Der ultimative Heimatkrimi - Roman von Verbrechern wider Willen

In diesem Forum kann sich jeder mit seinem Text der Kritik des Publikums stellen. Selbstverständlich auf eigene Gefahr ...
Pentzw
Erato
Beiträge: 889
Registriert: 11.04.2011, 19:59

Der ultimative Heimatkrimi - Roman von Verbrechern wider Willen

Beitragvon Pentzw » 11.05.2021, 18:33

1. Plötzlich ändert sich alles...
Weiße Blitze wie Supernova fläschten durchs rot-schwarze Nichts. Fasziniert davon ruhte ein Kopf mit geschlossenen Augen auf der Sitzstütze seines Mercedes-Benz-Cabriolet.
"Kree...", ein sich ziehender Laut. Bekannt!? Ja, aber momentan nicht zuortbar, momentan aber auch so etwas von egal, total egal - der mit diesem Schauspiel im Kopf will sich nur dem lustvollen chaotischen Galaxie-Inferno hingeben.
Unterdessen öffnete sich das Cabriolet-Verdeck unaufhörlich, das die Beifahrerin durch versehentliches Berühren des Schalters auf der Mittelkonsole in Gang gesetzt hat. Sie fuhr natürlich nicht, genausowenig wie der Fahrer des Fahrzeugs, war aber alles andere als passiv, denn sie bearbeitete ihn sehr aktiver Art und Weise mit Mund und Hand den Schniegel desselben.
Dem Verantwortlichen und Besitzer des Autos war alles egal.
Ein kühler Luftzug erfrischte seine nackte Haut, aber egal, dachte er, mit Gaffern ist kaum zu rechnen, am Abend jetzt. Denn er hatte endlich kapiert, in welcher Lage er und seine Mitfahrende sich befanden. Er wollte jetzt einfach seinen Orgasmus vollkommen auskosten, außerdem konnte er momentan eh nichts tun - bis das Verdeck richtig offen stand, war es unbeeinflußbar.
"Um so besser. Vielleicht können wir den Film als Porno ins Internet stellen! Gegen Geld, verstehst!"
Stimmen, die er auch nicht wahrnahm.
Weiterzu blitzte es in seinem buntem Blickfeld, trotz dem er langsam herunterkam, sich beruhigte und alles wieder nüchterner wurde.
"Geh näher hin Mann, oder zoom ihn zumindest!"
"Mach ich, mach ich, Mann!"
Schlagartig öffnete der Fahrer die Augen und war geblendet von einem rotblinkendem Licht.
„He, nicht aufhören, Mann! Kamera läuft!“ Ein dreckiges, lautes Lachen dazu.
Der Mann kapierte, sie wurden gefilmt, mit einem Camcorder, schon länger, gerade als sie sich frei und schamlos wie hinter vier Wänden verhalten hatten.
Er stößt die Frau abrupt weg und hebt schnell den Schoß, um seinen Reißverschluss zuzubekommen. Die Frau hat jetzt auch diese Umstände bemerkt und reibt sich hastig mit einem Taschentuch den schleimigen Mund ab.
Der Kameramann filmt und filmt und lacht dabei freudig und dreht seinen Kopf immer wieder nach hinten, da jemand über seine Schultern sieht.
Tatsächlich, ist der Kameramann blond, schlank und hochgewachsen, ist dieser andere deutlich dunkler, breiter und kleiner. Während sich jener vor Lachen und Freude nicht mehr beruhigen kann, schwieg jener ungerührt und beobachtete mit eisigem Schweigen das Szenario. Dazu funkelten aus dem düsteren Hintergrund eiskalte Augen.
Drogenabhängige?
Gut möglich, in des Blonden Mundwinkel hängt eine Zigarette, an der er fortgesetzt und nervös nuckelte - ganz stereotyp wie der Gauner in einem zweitklassigen Hollywoodfilm.
Sie befanden sich auf einem Parkplatz des Bezirkskrankenhauses. Dem Fahrer, der dort als Arzt tätig war, war bekannt, dass dieses einen Kontrakt "Abteilung für Drogenentzug und Rehabilitation". besaß.
Hatten Personen Ausgang? Waren einige stiften gegangen? Hatten diese zwei vielleicht einen Drogenentzug abgebrochen?
Im letzteren Fall müßte mit dem schlimmsten gerechnet werden. Junkies konnten sich in Bestien verwandeln, drogenabhängige Kriminelle zu wahren Sadisten mutieren, bevor sie in den Bau einfuhren. Fühlten sie sich in die Enge getrieben, zumal wenn sie fliehen wollten, mußte mit allem gerechnet werden.
Unwillkürlich griff der Arzt an seine leicht ausgebeulte vordere Jeanstasche, in der 1000 Euro steckten. Das hätte er nicht tun sollen! Das war unvorsichtig, gedankenlos, leichtsinnig. Aber die Panik.
Reflexartig schnüffelte eine Kokainnnase, nervös flatterte ein Augenlid wie eben bei Junkies, Kleinkriminellen und Gaunern, die sofort Unsicherheiten rochen wie andere Stuhlgang. Oft genug steckten sie in Situationen, wo jede falsche Bewegung eine Todesurteil gewesen wäre. Zum Beispiel hier: griff der Mann in seine Hose nach einer Pistole?
Der Bulle tritt sofort aus der schwarzen Wand heraus zur Fahrereseite hin. Ein silbernes, kleines Messerchen um die Brust pendelte dabei hin und her, schwer erkennbar in dieser Düsternis, es hätte auch der Halbmond sein können.
Der Arzt hatte zwar die Hände sofort wieder zurückgezogen und so zerstreut über den Jeansstoff gestrichen, als gelte es, nur Fusseln abzustreifen, aber zu spät, dieses Händegefuchtel machte ihn verdammt verdächtig.
Des Bullen Blick fiel auf die leicht ausgebeulte Hosentasche.
Glitzernde Angstperlen bildeten sich auf der Stirn des Fahrers. Er hatte sich gut in der Hand: Steif und starr wartete er auf die Dinge, die da kommen mochten.
Bei der ausgebeulten Tasche handelte es sich um einen Batzen Geld. Das Mietgeld seines illegal vermieteten Hauses. Der Mieter seines zweiten Hauses, ein griechischer Restaurantbetreiber, bezahlte seinen Zins allmonatlich und bar in seine Hand.
Nun schien es, als würde er dafür bezahlen müssen. Allerdings teurer wie beim Staat.

auch unter diesem Titel "Verbrechen wider Willen" auf ebook erschienen
pentzw.homepage.t-online.de
pentzw@web.de
alle Rechte inklusive Copyright an Autor/Künstler/mich

https://www.amazon.de/Verbrechen-wider- ... B09VPNFYHX

Pentzw
Erato
Beiträge: 889
Registriert: 11.04.2011, 19:59

2. Auch die Armen wollen ihren Anteil...

Beitragvon Pentzw » 14.05.2021, 12:23

Im Mercedes-Benz-Cabrio baumelte ein für die Fremden eigenartiges Emblem.
Blondy schaute es sich näher an, wobei er ziemlich nah mit seiner Nase ran kam.
Ein Stab, um den sich eine riesengroße Schlange schlägelte.
"Igitt!" Blondy wich zurück.
"Welcher Sekte gehörst Du an, eh! - Schau Dir mal dieses eklige Zeichen an. Der ist doch nicht ganz sauber hier, der Mercedesfahrer!" Der Bulle grunzte mißmutig.
"Wir, ich, ich...", stammelte der Besitzer, "bin Arzt. Deswegen dieses Zeichen."
"Hä?"
"Alle Ärzte haben solch ein Zeichen, zum Erkennen, zur Identitäts... Wir, wir Ärzte schwören darauf!"
"Aha, lag ich gar nicht richtig. So ein Sektenemblem. Schau mal, schau mal."
Aber der Bulle war doch ein stückweit gescheiter: "Mensch, kapierst Du nicht, das ist ein Arzt, ein Doktor, ein Mediziner..."
"Ah so! Von mir aus."
Blondy war wenig beeindruckt, denn er kam schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück: "Der Medizinmann verbirgt auf jeden Fall etwas!"
Bulli reagierte. Er wendete den Blick auf die ausgebeulte Hose. Griff zu. Spürte etwas, was ihm schnell klar ist, was es ist. Eine beglückte, hohe Stimme, die man ihm nicht zugetraut hätte, drang aus seiner Kehle: "Ein Bündel Papier, sprich Scheine, Blüten, Moneten sind das." Sofort wird seine Stimme wieder Bass: "Und nun Männchen, rück mal mit die Piepen raus! Aber dalli!“
Dazu machte er eine flache Hand. Der Arzt zögerte nicht lange, nestelte auch nicht umständlich herum, denn eine Sekunde später schon reichte er ihm das Bündel gefaltete Papiere hin.
"Schaun mer mal, was Ärzte so verdienen!“
Der Bulle machte aus seinen Prangen spitze Finger und fischte einen umbrabraunen Euroschein hervor. Der andre, Blondy, warf sofort die Zigarette auf den Boden, schrie: "Mensch, lass mal sehen!"" und stürmte um die Karosserie herum, ergriff sich den Schein und hob ihn in die Luft: „Was ist denn das für ein wunderbares Ding, he? Wau.“ Mit der anderen Hand kratzte er sich ungläubig seinen Schädel.
Ein Tausend-Euro-Schein flatterte im lauen Abendwind. Unglaublich!
Der andere lächelte längst nicht mehr und war schon wo ganz anders, bei etwas, was ihn nun völlig beherrschte und ihn den Sinn und Atem nahm: die milchig-gelbe Hautfarbe im Beifahrersitz des Cabriolet, die eine Schulterpartie freigab, um die über die Achseln BH-Träger verliefen.
Speichel schoß in seinen Mund und er leckte sich die Zunge über den Mund.
Davon bekam Blondy natürlich nichts mit, denn er war noch immer in Unruhe versetzt wegen des Funds. Und zu recht!
Das bewies er sogleich mathematisch-klar: „Weißt Du, wie lange ich hierfür Flaschen sammeln muss?“
Gleichzeitig warf er einen vernichtenden Blick auf dem unter ihm sitzenden Geldsack.
Lange Stille – zum Nachdenken – zum Nachrechnen.
"Jahre, Jahre, kann ich Dir sagen, Jahre!“
Wobei er sich jetzt mit dem 1000 Euroschein ein paar Mal um sich selbst drehte, bis er abrupt innehielt und wieder drohend und bohrend auf den Arzt niederblickte und verkündete: „Das kommt mir jetzt gerade Recht. - Nachdem ich ins Krankenhaus eingeliefert worden bin und pro Tag 10 Euro zu zahlen habe. - Mann, ja, das habe ich! Trotz propagierten Sozialstaat. He, wo bleibt er, wenn man krank ist? Dann zeigt er seine Fratze, he: bezahlen musst Du fürs Kranksein, he! In ihrem verfickten Krankenhaus pro Tag 10 Euro! He!“
Der Chefarzt fühlte sich beschämt. Peinlich aber war ihm nicht dieser Umstand, der wahr sein mochte, sondern wegen des geringen Geldbetrags. Was sind schließlich schon 10 Euro, was sind 100 Euro? Bei 10 Tagen Aufenthalt. Und überhaupt!
So viel Armut war ihm hochnotpeinlich. Verlegen schaute er seine Partnerin an. Diese seine Mitgefangene, eine Krankenschwester seines Hauses, in dem er angestellt war, blickte nur starr drein: offenen Auges stand ihr das Entsetzen im Gesicht und in den Augen die vage Angst um ihr Leben.
Klar, bei der fand man außer guten, sterilen Sex keine anderen Gefühle, dachte er sich. So fühlte er sich hier als einziger angeklagt, als hoher Vertreter solcher Institutionen, die nicht davor zurückschreckten, selbst armen Kranken noch den letzten Heller und Pfennig aus der Tasche zu ziehen. Zur Peinlichkeit der Umstände, der Hilflosigkeit seiner Lage fühlte er sich nun zudem am Pranger stehen.
„Na, los Daktari, sprich. Wie stehst Du dazu?“
„Tja, ich weiß auch nicht!“
Er fand keine Worte. Geldnot kannte er nur vom Wort her.
„Hört Euch den Daktari da an. Sahnt ab von den Kranken Gelder, was das Zeug hält, und wenn man ihn darauf anspricht, meint er:“ Blondy äfft den Arzt nach: „Ich weiß auch nicht!“
Blondy wurde jetzt richtig wild und schoß unerwartet schnell mit seinem Kopf über den Volant ins Coupé hinein, mit seiner Nase und seiner bedrohlichen Stirn kurz vor des Doktors Kopf verharrend. „He, Doktor, warum?“
„Ich, ich bin auch nur ein kleines Rädchen im Getriebe.“
Dem Arzt rollten inzwischen die Schweißperlen von der Stirn.
„Das sagen sie alle!“, und Blondy zog sich wieder zurück in aufrechter Körperhaltung. Verächtlich zu Blacky gerichtet, spie er aus: "Ganz ist ganz schön hohl, der Arzt hier!"
Steckte sich wieder eine Zigarette an.
Dann ratterte er aber sofort wieder weiter: „Und letzthin. Einweisung ins Klinikum. - Krankenkasse hat mir die Fahrkosten zugesagt. Ich also ein Taxi genommen, dem Taxifahrer den Erlaubnisschein von der Krankenkasse gegeben und ab in die Klinik. Nun kommt heute ein Schreiben vom Taxiunternehmer, dass ich die volle Kosten der Fahrt von 40 Euro zu zahlen habe. Die Krankenkasse weigert sich, trotzdem sie eine Verordnung zur Fahrt herausgegeben hat. Das mich das nicht davon entbindet, wie sie sich ausgedrückt haben, auch für Taxifahrt-Kosten zu zahlen, haben sie mir natürlich nicht vorher mitgeteilt, diese Bande. Da hast Du den Salat!“
Blacky nickte weise, wissend und betroffen mit den Kopf, noch immer von der lilienweißen Haut der Krankenschwester in den Bann geschlagen: „Mann, da bist Du nicht allein!“
Der Arzt weiß auch nichts dazu zu sagen, um Papierkram kümmert er sich so wenig wie möglich, denkt, dass der Patient gutgetan hätte, eine Kopie von der Krankenhaus-Verordnung anzufertigen zu lassen, um sie bei der Krankenkasse einzureichen, aber solche Leute haben a) keinen Kopierer und b) stehen sie derartig unter Druck und leiden meist derartig unter Geldnot, dass ihnen selbst die Kosten fürs Kopieren zu hoch sein dürften, bildeten sie sich wenigstens ein, so dass sie's sein lassen. Wenngleich sie ohnehin meist so vertrauensselig sind, dass sie nicht daran denken, sich durch eine Blaupause abzusichern. Sie rechnen nicht mit der Kleinlichkeit, Missgunst und Engstirnigkeit der Bürokraten. Viele von diesen zieren sich ja, als ginge es bei den zu vergebenden Zuwendungen, Unterstützungen und Leistungen um ihr eigen Hab und Gut. Als ob dies Erkenntnis nicht schon Allgemeingut geworden wäre und jeder darauf erpicht sein mußte, sich gegen die Verwaltungs-Fallen vorzubeugen?
Er schüttelt ratlos-verhalten den Kopf. Beißt sich auf die Lippen. Wagt keine Antwort zu geben.
„Und woher hast Du eigentlich die 1000 Euro, Mann!“
Der Arzt weiß, reden hat keinen Sinn.
Blondy merkt das und schleudert ihm die Antwort ins Gesicht: „Bakschisch, Mann, gib's schon zu! Du hast eine Sonderbehandlung eingelegt, beim einem Geldsack, he! Hast ihm vielleicht ein seltenes Herz, Niere oder Leber verpasst und der hat Dich für diese Extrabehandlung diese Schmiere zugesteckt, ist's nicht so?“
Der Arzt rührt keine Wimper, keine Lippe und kein Glied. Aber er spürt die salzigen Schweißperlen, wie sie über seine Lippen rinnen.
„Mir brauchst Du nichts vorzumachen, mir ist klar, was mittlerweile falsch läuft im Staate Dänemark!“
Blacky: „Dänemark?“
„Das sagt man halt so!“
„Hä?“
„Statt Deutschland sagt man Dänemark. Irgendetwas ist faul im Staate Dänemark, so sagt man!“
„Wieso sagt man das, wenn wir hier im korrupten Deutschland leben, he! Willst Du mich verarschen?“ Er macht die Bewegung des Zu-allem-Bereit-Sein, nämlich selbst zu einer Handgreiflichkeit. Dabei bilden seine Hände Fäuste.
„Ist ja egal!“
„Mir aber nicht! Ich laß mich nicht verarschen. Also, warum?“
„Mann, weiß ich auch nicht. Hab's halt irgendwo gehört.“
„Achso, und Du weißt nichts besseres, als solch einen Blödsinn nachzuplappern!“
„Du hast's erfaßt!“
„Für so dumm hätt ich Dich aber nicht gehalten!“
„Ja, ich mich auch nicht!“
„Hä!“
„Ist gut, Mann. Von mir aus: es ist etwas faul im Staate Deutschland! Gut so?“
„Ja, das brauchst aber nicht extra zu betonen. Das weiß ja wohl mittlerweile ein jeder, Mann!“
„Da hast Du verdammt recht, Mann!“
„Na also, sag ich doch!“ Und Blacky begibt sich wieder in Entspannungs-Modus, macht einen tiefen Schluck aus der Aufputsch-Drink-Dose und schielt wieder auf den verlockenden Wildfang im Cabrio.
Blondy wendet sich indes erneut dem Arzt zu, versucht dessen Gedanken zu lesen, erkennt aber keine in dessen Gesichtsausdruck, allenfalls Angst und Panik. Das ist ja immerhin ein Zeichen dafür, daß die Mauer wacklig und brüchig geworden ist, gegen die er geprescht ist. Befriedigend, aber nicht genug. Er nuckelt an seinem Glimmstengel wie an einem Babylutscher, dann schnellt er mit seinem Kopf wieder vor - nah bis wenige Zentimeter vorm Arztkopf.
„Seitdem wir mit sechzehn in der Scheißmaloche stecken, hat man uns gesagt: Sozialbeiträge fürs Alter entrichten. Hä! Wofür? Für den Sozialstaat. Wo ist er denn jetzt? Wo, wenn man ihn braucht? Dann, wenn man in der Scheiße sitzt? Ans Alter dürfen wir gar nicht denken. Werden es sowieso nicht! Steckst Du aber in der Scheiße, dann hilft Dir keine Sau. Bezahlen heißt es jetzt wieder. Blechen, dass man krank sein darf, dass man ärztlich versorgt wird, im Krankenhaus behandelt und operiert. Aber wehe, Du wirst krank, dann überlegst Du Dir es zweimal: lass ich mich einweisen oder nicht, oder besser, kann ich es mir noch leisten oder nicht? So sieht's aus!“
Wieder nuckelt er an seiner Zigarette, fischt sich aus seiner Tasche eine Schachtel mit Pillen und wirft sich ein paar ein.

Pentzw
Erato
Beiträge: 889
Registriert: 11.04.2011, 19:59

3. Nichts ist zu hoch, wenn man unten liegt...

Beitragvon Pentzw » 16.05.2021, 12:40

Blacky flüstert Blondie etwas ins Ohr.
„Bei dem ist mehr zu holen! Denk nur mal an die Fotos, äh, die Aufnahmen, die wir haben.“
Blondy denkt einige Sekunden angestrengt nach, bevor er bedächtig grinsend nicken kann.
„Kapiert!“
Aber klar, diese Bilder sind Gold wert. Und klar, es ist kaum anzunehmen, daß diese geile Schwanzlutscherin seine Ehefrau ist. Wo gibt's das, daß Ehepaare in ihren piekfeinen Autos Sex miteinander haben? Dazu haben sie ihre großflächigen Schlafzimmer- oder lila-blaß-blauen Himmelbetten.
Die beiden werden jetzt eilgst dazu aufgefordert, das Auto zu verlassen und die Geiselnehmer präsentieren sich damit deutlich.
Blondy hat dünne, strähnige Haare, die ihm ungekämmt in Stirn und Gesicht hängen, während er eine richtige große Tonsur hat, fast eine Platte - ungewöhnlich für so einen jungen Kerl. Sein wildes Erscheinungsbild ängstigt unversehens, könnte ein derartig ungewöhnlicher Haarausfall dort, wo das dafür zuständige Organ ruht, doch Zeichen eines Psychopathen sein.
Aufgrund des anderen borstigen Dreitagebarts in einem kugelrunden, großen Schädel ist von diesem zunächst nur Augen und Stirn zu sehen, dann aber fällt die platte Nase mit zu großen Nasenlöchern auf und dessen Stirnnackigkeit, da der Kopf übergangslos in die Schultern hineingeht, sprich kaum einen Nacken sehen lässt. Sein Anblick ist aggressiv, wütig und verhalten explosiv und Zuckungen an Händen und Armen offenbaren seine unterdrückte Nervosität und Angespanntheit.
Blondy fordert den Arzt auf, auszusteigen und als geschehen, dreht er ihn um und biegt ihm die Hände nach hinten. Dieser schreit schmerzhaft auf. „Damit Du spürst, was auf Dich zukommen kann, wenn Du Muckser machst!“ „Ja, ja, keine Gefahr!“, stammelt der Leidtragende. „Dann ist gut, Doktorchen!“
Blacky nimmt sich die Frau vor.
Er öffnet den Verschlag, hilft der Dame jedoch nicht beim Aussteigen, sondern tritt einen Schritt zurück, um diese in ihrer ganzen blühenden Erscheinungsform besser beobachten zu können, als sie mit den Beinen zuerst aus den Auto steigt und er noch befiehlt: "Hure, steig aus!" Erschrocken tut diese wieder die Beine zurück, eine Geste, die besagt, dass sie das Gegenteil dessen, was ihr befohlen worden ist, machen will. Dabei geschieht dies aus einen Schreckmoment heraus. Für Blacky aber Grund genug, regelrecht vorzustechen, sie an den Händen zu packen und aus dem Auto zu zerren.
"Dir werd' ich's zeigen!"
Aus dem Fahrzeug heraussen schleudert er sie so stark weg, dass sie in den parkplatzbegrenzenden Sträuchern landet, ein Glück, denn damit fügt sie sich nur Schürfwunden zu und nicht härtere Belessuren vom kruden Asphaltboden.
Blacky kümmert sich inzwischen um das offene Verdeck: "Wo muss man hier drücken?", und er fuchtelt an der Konsole erfolgreich herum. Mit den Autoschlüsseln schließt er das gute Stück ab und behält diesen bei sich.
Daraufhin marschieren sie im Gänsemarsch los. Es geht quer durch den Wald, einen Weg entlang, der nach unten führt, kurz vor einen kleinen Tunnel, der unter den Bahngleisen hindurchführt.
„Jetzt müssen wir uns die Hände geben, sonst könnte einer verlorengehen in den dunklen, schwarzen Schacht. Haha!“
Blondys ekliger Lacher fährt durch Mark und Bein.
„Und nun wie die Gänse hintereinander aufgestellt! - Schön! - Im Gänsemarsch, los! - Macht Euch jetzt ein bißchen kleiner!“, ist die letzte Verkündigung, bevor sie das schwarze Loch verschluckt. Händereichen, Gänsemarsch und Kleinermachen sind hilfreich, ist es doch dortdrinnen eng, niedrig und stockdunkel.
„Passt auf, daß ihr nicht auf der Kacke ausrutscht!“
Ist das ernst gemeint oder ein derber Scherz?
Nein, denn schon befinden sie sich inmitten eines bestialischen Urin- und Fäkaliengestanks, der beißend in die Nase greift. Richtig gefährlich sind aber die schwarzen, kohle- und granitartigen feuchten Gesteinsbrocken, die außerhalb die Bahndämme und hierdrinnen den Boden belegen und da zudem die Wände tropffeucht sind, kann man leicht ausrutschen, weil nicht festhalten und sich ernsthaft verletzen.
Die Abenddämmerung schützt vor unliebsamen Fragen von Fußgängern, sollten sie welchen begegnen. Nicht der Fall, ist doch Freitagabend, die Leute sitzen jetzt am Abendtisch, vor den Abendnachrichten und versuchen sich von der Arbeitswoche zu entspannen. Folglich treffen sie auf niemanden. Hinzu kommt, daß es schnell geht, liegt doch das Zielobjekt, ein Familienhaus aus den 40ern, fast direkt am Bahndamm und keine 50 Meter entfernt vom kleinem Tunnel. Eine ungepflegte, kaum geschnittene Hecke umgibt einen nicht minder vernachlässigten Garten, so daß das Haus vom Gehweg aus kaum einsehbar von der Außenwelt abgeschottet ist. Im Eingang, einer Tür, worauf ein paar Treppen führen, verschwinden die vier im kleinen Familienhaus. Idyllisch anzusehen ist dieses Refugium schon, sieht man zum Beispiel im Garten eine alte, schäpse Hundehütte, einen windschiefen, alten Geräteschuppen, ein verfallenes Treibhäuschen aus Plastik und verunkrautete, vernachlässigte, ungepflegte Beete. Ein wahres Biotop. Allerlei nicht entsorgtes Gerümpel, ausrangierte Möbel und undefinierbare Gegenstände liegen verstreut herum. Anders gesehen: Eine bleierne Stagnation hat über diesen Privatbesitz sein eisernes Mäntelchen gebreitet und im festen Griff.
Man geht nicht fehl, vom Außen aufs Innere zu schließen. Es ist zwar gemütlich, nachgerade durch das Durcheinander von verschiedensten, nicht zusammenpassenden Möbelstücken, die zwar schäbig und auf ein geschmackvolles Auge beleidigend wirken, aber gewiß nicht steif, eckig und kahl. Wäre vielleicht nur nicht das verkrustete ungewaschene Geschirr, und die verbogenen, gebrauchten und muffelnden Pizzaschachteln und die bis über den Rand herausquellenden Eimer für Papier, Bioabfall und Sondermüll, hätte man es noch als idyllisch, gemütlich und romantisch betrachten können, so aber...

