, jemanden die kalte Schulter zu zeigen, gewiss. Aber sie hatte ohnehin nichts zu verlieren.
Unterdessen, damit war zu rechnen, hatte der andere große Augen gemacht über diese gesellschaftliche Unverschämtheit und dann hastig umgedreht, um sich in dem Menschengewühl zu verlieren.
Wahrscheinlich aber auch hätte er so schnell nicht locker gelassen und sich bestimmt zur Angesprochenen hingewendet, einen Bogen um sie zu beschreiben, um weiter in seinem eitlen Werben fortzufahren. Aber eine dritte Person war hinzugetreten. Gewiss , war das der Ausschlag gewesen, sich abrupt abzuwenden.
Denn kaum, dass e sie in diesen Kreisen einmal in ein Dreiergespräch verwickelt wurde, wenn es nicht sein musste, denn hier rannten die Damen und Herren vorher schon davon, als müssten sie dem Teufel selbst aus dem Weg gehen. Sie schienen nur sicher und stark zu sein im Zwiegespräch. Dreier-, Vierergespräche ansonsten waren für sie opportun, wenn es sich um etwas Sachliches drehte.
Diese Herrschaften begegneten sich zwar nicht offen spinnefeind, aber waren sich doch neidvoll bis eifersüchtig abgeneigt, sobald sie eine Gesprächspartnerin „teilen“ mussten. Dabei fand sie überhaupt nichts daran, sich auch zu Dritt, zu Viert, zu Fünft zu unterhalten. Aber hier war dieser alles beherrschende Besitzanspruch bis in die menschliche Kommunikation hinein beobachtbar!
Westler!
Europäer!
Widerlich!

Wer war diese Person, die auf sie zusteuerte?`
Oh, nein, es erschien vor ihr eine Frau, die man gut hätte mit einer x-beliebigen anderen Person auf der Straße verwechseln können, hätten diese mittlerweile nicht alle ein goldenes Toupet getragen, weil deren Haare bereits grau geworden waren, aber die billigere Variante des henner-rot-Färbens wurde als nicht standesgemäß abgetan. So, Respekt, verzichtete diese Frau hier auf jegliche Maskerade der modernen, reichen Welt und trug ihre grauen Haaren offen und ohne falsche Scham zur Schau.
Darüberhinaus, das Fehlen eines Abendkleides war auch verdächtig und außergewöhnlich, keine Gala-Schamotte, kurzum nichts Auffälliges an ihr war feststellbar, kein Gold, kein Tand, keine Extravaganz, um entweder zu blenden oder von der Wirklichkeit abzulenken, nur ihre Schlichtheit, ihre Verlebtheit gar, und oje, ihr Alter, nichts übertüncht mit einem dicken Make-up.
Ja, alle Achtung!
Zudem ihre Resolutheit, die überwältigte, zumindest am Anfang ihres Kennenlernens!
Aber dies war für sie mittlerweile vorbei. Heute hatte sie nichts mehr als ein müdes, verächtliches Lächeln angesichts dieser Erscheinung übrig.
Und, zweites gesellschaftlicher Fehltritt und Provokation heute, der Exot drehte sich erneut um 90 Grad und verschwand in einem Bulk von Menschen, einen Menschenansammlung, die sie vor dieser Frau schützte, bewahrte und verdeckte. Man kann sich leicht das erstaunte Gesicht dieser Frau vorstellen, das sie aber gut wusste zu überspielen, indem sie sich an dem weitläufigen Buffett schadlos hielt.
Der Exot lief weiter und weiter, schlängelte sich durch parfümierte Anzug-Träger, Von-der-Stange-Menschen, typisierte Normalst-Personen, obwohl sich diese selbst als außergewöhnlich und elitär verstanden.
„Manchen sind gleicher als gleich!“, erinnerte sie sich an so einen Spruch, der nur allzu wahr war.