Pentzw
Erato
Beiträge: 889
Registriert: 11.04.2011, 19:59

4. Wer keine Wahl hat, hat die Qual...

Beitragvon Pentzw » 19.05.2021, 12:53

Blondy indessen ging nach Betreten der Wohnung stracks in die Küche zum Kühlschrank, fischte sich ein Sechser-Pack Bier heraus, riss die Plastikhülle ab, entlaschte eine Dose, spülte den Inhalt in einem Zug hinunter und griff sich die nächste. Die Dritte folgte sogleich und dann trat er mit dem Rest Bierdosen an den großen Tisch inmitten des Raums, um sie dort abzustellen. Er ließ er sich in einen Sessel plumpsen, die Füße auf den Tisch gelegt.
Sein Partner hatte unterdessen die Geiseln einfach in die enge Rumpelkammer, die in diesem Küchen- und Wohnraum eingelassen worden war, geschoben, verstaut und eingesperrt. Vorerst - das konnte nur ein Provisorium darstellen.
Nun überlegten beide beim Blechdosenbiertrinken das weitere Vorgehen.
Nur wurden sie dabei von den Gefangenen gestört, die mit ihrem neuen Asyl nicht zufrieden waren, da sie immer wieder an die Tür der Rumpelkammer stießen und maulten, dass es hier so düster und eng sei.
„Der Arzt wünscht ein Fünf-Sterne-Hotel!“, sagte Blondy sarkastisch.
„Ja, das kann er haben!“, und Blacky stand auf, ging zur Seitenkammer und schlug mit den Füßen gegen die windige Holztür.
„Haltet Eure Fresse, ihr Blödmänner und, äh, -frauen. Sonst könnt ihr etwas erleben!“
Sofort war Ruhe.
Blacky zeigte kein bißchen Mitgefühl: „Die treten sich wohl auf die Füße?“
„Na, wie sehr die auf vertrauten Fuß miteinander verkehren, ist das kein Unglück!“
„Ohoho!“, stießen sie darüber mit den Blechdosen an.
„Auf die fette Beute!“
„Und die kommende Ausbeute!“
Danach verfielen sie ins Nachdenken.
Blondy kriegt jetzt Katzenjammer: "Scheiße, dass der Arzt soviel Pinke-Pinke in der Hosentasche mit sich herumschleppen muss. Da wird man ja zum Diebstahl gezwungen!"
Blacky gefällt das gar nicht.
"Wie meinst das?"
"Naja, ich weiß auch nicht."
"Willst nen Rückzieher machen, Blödmann! Denk mal an den Batzen Geld. Stell Dir vor, wie sich das anfühlt, wenn Du es in Händen hälst!"
"Ja Mann, das ist es eben!"
"Hä!"
Aber mit Blacky ließ sich schlecht philosophieren, wenn man so sagen darf. Die einzige Erkenntnis, der sie schließlich habhaft wurden, war: die Würfel waren gefallen. Punktum. Nun war guter Rat teuer!
Dann begannen sie sachte und verhalten die verschiedenen, vielfältigen Umstände, die mit so einer Entführung und der zwangsläufigen Erpressung zu bedenken waren, zu bedenken.
„10 000?“
„Hm!“
Diesen Betrag ließ sie erst einmal wirken.
Allmählich wurde ihnen klar, dass sie viel zu wenig forderten: „He, 10 000, was ist das schon? Für die Fuzzis da. Wir sollten 500 000 verlangen!“
„Oha, das sollten wir!“
An wen sollten sie sich wenden, der ihnen das Geld beschaffen würde.
Sie verfielen darauf auf die Frau des Arztes. Selbst wenn sie zögerte, bei der Höhe der Knete war von auszugehen, dann würde ihr der Arzt schon Beine machen. „Schließlich, der hat bestimmt das Zepter in der Hand!“
„Du sagt es!“
Anderes konnten sie sich nicht vorstellen. Eine Ehefrau, die das Sagen in der Ehe hatte – bei einer Arztehe – eh, da war doch wohl ganz klar der Arzt der King.
Und wenn die Frau aufmuckte, dann würde eben der Arzt schon wissen, wie er der Alten Beine machen konnte. Was blieb ihm schließlich übrig? Dass seine Gemahlin von der Nebenbuhlerin erfuhr?
Sie lachten bei dieser Vorstellung heftig: „Auwei!“ Nicht einmal Gewalt würden sie anwenden müssen. Man bedenke die Sprengkraft dieser Pics, dieser Bilder mit Sexszenen – eh, zu kompromittierend! Welcher Involvierte würde zu einer Veröffentlichung dazu gleichgültig stehen?
Bedenke man der Konsequenzen!
Die Öffentlichkeit!
So ein Arzt steht im Zentrum der Öffentlichkeit. Was gebe es da für ein Gerede und Getratsche. Nein!
Und seine Ehefrau erst! Scheidung wird sie wollen, ganz klar! Oder auf jeden Fall wird das weitere Eheleben eine Hölle werden. Nee, nee, eine daraufhin derartig gestörte Beziehung einer Ehe zu führen, wird auf Dauer zu schmerzhaft und stressig werden für ihn. Der wird parieren und alle Hebel in Bewegung setzen, um dieser Hölle zu entgehen: „Worauf Du Gift nehmen kannst!“
„Prost!“
Sie stoßen auch deshalb immer wieder an, um Zeit zu gewinnen, weiterdenken zu können. Ganz so sicher sind sie sich doch nicht. Und das Denken fällt ihnen schwer. Wundert es in ihrer Lage? Die Kompetenzen für eine Erpressung mussten auch erst erworben, erarbeitet und erdacht werden. Die Fähigkeiten dazu würden niemanden in die Wiege gelegt.
Man plant, das Lösegeld in den leerstehenden Mercedes Benz Cabriolet deponieren zu lassen. Die Frau muss die halbe Mille Euro von der Bank abheben, das Geld zum Auto transportieren und in diesem ablegen, woraufhin sie verschwinden muss. Danach werden sie sich das Geld holen. Daraufhin werden Krankenschwester und Arzt freigelassen. Wenn der Arzt zur Polizei gehen wird, werden die Bilder überall, wo es sinnvoll und weniger sinnvoll erscheint, veröffentlicht. Der Arzt hat keine Chance, die Bilder zu löschen, unwiederbringlich zu löschen. Diese sind millionenfach kopierfähig. Keine Chance für diesen. Hält er ruhig, dann ist es nicht notwendig, die Pics zu verbreiten. Damit wären sie vor einer Polizistenverfolgung sicher.
Und das Geld. Das war doch schon eine ganz schöne Schaufel voll!
Der Arzt und seine Familie werden das Geld locker aufbringen können, mit Sicherheit. Die Beschaffung der hohen Summe stieß auf kein Bedenken, solch ein Arzt hat Kohle ohne Ende und sollte es nicht reichen, die Familie und Verwandtschaft wird schon ein bißchen nachhelfen, da kann man sich sicher sein..
Das waren die Konditionen, Bedingung, Umstände.
Nun kam der Zeitpunkt, dass er dazu angehalten werden musste, seiner besseren Ehehälfte den Auftrag zu erteilen, das Geld zu besorgen.
„Angehalten“ ist ein bißchen zu sanfter Ausdruck. Deckt sich dieser nämlich damit, dass er jetzt rüde aus der Rumpelkammer gezogen wird, so, dass gleichzeitig ein Besen und der einfach kunterbunt zusammengewürfelte Inhalt samt eines Staubsauger mit herausfällt? Hinterher kommt die Krankenschwester herausgerutscht, die über diese Dinge rutscht und vor ihnen auf dem Boden landet.
„Wer hat gesagt, dass Du rauskommen sollst?“, höhnen die Entführer gar noch.
Blondy ist über das Verhalten der Krankenschwester verärgert, zieht sie in seiner Wut nach oben und stößt sie in eine Ecke.
„Bleib dort und halt still, Schlampe.“
Dann nehmen sie den Arzt ins Kreuzverhör.
Blacky schildert die Bedingungen der Erpressung.
Der Adressat hört sich die Konditionen stumm an und als ihm schließlich sein Telefon in die Hand gedrückt worden ist, tippt er gleich drauf los, eine Geste, ein Verhalten, so ohne Widerspruch,- vielleicht, eh, das ist aber zu viel Geld, was sie verlangen - stößt doch auf Mißtrauen.
Blacky entreißt ihm wieder das Gerät.
„Weißt Du!“, sagt er zum Blonden. „Ich glaube, für den sind 500 000 ein Pappenstiel."
Der Blonde zieht die Augenbrauen hoch.
„Laß uns einfach verdoppeln. Wir können, wenn's wirklich zu viel ist, immer noch heruntergehen. Immer mehr verlangen zunächst!“
Der Blonde verzieht den Mund um einen breiteren Grad.
„Wie verdammt Recht Du hast! Erst Maximalforderung, dann wird man sehen.“
Der Arzt zeigt im Ansatz Gesten des Protests, verstummt aber sofort wieder, als er die Faust des Blonden vor seiner Nase sieht. Blondy gefällt seine Pose. Er lächelt über die unverhoffte Macht seiner Gestik.
Die Krankenschwester in der Ecke hat alles mitbekommen, verzieht ein verächtliches Gesicht und begeht den Leichtsinn, dass sie wegwerfend dazu schnaubt. Hat sie den Eindruck gehabt, man würde sie hier behandeln, als existiere sie nicht, zumindest spielte keine Rolle, was zwar insofern stimmte, als sie nicht das begehrenswerte Objekt der Erpressung war, so entging ihr, dass sie ständig sehr aufmerksam von jemanden beobachtet wurde.
Blacky geht zu ihr hin und scheuert ihr eine wortlos.
Blondy guckt erstaunt auf, will etwas sagen, kann sich aber seine Worte sparen, weil er kapiert.
Dem Arzt wird mit der neuen Forderung wieder das Gerät gereicht. Er tippt einige Zeit herum.
„Hast Du endlich gemailt!“
„Ja, ja!“
„Worauf wartest Du dann noch. Gib das Gerät her!“
„Aber wir müssen noch auf die Antwort meiner Ehefrau warten.“
„Hm. Du hast Recht.“
„Hast Du geschrieben, sie soll keine dummen Fragen stellen!“
„Ja, hab ich.“
„Na, dann dürfte es ja keinen Ärger geben. Du hast doch die Hosen an in der Ehe oder?“
Der Arzt war begriffsstutzig: „Wie bitte!“
„Ich habe gefragt, wer bei Euch in der Familie die Hosen anhat: Du oder Deine Frau?“
„Äh, das kann man so nicht beantworten...“, sagte er zunächst, bis er kapierte, mit wem er hier zu tun hatte. Beschränkte, einfach dumme Leute.
„Ja, ich natürlich!“
Der Blonde lachte. „Na, also!“
Und schon kam ein Piepton.
Der Arzt, noch verdutzt über diesen Dialog, reagierte nicht sogleich, so dass ihn Blondy darauf hin stieß. „Schau schon nach, was Deine Alte geschrieben hat!“

Pentzw
Erato
Beiträge: 889
Registriert: 11.04.2011, 19:59

5. Auch Pornostars haben's schwer...

Beitragvon Pentzw » 21.05.2021, 15:52

Er las die Nachricht vor. Sie könne nicht so viel bezahlen, am Montag würde sie zur Bank gehen und schauen, was machbar ist.
Blondy schrie laut auf. „Der werden wir Beine machen. Geb mir Dein Smartphone her!“ Der Arzt wusste, was auf ihn zukam und schrie: „Nein!“
Blondy riss es ihm einfach aus den Händen: „Aber doch. Die wird Augen machen, wenn sie ihren Ehemann in einem Porno sieht! Haha!“
Der Arzt sank auf einen Stuhl, biss sich auf die Lippen, biss sich in die Finger, aber alles nützte nichts, da blieb ihm nur übrig, versteinert mitzuverfolgen, wie sein Schicksal, das des Ehebrechers, langsam aber sicher vorbereitet wurde und sich vollzog.
Blondy ging zu einem Schreibtisch, schaltete seinen Computer an und verkabelte das portable Gerät mit dem Rechner. Nicht einmal fünf Minuten brauchte er, bis er mit der Übertragung des Videos, der Bearbeitung mit einem Schnitt-Programm, der Hochladung auf eine Website für Videofilme und mit der Zurückspielung aufs Smart Phone fertig war.
Als er zurückkam, sagte er lapidar und bestätigte, was man vermutet hatte, dass er nämlich das Video vom Smartphone auf dem Computer bearbeitet, geschnitten, verkürzt, zum einen dann auf eine Plattform im Internet und zum anderen einen Teil auf des Arztes Handy geladen hat: „Das genügt erst einmal Deiner Etepetete-Ehefrau. So – und ab der Fisch!“
Dann überreichte er wieder dem Arzt sein Gerät mit den Worten: „Warten wir mal ab, was die geliebte Ehefrau dazu sagen wird.“
Dem Arzt war es ziemlich schwummlig zumute.
Blondy sagte, was Sache war: „Zum anderen ist dieser tolle Porno auf einem Plattform im Internet installiert. Jeder, der's wissen will oder muss, Zeitungen, Verwandte, Kollegen im Krankenhaus können so mit einem Link diesen tollen Spielfilm jederzeit überall anschauen. So, jetzt wird’s wirklich keine Probleme mehr geben, oder was hat der Chefarzt dazu zu sagen?“
Dieser nickte nur betrübt und stumm dazu.

100 Kilometer entfernt schauten sich die Ehefrau und ein zufällig bei ihr anwesender Neffe des Arztes, der übrigens Polizeibeamter war, das Video an.
Der Kopf eines Mannes ist zu sehen, der auf einer Autokopfstütze nach hinten mit geschloßenen Augen gelegt ist. Der Schädel desselben bewegt sich voller Lust von links nach rechts und zurück, während die Hände, nun durch ein Zurückfahren und Vergrößern des Bildausschnitts ersichtlich, einen blonden Frauenkopf berührt, ihn gleichsam hin- und herdirigierend. Da der Ausschnitt sich weiter vergrößert, werden beide, Mann und Frau, in einem geräumigen Automobil sehbar. Nun wird auch auch der Oberkörper der Frau sichtbar, Kopf und Rumpf, bis sie plötzlich blitzschnell aus dem Ausschnitt, ohne ihr Gesicht zu offenbaren, fährt, als habe sie gespürt, sie stehe im Fokus einer Linse. Das Bild eines aufgeplusterten, nahezu berstenden, hin und her pendelndem Schliegels ist etliche Sekunden zu sehen. Plötzlich jedoch dreht sich der Inhaber dieses beeindruckenden Gliedes nach hinten und nach oben, um ein erschrecktes Gesicht zu bieten. Mit diesem Schreckgesicht gefriert das Bild zu zehn Sekunden, so dass über die Identität dessen kein Zweifel mehr besteht: der Ehemann und Onkel.
Der Hobbyfilmer, das müsste man ihm lassen, verstand sein Handwerk. Das zehn Sekunden eingefrorene Bild bildete einen beeindruckenden Schlußpunkt. Die leicht fahrigen, unscharfen Bildauflösungen waren nur auf den billigen Camcorder zurückzuführen, ließen aber über die Identität der Person keinen Zweifel.
Es war eindeutig der geliebte Ehemann und bewunderte Verwandte.
„Dieses Schwein!“, stieß die Ehefrau, die Hände vors Gesicht geschlagen, aus. Dabei meinte sie höchstwahrscheinlich ihren Ehemann.„Diese Saubande!“, ließ sich der Neffe vernehmen, nicht ohne Hauch von Beeindrucktsein. Dieser meinte wohl dabei die Filmemacher.
„Was machen wir nun?“, brachte die Ehefrau, nach Luft schnappend, heraus.
Der Polizist wusste Rat. Er war schließlich Experte.
Natürlich kleinbei geben. Allein die Vorstellung, wer dies alles zu sehen bekommen könnte, war unausdenkbar. Der Ruf des Arztes, der Familie, ja der ganzen Sippschaft war in Gefahr. Letzteres drängte ihn dazu, auf die Ehefrau, der es nach Widerspruch, Nichtstun und Trotz zumute war, einzureden.
Die Ehefrau war eine gesetzestreue Bürgerin und schaute ihren Verwandten unmißverständlich skeptisch an: "Findest Du?"
Endlich hatte er sie soweit. Letzte Zweifeln musste er nur noch zerstreuen.
"Wir wissen nicht genau, ob es Profis oder Laien sind. 90 Prozent von Entführungen gehen auf Letztere zurück. Gelegenheitsgauner." Das war an den Haaren herbeigezogen, erfüllte aber seinen Zweck. Er war Verkehrspolizist, hatte keinerlei Erfahrungen, tat aber so, als wäre er in kriminalistischen Dingen bewandert.
Die Ehefrau gab nach. Trotz des schamlosen Verrats ihres Mann blieb sie Ehefrau. Damit blieb sie auch Gattin des Chefarzt. Zu sehr fühlte sie sich mit der Rolle als Chefarzt-Gattin, mit der Familie-Mutter, der Sippschaft-Schwägerin insgesamt verbandelt, verwoben und verschweißt, als dass sie hätte so handeln können, wonach ihr Herz drängte und rief.
"Die Lösegeldforderung wird erfüllt. Allerdings erst am Montag, spätestens Dienstag“, simste sie schießlich.
Als Antwort kam die Instruktion, das Geld in den Cabrio am Parkplatz nahe des Krankenhauses zu deponieren.
Als sie ihr Handy weglegte, stieß sie aus: "Das wird happig werden. Das ist eine Menge Geld!"
"Ja, da ist sofort der Familienrat gefragt. Am Ende werden wir alle zusammenlegen müssen, befürchte ich.
"Das wird für jeden schmerzlich werden!"
"Du sagst es!"

"Bis Dienstag!", grummelte er.
Blondy passte diese Vorstellung gar nicht. Das waren drei volle Tage. Aber was soll's, das müßte in Kauf genommen werden. "Da beißt die Maus keinen Faden ab!"
"Hä? Welche Maus? Meinst Du die Krankenschwester jetzt?“
„Ahö!“
„Warum sollte die einen Faden abbeißen? Hä?“
"Das sagt man halt so, wenn... in einem Fall...äh...wie diesem...wo...äh...“
„Wie, wo eine Maus.. eine tatsächliche Maus..."
„Nein, eine abstrakte...“
„Eine abstrakte Maus. So so.“
„Halt eine vorgestellte...“
„Wie, die Maus stellt sich vor? Wie soll das gehen? Verarscht Du mich jetzt total!“
„Nein!“
„Also, dann red Deutsch mit mir!"
"Das ist Deutsch!"
"Hä!". Ein zorniger Blitz streifte Blondy.
"Ach, vergiß es!"
Plötzlich wurde er von Blacky am Kraken gepackt: "Wenn Du mich verarschen willst, dann.."
"Nein, nein!"
"Das hätte ich Dir auch nicht geraten!"
Blacky ließ wieder los.
"Ist ja gut, ist ja gut!"
Verärgert über Blackys Demütigung entriss Blondy dem Arzt das Smartphone und tippte etwas ein, wobei er gleichzeitig laut ausrief: "Dieses Video wird andernfalls in die ganze Welt versendet, das schwöre ich!“ Und Knöpfchen gedrückt – denn das, was er so laut geäußert hatte, war gleichzeitig der Inhalt der SMS-Nachricht gewesen.
„Ihr wollt doch sicher sehen, was ich verschickt habe. Da seht es Euch an.“
Für Arzt und Krankenschwester gab es eine Sondervorführung ihrer pornographischen Leistung. Dazu hielt er das Gerät in die Höhe, damit es von allen gut sichtbar gesehen werden konnte und woran sich beide satt sehen konnten, sofern sie dazu Lust hatten.
Das letzte, gefrorene Bild, das Konterfei des Pornohelden, hielt er wie ein Spiegelbild dem Arzt kurz vor die Nase.
"Und das ist meine geniale Idee gewesen. Damit Ihr's wisst!"Er spielt auf das stehende Bild an.
Und noch ein paar Zentimeter näher rieb er den Protagonisten die Aufnahme unter die Nase.
"Und das sollt Ihr nicht vergessen, dieses Bild. Damit ihr wisst, was hier gespielt wird!"
Dann öffnete er wütend das Cassius des Händys, nahm die Telefonkarte heraus, zerdrückte sie und schmetterte das Gerät auf den Tisch, dass es in zig Einzelteile zerfiel.

6 . Langeweile gebiert Ungeheuer...

Nunmehr blieb ihnen nichts anderes mehr übrig, als auf die Geldübergabe zu warten. Es könnte sich schon ein bißchen hinziehen. Eine halbe Million waren keine Peanuts. Sie hatten natürlich damit gerechnet, dass eine solche hohe Summe nicht einfach aus einem Geldautomaten zu ziehen war und also dazu ein Bankangestellter konsolidiert werden musste. Und wann war das möglich? Wahrscheinlich nicht bis vor Dienstag, wenn's gut lief. Genau, wie die Frau des Arztes gesagt hatte.
Alles war im grünen Bereich. Geduld war da angesagt. Geschlagene zwei, drei, vier Tage, Herumgesitze, Auf-die-Geiseln-Achtgeben. Lauter lästige Dinge! Dinge, zusammengefasst als Geduld, die die beiden am wenigsten hatten.
„Mann, mir wird jetzt schon stinklangweilig, wenn ich an die drei, vier Tage denke, die auf uns zukommen!“
Die beiden stehen unschlüssig herum, sie müssen nun warten; aber es stellt sich die schwierige Frage, wie mit den Geiseln unterdessen zu verfahren sei.
Des Dunklen Blick fällt auf die Krankenschwester.
Diese ihre weiße Schulterblöße!?
Die Aussicht, einige Tage mit dieser hier verbringen zu müssen, irritiert ihn.
Über ihre Schulter zieht sich der Gummihalter des BH.
Er wird krebsrot und wendet den Blick ab. Die Krankenschwester zieht schnell die Bluse über die Blöße.
Der Dunkle schaut wieder hin, wird sich seiner Befangenheit gegenüber dieser legeren, weißhäutigen, locker bekleideten Frau bewusst, was ihn ungemein ärgert und erbost. Wie konnte so etwas Verworfenes eine so starke Macht und Ausstrahlung auf so einen integren, ehrlichen, sittenstrengen Menschen wie ihn haben?
„Was machen wir mit der Hure? Die hat uns sowieso keinen Nutzen!“ Er hat diese Worte mit von verzerrten Unterlippen untermauerten Ton der gekränkten Verachtung ausgestoßen.
Der Blonde lachte: „Im Garten vergraben!“ Dies hieß, dieser konnte locker und ohne weiteres auf die Frau verzichten. Natürlich, sie war nicht des Geldes Unterpfand. Es bewies zudem, daß er sich im Gegensatz zu seinem Partner in keinster Weise von dieser attraktiven Frau sexuell angesprochen fühlte. Sie war ihm offensichtlich völlig egal. Das sollte sich ändern.
Das Objekt des Gesprächs bekommt jedes Wort mit. Entsetzt schaut sie ins Gesicht des Arztes und dieser, heilfroh seine eigene Haut retten zu können, wendet schnell den Blick ab und senkt ihn gen Boden. Nur kein unnötiges, belastendes Mitleid empfinden.
Dann richtete die Krankenschwester einen hilfesuchenden Blick durchs Fenster nach draußen. Nützte dies was? Wenn jetzt ein Passant, eine Person, ein Mensch am Gartenzaun vorbeigeht? Schreit sie laut um Hilfe, würde nicht ein Wort durch die Wände bis nach draußen auf dem Bürgersteig dringen. Vergebliche Mühe. Sie saß gefangen wie eine Maus im Käfig. Eine graue Maus. Eine kleine, graue Maus. Die man nur an eine Katze sinnvoll verfüttern konnte. Ansonsten vielleicht tot und verreckt auf dem Misthaufen werfen, wie dieser Blonde schon angedeutet hatte.
„Ich schlage vor, wir verstauen den Arzt im Keller, Du weißt schon wohin...“
„Dort, wo Du immer den Hund ankettest!“
„Genau! Die Tussi kommt vorerst wieder in die Rumpelkammer! Dann überlegen wir in aller Ruhe, was wir mit dieser anfangen können.“
Das taten sie denn.
Der Arzt wurde im großen Kellerraum gesperrt, in dem an der Wand eine Hundekette mit eiserner Halskrause befestigt war. Diese Halskrause legte man um seinen Hals. Verschlossen wurde sie mit einem Schlüssel. Sicherheitshalber fesselte man noch seine Hände am Rücken mit einem Kabelband zusammen.
Die Krankenschwester wurde wieder in die Seitenkammer verfrachtet. Aber immerhin entfernte der Dunkle zum Beispiel den Staubsauger und auch einige Besen darin, so dass sie einigermaßen Platz hatte. Diese Rumpelkammer, mit einer selbstgezimmerten Tür versehen, bot immerhin Licht durch die Bretterschlitze und sie hatte dadurch auch etwas Sauerstoff. Vorteilhaft oder besser gesagt nachteilig wirkte sich nur aus, dass sie jedes gesprochene Wort in der Küche verstand.

Blondy kam eine Idee: „Du, die Tussi ist doch eine Krankenschwester!“
„Eh! Na und?“
„Na, wenn sie Krankenschwester ist, ist sie doch so etwas wie ein Pflegerin.“
„Kann schon sein!“
„Funkt es nicht?“
„Nein!“
Der Dunkle schaute etwas despektierlich über den Inhalt ihres Gespräches und gleichzeitig in Richtung des Objektes selbst, welche zur Rumpelkammer wies.
„Mann, wenn die so etwas kann wie Kranke pflegen, dann kann sie Dich doch auch pflegen oder halt waschen...“
„Bin ich eine alte Krücke oder was?“
„Mann, sei nicht empfindlich. Darum geht es doch nicht. Du bist natürlich nicht alt und gebrechlich, ein Greis!“ Dabei lachte er dreckig. „Nein, trotzdem! Warum sich nicht von so einer Professionellen verwöhnen lassen...“
Dem Dunklen ging allmählich ein Licht auf.
„Genau, schnackelt's!“
Der andere schaute wieder Richtung Rumpelkammer. „Äha, ja, warum nicht...“
Blondy war schon auf dem Sprung, als er sagte: „Na also! Ich laß schon mal heißes Wasser in die Badewanne!“
„Eh, Mann, mach das!“
Die Krankenschwester hatte alles Silbe für Silbe mitbekommen. Ihr wurde zunächst entsetzlich übel im Magen und umklammerte einen Schrupperstiel auf der Suche nach Halt. Sie begriff sofort, was auf sie zukam. Aber so eklig die Vorstellung war, kam sie allmählich zur Besinnung und zur Vernunft und dachte, es sei tausend Mal besser, als sich hier in der düsteren Rumpelkammer im beengten Raum zu verkrümmen, zu verkümmern und dahinzuvegetieren. Es eröffnete sich die Möglichkeit, hier herauszukommen und, wer weiß, zu entfliehen. Dann ließ sie den Stiel los, sie war also schon in zehn Sekunden bereit und wurde bereits am Arm gepackt und herausgezogen.
Ab ins Badezimmer in den ersten Stock.
„Wohin gehen wir?“
„Mädchen, spiel nicht die Ahnungslose! Du weißt genau, was auf Dich zukommt. Oder bist Du taub, he!“ Und er stieß sie unsanft in den Rücken, als sie die knarrende Bretterstiege und verschlissene Holztreppe hinaufstiegen.
Zunächst rechnete sie damit, es nun mit Blondy zu tun zu bekommen, welche Vorstellung ihr angenehmer war. Nur nicht jenen düster dreinblickenden Burschen. Blondy öffnete eine Tür, aus der ein heißer Dampf herausschlug. Ihr wurde im befehligendem Ton gesagt, durch diese Tür zu treten und sowie geschehen, schloß sich diese hinter ihr.
Sie befand sich in einem von dichten Wasserdunst erfüllten Raum. Unscharf erkannte sie eine Badewanne, aus der heiße Wassernebel dampften. Vorsichtig lief sie darauf zu. Was blieb ihr schließlich übrig?
Allmählich schälte sich eine Gestalt in der Wanne heraus, die ihr den Atem nahm. Mit dem anderen wäre es ihr leichter gefallen, wäre ihr weniger gegen den Strich gegangen, es ihr erträglicher gewesen, einen fremden Körper waschen zu müssen und was sonst noch alles Weitere, was sich wahrscheinlich nicht vermeiden ließ.
Ausgerechnet dieser mürrische, unberechenbare, zur Geilheit und zur Gewalt neigende Finsterling mußte es sein! Angewidert und vor Schrecken, als röche sie förmlich seine Geilheit, verzog sie ihr Gesicht.
Aber Augen zu und durch damit und schon ging sie weiter in diesen heißen, feuchten, düsteren Nebel hinein, erblickte über der Wanne oben an der Wand ein offenes Schrankbord, ergriff sich dort ein Stück Seife und einen Waschlappen, welchen sie im heißen Wasser anfeuchtete, um darin die Seife zu reiben. Glücklicherweise stand sie hinter dem geilen Typen und musste ihm nicht noch in die Augen schauen.
„Na, mach schon, Hure!“
Mit diesem Ausdruck hatte sie nun nicht gerechnet und Empörung schoss wütig in ihren Kopf. Sie würde sich so etwas nicht gefallen lassen – dachte sie eine Zehntelsekunde – und machte sich rasch an die Arbeit. Auf die nach vorne gebeugte Schulter klatschte sie den Lappen, rieb damit die borstige Haut und ruppelte und scheuerte sie vor Wut und Angst, während der Bearbeitete versuchte Wohllaute zu unterdrücken.
„Stärker doch, Schnalle!“
Sie rieb über seine Borsten, als würde sie über ein Reibeisen hin und her fahren.
„Pass auf, dass Du mir nicht mein Halskettchen zerreißt.“ Genau, die dicke, goldene Kette am Hals, die war ja so wichtig. Am liebsten hätte sie ihn damit erwürgt!
Sie goss Wasser mit der Duschspritze über seine nach Gel, Parfüm und Sonstigem riechenden, harten und stoppeligen Borsten. Einen Schwall Haarshampoo in die flache Hand gespritzt und schon wusch sie ihm damit gehörig den Kopf.
„Pass doch auf, Hure! Nicht zu hart!"
Folgende Worte lagen ihr auf der Zunge: „Was, ein bißchen Gefühl wäre nicht schlecht!?“ Ob er dies aber verstünde? Aber hierher passte dies ja sowieso und überhaupt nicht!
Danach spülte sie mit der Dusche die dreckige Soße aus seinen Haaren.
Als sie den Duscharm auf den Seitenhalter legte, also dicht über ihn gebeugt war, fasste er ihren Kopf mit einer großen Hand und hielt ihn starr fest umklammert. Langsam bewegte er ihn in Richtung seines Schoßes herunter.
„Und jetzt zeig mal, was Du kannst, Weibsstück!“
Gleichzeitig entstöpselte er den Badewannen-Abfluß und mit dem langsamen Absinken des Wasseroberflächen-Spiegels tauchte sein schmieriger, ekliger, krummer Schliegel unaufhaltsam auf wie eine Moräne aus der Tiefe des Meeres oder sonstiges undefinierbares Monster...

7. Das Spiel noch einmal, nur schärfer...

Unterdessen langweilten sich Blondy und Black immer unerträglicher. Geiselnahme war vielleicht ein schweres Geduldspiel, Mensch!
Bereist am nächsten Tag war die nervliche Anspannung über die Ungewissheit des Ausgangs der Entführung zum Zerreißen. Die Frage, was dann tun mit den Geiseln, wenn man das Geld hat, war sowieso eine ungelöste Frage, lag jenseits ihre Denkvermögens, überstieg ihre Phantasie.
Was sollten sie da tun: die Freigelassenen wussten, wo die Geiselnehmer wohnten, wie sie aussahen, wie sie sprachen, dummerweise, sie hatten jede Vorsichtsmaßnahme vergessen zu ergreifen. Es würde keine Stunde dauern, bis die Polizei vor ihrer Wohnung stünde.
Voreilig und unüberlegt hatten sie gehandelt! Spätestens, als sie sie beim Cabriolet in die Zange nahmen, hätten sie den Geiseln ein Tuch vor die Augen binden müssen, zudem noch etwas in die Ohren stopfen sollen. Aber jetzt war es zu spät!
Freilich, sie könnten sich noch rechtzeitig davon machen, nach Übersee, nach Amerika, wahrscheinlich ist Lateinamerika am besten, oder ein paar Jahre am Strand von Goa in Indien verbringen oder in Thailand, alle Ecken der Welt standen ihnen ja mit dem Lösegeld offen – aber das musste eigentlich auch geplant werden, nicht wahr, so holter-di-polter abzuhauen, ging auch nicht, oder?
Und eben? Gab es nicht Interpol? Die sollen ja ziemlich fix sein, kein Wunder in der globalisierten Welt, in der wir lebten. Völlig ruhig und sicher würden sie es also nirgendwo haben.
Eins war zumindest klar: sie mussten so schnell wie möglich abhauen! Unverzüglich, und am besten auf dem geradesten Weg zum Flughafen, überhaupt keine Warte- und Überbrückungszeiten in Kauf nehmen, sondern so schnell wie möglich ab in den nächsten Flieger.
Wenn ohne Planung? Auch ohne eine solche. Wird schon werden!
Wie aber mit den Geiseln verfahren?
Es durften, wie hieß das noch einmal, keine Kollateralschäden entstehen, dass etwa die Gefangenen nicht rechtzeitig entdeckt würden, verhungerten und das ganze Haus mit ihrem Leichengestank ausräucherten, nur zum Beispiel.
War es da nicht besser, sie irgendwo anderswo frei zu lassen?
Für sie, die Geiselnehmer spielte das keine Rolle, ihre Identität würde so oder so ans Licht kommen, nur zu beachten war, sich neben der Entführung und Erpressung nicht noch einige Morde aufzuhalsen.
Entführung war kein leichtes Geschäft!
Auf ziemlich viel musste geachtet, Rücksicht genommen, überlegt werden - wer hätte das gedacht? Sie waren schließlich ja eigentlich Entführer wider Willen, waren in diese Rollen gewissermaßen hineingerutscht und hineingestoßen worden, völlig unvorbereitet in die Bredouille geraten.
Aber sie waren nicht die einzigen in diesem Haus, die Sorgen plagten.
Am schlimmsten hatte es jemanden getroffen, dem ein körperliches Manko plagte, über das zu reden ihr schon unter normalen Umständen schwerfiel und hier nun selbst die Vorstellung, dies anzusprechen, die Schamesröte ins Gesicht trieb. Das war schlimmer, glaubt man es oder nicht, als bedrückende Enge, aneckende Gegenstände oder permanente aufrechte Stellung, zu der sie gezwungen war in der Rumpelkammer: ihre Zähne.
Seit Jahren rächte sich die Vernachlässigung ihrer Zähnen, die in ihre Kindheit zurück reichte. Ihre Bauerns-Familie hatte gemeint, wozu Zahnvorsorge und also in Schönheit investieren, wenn Frau später nur gut zupacken und Kinder gebären kann? Außerdem, jedes Familienmitglied hatte Zahnprobleme, trug spätestens mit Vierzig ein teilweise künstliches Gebiß und warum sollte es ihr besser ergehen? Nur spielten gute, ebenmäßige, weiße Zähne in der Stadt eine andere Rolle als auf dem Land.
Nun, solch eine Zahnprothese mit künstlichen Zähnen, die sie besaß, bedarf der Pflege. Das mindeste war, diese jeden Abend in eine Schatulle mit Spezialmittelchen zum Reinigen über Nacht legen.
Wo sollte man dies hier herkriegen? In der Rumpelkammer? Konnte man dies den beschränkten, zur Gewalt neigenden Entführern anmelden, die selbst nichts auf die Reihe kriegten und keinerlei Ordnungssinn zu haben schienen?
Sie warf einen Blick durch die Ritzen der Bretter, die die Rumpelkammer begrenzte, auf den ungewaschene Geschirrturm, den übergequollenen Abfalleimern der Ecke und den hier und dort auf Boden, Tisch und Schrank herumliegenden Unrat und Müll.
Nein, die würden für Reinigung von künstlichen Zähnen kein Verständnis aufbringen.
Hoffentlich hatten sie mittlerweile genug von Sex. Oweh, stellte sie sich vor, dass die jetzt wieder an sie herantraten, jetzt, nachdem sie schon eine Nacht nicht ihre Zähne hatte reinigen können und sie – schnief, schnief – bereits eine leicht miefige Ausdünstung aus ihrem Mund glaubte riechen zu können...
Sie betete nur, dass die Brüder hoffentlich mittlerweile genug vom Sex hatten.
Das war eine Fehleinschätzung.
Blacky hatte mittlerweile Blut geleckt.
„Komm, heute noch einmal!“
„Hä!“
„Die Hure!“
„Die Hure?“
„Du weißt!“
„Von mir aus!“
Eine eigenartige Stimmung lag im Raum.
Endlich schnallte es Blondy.
„Sofort?“
Blacky musste nicht einmal antworten. Blondy gab die plausible Erklärung zum Besten.
„Na klar, eine Hure muss jeden Tag richtiggehend durchgefickt werden, sonst fühlt sie sich nicht wohl. Wird grantig, launisch und hysterisch! Wie bei einer Kuh, die muss auch jeden Tag gemolken werden, sonst fängt sie an rumzumuhen und zu brüllen.“
„Stimmt, stimmt, stimmt. Wie recht Du hast!“
Was sein muss, muss sein!
Perverse Phantasievorstellungen plagten Blacky und hielten ihn schwer im Griff. Zuerst stellte er sich vor, er zwinge sie auf die Knie und ließe sich dann einen blasen. Und dann, ja dann... Klar, dann herumdrehen und von hinten ficken.
So sollte es kommen. Ach, aber wäre es nur dabei geblieben und wäre jener leicht scharf riechende Mundgeruch der Krankenschwester unentdeckt geblieben. Eine Menge Ärger, Verdruß und Mißhandlung hätte sie sich erspart.
Blacky, nachdem fertig, kickte mit seinen Knien sein Opfer derartig stark in den Hintern, dass es nach vorne auf die Hände fiel, sich zwar sofort am Boden herumdrehte, aber mit ihren gespreizten Beinen einen so verlockenden Anblick und Lockvogel bot, dass Blondy, der beim Zusehen schon ziemlich geil und fickrig geworden war, sich nicht mehr beherrschen konnte.
Er schob den schwer atmenden Dunklen rüde beiseite und quäkte: „Jetzt lass mich mal ran!“
Die Krankenschwester wollte schon wieder die Beine einklappen, aber Blondy warf sich rechtzeitig dazwischen und auf sie so, wir er sie erwischte, nämlich voll frontal. Seine Zähne gruben sich raubtiergemäß in ihren Hals, ihren Mund – oh, das hättest du sein lassen, Blondy – und er kriegte die versalzene Suppe voll in den Hals.
Er sprang auf und zurück, wischte sich angewidert den Mund und rief, als hätte er sich mit Säure verätzt: „Igittigitt, die stinkt ja aus dem Maul wie die Pest! Päh.“ Und er rannte hastig zum Bad, um schnellstens eine Mundspülung und Zähneputzungs-Aktion zu machen.
Der Krankenschwester war es nur hochnotpeinlich.
„Ich muss meine Zähne eigentlich nachts pflegen. Ich habe künstliche Zähne. Die müssen jeden Tag gereinigt werden!“
Ihr war's so peinlich, dass sie vergaß die Peiniger mit gebührenden Worten zu bedenken, nämlich mit Beschimpfungen, die sie in Wahrheit verdient hatten, was den Grad ihrer Scham bemessen mag.
„Und Du willst eine Hure sein?“, pöbelte Blacky sie an. „Wäscht und putzt Dich nicht gründlich, stinkst zehn Meilen gegen den Wind aus dem Mund! Pah!“
Und er schlug ihr eine ins Gesicht.
„An der mach ich mir doch die nicht die Hände schmutzig!“, und wendete sich angewidert von ihr ab.
Ab jetzt durfte natürlich diese verseuchte Person nicht mehr innerhalb des Wohnzimmers weilen, in der Rumpelkammer, wer weiß, was für Krankheiten sie mit sich herumschleppte, wenn sie sich schon nicht die Zähne putzte - obwohl Krankenschwester, völlig irrig, unverständlich und paradox, doch besonders reinlich sein müßten - also gehörte sie weit, weit weg gesperrt und isoliert und in Quarantäne, so weit es eben ging und das hieß: auch in den Keller, wie ihr ängstlicher, feiger, reicher Stecher.
Zuerst versuchte man sie auf die sanfte Tour in den Keller zu bugsieren, nämlich relativ dezent stupsend. Sie verlor aber, Schlimmstes ahnend, die Nerven, zumal auch ein paar Schläge auf den Kopf über sich erdulden müssend und flippte völlig aus.
„Ihr Blödmänner, ihr geilen Säcke, ihr Kanaillen! Ihr widerliches Pack, Abschaum, Gossenpisse...“
„Was, Du Stinktier, wagst es, uns zu beschimpfen!“
Blacky machte jetzt Nägel mit Köpfen. Er packte sie grob am Arm, bog ihn zurück und forderte Blondy auf, zuzupacken. Die Krankenschwester strampelte hysterisch mit den Füßen, schlug mit den Händen um sich, so dass die zwei gestandenen Kerle Mühe hatten, sie richtig zu fassen zu kriegen und fortzuschleppen. So wurde sie mehr schleifend denn tragend die betonerne, kalte, düstre Kellertreppe hinuntergeschleppt. Das hinterließ natürlich körperliche Spuren, die schmerzhaft waren.
Im Keller befand sich eine unterteilte Zelle, die, ähnlich wie die Rumpelkammer, von einem Holzgitter abgegrenzt war und dahinein warf man die Renitente kurzerhand. Das Vorhängeschloß am Riegel schnappte ein; vergeblich rüttelte die Verrückte mit den Händen daran; sie rief ihren Peinigern noch etliche beeindruckende Flüche, Schimpfworte und Drohungen nach, deren eine Landpomeranze fähig war – und die waren imposant.
Die beiden Weggehenden blieben stehen.
Einer schaute in des anderen Gesicht.
Blondy pfiff anerkennend durch die Zähne und sagte: "Hör'der mal die an. Nicht schlecht, was!“
„Was denkst Du? Hast Du etwas anderes von einer Hure erwartet?“
Blondy, verdutzt, erstaunt und beeindruckt von der Humor- und Witzlosigkeit seines Partners nickte bedächtig und zuckte mit den Schultern: „Ja. Du hast Recht. Lassen wir der Hure ihren Spaß!“
Sie drehten sich nicht einmal um, bevor sie gemeinsam die enge Treppe wieder hochstampften.
Die Krankenschwester warf sich auf ein Sofa in der hintersten Ecke der Zelle und heulte gotterbärmlich.

Pentzw
Erato
Beiträge: 889
Registriert: 11.04.2011, 19:59

6. Die Krankenschwester packt aus...

Beitragvon Pentzw » 24.05.2021, 18:17

Der Krankenschwester hatte man übel mitgespielt. Abgesehen von den unsichtbaren Blessuren der seelischen Tortour einer Vergewaltigung, waren die offensichtlichen körperlichen auch ganz schön beeindruckend. Beim Vom-Boden-Aufheben, In-den-Griffnehmen und den Keller-Hinunter-Schleppen hatten die zwei Kerle so fest zugegriffen, dass sie deutliche Schrammen, blaue Beulen und blutige Narben an Gesicht, Händen und Beinen hatte. Zudem tat ihr der Ellenbogen unmäßig weh, weil sie wohl an Ecken und Kanten gestoßen war.
Sie erhebt sich und kommt endlich hoch aus der äußersten Ecke dieses Raumes und begibt sich zum Gatter, zu den Holzlatten, die diesen Raum gestalten und umgreift wild wie ein Gorilla seine Käfigstäbe. Tränen rinnen ihr sturzbachartig aus den Augen und ihr Gesicht ist verzogen zu einer aggressiven Fratze. „Ich habe immer auf alles verzichten müssen. Mein Lebtag lang. Gegenüber meinem größeren Bruder, der alles geerbt hat, was wir hatten. Jetzt habe ich die Schnauze voll. Zurückstecken, nachgeben, verzichten und noch einmal verzichten, und jetzt ist mein Leben zu Ende.“
'Die kriegt sich jetzt nicht mehr!', befürchtete der Arzt verdutzt und bestürzt. 'Die lässt sich doch nicht einfach gehen!', befürchtet er und hofft inständig das Gegenteil.
Aber Tatsache, wie hart ihr Charakter, wie stark ihr Hang zum Schweigen und wie extrem verhalten sie bislang auch immer gewesen war, ihre Fassade bröckelt jetzt.
„Nein, ich will nicht mehr, ich will nicht mehr! Ich will hier raus! Und Du, sag doch etwas! Mach doch etwas!“
Tatsächlich, die fängt jetzt an zu spinnen, durchzudrehen. Schnell etwas dagegen tun!
„Warten wir's ab. Noch ist nicht aller Tage Abend!“, sind die Worte des Arztes, die hohler nicht klingen könnten, was selbst ihm bewusst ist.
Was soll man schon sonst sagen und tun? Keinen Plan!!!
Natürlich empfindet er etwas Mitleid. Er weiß einiges über ihre Biographie. dass sie es als Tochter in der Bauernfamilie schwer hatte. Der jüngere Bruder hatte den Löwenanteil an Hab und Gut geerbt, Hof, Ställe, Felder, Wiesen, Wälder und alles Drumherum. Sie wurde gerade mal mit einigen Tausend abgespeist, die nur zu einer Ausbildung reichte. Wennzwar zu einem helfenden Beruf, der in ländlich-religiösen Kreisen ein hohes Prestige innehatte, aber sie hätte Besseres verdient. Trotz ständiger Fürsprache des Lehrers, der felsenfest behauptete, sie bringe die Voraussetzung und Intelligenz fürs Gymnasium mit, durfte sie keine höhere Schule besuchen.
Am schlimmsten aber traf sie die Einstellung zur Zahnbehandlung seiten der Eltern. Die Fehlerkorrektur genetisch kariöser Zahnbildung prophylaktisch zu begegnen, hielt man nicht für notwendig. Schon in jungen Jahren mit einem künstlichen Gebiss litt ihre Eitelkeit schwer. Mit eigenen Kindern wurde es auch nichts, wurde sie von Kindesbeinen an dahingegen gehirngewaschen und geimpft, ja selbst keine eigenen in die Welt zu setzen, besaß sie schließlich keinen eigenen Besitz, wovon sollte sie da Kinder ernähren können? Es sei denn, dies verstand sich von selbst: „Du angelst Dir einen reichen Ehemann.“
Hatte sie im Arzt einen Kandidaten gesehen, ihren Zukünftigen trotz der anderen, der Ehefrau, der Gegnerin, des Pendant, schließlich konnte jene doch auch frühzeitig sterben? Leider aber, nachdem, was jetzt kommen würde, war gar die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß sie als erstes an der Reihe war.
„Und Du wirst mich jetzt nicht mehr heiraten können. Nein, wir werden nicht mehr zusammenkommen. Da kommen wir niemals heraus. Die sind zu brutal. Die bringen uns um.“
„Da legst Dich nieder!“, flüsterte er. Vor Verlegenheit schaute er nach unten in eine Ecke. Solche Nähe hatte er noch nicht von ihr erfahren und diese an ihn herangetretene Emotion brachte ihn glatt ins Strudeln, zumindest machte sie ihn abgrundtief verlegen – was er schnell wegwischte.
Was übrig blieb für diese Frau war Mitleid. Aber ein verachtendes Mitgefühl für dieses Mauerblümchen. Zwar körperlich eine tolle Frau, entpuppte sie sich nun als geistiges Kretin. So hatte er sie noch nicht wahrgenommen, zumal nicht vermutet, dass solche Seiten in ihr steckten und um seine Verlegenheit darüber hinwegzuwischen, konnte er sich nur in Phrasen flüchten, die ihn schützen sollten.
'Was in so einer grauen Maus alles versteckt ist, schlägt schon dem Faß den Boden aus?! Da schlummern Welten in unscheinbarsten Menschen und du ahnst es nicht.'
Er schüttelte den Kopf.
Allein schon das vertrauliche Du.
Abstoßend! Das entbehrte jedem Grund.
Freilich duzten sie sich, aber so distanziert wie bei einem Sie. Da gab es keinen gefühlsmäßigen Unterschied. Geradezu impertinent erschien ihm dieses neue Du, setzte es doch eine Vertraulichkeit, Intimität und Nähe voraus, die überhaupt nicht gegeben war. Niemals vorhanden gewesen war. Niemals. Auch jetzt nicht. Was sie überhaupt verband, war letztlich und lediglich nur ein öffentliches Verhältnis.
Gerade jetzt!
Das war eindeutig unterqualifiziert, was sie da bot, dachte der Arzt. Niemals darf man die konträren gesellschaftlichen Rollen und Abstände zwischen einem Chefarzt und einer Krankenschwester, egal in welchem Dilemma sie steckten, vergessen! Ja, dieses Theater, Geschrei und seelischer Striptease brachte bei ihm nicht die das geringste Gefühl hervor, nur Abscheu angesichts ihr Vergessenheit gegenüber gesellschaftlicher Konvention.
Letztlich, nur der Zufall hatte quasi zwei fremde Personen zum Opfer einer Entführung gemacht, deren Wege unabhängig voneinander hierher geführt hatten - auf der Straße von Geiselnehmern gekascht oder von Flugzeugentführern in einem Flugzeug – und für ihn war nunmehr das einzig Verbindende ein quasi nur gesellschaftlich relevantes Ereignis, eine Entführung, dem sie sich beide stellen mussten und zwar jeder unabhängig voneinander, jeder musste dabei für sich schauen, wo er bliebe und vor allem Rücksicht auf seine eigenen familiären Bande legen.
'Mein Gott, ich habe Frau, vor allem Kinder, meine zwei jungen Hasen, Mensch, die brauchen einen Vater, ohne geht das nicht und dann bin ich eingebunden in ein weitverzweigtes Netzwerk, Bekannte, Verwandte, Berufskollegen undsoweiter – ha, und diese Person hat das nicht, vielleicht gerade mal ihre Herkunftsfamilie, mit der sie ohnehin entfremdet und auf distanziertem Fuß verkehrt.'
Das Schluchzen dieser drang ihm dennoch bis in Mark und Bein.
'Aber nein, diese Person ist in keinster Weise mit mir vergleichbar und gleichzustellen!'
Was heult die da vor mir? Was geht mir ihr Wehwehchen an? Ich muss meine eigene nackte Haut retten, koste es, was es wolle und egal, was aus der da wird. - Denk nur an deine Familie, verdammt! Familien brauchen Vater und ich bin ein Vater, hundsfotts!'
Wie nur kam er hier heraus – das war die einzige relevante Frage. Ein Gebot steckte darin!
Der Krankenschwester Flennen stieß wieder an sein Ohr.
'Was, heiraten, diese fremde, schwächliche Person dort? Unvorstellbar! So weit unter seiner sozialen Stellung und Stand mit einer bloß Krankenschwester verheiratet zu sein? Meine Damen und Herren, da ergäben sich hundert andere, bessere Möglichkeiten und Verbindungen.'
Er dachte an eine jüngst in die Familie Eingeheiratete, eine Evangelische. Ja, aber mit einem satten Besitz, Vermögen und besten Familienstamm – wenn nicht gleiche religiöse Zugehörigkeit, dann zumindest Geld!
Und noch höher und dicker wurde die Mauer, wie er empfand, zwischen sich und ihr, je mehr sie sich gehen ließ, schluchzte heulte und gegen die Bretterstangen schlug.
Seine versteckte Wut wechselt nun zum zerstörerischen Handeln und Reden: „Kannst Du nicht endlich Dein Maul halten!“, schreit er ins Gesicht.
„Aber ich will Doch Deine Ehefrau werden!“
„Du spinnst doch! Reiß Dich zusammen und überleg lieber, wie wir hier wieder rauskommen, verdammt und zugenäht!“
Die Krankenschwester wirft und lässt sich auf den Sessel in der dunklen Ecke fallen und verbirgt ihr Gesicht zwischen den Händen: „Was hab ich denn? Nichts. Gar nichts. Ganz und gar nichts!“
Heftiges Schluchzen schüttelt sie.
„Was hab ich denn gehabt. Nichts, gar nichts! Keine Jugend, keine richtige Familie, nichts, gar nichts!“ Und dann wimmert sie nur noch, die Schultern schütteln sich dabei.
Der Arzt rümpft die Nase und zerrt an der Halskrause.