Dann wurde sie wieder von ihren Gedanken, ihren quälenden, eingeholt, die Motive und Gedankenkreise bildeten, weswegen sie hier war, weswegen sie hier war bewehrt mit einem Sprengstoff-Gürtel.
Wie zu Rechtfertigung kamen ihre folgende Überlegungen, als führte sie gerade ein Gespräch, eines, das sie schon Tausende Mal absolviert hatte: dieses saudumme Geschwätz mit den „Sicheren-Dritt-Ländern“, Alibi-Argument für die Lieferung von Waffen in selbst nichtdemokratische Ländern, die jederzeit umkippen konnten in eine waffenstrotzende, Nachbarn überfallende und bombardierende „Wehrmacht“.
Aber nein, Sicherheit, Notwendigkeit der bewaffneten Selbstverteidigung...
Wirklich lange genug hatte sie darüber nachgedacht, bis sie zum Ergebnis kam: Politiker sind die Huren der Waffenlobby, bemüht, sich an jedem und allem zu verkaufen, um zu überlegen, besonders die Berufspolitiker, die nichts anderes kannten als die Poltik, bereits in ihrer Jugend in die Partei eingetreten waren und nun panische Ängste ausstanden, nicht mehr wiedergewählt zu werden. Sie hatten dann ja keine Perspektive. Das waren die Allerschlimmsten!
Und zudem dieses Geschwätz heutzutage von den Populisten, von denen sich diese edlen Ritter der Politik abgrenzen wollten. Als ob Politiker, wie in diesem Wort bereits drinnsteckte, nicht sui generis Populisten sein würden. Sie mussten es doch sein, wenn sie Vertreter der Wähler oder Wählerschaft sein wollten, würden sie so andererseits nicht wiedergewählt werden. Schließlich? Nichts gelernt, nichts können, nichts wissen – ade du schöne Pension und im Mittelpunktstehen sie bewundernder und umschleimender Mitbürger.
Nein, Politiker in der Demokratie konnten es sich nicht leisten, nicht Populisten sein zu müssen. Diktatoren vielleicht, ha, aber keine Demokraten!

Töne wie Maschinengewehrsalven erfüllen den Raum mit Schallwellen.
Der Ordinarius tritt ans Mikrophon, ergreift sich dieses mit seiner Hand wie einen Phallus, bläst, spuckt und räuspert da hinein, während er es dreht und wendet wie einen Kreisel. Es mutet eher wie ein Zeremonie oder ein Ritual an anstatt eine technische Notwendigkeit, allein, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Es war schon ein bisschen übertrieben, was für sein Selbstimage kaum schlimm sein durfte, sein Publikum muss schließlich aufgeweckt werden, wenn er kommt.
Und sofort auch entsteht wie immer Gemurmle und Geraune, wenn jemand abrupt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit ungelenkt tritt, verschärfend kommt hinzu, dass es sich dabei um dieses Exemplar der Universitäts-Verwaltung handelt, der auf besondere Weise bekannt und der Lächerlichkeit preisgegeben ist. Besonderes Merkmal, kein Wissenschaftler zu sein, sondern nur eine diplomatische Laufbahn angetreten zu haben, bleibt es ein Rätsel, weswegen er ausgeschert und an eine so hohe Stelle postiert worden war.
Das Gekichere entsteht daher, dass er gerne selbst breitlächelnd in der Runde herumerzählt, ohne sich dessen in den Augen der anderen spiegelnden Lächerlichkeit bewusst zu sein, als Botschafter in einem afrikanischen Land jedes Jahr die versprengte, kleine Anzahl von Deutschen dort zum alljährlichen Oktoberfest in die Botschaft eingeladen zu haben.
Hätte man ihm mit den klammheimlichen Spott, Häme und Reaktion der ansonsten sachlich-orientierten Universitätsmitglieder von der untersten Riege bis zu seinen auf gleicher Hierarchiestufe stehenden Kollegen konfrontiert, hätte er kaum nachvollziehen und begreifen können, was an seinem besonderen Verhalten hätte komisch, schmunzelnswert, ja nahezu lächerlich sein können, so fest verankert war er in seinem Heimatdenken, die führwahr in den Augen der anderen auf keine Kuhhaut passte.
So jemanden einen derartig hohen Posten belegen zu lassen, konnte einfach nur an einer bayerischen, sogenannten Eliteuniversität möglich sein, witzelte höhnisch das Kollegium, besonders die sogenannten Nordlichter, diejenigen, die von außerbayerischen Institutionen kamen, neben den Nordler unterdessen auch die aus dem Osten dieser Republik, was kurioserweise eine Verschwisterung und Solidarisierung zwischen Wessis und Ossis gegenüber den bornierten bayerischen Wessis zur Folge hatte.

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