In dieser Nacht öffnete sich krächzend die Tür zum Keller und wurde sofort wieder sorgfältig geschlossen. Ein flackernder Lichtstrahl kam die Treppe sachte heruntergeflogen. Dieser Komet schwebte direkt auf den Arzt zu, der aus dem Schlaf geschreckt war, aber so geblendet wurde, dass er nichts und niemanden um die Stirnlampe herum erkennen konnte, die ihn nun direkt anstrahlte. Noch ein rotes Licht, wie bei einer Kamera, schaltete sich am Helm ein: eine Helmkamera. Der Mediziner erhielt einen Schlag ins Gesicht und wurde herumdreht, Gesicht gegen die kalte Betonwand. Arme um ihn wanden sich und nestelten vorne den Hosengürtel auf, dann den Reißverschluß des Hosenschlitzes, wonach Hose und darauf schließlich Slip heruntergezogen wurden. Mit einem öligen Finger wurde zuguterletzt in seinen Anus gebohrt. Danach drängte sich ein etwas größeres, geschmeidigeres, pulsierendes Ding hinein. Einige Rein-Raus-Bewegungen mit heftigen Reibungen verbunden und das fleischige Glied verharrte plötzlich, plusterte sich um ein weiteres auf und kontraktierte etliche Male, verbunden mit einem großen Schwall Flüssigkeit hineingequetscht in den Rektusbereich, welche sich dort eisig ausbreitete. Das schlangenartige Ding zog sich zurück, indem es aus der hinteren Öffnung des Vergewaltigten mit einem leichten Plopp-Geräusch herauskam und dessen Träger, Inhaber und Mensch entfernte sich wieder so und auf dem gleichen Weg, wie er gekommen war: der Lichtkegel bewegte sich die Treppe hinauf, hin- und herspringend wie ein Gummiball, als schwankte der Lampenträger heftig, wenn, dann aus Erschöpfung. Der Geschändete stand etliche Minuten starr in gleicher Pose wie er vergewaltigt und zurückgelassen worden war, nämlich mit dem Gesicht zur Wand, bis er sich, da ihm es ihn um die nackte Haut fror, wieder anzog. Danach konnte er lange Zeit nicht einschlafen.

Pentzw
Erato
Beiträge: 889
Registriert: 11.04.2011, 19:59

7. Wer auserwählt wird

Beitragvon Pentzw » 28.05.2021, 15:57

Die Kunde der Entführung verbreitete sich natürlich wie ein Flächenbrand. Die weittläufige Familienclan der Umgebung klingelte unaufhörlich Sturm bei der Mutter des Arztes, bei der allmählich alle Mitglieder des engeren Familinkreises hektisch und bestürzt eintrudelten. Onkel, Ehefrau, Bruder eins und zwei, Neffe, der Polizist, Nichte, die kommunale Sachbearbeiterin, aber auch die steinalte Tante, die im Seniorenheim lebte und ziemlich dement war.
Und so herrschte in dem weiträumigen Ess- und Wohnbereich des Familienhauses ein ganz schönes Gedränge. Selbst auf den klobigen Coachlehnen saßen sie, einer lehnte gegen einen freien Fenstersims.
Der Vater war vor lauter Schreck und Eile mit seiner rautenförmig-weiß-rot-karierten Arbeitskleidung, dem Schlachtermesser und dem Wetzstein in Händen, aus dem Keller, wo sie gerade eine Sau geschlachtet hatten, ins Wohnzimmer gestürmt. Seine Frau versäumte sogar eine Rüge zu erteilen, denn Arbeits- und Wohnbereich waren streng getrennt und bevor man von einem Bereich in den anderen trat, mußte sich vorher gründlich gewaschen, wenn nicht die Kleider gewechselt werden. Aber heute war eben alles anders.
Die Familie war ins Herz getroffen worden.
Der Neffe von der Polizei, sowie er in die Wohnung trat, schrie: „Denen breche ich eigenhändig das Knack, wenn ich sie in die Hände krieg. Und glaubt mir, die derwisch ich!“ Alle im Kreis nickten glaubensselig und der Metzgermeister wetzte nervös mit seinem Wetzstein auf Stahl. Seine Schürze schimmerte überdies blutbefleckt.
Das war zu viel!
Die Stadtverwaltungs-Cousine runzelte die Stirn und seufzte laut vernehmlich. Alle schauten sie an. Was sie dachte, spiegelte sich in ihren verdrehten Augen wider: das durfte man heutzutage nicht mehr sagen: Der Staat war doch jetzt demokratisch, menschlich, gegen Todesstrafe und all dies. Von daher legte die Mutter die Finger auf den Mund. Alle nahmen es wahr und senkten die Köpfe. Zum Glück waren diese Worte nur im innersten Familienkreis gefallen. Jeder aber dachte, wünschte und hoffte dies natürlich inständig: man müsste diesen Verbrechern mal richtig zeigen, was eine Harke ist, aber naja!
Natürlich, gegenüber der Geldforderung bestand nicht der geringste Zweifel, selbstverständlich würden sich alle daran beteiligen müssen angesichts der Höhe der Summe, die von keinem allein geschultert werden konnte und theoretisch hätte man sogar eine Verdoppelung stemmen können, wobei aber alle richtig tief in die Tasche hätten greifen müssen. Aber solch eine Angelegenheit, Geld-Erpressung aufgrund Entführung eines Familienmitglieds - da war es klar, daß die Familie felsenfest zusammenstand.
Nunmehr wurde, pragmatisch und zupackend, sofort auch auf die Umstände der Geldübergabe eingegangen.
Der erste Punkt, über den geredet werden mußte, war: sollte die Polizei eingeschaltet werden? Der Polizistenneffe verneinte dies kategorisch: „Zu gefährlich!“ Erstaunlich, schließlich kannte er diesen Verein in- und auswendig. Oder war dies genau der Grund für seine Haltung? Darüber ließ er allerdings kein Wort fallen, aus dienstlichen Rücksichtsnahmen wahrscheinlich.
Der Polizist hielt also seine Pappenheimer für zu schusselig und nicht vertrauenswürdig?!
Interessant. Ein unbeantwortbare Frage. Zur Sache aber!
Inwieweit sollte man dann aber das Heft selbst in die Hand nehmen?
Sich um den abgestellten Mercedes Benz postieren, sich auf Lauer legen, bis die Erpresser das abgelegte Lösegeld holen kamen? Erschien aber nur ein Verbrecher, wovon auszugehen war, was war mit dem Zweiten, der die Geiseln gefangenhielt? Schwieg der gefangene Geiselnehmer wie ein Grab, wovon ebenfalls auszugehen war, so konnte der zweite den Geiseln Gewalt antun.
Eine schreckliche Vorstellung!
Dritter Punkt: vielleicht besser mit gezinkten Karten spielen, indem man die Scheine des Lösegelds markierte oder besser deren Nummern aufschrieb, um dann später, wenn sie verwendet werden würden, die Gangster überführen zu können?
„Das ist die effektivste Methode!“, behauptete der Polizistenneffe. Soweit reichte also doch noch sein Vertrauen in die Maschinerie des Staatsapparates, in dem er selbst ein Rädchen war und arbeitete, der Herr Polizist.
„Da konnte es längst schon zu spät sein!“, wandte einer ein.
„Trotzdem, das ist am Professionellsten!“, insistierte er.
Alle nickten widerwillig.
„Wer aber soll das Geld in den Mercedes legen?
Man schaute einander betroffen an. Eine schwerwiegende, vielleicht alles entschiedenste Frage. Davon hing mindestens zu fünfzig Prozent der Ausgang und das Gelingen der Geldübergabe ab. Aber dies Sache war auch sehr, sehr gefährlich, wenn man … hin- und herüberlegte.
Langsam richteten sich alle Blicke auf einen.
Auf einen Bruder des Entführten. Dieser saß ahnungslos in der Runde und trank, schluckte, besser soff gerade seinen Kaffee im breit angelegten Kaffeetisch des Essbereichs in dieser weitflächigen Wohnung des großbürgerlichen Hauses am Rande der Kleinstadt inmitten dörflicher Umgebung.
Vor lauter Hektik, Unter-Druck-Gesetzt-Sein und Keine-Zeit-Haben schüttete er das Getränk mehr hinunter denn er es genoß.
Der Idiot der Familie, der Trottel, heutzutage als psychisch Kranker bezeichnet. Denn es war nicht so, daß alle in diesem Clan Karriere, Erfolg und Achtung geerntet, oder wie soll man sagen, erreicht, erlangt hätten oder besser gesagt in den Schoß gefallen war. Es gab einen, der auf der Strecke geblieben ist, derartig schwach war, daß er gar nicht einmal ohne Medikamente, ärztliche und psychiatrische Versorgung aufrecht stehen könnte. Es war der, auf dem man herumtrampelte, den man vor anderen blamierte, zum Beispiel in der elterlichen Wirtschaft beim Bedienen: „Du Trottel, hast dem Falschen das Falsche hingestellt. Wie kann man nur so blöd sein?“, schalt ihn der Vater und der Stammtisch lachte dazu herzlich.
Musterknabe, Ministrant, sogar katholischer Pfarreranwärter – aber leider hat er am ersten Tag des Semesters eine Stimme gehört: „Mach es nicht. Du bist kein Pfarrer. Das ist nichts für Dich!“
Er war immer zur Stelle für jeden Verwandten im nahen und weiten Umkreis. Gab es sperrige Möbeln in den Keller hinuntertragen, oder in die Wohnung hinauftragen, oder jemanden ins Krankenhaus bringen. Das Mädchen für alles; der Prügelknabe für jeden; der Hanswurst für alle.
Einen solchen brauchen alle, die Erfolg haben.
Und so wurde er zur heiklen Mission auserkoren, der älteste Bruder des Arztes – wie stets, der Scheißhaus-Ausputzer vom familiären Dienst sozusagen.
Sowie er merkte, daß alle Blicke auf ihn gerichtet waren und was sie bedeuteten, nickte er devot: „Ich mach's!“ Es klang so, als hätte er sich selbst ins Spiel gebracht.
Einige seufzten aber. Diejenigen, die die Sache nicht geheuer war. Sie fragten sich: Würde er die Tour mit seiner trotteligen Art vermasseln?
Unter keinen Umständen dürfte das aber geschehen!
„Es steht das Lebern meines geliebten Bruders auf dem Spiel!“, sagte der Narr, der, was er wirklich gut konnte, bei außergewöhnlichen Gelegenheiten stets die richtigen Worte fand. „Und ich werde es retten!“ Starke Worte, fürwahr!
Das Leben retten des geschätzten Onkel, Neffen, Familienvater, Ehegatten, Parteifreund, Kegelbruders, Parteimitglied, Klassenkamerad, Fasnacht-Jecken und sehr erfolgreichen Arzt. Mit solchen Exemplaren war man in der Familie nicht gerade gesegnet. Zwar waren alle in der Familie bei allem dabei, wo es sich lohnte, dabei zu sein, zum Beispiel der Bauern-Onkel, der inzwischen auf den einträglichen Öko-Zug aufgesprungen war, aber im rechten Licht besehen, so ein beamteter Chefarzt in der Familie war schon etwas Besonders, fast ein Quantensprung, eine Mutation in die richtige Richtung!
Solche Personen standen unter Artenschutz erster Ordnung.
Insofern tauchten denn doch Zweifel auf, ob man diese vertrauensvolle Aufgabe Ernst überlassen darf. „Was müssen wir bedenken, daß nichts, aber auch gar nichts schief läuft?“
Anders formuliert: Welche Vorkehrungen, Umstände und Zufälle mußten bedacht werden, daß Ernst, ein durch und durch lieber, hilfsbereiter und fleißiger Mensch, aber halt ein Idiot, nichts falsch machte, verflixt!?
„Aber vielleicht doch Erwin!“ Das war der Name des Polizisten.
„Der kann die Sache am besten händeln, falls unerwartet Probleme auftauchen!“
„Ich mach's sofort!“ Diese Aussage kam mich freudiger Sicher- und Resolutheit, wobei er darauf achtete, daß der Tonfall Entschlossenheit ausdrückte, quasi die Führungsperson ergreift die Führungsrolle, sowie es geboten ist. Und kein Zweifel an der Stringenz derselben!
„Aber er hat Familie!“ Die Stimme einer Mutter drückte den natürlichen Überlebenswillen des Clans aus. „Ernst schafft das schon! Er muß nur Geld ins Auto legen, danach sofort verschwinden! Hast Du gehört, Ernst!“, rief die Mutter.
„Ja, natürlich!“, wie immer gefügig, hilfsbereit und zu allem Ja- und Amen sagend und ein scheuer Blick machte eine Halbwendung hier- und dorthin. Reiß Dich zumsammen, Akteur, Held der Handlung, bestimme das Geschehen!
'Endlich mal Tom Cruise sein können! In „Mission impossible“ Im Abenteuermodus voll durchstarten, wau-oh-wau.
'Ja, alle werden danach stolz auf mich sein!'
Er schaute um sich und fühlte alle Augen auf sich gerichtet. Das war aufregend, so daß er nervös mit den Füßen unterm Tisch scharrte.
„Das mach ich! Das mach ich selbstverständlich!“ Weder der Klang der Stimme verriet, ob dahinter etwas Unsicherheit steckte, noch sein aufrechter, geradeaus weisender Blick.
Mutter seufzte. Sie kannte ihren Sohn nur zu gut, um ihn nicht zu durchschauen und befürchtete, daß er eher scheiterte und ihm etwas zustoßen würde. Aber die Erinnerung an ihn würde wenigstens unauslöschlich im Herzen aller bleiben als der demütige Sohn, der er war.
Unterm Tisch faltete sie die Hände zum Gebet und warf einen Blick auf das Kruzifix an der Wand.
''Lieber Gott, hilf, daß er wenigstens diesmal nicht Mist baut!'
'Bitte, laß ihn nicht zum Opfer für die wenn auch gute Sache werden!', waren die stummen Worte der über 90 Jahre ältere Tante und Pfarrhaushälterin mit ihren weißen, totenblassen Händen. 'Mein geliebter Neffe ist doch der einzige Kümmerer in der Familie. Laß ihn heil aus der Sache herauskommen, bitte!' Sie hatte also durchaus handfeste Gründe dafür, ihn wieder bildlich gesprochen unversehrt und heil in die Arme schließen zu dürfen.
Dabei fiel ihr Blick liebevoll auf das große, farbige Poster mit dem Konterfei des derzeitigen Papstes neben der Ausgangstür Jeder, der den Raum verließ, tunkte über dieses Papst-Bildnis seine Finger ins Kolymbion, woraufhin das danebentröpfelnde Weihwasser den Pontifex Maximum immer wieder aufs Neue taufte.
Jetzt trat Ernst der Zwei-Meter-Polizisten-Neffe gegenüber. Sofort erhob er sich. Ihm wurde die Hand auf die linke Schulter gelegt, als vollführte die Queen einen Ritterschlag: „Das wirst Du schon hinkriegen, Ernst! Da bin ich mir sicher!“
Die Augen der ganz großen, weitverzweigten Familie ruhte das erste Mal nur auf ihn, in denen sich Hoffnung, Angst, Verzweiflung, Bestürzung spiegelte.
„In Anbetracht der großen Herausforderung werde ich alle Mühe, Energie und Zeit für die Meisterung dieser schwierigen Herausforderung aufbieten, so daß ich die Erwartungen keineswegs nicht nur in diesen Punkten rest- und makellos erfüllen werde, sondern...“
Hätte man dies geglaubt, hätte man ihm diese Politikerrede vollenden lassen. Aber man kannte Ernst Reden nur zu gut und sie erinnerte an einen Politiker vergangener Zeiten, der einem heutezutage nur noch peinlich sein konnte, selbst hier in diesen erzkonservativen Kreisen.
Es war an Mutter zu sagen: „Ernst, jetzt mach mal einen Punkt. Du weißt, was Du noch zu tun hast. Mach schnell und bereit Dich gut, sehr gut vor!“
So entging leider der Welt eine eloquente Rede ohne Punkt und Komma, aber nicht mehr lange, dann würde sie reichlich davon hören dürfen, war sich Ernst sicher. Denn er hatte einen Plan.
Stolzgeschwellt und jetzt um so sicherer bezüglich des Gelingens seiner Mission und seiner Aufgaben verließ er den Raum, nicht ohne mit gesegnetem Wasser den derzeitigen Papst zu beträufeln.

Pentzw
Erato
Beiträge: 889
Registriert: 11.04.2011, 19:59

8. Eine Pistole gehört zu einem Entführer...

Beitragvon Pentzw » 30.05.2021, 21:19

Zisch!
„Schwein!“
„Lag nicht in der Absicht des Künstlers!“
„Schau mal, wie Du mein neues Polohemd versaut hast!“
„Äh, nicht so schlimm. Denk an die Kohle, die uns winkt. Dann kannst Du Dir Hundert neue kaufen und...“
„Jau!“
Beide Entführer lehnten sich wieder zurück auf ihr Sofa und ihren Sessel, Beine über einen kleinen Hocker hier gelegt und über die ganze Länge dort, schlangen Chips, Salzletten, Drops, Bonbons hinunter und hielten jeder eine geöffnete Bierdose in der Hand und zudem Rat darüber, was sie mit dem vielen Geld am Besten anfangen könnten.
„Wohin fahren wir mit den Scheinchen?“
„Gute Frage. Sehr gute Frage! Äh, zwei Dinge kommen mir. Entweder in den asiatischen Raum, Thailand etwa, oder in die Karibik, Dominikanische Republik, oder gleich nach Afrika.“
„Das sind aber drei?“
„Was?“
„Ich sagte, Du hast drei Möglichkeiten, nicht zwei genannt!“
„Wie meinst!“ Der Dunkle richtete sich schon auf, weil er sich herausgefordert fühlte und sich nicht mehr an seinen vorletzten Satz von den zwei Optionen erinnerte.
„Schon gut. Vergiß es!“
Er ließ sich wieder zurückfallen.
„Also, ich würde ja fast Afrika vorziehen.“
„Warum gerade Afrika, he!“
„Ganz einfach. Da war ich noch nicht! Und außerdem soll's da richtig geil sein, Frauen ohne Ende. Und das Schönste: billig bis umsonst!“
„Wau!“
„Ein Mann hat dort das Recht, mindesten vier Frauen sein Eigen nennen zu dürfen, mindestens.“
„Mannomann!“
„Und das beste ist: Die liegen Dir nicht den ganzen lieben langen Tag in den Ohren mit: Liebst Du mich überhaupt“ und „Bin ich Dir überhaupt etwas Wert?“. „Ja, Schätzchen.“ „Dann beweise, daß das stimmt.“ „Wie?“ „Kauf mir einen neuen BH!“ oder „Ein paar neue Schuhe!““
„Mann, wäre das schön, dies nicht mehr anhören zu müssen.“
„Friedlich ist das, friedvoll. Ja, und reden tun die Frauen nur, wirklich nur, wenn sie gefragt werden. Ansonsten halten die die Groschen.“
„Kuhl!“
„Am besten sind die Asiatinnen, oder Polynesierinnen, egal. Die vögelst Du abends und dann husch-husch aus dem Bettchen und auf dem Boden schlafen!“
„Himmlische Ruhe!“
„Zwar sollen die Tropen mittlerweile nicht mehr am billigsten sein, aber Sonnenschein ohne Ende, kein Winter, immerwährender Sommer...!“
„Ohjaohja!“
„Aber wir müssen auf unser Geld achten, ewig halten die halbe Million auch nicht!“
„Da sagst Du ein wahres Wort, Mann!“
So ging das stundenlang. Sie träumten von dem, was sie mit dem vielen Geld anstellen würden und ergötzten sich an dem, was ihnen so an unendlichen Möglichkeiten und Perspektiven offenstanden.
Aber die tollsten Phantasievorstellungen, ausgelutscht wie ein Kaugummis, langweilen mit der Zeit. Zumal, wenn dazu gut und gerne zwei Dutzend Dosenbier kommen. Das umnebelte das Hirn und so kam Blondie auf die Schnapsidee, böte sich schon einmal eine solche Gelegenheit, könnte man doch mal mit so einem flotten, tollen Schlitten ein bißchen durch die Gegend gondeln. „Oder, was sagst Du?“
Der Dunkle murrte: „Ich weiß nicht. Mal überlegen.“
Er nahm einen gehörigen Schluck aus seiner Bierdose. „Vielleicht steht der Wagen jetzt schon unter Beobachtung. Und wenn Du hinkommst, dann schnappen sie Dich. Dann erpressen sie den Standort der Geiseln und futschi-cago ist unser Lösegeld.“
Blondie zog verbissen an seiner Zigarette. „Ich geb zu, da ist etwas Wahres dran. Hm!... Aber wenn ich ganz vorsichtig bin. Also, wenn ich mich erst einmal eine halbe oder sagen wir ganze Stunde auf Lauer lege, die Szene beobachte, ob da Leute sind, Du weißt schon! Ich kenne ja die Gegend wie meine Westentasche...“
„Hm. Wahrscheinlich denkt die andere Seite das selbe. Die lauern auch auf jemanden. Dann lauert ihr beide gleichzeitig. Und der erste, der aus dem Busch kommt, ist der Verlierer, so sieht's aus!“
„Dann muß er mich erst einmal überwältigen, so sieht's aus!“
Der Dunkle zeigte ihm den Vogel: „Du Doofkopp, überleg mal! Was kennzeichnet die Polizei besonders, hm!“
Blondie kleinlaut: „Hm. Ne Knarre!“
„Eben!“
Scheiße, keine Knarre.
Er zog an seiner Zigarette.
„Okay, ich geb mich geschlagen.“
Wieder Zug an der Zigarette. „Ich geh trotzdem mal zum Auto! Weil, nach dem Rechten schauen, nur mal kurz, ist auch nicht verkehrt. Und – Mann, hat Du vergessen – außerdem muß das Gefährt ja aufgeschlossen werden, damit die Knete reingelegt werden kann.“
„Stimmt! Stimmt! Du hast Recht. Und inzwischen gehe ich zum Discounter um die Ecke, mal ein bißchen Hackfleisch kaufen. Alle anderen Sachen, Nudeln, Reis, Brot haben wir ja genug!“
„Genau, Mann. Mach das!“
Blondie war hell begeistert.
„Okay! Bis gleich!“
„Bis gleich!“
Er wollte sicherheitshalber das Terrain abchecken, sondieren und das Gefährt aufschließen, aber vielleicht doch auch eine kleine Spritztour mit dem Cabrio machen. Wer weiß!.
Er schwang sich auf sein Fahrrad.
Ein leichter Nieselregen kam hernieder und es wurde kühl. Aber er hatte ein voll funktionierenden Drahtesel mit intaktem Licht. Das war wichtig, falls die Dämmerung früher hereinbrach und der sich bildende Nebel aus dem Wald die Sicht mehr verdunkelte als die Tageszeit erlaubte.
Einige Hunderte Meter in der Nähe des Parkplatzes stellte er sein Fahrrad ab, verschloß es und schlich geradezu über abseitige, geschützte Umwege zum Bestimmungsort und sah doch prompt dort jemanden, keinen Polizisten, sondern einen Zivilisten, einen Spaziergänger nämlich sehr eingehend den Mercedes Benz anschauen, um ihn herumgehen, unter den Unterbodenschutz schauen und den Kofferraum aufmachen wollen.
Der Polizistenneffe ließ es sich nicht nehmen, einen Tag vor der Geldübergabe, am Sonntag, nach dem Rechten des Mercedes Benz seines Onkels zu schauen. Den Tatort unter die Lupe nehmen war bestimmt nicht verkehrt. Anschließend sich noch eine Zeitlang auf Lauer legen, wer weiß, was passierte.
So hatte er genauso vorsichtig seinen PKW wie Blondie sein Fahrrad weit genug von hier abgestellt. Als er zuerst einmal um den heißen Brei herumgeschlichen war, war er nach zehn Minuten Vorsichtigsein an das Gefährt herangetreten, um sich einen Eindruck vom Auto des Neffen zu machen, in dem das Lösegeld gelegt werden sollte.
Da dieser Landkreis des Krankenhauses nicht sein Dienst-Arbeits-Bezirk war, befand er sich ausschließlich in privater Mission hier. Aus Gründen der Geheimhaltung war von einer Kurzschließung mit der zuständigen Polizeistation abzusehen. Dienstrechtlich gesehen war es also gefährlich, sich hierher zu begeben. Was würde er antworten, wenn ihn ein Kollege stellte und fragte, was er hier zu suchen hätte? Da man sich weit über seinen Bezirk hinaus unter Kollegen bekannt war, wäre dies mehr als peinlich.
Es fand nichts Auffälliges am Auto, was er auch nicht erwartete hatte. Er spähte in die Gegend herum auf der Entdeckung eines Beobachters. Dann auf der Suche nach einem guten Versteck. Dabei machte er eine Verlegenheitsgeste, ähnlich der Onkels einen Tag zuvor wegen des Schwarzgeldes, auf jeden Fall mindestens genauso verhängnisvoll, als er unachtsam die Hände in die Jackentasche steckte und nervös ein bisschen den Pistolenhalfter nach oben rückte, so daß ein Ideechen daraus hervorlugte und nun vom verdeckten Blondie gesehen wurde.
Dadurch stand jener sofort unter stärkstem Zugzwang.
'Boa, so eine Pistole ist auch nicht schlecht! Eigentlich gehört eine solche regelrecht zu professionellen Entführern wie wir es sind.'
Und hier bot sich wieder einmal die nächste tolle Gelegenheit!
'Mensch wir haben schon ein Glück! Zuerst zu Geld kommen, obwohl wir's gar nicht geplant haben. Und jetzt zu einer Waffe, damit auch nichts dabei schief läuft!'
Das Schicksal und Glück winkt ständig mit dem Zaunpfeil!
Die Mühe konnte er sich jetzt sparen, zur Absicherung der Erpressung eine Waffe zu besorgen . Sie wurde ihm hier auf dem Präsentierteller gereicht. Er mußte nur Pistolenbesitzer überwältige und schon war er stolzer Besitzer des Handwerkzeugs eines professionellen Entführers, einer Knarre.
Damit war seine Rolle perfekt.
Schnell ging er zurück zum Fahrrad und holte sich zwei Dinge aus seinem Fahrradwerkzeugtäschchen. Gerade rechtzeitig kam er wieder zum Parkplatz, als sich gerade der merkwürdige Passant mit Waffe in die Büsche schlug. Aber er sah danach einen Strauch sich bewegen. Er konnte es kaum glauben, aber dahinter hatte sich der komische Vogel versteckt, scheinbar um das Terrain zu beobachten.
'Nun um so besser. Da brauch ich Dich nicht zu verfolgen, sondern schleiche hinten herum auf Dich zu.'
Es gelang ihm unbemerkt an den Waffenträger heranzuschleichen, wozu er nicht einmal eine Viertel Stunde brauchte. Zugute kam ihm beim Heranpirschen, daß es merklich zu regnen angefangen hatte, was a) die Sichtverhältnisse verschlechterte und b) weil das Opfer sich eine Kapuze über den Kopf gezogen hatte, verräterische Geräusche wie Knacksen, Scharren, Hüsteln und Räuspern nicht zu hören waren. Das war auch gut so, denn Blondie kostete es einige Mühe mit seiner Lunge keine Geräusche zu machen angesichts seines jahrzehntelangen Nikotin- und THC-Konsum: sie röchelte wie ein Reibeisen.
Er drückte dem Polizisten einen kalten Schraubzylinder in den Rücken, der vorne einem Pistolenhals glich und mahnte eindringlich: „Bleib liegen, wie Du bist und rühr Dich nicht, dann passiert Dir nichts.“
Der Polizist gehorchte unbedingt.
„Jetzt Hände auf den Rücken!“
Der Polizist tat wie ihm geheißen.
Dann machte Blondie mit einem Kabelbinder eine Fessel.
„Rühr Dich nicht, dreh Dich nicht um, bleib wie Du bist!“
Von hinten fischte er sich die Pistole aus der Pargatasche des Gefangenen. Schließlich, als Blondie die Waffe an sich genommen hatte, verabschiedete er sich mit den dringlichen Worten: „Bleib eine Viertelstunde hier liegen. Äh, oder besser, zähl bis Tausend, bevor Du Dich erhebst! Verstanden!“
Der Polizist nickte ergeben.
„Bis Tausend!“
„Ja, ich habe verstanden!“
„Wenn Du mich verfolgst, dann schieß ich! Verstanden!“
Wieder nicken. Der Übertölpelte lag mit dem Gesicht im Unterholz, rührte sich nicht und schämte sich unendlich.
Blondie fühlte sich, sowie er der Pistole besaß, mit einem Schlag Tausend Mal besser.
'So ein Ding in der Hand, an der Hüfte, am Körper gibt Halt und Sicherheit und macht einem zu einem aufrechten Menschen. Super!'
Tatsächlich lief er so aufrecht und stolz wie noch niemals zu seinem Fahrrad zurück.
Auf einmal kam ihm, daß er einen fatalen Fehler gemacht hatte.
Warum nur hatte er den Mann nicht bewußtlos geschlagen?
Jetzt würde dieser ihm bestimmt klammheimlich folgen. Er nahm den Waffenhalter zur Hand, öffnete diesen, zog die Pistole heraus und drehte sie lange in Händen, bis er die Entsicherung gefunden hatte und machte sie schußbereit.
Er feuerte einen Warnschuß in das dichte regenverhangene Gehölz hinein.
`Sicher ist sicher. Damit der Verfolger mir nicht zu nahe kommt!´
Er packte sein Fahrrad an sich, schlug sich damit durch die Büsche und fuhr auf den engen Waldwegen Richtung Tunnel unter den Bahngleisen, welches der kürzeste Weg nach Hause war.
Dabei kam ihm eine geniale Idee.
Durch den kleinen Tunnel schob er sein Fahrrad, stellte es danach beiseite und löste das Fahrradschloß.
Die Unterführung war auf beiden Seiten mit Eisentüren versehen, die geöffnet waren. Manchmal mußte der Durchgang aus welchen Gründen auch immer im Bedarfsfall blockiert und abgesperrt werden, von daher die schmiedeeisernen Türen. So brauchte er sie nur zu verriegeln, nämlich mit dem Schloss zu versperren, so daß keine zehn Pferde das Eisentor mehr aufkriegten und sein Fluchtweg perfekt abgesichert war.
Danach nahm er schnell Reißaus.
Zurecht hatte er gemutmaßt, der Fremde würde ihn im gebührenden Abstand verfolgen, aber als er zum Tunnel kam - Ende Gelände! Über die Bahngleise zu gehen angesichts des durch und durch dichten Regens – glatter Selbstmord.
Im Moment des Hauseintritts war Blondie auf einmal schrecklich klar geworden: er muß die Geiseln erschießen.
Aber kein Problem.
Er wog und streichelte die tolle schwere Waffe liebevoll in seinen Händen wie einen Goldbarren.


© werner pentz

Pentzw
Erato
Beiträge: 889
Registriert: 11.04.2011, 19:59

9. Frivole Küchenspiele auf Männerart...

Beitragvon Pentzw » 13.06.2021, 17:15

Blacky hatte keine Lust zu irgendetwas, er soff lieber vor sich hin, bis ihm plötzlich eine Idee kam.
Im Keller lag doch ein Pferdegeschirr, eine Art Gürtel vom Vorgänger dieser Wohnung. Blondy hatte ihm erklärt, man könne dies einem Pferd um Hals und Bauch spannen und mit einer davon weggehenden Schnur von acht bis zehn Meter den Gaul im Kreis herumlaufen lassen, um ihn damit zu trainieren. Damit ließ sich das Tempo des Pferdes drosseln oder forcieren; zog man an, lief das Pferd langsamer, ließ man nach, lief es schneller. „Und einiges mehr, daß Du schon rauskriegst, wenn Du einmal die Leine in Händen hälst.“
Was bei Pferden, dürfte doch auch bei Menschen möglich sein, z. B. mit der Krankenschwester, wenn man es sich so überlegte.nn
Mal probieren, probieren geht über studieren. Mal sehen, was da geschieht und was wäre mit einem Menschen, den man an so einem Band zappeln ließ, wie würde er sich verhalten und fühlen - oh, welch interessante Vorstellung.
Also ging er die Kellertreppe hinunter, am Arzt vorbei, der zuerst erschreckt tat, dann aber erleichtert grinste, als er merkte, wohin Blackys Interesse sich wendete. Blacky öffnete das Gatter und schrie: „Raus, Du Miststück! Zeig jetzt mal, was Du kannst. Die Küche ist voller Dreck. Hoffentlich bist Du auch eine gute Hausfrau!“ Haushälterin wäre hier vielleicht angemessener gewesen. Außerdem beruhigte und begeisterte ihn die Vorstellung, sie sei seine Haus“Frau“.
Sie wollte nicht.
Blacky packte sie einfach rüde bei den Armen, zerrte sie aus dem düsteren Raum, stieß sie nach vorne vor sich her und in den Rücken die Treppe hoch: „Los, los! Du fauler Gaul.“
Im Wohnraum oben warf er sie aufs Sofa mit dem Gesicht voran, riss ihr die Kleider vom Leib und spannte den Gürtel um ihre Taille. Dann drückte er ihr eine Küchenschürze in die Hand: „Da, dein Werkzeug! Sollst Dich nicht noch mehr besudeln, als Du schon bist!“ Völlig nackt, nur mit dem Gürtel umheftet, zog sie sich die Schürze um den Bauch, lediglich die Brüste oben um den Latz herum waren mehr schlecht als recht zugedeckt. Ihre prallen Busen machten sich erneut und erneut Platz an den Schürzenträger vorbei, indem sie aus der Schürze hervor hüpften und ihre volle Gestalt entfalteten.
Blacky musste darüber herzlich lachen, zumal die Krankenschwester unaufhörlich versuchte, ihren Busen hinter die Träger zu verstecken – vergebens, so bald sie sich etwas stärker bewegte und wenn nicht, so sorgte Blacky mithilfe seiner Leine schon dafür, floppten diese wieder heraus und pendelten lustig hin und her.
Es machte sie dies anfänglich schier wahnsinnig. Die Scham stand ihr puterrot im Gesicht.
Aber nach einiger Zeit gab sie es schließlich auf. Zumal Blacky sie auch meist nur von hinten betrachten konnte. Sie vermied es tunlichst, sich ihm zu zeigen.
Hinten am nackten Po, wo der Gürtel vorbeilief, war eine Schlaufe befestigt, in der die Halteleine gesteckt wurde, mit der aus man von weitem den gefangenen Gaul dirigieren konnte, wie bei einer Fernbedienung. Dazu setzte sich der Dirigent aufs Sofa, ließ die Krankenschwester das Geschirr waschen, wenn sie sich umwendete, um weiteres Geschirr zu holen, strammte er das Seil und fragte: „Wohin?“ Wobei er doch wußte, wohin sie wollte, zum Beispiel aufs Klo, wo auch Geschirr, Tassen, Schüsseln, Teller lagerten und vor sich hinstanken.
„Brr!“ Pferdchen stopp. „Hü-Hott! Pferdchen spring!“ Ein Fremder hätte seinen Ohren nicht getraut, und Blacky hätte sie ob dieses kindlichem Spieltriebes, der sich hier Bahn brach, abgrundtief geschämt. Das passte gar nicht zu seiner geliebten Rolle des Miesepeters.
Das Pony strauchelte auch einmal und fiel hin.
„Ha, ha!“ - ach war das lustig!
Sie erhob sich wieder und packte Geschirr.
Blacky zog gleich noch einmal abrupt an der Leine, so daß sie das Geschirr fallen ließ und zu Boden fiel. Das brauchte natürlich gehörige Züchtigung. Und glücklicherweise hatte er neben dem Gürtel auch einen kleine Gerte gefunden, die er zur Disziplinierung einsetzte.
Die Krankenschwester wollte schon nicht mehr, oder verlor die Nerven, so sagte der Gebieter: „Bockst Du wohl?“ und ratzfatz sauste die Gerte über ihren Rücken. Die Striemen zierten den nackten Oberkörper der Krankenschwester so gut sichtbar, daß es unübersehbar war, zumal das Blut an den Striemen herausdrang. Aber was sein muß, muss sein. Und Strafe muss sein, ganz klar.
Er setzte sich wieder hin.
Aber jetzt stand das Pferd ganz starr da, wohl wegen der heftigsten Schmerzen der Tortur.
„Ich werde Dich schleifen! Warte!“ Und schon stand Blacky wieder auf und ließ wieder die Gerte etliche Male über ihren nackten Po sausen.
Dann änderte er den Ton, fast mildtätig sagte er: „Warum? Gefällt es Dir nicht bei uns?“
Schnell beeilte sie sich zusagen: „Doch, doch, sehr!“
Damit kein Zweifel bestand, kam:" Mir gefällt es hier wirklich sehr!“, und brachte Blacky besonders zum Lachen. Aber es war schon ein selten von Selbstmitleid triefender Trick gewesen.
Blacky stürzte einen Drink hinunter, dessen Blechbüchse Hochprozentigen enthielt.
„Hü, hott!“, und er ließ wieder die Schnur herunterhängen. Sofort machte sie noch geschäftiger weiter mit der Hausfrauentätigkeit.
Als sie erneut in ihrer Tätigkeit innehielt, war er hinter ihr, seine Pratze ein großes Bündel Haare umfasst und ihren Kopf nach hinten gebeugt, so dass sich ihre Gesichter keine zwei Zentimeter entfernt gegenüber standen.
"Aber, aber. Warum schneidest Du denn so ein häßliches Gesicht?"
Schweigen. Natürlich, was könnte sie schon sagen, ohne dass sie von ihrem Peiniger erneut eine übergebraten bekommen hätte.
"Sehr vernünftig, Deinen riesigen Mund nicht zu öffnen, um etwas Dummes zu sagen."
Ein unterdrückter Heulton entrang sich plötzlich ihrer Brust, als er schon dabei war, sich abzuwenden.
Noch einmal packte er mit aller Brutalität einen Haarschopf.
"Zwing mich nicht, Dir den Hintern zu versohlen, wenn Du anfängst zu plärren... Wenn ich etwas nicht auf den Tod hin leiten kann, dann ist es Weibergeheul."
Ein paar Mal musste er noch dazwischentreten, um die Hausfrau gut bei der Stange zu halten: "Komm mir nicht damit...", obwohl sie nicht wußte, was sie falsch gemacht haben sollte.
Sobald sie nur etwas sagte, kam es prompt, sogar gereimt: "Halt Deinen Rand, es macht mich krank."
Irgendwann war aber auch diese Tortur zu Ende. Das Wohnzimmer war nun auch etwas aufgeräumt. Das Geschirr immerhin völlig gespült.
„Jetzt ist aber Schluß!"
Plötzlich fiel die Frau erschöpft zusammen.
Die Striemen auf ihren Körper waren fingerbreit und verschorft.
Er fasste sie von hinten unten in die Arme, hievte sie weit genug nach oben, um sie, rückwärts gehend, hinten sich herzuziehen. Sowie sie die Treppe hinunter geschleift wurde jetzt, sah es der Mediziner. Offenbar dachte er, das Opfer bekäme es nicht mit, so wie sie in Ohnmacht gefallen wirkte, doch das zum Peiniger erfolgte freudige, aufmunternde Zulächeln nahm sie wahr.
Entsetzen! Diese feige Kumpanei! 'Nur, damit er sich selbst aus der Schlinge ziehen konnte.'
Wo keine Hilfe, kein Zuspruch, nicht ein Wort des Entsetzens und Widerstands gekommen ist, so aussichtslos dies auch immer erscheinen mochte, ließ sie nun schwören, es ihm heimzuzahlen – sofern sie noch dazu kam.
Darüber fiel sie in Ohnmacht.
So musste Blacky sie in ihrem Gatterverhau auf dem Sofa so hinsetzen, daß sie nicht mehr kippte, aber es waren dafür einige Versuche und viele Korrekturen nötig. Er schrie sie immer wieder an, sie solle sich doch zusammenreißen, aber es nützte nichts. Wie ein toter Fisch fiel sie sterbensschlapp von einer Seite auf die andere.

alle Rechte bei © Werner Pentz

Pentzw
Erato
Beiträge: 889
Registriert: 11.04.2011, 19:59

10. Schnüffler kennen keine Grenzen...

Beitragvon Pentzw » 15.06.2021, 13:50

Blondy wurde von Panik umwickelt.
Hatten sie übertrieben?
Hatte sie die Gier am Schlawittchen?
War es richtig, noch einmal das Lösegeld zu erhöhen?
Das hatten sie nämlich getan, als sie das letzte Mal die Ehefrau angesimst hatten, dabei die Order hinzugefügt, das Auto abzuschließen, da jemand zufällig vorbeikommen, die Geldablage beobachten oder auch einfach so im Gefährt nach Verwertbaren rumschnüffeln konnte, um am Ende auf die lieben Scheinchen zu stoßen.
Hatte die Ehefrau vielleicht zu diesem Zeitpunkt schon längst trotz Warnung die Polizei eingeschaltet und wenn diese fix reagiert hatte, hatte sie den Aufenthaltsort des Anrufers peilen können. Standen sie längst schon unter Beobachtung. Natürlich, die wollten natürlich die Gängster nach der Lösegeldübernahme kaschen. Das ist die übliche polizeiliche Verfahrungsweise. Damit die Anklage hieb und stichfest war; Mann, ja, damit die Verfolgten nicht die geringste Ausflüchte mehr ins Feld führen konnten.
Diese Ungewissheit
Wie immer, Blondy fühlte sich unter Beobachtung stehen, so oder so.
So oder so, er musste verdammt auf der Hut sein.
Ängstlich oder übervorsichtig schlich er schon eine ganze Weile um den Parkplatz wie die Katze um den heißen Brei. Er getraute sich einfach nicht ans Lösegeld ranzugehen.
Schließlich hielt er's nicht mehr aus, ging so achtlos wie möglich zum Cabrio, scharwenzelte doch erst einmal wie ein Betrunkener drumherum, tat so, als beäugte er die Reifen, warf einen Blick auf den Unterbodenschutz, dann auf die Autoschlösser – und ging wieder weg. Legte sich doch noch einmal auf die Lauer, wartete ungeduldig das hereinbrechende Zwielicht der Abenddämmerung ab. Zwar hätte es dunkler sein müssen bis zum optimalen Zeitpunkt.
„Das ist mir jetzt zu blöd!“
Stracks ging er aufs Auto zu, tat aber so, als wollte er es öffnen ohne die geringsten Hilfsmittel, stampfte mit dem Fuß auf, ging vom Auto weg, aber – jetzt war es ihm wirklich zu bunt – kehrte um und riss den Autoschlag auf.
Das Geld war da!!
Oder?
Er beugte sich zur Gummimatte des Beifahrersitz hinunter und entdeckte ein dickes Briefkuvert, raffte es an sich, öffnete es an seiner Brust, sah die Blüten, faltete das Papier wieder zusammen, bewegte seinen Oberkörper aus dem Auto, schlug den Schlag zu, schloss zu – warum eigentlich, wusste er momentan nicht, vielleicht springt noch eine Fahrt im Cabriolet heraus? – und machte sich auf den Heimweg.
So, jetzt kam der nächste neuralgische Punkt.
Mochte sein Handy nicht durch Peilung entlarvt sein, so war er bestimmt vom Satelliten aus auf dem Bildschirm oder welche technischen Möglichkeiten unbekannter Art die Behörden auch immer hatten. Er könnte zudem direkt verfolgt werden. Dem mußte vorgebeugt werden.
So wählte er natürlich den Weg zum Tunnel. Was einmal funktioniert hatte, nämlich beim Polizisten abzuwimmeln, würde funktionieren. Er lief einige Zickzacks, trotz Dunkelheit, aber kannte sich hier wie in seiner Westentasche aus, gelangte zur kleinen, röhrenförmigen Bahnunterführung, blickte sich um, was zwar eine überflüssige Geste war, denn er war sich seiner Sache sicher. Sollte sich jemand verdeckt an seine Fersen gehaftet haben, dann war hier Ende der Fahnenstange, wäre er doch längst über alle Berge, nachdem er die Tunneltür verschlossen hatte. Das Fahrradschloß hielt gut die eiserne Tür fest zu.
So getan: eiserne Tunneltür mit Schloß verriegelt.
Nur hatte er nicht mit einem wie dem Ernst gerechnet.
Denn dieser war ja längst schon am Parkplatz in seinem Transporter auf der Lauer gelegen, nachdem er das Lösegeld wie geheißen im Caprio abgelegt hatte und seine Argusaugen scannten und checkten den ganzen Parkplatz besser als jede hochauflösliche Videokamera.
Blondies merkwürdiges Gebaren!?
Ernst wunderte sich kein bißchen. Gewieft wie er war, rechnete er mit allem.
Danach heftete er sich übergangslos auf die Fersen des Flüchtenden.
Er kam nun auch in den Tunnel, fand ihn versperrt, krabbelte keine Sekunden zögernd den Bahndamm hoch und stand vor den Gleisen im Dunkeln.
Es war wie russisch Roulette.
Würde es schiefgehen – trotz der Gefahr?
Er musste einfach Erfolg haben, es allen beweisen, was für einer er war und so lief er los, von einem Gleis über das andere – ein Hochgeschwindigkeitszug rauschte knapp vorbei – er fiel hin, aber nur auf den Schotter, nicht auf die Eisengleise. Flüssigkeit rann ihn an der Backe herab aus Abschürfungen und Schrammen, aber er war schon über die Hälfte des Wegs und stürzte blindlings dann das letzte Stück noch weiter, fiel den Bahndamm hinunter, schürfte sich die Innenflächen der Hände auf, kam auf die anschließende Asphaltstraße zum Halt, wobei er sich in sehr günstiger Position befand, da er liegend kaum gesehen und einen Blick auf Blondie erhaschen konnte, der gerade das Gartentürchen öffnete.
Ernst wußte nun, wo die Erpresser wohnten.
Er war es zufrieden. Selbst die starke Schmerzen an Händen und Gesicht zählten jetzt nicht.
Nachdem er sich zum Haus hingeschlichen hatte, erkannte er durch das Store in den beleuchteten Räumen sich Menschen hin und her bewegen.
War der Täter dort drinnen?
Unbedingt, denn die Gartenzäune grenzten jeweils an weitere Grundstücke, dort, wo er gerade stand, war der einzige von außen zugängliche Weg hinein.
Er duckte sich und verharrte in gekauerter Haltung.
Die Polizei, seinen Neffen, anzurufen jetzt, verkniff er sich - sich den besten Bissen vom Fang wegschnappen zu lassen, ha! Nein! Killerinstinkt zeigen - wie seinerzeit 7. Kanzlerin Angela Merkel sich vom großen Vorbild des 6. Kanzlers Helmut Kohl distanzierte zur rechten Zeit...
Aber dennoch, Zeit, einen Plan zu entwickeln. Wie die Entführten auskundschaften? In den Garten, durch die Fenster ins Innere zu schauen? Oder versuchen durch die Kellerfenster ins Haus zu gelangen?
Er dachte: Jeder Plan braucht einen Rückzugsplan.
Wie sollte der hier aussehen?
Ernst schrie ein bißchen auf, weil er jetzt überall seine Wunden spürte.

Pentzw
Erato
Beiträge: 889
Registriert: 11.04.2011, 19:59

11. Warum sich Pfandflaschensammeln nicht lohnt...

Beitragvon Pentzw » 18.06.2021, 10:23

'Fuck, das mach ich jetzt schon seit meinem vierzehnten Lebensjahr! Aber gut, mittlerweile habe ich Untergebene. Na, wozu hat man schließlich studiert?'
Diese Frage stellte sich ein Abteilungsleiter eines florierenden Einkaufszentrum zehnmal am Tag, während er grimmig seinen Staplerwagen um die Ecken schiebt und über die knochenharte, primitive Arbeit, Waren auf Paletten herumzuschippern und dann in Regale einzuordnen, schimpft und flucht.
'Mittlerweile bin ich ja endlich Herr und Meister, habe Beschäftigte, die endlich mal nach meiner Pfeife tanzen müssen. Aber halt, was denke ich da, 's geht einfach nur darum, dass manche Menschen Führung brauchen, jemanden, der sie an der Hand nimmt und zeigt wo's langgeht. Sonst sind's bloß verirrte Schafe, mutterlose Kinder, Verlorene auf dieser Welt, so schaut's aus!'
Da sah er Blondy.
Auf ihn hatte er es besonders abgesehen, der ihm suspekter als suspekt vorkam. Schon allein seine wegstehenden Haare! Außerdem war er einmal hier mit einem dunklen Typen erschienen, eindeutig Ausländer. Wenn jemand in solch einer Gesellschaft verkehrt, sagt dies ja wohl alles über ihn aus.
'Na, der kommt mir grad recht! Leere Pfandflaschen aus Mülleimer gefischt hier zu vergolden, um seine 12köpfige Familie aus Syrien, Rumänien oder Weiß-der-Teufel-Woher zu versorgen, statt geregelter Arbeit nachzugehen, aber nicht mit uns! Das Pfandgeld kann er sich an den Hut stecken!'
Dieser unliebsame Kunde ist nicht nur auf des Kapos Schirm, auf den des Rampen-Abteilungsleiters, auf den des Vidoemeisterns, des Lehrlings und und und.
Aber einer nach dem anderen.
Das letzte Mal wollte Blondy nur eine Flasche einlösen, der türkische Lehrling war sich aber nicht sicher, ob er diese entgegennehmen darf. Blondy wurde wütend, was gibt es da zu zweifeln angesichts dieses eindeutigen Flaschenpfandlogos: „Sie sehen es doch!“ „Trotzdem! Ich muss den Chef fragen!“, wandte sich um und ging ins Büro des Abteilungsleiter, kam wieder heraus und ging an ihm vorbei: „Herr Abteilungsleiter telefoniert noch. Er kommt gleich. Warten Sie hier!“ Blondy wartete und wartete. „Was soll das, der telefoniert und telefoniert und lässt einen Kunden sich den Körper in den Bauch stehen!“ Er wurde immer wütender. Schließlich drückte er auf den Knopf der Flaschenmaschine und eine weibliche Roboterstimme ertönte: „Ein Mitarbeiter bitte zum Flaschenautomaten!“ Nichts tat sich. Noch einmal gedrückt und wieder nichts und wieder gedrückt. Unterdessen hörte der Chef den Lärm mit, wie die blöde monotone Maschinenstimme immer wieder die ganze, lange Halle beschallte, konnte aber nicht vom Telefon gehen, weil er in einem wichtigen Gespräch verwickelt war. Dementsprechend belferte er den Blonden an, als er endlich herauskam: „Können Sie nicht mal warten, wenn ich telefonieren muß!“
„Wer ist hier König, der Kunde oder der Verkäufer!“
Der Abteilungsleiter unterdrückte seine Wut diesmal und händigte ihn zähneknirschend den 25-Cent-Pfandgut-Bon aus.
'Schau, dass die schleichst, du räudiger Hund, du!'

Mitarbeiter X verstand sofort, sowie ihm der Videomeister einige Aufnahmen von Blondy vorführte.
„Man kann nichts erkennen. dass er sich etwas in die Tasche steckt! Aber...“
Mitarbeiter X wurde hellhörig und aufmerksam. Da musste nur etwas nachgeholfen werden, dachte er. Er war ein Psychologie, ehemaliger Stasimitarbeiter, agent provocateur, der heutzutage die falsche und denkbar unterqualifizierteste Arbeit erledigen musste: Pfandflaschen-Verwaltung. Man konnte ganz andere Flaschen „entsorgen“.
„Operation 'Jäger und Sammler'
Der Videomaster schaute seinen Mitarbeiter an.
„Wir starten die Operation 'Jäger und Sammler'
Die Stirn des Gegenüber runzelte sich.
Der Pfandflaschen-Fachmann erläuterte leicht oberflächlich: „Na, da müssen wir ein bißchen nachhelfen. Ein klein wenig provozieren, Sie verstehen.“ Und schnell sagte er: „Aber lassen Sie mich nur machen. Ich kenne solche Typen. Mit denen bin ich schon immer fertiggeworden. Die sind leicht auf die Palme zu bringen, werden schier tobsüchtig und dann machen sie die dümmsten Sachen, die man sich vorstellen kann. Gerade solche, die man wünscht, die verboten sind, Sie wissen schon, wie ich's meine?“
Der Herr über das im ganzen Areal, den Hallen, dem Vorhof, bis in die Parkplätze gegenüber der Straße reichenden Videoimperium nickte leicht, zwar mit einem etwas beklemmenden Gefühl in der Brust, aber letztendlich ist jeder selber schuld, wenn er sich in die Nesseln setzt oder treiben läßt, entscheidend ist immer die Tat, das Ergebnis, der Effekt – wie es in der pragmatischen Welt gilt. Und gegenüber dem Chef stand er schon in Zugzwang, denn die teure Überwachungsanlage musste sich endlich lohnen – bei bislang nur einem Kaufhausdiebstahl innerhalb eines Jahres tat es sich entschieden nicht. Sollte der extreme, verrückte, ehemalige Stasioffizier nur schalten und walten, aber wenn sich dadurch ein Kleinkrimineller auf frischer Tat ertappen und überführen ließ, war das große Los gezogen.
„Sehen Sie mal, was ich jetzt mache“, sagte er. „Ich setze das Programm in Alarmbereitschaft mit der Bilderkennungssoftware. Wann immer der Vogel hier erscheint, blinkt es rot auf und...“ Auf dem rechten, oberen Bildrand erschien jetzt auf jedem der circa zehn Bildschirme im Raum die verhaute Gestalt Blondys. Und auf den Videokameras, auf den er aufgefangen, ins Bild gesetzt und verfolgt wurde, leuchtete eine rote Aura um seine Gestalt herum auf, ein quasi unsichtbarer Astralleib oder elektronisch-fluoreszierendes Kraftfeld, als würde er gerade wie Kapitän Kirk von der Enterprise weggebeamt werden. Auf einem anderen Bildschirm, einem geometrischen Grundriß des Kaufhauses blinkte ein roter Punkt auf, der sich durch die Halle bewegte. An einem anderen Bildschirm wiederum zoomte jetzt die andere Kamera direkt auf Blondy zu, so daß er unmittelbar von oben und auf einem zweiten Bildschirm, der ihn auch gleichzeitig herangezoomt hatte, von schräg oben mit beinahe voller Körpergestalt von vorne zu sehen ist, während er auf den Flaschenautomaten zugeht.

Nun, heute, drückt der Administrator eine Taste, die ein Alarmlicht auf einem Bildschirm hinter dem Flaschenpfandautomaten auslöst mit dem blinkendem Schriftzug „Operation 'Jäger und Sammler'. Dies las Herr Stasi-X grinsend. 'Endlich ist es so weit. Das Mammut läuft direkt in die Falle. Heute wird er erledigt.'
Daß es dazu kommen sollte, lag daran, daß der Provokateur vom Dienst Blondy schon seit Wochen mit einer Herausforderung oder besser Unverschämtheit nach der anderen aus seinem Loch gelockt hatte. Er ließ sich auch herauskitzeln. Zu seiner Schande und wegen seiner Schwäche und Labilität. Aber auch andere Mitarbeiter beteiligten sich an der Hetzjagd.
So zum Beispiel der Lehrling, der direkt dem Flaschenmeister zugeteilt war. Dieser dachte, daß solch ein Verhalten Teil seiner Ausbildung sei, als er instruiert wurde anhand eines Bildes, eines Computerausdrucks, das vom Videomaster erbeten worden war, worauf deutlich und sichtbar zu sehen war, welche Gestalt das urzeitliche Tier besaß. Zwar hatte der Lehrling kein gutes Gefühl, aber Blondy gegenüber verhielt er sich zumindest sehr verhalten, um nicht zu sagen schroff ablehnend.
Aber nicht nur er. Dazu später mehr.

Blondy kam heute mit seinem Rad, allerdings mit Blackys Fahrradschloß an das Einkaufszentrum gefahren. Seins hing ja noch am Tunneleingang. Beim Rückweg würde er's holen.
Er war ziemlich erregt und wütend. Blacky hatte nicht wie vereinbart und angekündigt die Pfandflaschen entsorgt, als er das Lösegeld hatte holen müssen.
„Hast wohl etwas Besseres zu tun gehabt?“
Ohne zu wissen, dass er damit voll ins Schwarze getroffen hat, antwortete Blacky süffisant: „Das hatte ich allerdings!“
Diese unverschämte Antwort machte Blondy natürlich wütend und geladen machte er sich auf den Weg zum Einkaufszentrum. Flaschenentsorgen, Mineralwasser kaufen und sonst noch einiges mehr, was für die große Reise ins Reich der Freiheit nötig ist.
'Immer bleibt alles an mir hängen!'
Ärgerlich!
„Muß ich immer der Depp sein? - Na warte!´“
Eigentlich hätten sie ja so etwas wie Pfandgeldeinlösen nicht mehr nötig, aber der Mensch ist ein Gewohnheitstier.
Etliche der Pfandflaschen wollte er zunächst beim Automaten in der hinteren Ecke der Einkaufshalle einlösten. Die blöde Maschine quittierte diese allerdings wieder einmal nicht. Blondy schlug leicht mit dem Fuß gegen die wackelnde Blechkiste und drückte auf die Klingel, um die sterile Maschinenstimme ertönen zu lassen: „Mitarbeiter, bitte an den Automaten kommen!“ Mitarbeiter X trat aus dem Hinterraum hervor, erbot sich zunächst recht freundlich, natürlich sofort nach der von der Maschine verschluckten Flasche zu suchen.
„Warten Sie hier. Bin gleich zurück!“
„Warten“, dieses Wort brachte Blondy in seinem Zustand und in diesem Raum ziemlich aus dem Häuschen. Dazu hatte er zu oft mit den Mitarbeitern wegen der Unzuverlässigkeit des Flaschenautomaten Scherereien gehabt.
„Ich geh mal schnell zur Metzgerei davorne. Wenn Dein Chef kommt...“ Der danebenstehende Lehrling nickte und fuhr unverdrossen mit seinem Palettengabler weiter. Er konnte sich doch nicht auch noch mit Sonderwünschen verrückter Kunden abgeben. Jedenfalls war er längst wieder an anderer Stelle zugange, als der Mitarbeiter aus der Tür neben dem Automaten hervortrat und weit und breit keinen Kunden mehr erblickte. Auch er stand unter Zeitdruck. Nun aber mußte er warten. Er tat dies so ungern, daß er, als Blondy mit einem verpackten Batzen Hackfleisch von der Fleischdecke wiederkam, jener das Anliegen mürrisch, mit einem wegwerfenden Schulterzucken abtat.
„Da hat sich keine Flasche gefunden!“
„Heißt wohl, ich bekomm keinen Bon, was! Dann ruf ich ihren Chef!“ Schon wendete sich Blondy dem Geschäftsbüro des Einkaufszentrum zu.
„Halt!“ Er blickte in die grinsende, verquerte, verlogene Visage. Dieser hielt bereits einen vorbereiteten, handschriftlich ausgestellten Bon in der Hand hoch.
Blondy hatte noch eine zweite Flasche in petto.
Eigenartigerweise fehlte diesem das Pfandemblem.
„Da kann ich nun wirklich nichts machen!“
„Aber...!“
„Nun aber wirklich. Tut mir leid!“
„Kommen Sie mal mit. Ich zeige Ihnen etwas!“
Blondy lief wütend um die Ecke zu solchen verkaufbaren Flaschen.
„Okay, dann halt!“ Mitarbeiter X lachte und zeichnete die leere Flasche gegen.
Blondy kochte das Blut in den Adern.
Wütig lief er zur Kasse und unterließ in seiner Wut das zu zahlende Fleischprodukt zu begleichen. Es steckte uneinsehbar in seiner Jackentasche. Er ließ sich den Wertschein ausbezahlen und verließ eiligst das Geschäft.
'Gerechtigkeit muss sein! Verarschen laß ich mich nicht. Widerstand ist nötig, um nicht sein Gesicht zu verlieren.'
Er trat aus dem Einkaufsareal hinaus und spürte eine Hand auf seiner Schulter.
„Kommen Sie mit, junger Mann!“
Der stinkige Abteilungsleiter und der aufstierende, unseriöse Mitarbeiter X forderten ihn entschieden auf, mit ins Geschäft hinein zu kommen.
„Wieso?“
„Wir müssen da ein paar Dinge klären!“
Sie hatten seine Unterlassung auf Video aufgezeichnet und verfolgt und weil jeder Diebstahl zur Anzeige gebracht und dafür kein Verständnis aufgebracht wurde, zudem sich die Zaungäste gleichgültig gegenüber anderen verhielten, waren die Warenhausbetreiber sicher und fühlten sich im Recht und riefen die Polizei.
Während Blondy allein im Mitarbeiter-Aufenthaltsraum der Mitarbeiter auf die behördlichen Ermittler warten musste, wurde ihm allmählich seine Lage klar. Rational sagte er sich zwar in etwa, dass letztlich geschissen war auf die Tatsache, dass er nicht umhinkäme, eine kleine Strafzahlung für einen kleinen Diebstahl zu entrichten – aber was war das schon im Vergleich zur Höhe des Erpressungsgeldes, das auf ihn wartete?
Aber, je länger er zuwartete, desto nervöser wurde er.
Wenn sie Verdacht schöpften, wenn die Arztfamilie vielleicht doch die Polizei eingeschaltet hatte nämlich und diese in dieser Gegend hier auch die Entführer mutmaßte, wovon entschieden auszugehen war, würden die schönen Scheine und herrliche Freiheit unwiederbringlich flöten gehen. Was war mit dem Herumliegen auf einer Insel, die vielen Tussis und vor allem das beschwerliche, widerliche, bekackte Leben hierzulande hintersichlassen?
Mensch, er musste sich verdünnisieren.
Er spürte seine Waffe in der Westentasche, das erste Mal, seit er hier ist.
Das beruhigte ihn ungemein.

Er spitzte aus dem Raum, sah dort den Besitzer und den Administrator an den kurz unterhalb der Decke entlangführenden Rohrleitungen Muskelübungen machen wie im Fitnesscenter, was angesichts deren bulliger Korpulenz aussah, als ob Rindviecher, nur wie im Schlachthaus nicht umgekehrt, herunterhingen. Zu allem Übel, aller Bedrohlichkeit und vor allem jetzt Scham kam noch eine schnucklige Verkäuferinnen herein, um sich aus dem Kühlschrank etwas zum Vespern zu holen. Sie lächelte verlegen.
'Bin ich denn der Depp!', entfleuchte es ihm, verschluckte aber diesen Wortschwall. Stattdessen grinste er Zähne fletschend gen schönem Engel, deren Erscheinung bald vorüber war.
Dann kamen zwei schneidige Polizisten in den Gang, wo Geschäftsleiter und Videospitzel ihre Muskelübungen vollführten.
„Zum Videoraum?“
„Gehen wir dort hinein!“
Alles war so schnell gegangen, daß Blondy keine Chance hatte, etwas zu sagen oder zu fragen, ob auch er die Videos mit ansehen könne. Blondy war Spezialist in Videoschnitt, anhand des selbstgedrehten Pornos bewiesen. Er wußte, mit Videobildern sind schier unbegrenzte Manipulationsmöglichkeiten eröffnet, ja selbst der Timecode, die Zeitangabe unten am Rand der beweglichen Bilder konnten nach Belieben verändert werden. Wer weiß, welche Szenen die den Polizisten präsentierten? Auch die, wo er provoziert worden ist? Wer weiß, was Geschäftsleitung und Polizisten untereinander ausmachten nach dem Motto: Seh über diese uns kompromittierende Szene hinweg, dann wird die Grillfleischladung für die nächste Betriebs-Festaktivität doppelt so groß ausfallen, bei gleichem Preis, versteht sich.
„Ja, wirklich, ich bin der totale Depp!“
Blondy saß auf der Stirnseite eines langen, fast den ganzen Raum durchziehenden Tisches. Auf diesem lagen verschiedene Dinge wir eingewickelte, belegte Brote, Gemüse, Obst oder Trinkgefäße – der Proviant der Mitarbeiter. An der Wand darüber hingen etliche Fotos von lustig dreinschauenden Kaufhauspersonal auf Geschäftsfeten, Ausflügen oder Kaufhaus-Events, in die die schnuckeligen Verkäuferinnen nur so feist herauslächelten, daß es Bondy ganz anders zumute wurde. Dazwischen hing ein Kalender, ein Putz- oder Abspülplan für die Mitarbeiter. Und inmitten dieser kunterbunten Poster-, Bilder- und Mitarbeiterplan-Wand glaubte Blondy ein großes, farbiges Bild von einer sehr bekannten Person zu erblicken – aber das war doch unmöglich!
Abrupt sprang er auf, ging ein Stückchen um die Bank herum näher an das Konterfei heran.
Von oben herab war von dem Mann die Tonsur zu sehen, dessen zu lange Haare wie dem Filmhelden von Eraserhead von David Lynch wie unter Strom- und Blitzeinfluß weg standen - er selbst, Blondy war es.
Darüber stand in bunten Lettern: „Operation JÄGER UND SAMMLER“. Und darunter weiter: MOST WANTED. Nicht genug damit. Man hatte in sein Gesicht mit rotem Filzstift eine Clowns- oder Pappnase gemalt.
Er konnte es einen langen Moment nicht fassen. Er war als der größte Clown, die größte Pappnase, der allergrößte Depp weit und breit in aller Öffentlichkeit verhöhnt und an den Pranger gestellt.
Manches der eigenartigen Verhaltensweisen der Verkäuferinnen wurde ihm mit einem Mal etwas erklärlicher, wenn sie ihm verwegen ins Gesicht oder hinter vorgehaltener Hand anlächelten und angrinsten.
Er bekam es plötzlich mit der Angst zu tun, mit der Angst davor, was er am liebsten jetzt getan hätte, nämlich sich ein paar Geiseln zu nehmen, mit an die Schläfen angelegtem Pistolenlauf durch die Menge draußen im bunten Kaufhaustreiben zum Erschrecken aller zu gehen, um sich seinen Weg freizukämpfen. Er rannte über diese Vorstellung geschwind aufs Klo hinten am Ende des Personalaufenthaltsraumes.
Dort entleerte er sich mit einem gehörig lauten Plippfff.
Muffensausen hatte ihn am Wickel.
Denn die Polizei war ja da, mit der er ja so seine Erfahrungen gemacht hätte. Das waren Profis, die ihn unerbittlich in zunächst gebührendem Abstand folgen würden, aber nicht locker lassen würden, egal welche Kapriolen er sich auch leisten würde.
Erneut erzeugte sein Durchfall einen hohen Laut.
Er griff nach seiner Pistole in der Seitentasche, zog sie hervor und legte sie flach auf die Handfläche. Mußte man dieses Gerät nicht entsichern vorm Einsatz? Er öffnete die Schusstrommel und vergewisserte sich, daß sie Patronen enthielt. Die Trommel klickte zurück und ein.
Da war so ein Hebel, den er betätigte. So jetzt müßte sie schussbereit sein. Er hob sie und hielt sie gegen die verschlossene Klotür.
Nein, cool bleiben, Nerven behalten, erst mal schauen und abwarten.
Was, mit entsicherter Pistole hier warten, bis die Tür eingetreten werden würde, weil er nicht öffnen würde? Dann ballern, sowie die Tür zersplitterte? Quatsch, man würde sicherlich mit einem Dietrich zugange sein und dann hätte er freie Schussbahn, wenn sich die Tür sesam-öffne-Dich auftat.
Er würde ein Blutbad verursachen, das sich gewaschen hätte. Nur würde er dadurch nicht entkommen. Die Nachfolger standen schon bei Fuß. Und auch die zu überwältigen, ginge vielleicht noch an, aber beim Durchqueren der Verkaufshalle würden sich ihm doch einige Mitarbeiter in den Weg stellen.
Wobei allerdings die Vorstellung sehr anregend wirkte: das kühlte sein Mütchen angesichts der nun erfahrenen Ungerechtigkeit.
Er merkte, daß sein Blick starr auf die Tür gerichtet war genauso wie seine Knarre.
Er war also bereit, selbst zu einem Massaker.
Das Bild von der Schießerei in der Kaufhalle – obwohl es auch witzig war: Tomatendosen explodierten mit rotem Schwall durch verirrte Kugeln – das Glas der Wursttheke explodierte und leblose Menschenkörper fielen auf die Fleisch- und Wurstauslagen – igitt – erfüllte ihn jetzt doch mit einer Gemengelage aus Abscheu, Befriedigung und Scham, die ihn verlegen machte. So wanderte sein Blick automatisch die Tür hoch, über die Decke, bis er im äußerten Blickwinkel ein Klappfenster sah. Sofort sprang er auf, zog die Hose hoch, steckte die Pistole weg und beäugte diese Öffnung genauer.
Aufgeklappt.
Wunderbar!
Das war's - ab die Wurscht!
Er klappte den Klodeckel auf, stieg auf den Pissoirsockel und ging mit dem Fenster zuwerke. Nur durfte der Fensterrahmen nicht herausbrechen – was auch nicht tun würde!
Das Fenster selbst ließ sich locker aus seiner Halterung ziehen und so konnte sich Blondy hoch wie an einer Stange nach oben ziehen, ha, es lohnte sich doch, tagtägliche Krafttraining zu machen. Verdammt, dann stieß er gegen ein Gitterwerk. Dieses war, weil eingerostet, nur schwer zu öffnen, aber Blondy drehte sich dort oben am Fensterrahmen akrobatenartig um seine eigene Achse und stieß den Rost mit einem Fußschlag aus der rostigen Verankerung.
Der Weg war frei!
Draußen auf dem horizontalem Hallendach lief er über 50 Meter diagonal in eine äußere Ecke, schaute erst einmal vorsichtig nach unten, ob man schon auf ihn wartete und ob der Weg frei wäre, was er war, da zufällig keine Menschenseele da hinten weilte oder hin- oder herging. Doch ging er leiber ein paar Meter die Längsseite entlang zurück, um von dort aus, an einer Regenrohrleitung wie ein Affe herunterzuklettern. Schnell sprang er um die Ecke zum Fahrrad, öffnete das Schloß und fuhr los.

Und er wurde verfolgt.
In seiner Begeisterung und Freude über das Entkommen schaute er sich nicht nach Verfolgern um.
Die Aussichten waren düster: nun würde die Polizei erfahren, wo er logierte, kämen ins Haus gestürzt ohne Kenntnis der Entführung und sie beide, Blacky und er, würden sich wehren.
Nur wie?
Diese Situation würde fatal werden. Zu welchen unschönen Szenen es kommen könnte?
Wohl hatten sie jetzt eine Knarre. Trotzdem, er hatte keinerlei Erfahrung im Umgang ihr. Wie sollte er sich da gegen Profis wie Polizisten wehren können?
Blondy hatte einfach deshalb schon einmal ein ungutes Gefühl. Und er fühlte sich deshalb allmählich verfolgt.
Wohin wollte er ursprünglich?
Aha, er fuhr kurzerhand zum Tunnel, um ganz sicher zu gehen. Noch nicht genau wußte er, wieso er dies tun sollte... Aber mochten die Verfolger, Profis wie sie waren, noch so zaghaft und vorsichtig vor sich gehen, und sicher war sicher - beim Tunnel war Ende der Fahnenstange - denn dort konnte er diese abhängen - genau, das Schloß!
Er rollte das Fahrrad hinein, hastete zum anderem Tunnelende, öffnete das noch vorhandene Schloß am anderen Eingang, verschloß es erneut hinter sich, stellte das Fahrrad ab, nahm Blackys Fahrradschloß an sich und stieg den Bahndamm hoch.
Er hatte da so eine Idee. Und er hatte auch eine Befürchtung.
Und tatsächlich, in der Ferne, über den Bahndamm geblickt, auf der anderen Seite, sah er ein Polizistenauto langsam des Weges kommen.
Er überquerte sehr vorsichtig die Fahrgleise - sie würden ihn von der anderen Seite nicht sehen können, waren doch die Bahndämme mit hohen Gestrüpp und Baumstämmen begrenzt.
Er sah das Polizeiauto stoppen. Zwei Uniformierte sprangen heraus, auch der Abteilungsleiter und hastig stürmten sie in den Tunnel hinein. Blondy sprang die Böschung hinunter, ging an die vordere Tunneltür heran und machte sie mit seinem zweiten Schloß dingfest.
Fast hüpfte er Richtung nach Hause.
Die drei Personen im Tunnel saßen in der Mausefalle. Weder vorne noch hinten kamen sie heraus. Es war ziemlich dunkel dort und roch beizend nach Urinsäure und Hunde- und Menschenkot. Ob ihre Walkie-Talkies durch die dicken Mauern Funkverbindung herstellen konnten? Ansonsten, würden die womöglich dort unten im wahrsten Sinne des Wortes versauern... Nicht auszumalen, oder?
Blondy lachte und freute sich: Gerechtigkeit muß siegen!
Gleichzeitig machte er sich auch Sorgen. Hier in diesem Tunnel konnte man sich, da seine Stammkneipe nur visavi der Straße war, sorgenlos und ungebremst auskotzen. Jeder Rausch mußte raus! Wie würde es sich in Ballermann-Regionen verhalten? Konnte man sich dort auch so ungezwungen auskotzen wie in der Heimat?

Pentzw
Erato
Beiträge: 889
Registriert: 11.04.2011, 19:59

12. Der Stärkere bestimmt, wo es langgeht...

Beitragvon Pentzw » 22.06.2021, 21:11

Die Koffer mussten gepackt und sich aus dem Staub gemacht werden, nicht gleich, weil, was geschah, wenn die Polizisten im Kloakentunnel befreit worden sind? Polizei-Streifen würden um die Blocks pausenlos Patroullie und Kontrolle fahren, da sie vermuteten, daß der Geflohene unmittelbar hier wohnen mußte. Nach einem Tag allerdings, morgens, würde sich das wieder gegeben haben, zumindest wurde es dann Zeit zu fliehen, komme, was da wolle.
„Ewig können wir nicht in der Mausefalle schmoren!“
Blacky: „Was, sind wir Mäuse oder was?“
Blondy: „Vergiss es, äh, ist schon gut!“
Insofern hatten sie einen Tag Ruhepause. Zeit zum Planen und für Zwist.
Blondy buchte erst einmal einen Flug für – zwei Personen? Eine Geisel mussten sie wenigstens zur Sicherheit bis zum Flughafen mitnehmen. Wer, würde noch ausgekartelt werden müssen.
Blacky wollte die Krankenschwester mitnehmen – natürlich. Blondy den Mediziner – natürlich. Für wen sprach was?
„Dieser Mensch, Arzt, hat sozusagen den höchsten Preis!“
„Wie!?“
„Wenn wir aber die Krankenschwester mitnehmen und die Polizei ihn hier vorfindet, ist unser Faustpfand, hm...“
„...flöten gegangen, meinst Du? Warum?“
„Ja. - “
„Auja, du hast ja recht, das Lösegeld ist schon gezahlt. Wie wahr, der Mediziner ist uns keinen Pfifferling mehr wert!“
„Pfifferling?“, wiederholte Blacky. Das ist doch ein Pilz, so ein kleiner, gelber, den man im Wald finden und gut mit Eiern, Speck und Nudeln essen kann. Was hat ein Pilz damit zu tun? Aber klar, weil es ums Essen geht, ist das klar, daß dies etwas Gutes ist. Muß sich gemerkt werden: Etwas ist keinen – kleinen – Pfifferling mehr wert.
„Wenn die Krankenschwester mitkommt...“ Blondy dachte laut darüber nach, was wohl in Blackys Kopf vorging.
„...ach, ich versteh! Das hättest Du wohl gern! Das ist Wasser auf Deinen Mühlen!“
Das widerum verstand jetzt Blacky überhaupt nicht.
„Was, was. Wasser? Was für Wasser?“
„Hä!“
„Und Mühlen. Wo habe ich eine Mühle, he, kannst Du mir das mal sagen? Bin ich etwa ein verdammter Holländer, oder was?“ Blacky war nahe dran, seine Gefühle in die Tat umzusetzen.
Es hätte noch explosiver werden können, wenn Blondy weiterhin seine Gedanken verbalisiert hätte.
„Dir geht’s letztlich nur ums Ficken!“ Freilich wäre es ihm selbst auch darum gegangen mit dem Mediziner! Jedenfalls hätte Blondy Blacky, weil wahr, dessen Integrität schwer verletzt, zumal wenn er es auf den Punkt gebracht hätte: „Du willst Dir nur eine Sexsklavin halten!“
Blondy sah sich wieder einmal abgehängt, verarscht und als das Fünfte Rad am Wagen.
Vor seinem Auge lief folgender Film ab: Er saß am Lenkrad des Caprios, fuhr durch die Gegend, während es hinten im Fond nur so hin- und herrumpelte und -schlug, aber nicht wegen der unebenen Straßenlage, als vielmehr...
Das Dosenbier floß an diesem entscheidungsträchtigen Abend in Strömen und so äußerte Blondy nichtsdestotrotz und eben deswegen die aberwitzigsten Argumente – für die Mitnahme des Arztes.
„Wenn uns etwas zustoßen könnte, könnte uns der Arzt hilfreich sein. Er könnte uns verarzten, bedenk das mal.“
„Was soll uns nur zustoßen? Hä!“
„Na, ein verirrter Querschläger von einem Pistolenschuß...“
„... aus der Waffe eines Polizisten....“
„...du sagst es...“
Blacky war nun nicht dumm. Dafür reichte durchaus seine Phantasie.
„Das ist ein Argument!“
Langer Rede, kurzer Sinn: Schließlich setzte sich Blacky natürlich doch durch. Die Krankenschwester kam mit. Basta!

*

Ernst lauerte schon. Er hatte die Nacht über hier hinter den Büschen Wache gehalten und sich nicht auf den Weg gemacht, um seinen LKW zu holen, um nichts zu verpassen. Weil sich nicht zum Einschlafen hatte gehen lassen, war er heute morgen dementsprechend übermüdet.
Endlich kamen zwei oder drei Unbekannte aus dem Haus. Sie eilten schnell an ihm vorbei, der sich hinter seine Deckung geduckt und verborgen hatte. Als er wieder den Kopf hob, um zu sehen, wohin die drei liefen, sah er, wie sie einige Meter gelaufen waren, dann aber stehenblieben, um wohl bald links in den Tunnel abbiegen zu wollen.
Es war alles so schnell gegangen. Wieviel Personen waren es in Wirklichkeit? Er trat jetzt einen Schritt aus seinem Gebüsch heraus, um den Flüchtenden besser nachspänen zu können und sah dort am Eingang des Tunnel noch einen Mann stehen.
Sollte er ihn sich kaschen?
Mit einem Mann wird er allemal fertigwerden...
Das war die erste Nagelprobe.
Ernst begann Stimmen zu hören: 'MIT DEN HERAUSFORDERUNGEN WÄCHST MAN INS AMT!'
Er zog die Schildkappe tiefer ins Gesicht, wobei er den Kopf senkte und im Laufschritt ging, als joggte er, stoppte, beugte die Knie, spreizte die Arme, wedelte mit den Händen, fuhr die Arme wieder ein, ließ sie baumeln und am Oberkörper auspendeln, während er jetzt den Kopf wieder langsam hob und, der Zielperson sich nähernd, die Lage, die Situation, schließlich das Zielobjekt selbst einzuschätzen.
Der Widerpart war spurlos verschwunden!
'NACHTIGALL ICH HÖR DIR TRAPSEN!'
War das ein Falle? Lauerte der Gegner hinter einem Gebüsch?
Das bedeutete vorsichtige Herangehensweise.
Er verringerte sein Lauftempo, hielt an, warf die Hände nach oben und nach unten wie jemand, der bewußt tief ein- und ausatmen wollte und tappte und trödelte heftig den Atem ein- und ausstoßend langsam dorthin – aber da war niemand hinter dem Busch und vor dem Tunnel, da stand niemand mehr.
Klar, der war auch jetzt im Tunnel, wenn nicht schon wieder am Ende heraus. .
Er näherte sich zögerlich diesem großes, schwarzen, gähnenden Loch.
Man wusste ja gar nicht, was auf einem da drinnen wartete. Waren die Verfolgten mißtrauisch, dann stand am Tunnelende bestimmt einer mit einer Knarre und...
'MENSCH, SEI NICHT ZÖGERLICH, SONST VERPASST DU DEN ABSPRUNG! Augen zu und durch!'
Und schon bückte er sich mit seiner 190 cm Körpergröße und verschwand im röhrenförmigen Tunnel. Leider rutschte er mittendrinnen über etwas aus, versuchte sich mit den Händen vergebens abzufangen, verletzte sich dabei am Kopf, insbesondere Backenknochen, als er mit dem Kopf an die Wand schlug. Am Boden griff er in etwas Klebrigen, daß er angewidert unmittelbar vor Augen hielt, um zu sehen, um was es sich handelt. Angewidert sprang er schnell auf, schüttelte heftig die Hände, so daß das benutzte Klopapier von ihm fiel und lief wieder los, rutschte erneut an Unrat aus, so daß er mit den Knie an der Innenwand des Tunnels entlang ramste, bis er auf seinen Hosenboden fiel und seinen Schmerz mit voller Lautstärke herausstieß.
Er stand sofort wieder auf, ging jetzt aber langsamer Richtung draußen. Erst dort erkannte er an seinen Schuhsohlen das Weiße und Braune, daß daran pappte.
'TIME IS MONEY!'
Am einem Strauch Gebüsch befreite er sich von dem Fremdkörper an den Schuhen und stürzte geleich einem humpelnden Hüftgeschädigten, einem verletzten Fußballer oder Orang Utang weiter. Er fühlte die Stärke in sich, die Energie, die Power und unterdrückt mit zusammengepressten Lippen Schmerzen, die zum Herausschreien intensiv sind.
Der einzige Weg vom Tunnel weg links führte in eine Serpentine hinauf. Diesen stolperte er einfach hoch, stieß sich an einer dicken, herausragenden Kieferbaumwurzel, kam zum Fall, verletzte sich aber nicht nennenswert und krabbelt jetzt praktischerweise auf allen Vieren am Boden entlang den steilen Abhang hinauf.
Dann stand er in einer Abzweigung.
Er blickte in zwei Richtungen.
Sah in der Weite einen tanzenden gelb-grauen Farbflecken. Ein Anorak, eine Kleidungsfarbe, jemand also, höchstwahrscheinlich die zu Verfolgenden.
Los, im sicheren Abstand schnell aufschließen.
Er erkannte drei Personen. Wer waren diese da vorne wohl?
Eine Person war weiblich.
Mit einer Frau als Bösewicht hatte er nicht gerechnet.
Aber um so mehr musste er auf der Hut sein, durfte keinen keineswegs unterschätzen, sprich auch eine Frau konnte gefährlich werden. Ob die zwei Geiselnehmer, diese Frau und ein anderer, den dritten, seinen Bruder in Geiselhaft hielten? Wenn es sich bei der dritten Person überhaupt um seinen Bruder handelte?
Egal, sich jedenfalls vor allen Menschen in Obacht nehmen und diese zwei oder drei, egal wen, überwältigen, übertölpeln und unschädlich machen. Irgendwie. Handelte sich beim Dritten um seinen Bruder, hätte er nur zwei außer Gefecht zu setzen, das war schon mal gut. Auf Hilfe seitens des Bruders dabei konnte er nicht rechnen, wahrscheinlich war dieser mit einer Fußfessel geknebelt und behindert.
Wenn man's nur genau wüßte! Wie konnte man sich nur einmal einen Überblick verschaffen?
Dazu war es bald ohnehin zu spät. Die drei näherten sich jetzt dem Parkplatz. Sobald sie den Cabrio erreicht hatten, war diese Gelegenheit verpasst worden.
SCHLECHTE KARTEN, MEIN GUTER!
In seinem Hirn rotierte es: was tun? Was tun? Was?
Nein, die Chance einer Übertölpelung hier, das musste er erkennen, war zu ungünstig, so dass er sich entschied, sich in seinen Überwachungswagen zu werfen und die im Mercedes Benz Flüchtenden zu verfolgen.
Er wandte sich seiner alten Karre zu.
Hoffentlich war sie schnell genug. Hoffentlich soff sie ihm nicht ab. Alt genug war sie. Wenn auch von ihm vorher gut durchgeschaut worden und auf Vordermann gebracht. Öl, Luftfilter, Bremsflüssigkeit. Trotzdem, drückten die mit ihrem Mercedes-Benz-Cabrio auf die Tube, dann hatte er das Nachsehen.
Mühsam atmete er plötzlich ein und aus. Sein Herz schlug schnell und hart. Er fühlte sich mit einem Mal krank.
Die Blechkiste sprang wenigstens sofort an.

Pentzw
Erato
Beiträge: 889
Registriert: 11.04.2011, 19:59

13. Adlerauge verfolgt Dich...

Beitragvon Pentzw » 26.06.2021, 16:07

Mensch, wo sind meine Pillen? Dort, wo sie immer sind und sein müssen; dumm hab's ins Handfach gelegt, wo sie liegen sollten, wenn's das gewohnte Fahrzeug wäre, aber ist ja 'nen and'res - was, wenn diese Reise länger dauert? Wie reagiert mein Körper, meine Psyche? Bedeutet, ich muss so bald wie möglich zuschlagen. Aber verflixt, ich hab sie auf dem Armaturenbrett liegen, richtig. Nicht einfach, aufzukriegen während des Fahrens; muss aufs Lenken achten im linken Blickfeld und im rechten auf das Öffnen der Schachtel. In den Händen die Schachtel, aber am Blickrand seh ich nur etwas Weißes davon. Muß es abtasten, dann geht's schon. Genau, darin müßten die Bedarfstabletten, die Beruhigungsmittel sein. Rankommen ist ja noch, aber wie öffnen, ohne hinschauen zu müssen? Das Papierschächtelchen aufreißen, den Streifen mit Pillen rausziehen und – ja, egal, die Schachtel kann ruhig auf den Boden fallen, nur nicht die Pillen, deren Folie ich jetzt mithilfe und zwischen Daumen und Zeigefinger aufreißen muß.
Aber Hoppla, immer auf den Verkehr achten, lieber Ernst. So!
Ach, das geht ja gut, besser als gedacht. So und jetzt hau sie dir rein und am besten im selben Zug runterschlucken, weil die nicht schlecht bitter sind. Und die nächste Schachtel. Geht ja wie geschmiert. So, aber verflixt, eine ist daneben gegangen, hoffentlich nicht die gegen den zu hohen Blutdruck. Ich kann jetzt auch schlecht am Boden rumschauen, das ist zu gefährlich, immer auf den Verkehr achten. Na hoffentlich schießt mein Blutdruck nicht durch die Decke ohne Pillen, kann man nur hoffen!
Regen, Regen, Regen, und jetzt beschlägts auch noch die Scheibe.
Dadurch muss ich näher ranfahren. Aber egal, die Wahrscheinlichkeit, entdeckt zu werden, ist gleich hoch, ob nah oder weit, ob Regen oder Nichtregen.
Verflixt, ich bin zu dicht aufgefahren, nur gut, dass ich gebremst hab, leider gleichzeitig auch wieder aufs Pedal gedrückt hab. Das aufgedrehte Motorengeräusch haben die da vorn hoffentlich nicht gehört.
Nein, drehen nicht den Kopf nach hinten. Glück gehabt!
Jetzt bräucht's mein Scheibenwischer-Leder, da könnt ich diese Scheibenbeschlagung abwischen, so aber reib und reib ich mit dem Oberarm, das ist richtig gefährlich, weil ich mich so gut aufn Verkehr konzentrieren kann. Warum beschlägt die Scheibe? Schwitz ich etwa? Hoher Blutdruck? Ja, ich schwitzt, verdammt. Hoffentlich steh das meine Konstitution durch, sonst – auweh! Kind den Bauch runter...
Oh, ich hör da so ein Rascheln und Pfeifen. Im Gebläse? Der Luftfilter wurde doch gestern auch gewechselt. Was kann das sein? Ölwechsel wurde auch gemacht, spielt hier aber keine Rolle. Der alte Motor wird einiges ertragen müssen bei dieser Verfolgungsfahrt, schätz ich mal, ist aber bestens überholt worden, wie mir der Autowerkstatt-Meister versichert hat. Und die Bremsen? Na, wie gerade vorhin, da hat's gefunzt mit Bremsen, wunderbar... Bremsen sind ultrawichtig. Bestimmt muß ich bald wieder plötzlich...
Fixier ganz stakr deinen Blick durch die angeschlagen Frontscheibe, um zu erkennen, wer die Person im Cabrio-Hintersitz ist. - Scheint sich um eine Frau zu handeln, eigenartig, dort sollte doch der Entführte, also mein Bruder sitzen? Demnach wär diese Frau auch eine Entführte. Aber wo ist mein Bruder? Vielleicht aber bedroht die Frau da hinten meinem Bruder vorne mit einer Pistole am Kopf? Mehr waren es doch nicht, mehr als drei habe ich doch nicht gesehen, als ich sie am Parkplatz gesehen hab!? Oder wo ist mein Bruder sonst? Irgendetwas vibriert hier. Achso, das Handyklingeln in meiner Hosentasche. Soll ich's während der Fahrt rausfischen? Bestimmt mein Neffe! Lieber nicht, muss mich auf den Weg konzentrieren, sonst springt mir der Erfolg noch von der Schippe...
Berlin!!!
Berlin wartet doch auf mich! Wie lang wohl die Entführung dauert? Ausgerechnet jetzt kommt mir dies dazwischen, kurz bevor ich am Ziel bin. Aber es 'st eine Chance, dieses Dingfestmachen der Entführer, wahrscheinlich hilft sie mir dabei, die zweite Chance zu nutzen: Bundespräsident zu werden.
Bundespräsident!!!
Jetzt bewerben sich alle in meiner Partei um die Aufstellung, um das Amt des Präsidenten zu ergattern, Mannomann. Jeder Tag zählt da, dass ich in die Hauptstadt komm, heiliger Birnbaum! Wenn ich da den Termin verpass, was das für eine historische, nationale Katastrophe bedeutet, nicht auszudenken. So entscheiden Zufälle, Glücksfälle oder Pechsträhnen von Individuen über Schicksal ganzer Nationen, Völkern und Kontinente. Die Geschichte lehrt uns dies, jawohl!
Aber aufpassen!
Ist da vorne nicht eine Ampel? Näher ranfahren, aufschließen, so daß ich noch bei Gelb über die Ampel komm. Denk nicht an einen Unfall! Es wird alles gut! Alles wird gut. Ich schaff's! Dies hier und die Aufstellung zur Präsidentenwahl! Wäre noch schöner! Gelacht wäre das! Ha!!!
Ich werd durch jeden Fluß der BRD schwimmen. Beginnend mit dem Vater Rhein. Dann mit der Mutter, heißt das so?, Donau. Der Rhein, die Donau, also richtig! Aber nicht am Rheindurchbruch, nein, ich meine Rheinfall bei Schaffhausen oder doch vielleicht, mit Abseilen und so, wäre total spektakulär! Oder soll ich gleich Bungee-Springen machen? Nein, das ist zu undeutsch! Also, wenn ich mir die Pressmitteilung vorstell: Präsident überwindet den Rheinfall, oder PRÄSIDENT ERNST MEISTERT LOCKER DEN RHEINFALL. Das klingt doch schon phänomenal, wenngleich es ja nicht ohne Hilfsmittel vonstatten laufen kann. Aber die Presse verkündet gern die Halbwahrheit wegen dem Auf-die-Drüsen-Drücken. Die wird schreiben: PRÄSIDENT DURCHSCHWIMMT DEN RHEIN BEI SCHAFFHAUSEN oder so, daß man denkt, der Präsident hat es mit seiner eigenen Hände und Füße Arbeit geschafft oder so. Steigert die Auflagenstärke, so ne Halbwahrheits-Verkündigung, weiß man ja! Dies würde über alle Grenzen hinaus aufsehen erregen, vielleicht bis in allen Ecken und Winkeln der Erde, wie einst der Große Chinesische Führer der Kommunistischen Partei und Chinesische Staatspräsident Mao-Tse-Tung ins Meer geschwommen ist und dieses Bild davon die ganze Welt eroberte...

Wo sind sie jetzt? Sind die mir durchgebrannt? Ernst, du mußt besser aufpassen. Schnell gemacht und gedrückt aufs Pedal, den PKW überhol vor dir, ahja, schaff ich doch, ha, heute schaff ich alles, es ist mein Tag, jetzt ist mir's klar! Kein Blinken des Gegenverkehrs, kein Hupen, einfach wie geschmiert läuft's. Und da sind sie ja schon, ja, so ist's gut - ja! - ich hab sie wieder.
Ein Bundespräsident muss ein Programm haben, worauf sein Volk bewundernd schaut und mein erster Programmpunkt wird also die Durchschwimmung sämtlicher Flüsse unseres Landes sein, wobei ich mich gut beraten lassen muß, hinsichtlich Impfung gegen Verschmutzung, ich bin doch so anfällig gegen Krankheiten. Und meine Tabletten müssen auch berücksichtigt werden. Aber generell darf der Präsident nur durch solche Flussstellen schwimmen, die a) am ungefährlichsten sind und b) am unverseuchtesten, wobei dieser Aspekt der Auswahl nicht an die Öffentlichkeit dringen darf, weil das ein schlechtes Licht auf unsere heimatlichen Flüsse würfe. Man muss da immer diese Sehweise im Blick haben: uns geht’s bestens, unser Land ist super in Schuß, vergiss die ökologischen Miesepeterei und...
Grr...
Oh Mann, diese Bremsen, der Chef könnt die auch mal überprüfen lassen.
Möcht bloß wissen, wohin die überhaupt fahren? Zum Flugplatz? Dann müßten sie Richtung Nürnberg fahren. Hm. Könnt hinhauen. Oder sie fahren nach München. Oder nach Neumarkt. In die Oberpfalz hinein.
Jetzt fahren sie wieder los, jetzt kuppeln, jetzt...
Fit bin ich ja für die Herausforderungen des Präsidentenposten: ich kann durch jeden Fluß schwimmen, bei uns gibt es ja keinen Mississippi, Großen Gelben Fluß, Jangtse, heißt der glaub ich, oder Amazonas in Brasilien, oder Sambesi, in Afrika irgendwo, jedenfalls, die ja so was von breit sind. Ja, meine regelmäßigen Übungen in Langlauf, Krafttraining und Schwimmen haben schon etwas gebracht und zahlen sich dann aus! Wenngleich der Rhein-Main-Kanal hier ganz schön verseucht ist. Letzthin hab ich noch Mal Glück gehabt, nicht abgesoffen zu sein als der vorbeischippernde Tanke diese riesigen Wellen geworfen hat, und der Matrose da auf dem Deck, hat vielleicht gebrüllt: „Was suchst hier? Ist das ein Freibad oder was?“ Ha, der hat mehr Angst gehabt als unsereiner, daß ich ersauf. Und neulich da an der Schleusensperre, da hätt mich doch glatt ein starker Song hineingezogen, wo ich ganz schön geschreddert und gedrechselt worden wär.
Brrrrr...
Warum halten die an der Seite da hinten?
Wo stopp ich jetzt, ah, ich seh's. Auf diesem Parkplatz von 'nem Kaufhaus oder was? Egal, stell dein Fahrzeug dort etwas abseits rechts, keine zehn Meter von den anderen ab. Dann abwarten, bis sie weit genug entfernt sind, damit ich mich unbemerkt an ihre Fersen heften kann. Die Ampel ist rot vor mir. Verflixt, hoffentlich erreich ich sie noch, bevor sie abtauchen. Aber was, was machen die – die Ampel ist jetzt grün, aber ich seh, sie fahren aus dem Parkplatz wieder raus und auf die Hauptverkehrsstraße wieder drauf, um so besser, da kann ich ihnen locker vom Hocker einfach wieder folgen wie der Hund dem Herrn, ha! Schön! Ha, läuft wie gschmiert.
Die fahren mit Sicherheit zur Autobahn... Hab ich's nicht gesagt? Aber dennoch, könnten ja irgendwohinein in den Wald abbiegen... Hm. Aber jetzt geht's einstweilen, wie's aussieht, geradeaus, so dass ich mein Handy ausschalte..n...könnte.
Hm, vielleicht doch nicht Handyausschalten, passiert mir was, sieht's schlecht aus mit der Erreichbarkeit; stell dir bloß vor, ich komm vom Fahrweg ab, ras in so ein Maisfeld rein, überschlag mich, bin verletzt, geh und bewegungsbehindert, dann sieht's nicht rosig aus. Ne, Händy muß sein!
Aber nichtsdestotrotz!
Denk positiv!
Bleib am Ball!
Du obsiegst!
So, 's geht also an der Autobahn vorbei, sieh einer guck, die fahren also auf der Bundesstraße Richtung Oberpfalz. Ist besser wie auf der Autobahn, da ist schon so mancher Unfall beim Stoppen von Verdächtigen passiert, wenngleich, sind viele Leute anwesend, um einem herum, so eine Übertölpelung würde leichter von sich gehen, weil aufsehenerregender und da laufen sie zusammen und, aber in so einer Stein-, Sand-, Wald- und Einödwüste wie in der Oberpfalz hinwiederum, hm, ist auch nicht überall so dort, gibt viel Kiefernwald, jedoch, wenn sie sich schlafen legen, könnt man sich anschleichen und einen nach dem anderen außer Gefecht setzen – man wird sehen.
Halt einen größeren Abstand jetzt, ist doch ein Verfolger auffälliger bei diesem spärlichen Verkehrsaufkommen, wenngleich so nahe dranbleiben muss ich, dass ich sehen kann, wo's langgeht, wenn sie zum Beispiel plötzlich bei einem Feldweg abbiegen.
Verflixt, jetzt duscht es aus allen Kübeln, da seh ich kaum was. Das Licht anschalten und näher ranfahren und jetzt fahren die glatt links ab in eine asphaltierte Straße, nach Heubeck oder wie das Kaff heißt, und da können sie sich nicht unterstellen, da werden's doch vielleicht weiterfahren – hinter mir ein Auto, ist der verrückt bei diesem Sauwetter zu überholen, aber bitte sehr, selbst sollst Du der Meister Deines Todes sein – deutsche Freiheit!
Unbegrenzte Fahrtgeschwindigkeit auf allen Straßen und Autobahnen, da müßte ich auch mal eine Gesetzesinitiative anstoßen, was ich ja als Präsident nicht machen könnt, aber vielleicht ist der doch berechtigt, selbst solche Gesetze anzustoßen, ich werd ja sehen.
Aber heiliger Antonius, bitt für uns Sünder, jetzt fahren die doch glatt in den See-Parkplatz. Werden also bei dieser Regendusche im Terrassenrestaurant Unterschlupf suchen? Geld genug haben die ja jetzt, diese Saubackenpeter.
Aussteigen tun sie ja, die Frau bleibt im Auto, aha! Bedeutet das, die Frau ist die Entführte? Oder steht die Schmiere, Na klar, dies Entführte. Mit einer Geisel zeigen sich die Schlawiner nicht in der Öffentlichkeit. Interessant! Ich schau sie mir mal an, wenn die anderen weit genug wegsind.
Nen Regenschirm wär nicht schlecht.
Hab ich.
Und noch ein Aqua Mineralwasser mitnehmen.
Aber diese Idee, die mir gerade kommt! Genial! Messer, wo bist Du? Denen werd ich ein bißchen die Luft rauslassen, damit sich nicht so leicht mehr flüchten können. Ha – dann stecken sie in der Falle, in der Mause-, Mausefalle, huhu!
So, jetzt man hin, und auweh, die Frau ist gefesselt und geknebelt, aber doch bei Bewußtsein, so wie die mich anglotzt durch die Autoscheibe.
„Ich komm später zurück!“ Ob die mich hört dortdrinnen? Klopf an die Fensterscheibe. Sie nickt. Gut, dann hat sie mich verstanden.
Wo sind die anderen?
Na dort!
Halt, zurück! Nicht verfolgen, noch nicht!
Erstmal Stiche in die Autoreifen, aber Vorsicht, nicht dass die herausweichende Luft explodiert und mich umhaut. Da hat's schon machen aus den Socken gehauen.
Eins, ha, das geht ja ganz gut.
Und zwei, drei und vier!
Jetzt hinterher!
Sind noch zu sehen. Die gehen, hab's ja gewußt, ins Restaurant, machen sich das Leben leicht, ist klar! Anderseits, bei diesem Wetter, wohin sonst?
Wenn ich ihnen dorthin folg, was mach ich da, weil, ich hab kein Geld dabei, merk ich jetzt. Aber immerhin, ich kann ja auf der Terrasse sitzen, die überdacht ist, die werden mich nicht doch wegscheuchen, wenn's so regnet?
Und da sitzen sie.
Und wohin ich? Kaum Platz, dichtgedrängt, aber ein freier Platz ist dort. Dann man zu. Über die zwei Holztreppchen, auf das Podest, wo so viele Holzstühle oder Rattanmobiliar stehen.
„Darf ich?“
„Aber sicher doch!“
„Danke!“
„Saumäßiges Wetter!“
Nicken, sagen aber nichts. Umso besser, 'serpart mir zu reden, lieber sich auf die zwei Typen konzentrieren. Die schweigen und glotzen mißtrauisch um sich herum.
Tät ich auch an ihrer Stelle, weiß Gott, Grund genug haben's!
Die Stunde der Wahrheit naht!
DAS SCHICKSAL DER NATION SCHLÄGT!
Die Sternstunde meines Lebens!

Pentzw
Erato
Beiträge: 889
Registriert: 11.04.2011, 19:59

14. Wer zu spät kommt, bestraft das Leben...

Beitragvon Pentzw » 01.07.2021, 15:03

'Ob meine Karten schlecht sind, weil ich keine eigene Familie habe? Bundespräsidenten brauchen eigentlich eine, um damit hausieren gehen und repräsentieren zu können. Wenn ich verkünd, daß ich meine Person nur in den Dienst für unsere Bevölkerung stellen will, mit aller aufopferungsvoll alle Kraft und Energie dem Amt widmen, vollumfänglich...genau... wie ein katholischer Pfarrer, oh nein, das kommt schlecht an in der mehrheitlich protestantischen Deutschland. Ha, da würd ich am End doch noch meine eigenee Gemeinde finden, den Sprengel BRD, die Schafherde Deutsches Volk oder Bevölkerung der im jetzigen Territorium der Bundesrepublik Lebenden – heißt dies nicht heutzutage so? Oder? Wie nun, bin mir unsicher, muß meine Cousine, die Stadtverwalterin fragen.
Es duscht und duscht, Mannomann.
Aber was tut sich dort?
Da geht ein Mann auf die beiden zu. Sieht imponierend aus, breite Schultern, etwas weggestehende Arme, damit sie Platz haben bei diesen explodierenden Muskelpaketen, die an ihm vibrieren. Bestimmt der Pächter des Caférestaurants hier. Er stupst den einen von hinten auf die Axel. Ich glaub, das hätt er lieber bleiben lassen sollen.
„Ich mache hier eine Ausnahme. Aber das mitgebrachte Getränk hier verschwindet!“
Hättn was holen sollen, genau. Wie ich, hab's auch nicht getan. Zu mir ist er glücklicherweise nicht hergekommen, bestimmt, weil ich zu unauffällig wirk. Aber der dort, der mit Halbglatze und den abstehenden Haaren ist natürlich voll ein Blickfang.
Da schau her, der springt jetzt plötzlich auf!
„Ich habe diese egoistischen Schweine in diesem Land verdammt noch mal satt! Nicht mal im Regen darf man sich unterstellen, ohne Geld zu blechen. Euch hat man doch ins Hirn gefickt, daß ihr alle nur nach Geld lechzt wie die Huren nach geile Schwänze, ihr Halsabschneider!“
Mann, der hält dem Kraftprotzen doch glatt eine Pistole vor die Nase. Der andere erhebt sich jetzt auch und versetzt ihn einen Schwinger, dass er voll auf den Boden kracht, zum Glück Holz, kracht zwar ganz schön, richtet aber keine großen Verletzungen an bei der Abfederung von diesen Bohlen und Brettern.
Einige Leute stehen auf, aber trauen sich nicht einzugreifen. Natürlich, der Pistolero zeigt mit seiner Knarre reihum. Geht dabei sogar in die Knie, wie in 'nem echten Mafiafilm, MannohMann.
„Na, kommt doch her, ich feigen Schweine! Hee, he! Du vielleicht, Du, oder Du!“
Das ist ein Hammer. Sind ja ultragefährlich. Wie will ich da einen Knopf verdienen?
„Aua!“ Und Terrassen-Chef am Boden kriegt von seinem anderen Spezi voll eine in die Seite, ein-, zweimal getreten – oweh Mann hör doch auf! Ich kann gar nicht hinschaun!
„Schieijie!“
'Oje, muss aber ganz schön wehtun, bei dem schrillen Aufschrei. Klar, so eine Fußspitze in die Nieren und, oh nein, jetzt gar gegen den Schädel - ist nicht von schlechten Eltern, so gesehen!
Und jetzt haun die ab.
Ihnen nach, aber langsam. Wie aber? Ohne, daß sie mich seh'n. Die verlassen wie die Kriminellos die Szene, einer voran, der andere immer wieder hinter sich blickend und mit der Pistole Richtung Leute fuchtelnd. Aber ich, ich muss ihnen trotzdem folgen, wenn's auch gefährlich ist wegen dieser Knarre, Mannomann, wer rechnet gleich mit so etwas? Die Situation war gerade ganz schön gefährlich, weil das hätt leicht aus dem Ruder laufen können und ein Massaker bei den Touristen angerichtet.
Besser bloß klotzen als kleckern, oder wie das heißt, auf keinem Fall voreilig etwas unternehmen, sonst wird man hier leicht zu Hackfleisch verarbeitet und landet in der Tonne?
Apropos Hackfleisch! Wo ist mein Bruder? Natürlich, sie haben ihn im Haus zurückgelassen; hoffentlich unversehrt.
Mann, jetzt duscht das aber aus Kübeln.
Die anderen laufen bestimmt stracks zum Auto zurück. Wenn ich nur vor ihnen dortsein könnte.
Eine Abkürzung? Geh ich lieber dort durch die zwei Segelvereins-Hütten, da am Segelboot vorbei.
He, wie die schweren Wolken am Himmel so schnell über den Himmel ziehen, von in Aufruhr getriebene, massige Luftmassen, ist ja richtig apokalyptisch. Die mitwandernden Schatten am Boden bewegen sich wie Monster über den Rasen, Monster, die auf- und abtauchen, abwechselnd Licht und Schaden bilden, Licht da, wenn schnell mal ein paar Löcher in die grauschwarzen Massen da oben gerissen und für ein paar Sekunden sogar einige blendend blaue Himmelsstücke gezeigt werden.
Da muss man sich mit aller Kraft gegen die Naturgewalten, Regen, Schauer, Sturmböen stemmen, um überhaupt die paar Terrassenstufen hinunterzukommen, aber ich bewerkstellig das, indem ich mich am Geländer festhalt und nach unten zieh.
So – und jetzt dort um die Ecke.
Und das Auto!?
Da versteck ich mich dahinter.
War richtig, dass ich die Reifen durchstochen hab.
Halt, ist doch keine gute Idee sich hinter derem Auto zu verstecken, weil erstens könnten die um das Auto herumgehen und zweitens, was wenn die losfahren? Mit platten Reifen? Unwahrscheinlich, geht ja nicht, aber was machen sie dann?
Ne, lieber in meinen Beobachtungstransporter zurück.
Hopp, hopp, hopp, jetzt aber schnell, bevor die dortsind - wie ein Springteufel.
Lauf weiter und schnell zu!
Und jepp, die Tür auf. Und Tür zu. Nein, offenlassen, zumindest eine geöffnet lassen, damit sie angelockt werden - mit Speck fängt man Mäuse. Und sogar Schlüssel stecken lassen und ich krabbel in den Lader hinten rein, zum Ausguck!
Da kommn sie schon, sehn von weitem den Platten, weil einer deutet fuchtelnd auf das Auto, schaun ganz schön blöd aus der Wäsche, haha. Machn die Tür auf, zerrn die Frau raus, stoßn sie vor sich her und kommn auf mich zu. Die werden tatsächlich angelockt, super. Die Falle klappt zu!
Wohin? Unter die Bank, da ist eine Decke drüber. Mach schnell!
Und dunkel wirds, wunderbar! Wie ein Hecht, ein Fisch, der den Kopf ins dunkle Loch steckt, aber dessen Schwanz noch heraussteht, also rein mit den Füßen. Was liegt hier fürn Krempel herum, ah zum Glück Weiches, Mappen, Broschüren, Ordner, Kopierschablonen, so dass ich etwas abgefedert bin, wenn's holpert und stolpert, aua, diese Schmerzen. Unterdrück's! Vergiß's!
Es kracht, die Schiebetür geht auf, hab ichs grad noch geschafft.
„Wohin mit der Schnalle?“
„Da, auf die Bank!“
„Bleib bloß ruhig, sonst polier ich Dir die Fresse, verstanden!“
„Die kann doch gar nicht reden, weil einen Mundpfopfen hat!“
„Weiß ich! Aber nicken kann sie. Nick!“
„Sie machts!“
Und über mich drauf wird sie gesetzt. Auf den Sitz über mir ist sie, das Mädel ists, mit Sicherheit.
Das ist aber ein ganzer schöner Krach, wenn die die Schiebtür zuhaun. Da kriegt man gleich Ohrenschmerzen.
Starten das Auto! Super!
Ob ich die Frau an den Füßen berühren soll? Bestimmt, dass wird sie beruhigen, wenn sie weiß, jemand steht ihr bei. Aufschreien kann sie ja nicht, hat ja einen Knebel im Mund, wie ich glaubte, vorhin gesehen zu haben. Als kann ich es machen.
Vorsicht, die schlägt zurück, Mann. Aber jetzt hört sie ja schon auf. Erste Reaktion war das Ausschlagen. Bis sie's kapiert hat, dass unter ihr einer sitzt. Ihr Retter, ihr Helfer, der Erlöser.
Also abwarten, Mädel. Dein Messias kommt.
Hehe, die fahrn wie die gesenkten Säue, da muss ich mich verflixt noch mal irgendwo festhalten, sonst werd ich hin- und hergeworfen. Und meine Körper leidet schon wie Jesus am Kreuz. Fehlt nur noch der Essigschwamm im Mund.
Aua, ich verspür bald gar nichts mehr im einzelnen, nur noch ein großes Ziehen und Schmerzen im Hirn. Ich werd zehn Kerzen in unserer Kirche opfern, wenn ich das hier heil übersteh, ich schwör's!
Und ich merk schon, dass ich automatisch wein. Aber besser als schrein!
Ruhig bleiben, obgleich die eh nichts hören dürften bei dieser Fahrerei.
Eigentlich läuft's gut. Ist doch gut, dass ich meine Feinde so nah bei mir hab jetzt. Jetzt können sie mir bestimmt nicht entkommen und davonfahren.
Ha!
Und ich fühl mich so was von stark. Ja, ich bin kräftig. Ich bin stabil, ich bin cool, denn, diese Gefahr diese Herausforderung macht mich so richtig stark und kräftig.
Was für ein Geheul? Sirenen. Klar, die Polizei. Die ist gerufen worden vom zusammengeschlagenen Terrassenrestaurant-Chef und fischen mir jetzt am Ende den großen Hecht weg!
„WER ZU SPÄT KOMMT, BESTRAFT DAS LEBEN!“, wie der 4. Kanzler der Bundesrepublik Deutschland Willi Brandt zum Fall der Mauer richtig gesagt hat, aber nein, „Wende“, oder doch „Fall der Mauer!“, Cousine, nach diesem Abenteuer habe ich Dir viel Fragen zu stellen.
Vergiß jetzt alles andre und fühl deine Stärke!
Ja, ich fühl es, ich schaff es, jetzt muss ich zuschlagen, wenn ich so die Stärke in mir fühle!
So kriech ich aus meinem Versteck – he, ich mach es ja tatsächlich - bleib aber auf allen Vieren, ja, ja, so ists richtig, und krabbel zum Vordersitz. Aja, die Knien schmerzen nicht schlecht! Und nun mit dem Rücken gegen die Wand des Cockpit gelehnt.
Geschafft! Hat bestimmt bestimmt nicht besonders cool auf diese Frau gewirkt, wie ich da auf den Knien durch den schunkelnden Bus gehutscht bin, was? Aber war effektiv.
Und nun?
Mich jetzt langsam, langsam erheben und - hm - dem Beifahrer mit irgendeinem Ding übern Kopf schlagen. Aber nur was?
Ein Schraubenschlüssel wär grad richtig.
Aber wo hier?
Keine Idee, hm.
Oder 'ne Schnur, irgendetwas verdammt und zugenäht!
Tja, Präsidenten; Politiker müssen Ideen haben, jede Situation meistern, reagieren können, egal, was da kommen mag.
Also!
Mir fällt einfach nichts ein...
Aber ich bin stark, stark, stark, und das Martinshorn ist immer deutlicher zu hören, so dass ich jetzt einfach mal aufsteh!
Oder?
Wie die Frau mich anstiert! Ja, Dein Retter bin ich! Leider kann ichs dir nicht sagen. Na, Du weißts schon. Daumen noch oben gestreckt, damit alles klar ist, wie Nero dies gemacht hat und die Gladiatoren wussten, ihnen winkt die Freiheit.
Glaub mir, Sklavin, bist auch nicht mehr lange Gefesselte!
Noch ist sie's. Die Hände sind nach hinten gebunden, bestimmt Kabelbinder.
Aber ich sehs genau, Du hast verstanden.
Alles wird gut, Mädel!
Ja, nick nur heftig, Du hast Grund zur Freude.
Alles wird gut, bald bist Du erlöst, aber mit dem Nicken darfst du auch nicht übertreiben, sonst sehen Dich die Entführer im Rückspiegel und merken, dass da etwas nicht stimmt.
Ich nehm lieber die flache Hand und senk sie. Bedeutung: Immer-mit-der-Ruhe.
Siehst Du, es ist gut, Du beruhigst Dich...
Wo aber ist ein Gegenstand?
Aufm Busboden liegt auch nichts rum, dass man verwenden könnt. Und die Handwerker-Sachen hängen doch dort an den Karosseriewänden: eine Eisensäge, Bohrer, Zangen, Drahtschneider, Scheren, eine ölverschmierte Schürze. Andere Sachen sind in lederne Taschen und Etuis eingewickelt, verklebt mit einem Klettverschluß. Das aufzumachen verursachte schon ein Geräusch, wird aber nicht zu laut. Quatsch, wenn ich mich erheb und danach greif, können die mich im Rückspiel sehen und womöglich verlier ich das Gleichgewicht und wumms liegt ich wieder flach wie Ebbe nach der Flut.
Aber doch, da liegt der Hase im Pfeffer. Ich muß regieren, ich brauch jetzt, jetzt einen harten Gegenstand, verflixt noch mal.
Aber da, da liegt etwas zufällig zwischen Vordersitz und Boden. Ein altes Eisenrohr, wo immer her, darf hier nicht liegen, kommt wie gerufen - wartet, jetzt blüht euch was. Ja, ich schaff's trotz Geschaukel, aufzustehen und zu brüllen: „Anhalten, oder ich schlag zu!“
Jetzt fall ich aber über den Rand voll auf den Beifahrer drauf.
Meine Füße hängen dem anderen unter der Nase und vorm Gesicht und verdeckt dessen Fahrersicht. Und es kübelt zudem aus allen Himmelseimern. Die Wischer kommen gar nicht nach; die Sicht ist nicht frei; ein Wasserfilm verdeckt die Scheiben; man sieht nicht genau, was vorne los ist; ist gefährlich, mit überhöhter Geschwindigkeit zu fahren und jetzt noch eines Fremden Füße im Gesicht zu haben – kamikazimäßig gefährlich.
Auah, da greift mir einer brutal in die Seiten, dumm jetzt, denn ich tret automatisch mit den Füßen aus und dem Fahrer voll ins Gesicht; dieser tritt jetzt voll auf die Bremse, dieser Blödmann und jetzt triftet das Fahrzeug links auf die andere Fahrbahn ab. Dem Fahrer haut es noch vorne und er kracht mit seinem Schädel voll in die Windschutzscheibe, Mensch, die einen Sprung kriegt.
Mann, da kommt, glaub ich, ein LKW auf uns zu. Der hupt in einem fort und blinkt mit seinem großen Scheinwerfer immer wieder auf und ab und aua...'

Der Rumsch mit einem Lkw von der entgegenkommende Fahrspur war so heftig, wuchtig und effektiv, dass das Blech der Frontalseite zwei Meter eingedrückt wurde, Glas in Splitter barst und sonstige Fetzen flogen. Fahrer und Beifahrer waren sofort tot. Ernst schlug es glücklicherweise nach hinten über den Sitz auf den Boden mit einem Krach, einer Heftigkeit und einem Schmerzensstoß, daß er zunächst die Besinnung verlor.
Einmal muss selbst der größte Held das Handtuch werfen, ob er will oder nicht! - auch wenn er sein Heldentum noch nicht unter Beweis stellen konnte. Immerhin, wenn auch nicht wie geplant, hatte er die Schurken zur Strecke gebracht – und das zählte letztlich.
Er hatte es also doch bewiesen, was in ihm steckte. Obwohl er sich lange Zeit in Ohnmacht befand, darf zur Beruhigung gesagt werden, daß er – theoretisch – rechtzeitig aufwachte, um nach Berlin fahren zu können. Ob ihn seine Partei allerdings zu ihrem Präsidentenkandidaten nominieren würde, stand noch auf einem anderen Blatt und harrte der Niederlegung. Sollte es geschehen, dann würden wir noch mehr von ihm hören. Sei'n wir gespannt!
Aber zunächst lag er da auf dem Asphalt - keine Angst, die Unfallstelle war gesichert worden - und blinkender Rettungswagen und Polizeifahrzeug drumrum illuminierte neonfarben-blau die Szene und er spürte neben sich einen warmen Körper eines Menschen, der ihm liebevoll mit der Hand zu seiner Beruhigung über seine Stirn strich. Er öffnete die Augen und sah in ein Engelsgesicht. Die Muskeln entspannten sich, die Schmerzen ließen nach, er bettete seinen Kopf in die Engelsarme, der der Krankenschwester und verlor erneut die Besinnung. Er wollte nimmer aufwachen, so wohl fühlte er sich.

Pentzw
Erato
Beiträge: 889
Registriert: 11.04.2011, 19:59

15. Das Motiv wenn man wüsste...

Beitragvon Pentzw » 07.09.2021, 22:23

Der Kriminaler, der für diesen Fall angesetzt war, krauste die Stirn, während er über den Unterlagen gebeugt war und als er sich erschöpft zurückwarf in seine hohe Chefsessel-Lehne, schüttelte er den Kopf von links nach rechts.
'Was sollte man davon halten?'
Außerdem grauste ihm vor dem Gefühl, daß ein bestimmter Geruch im Zimmer hing, der ob real oder nur eingebildet, ihn zurück in einen stinkenden, nach Kotze und Fäkalien riechenden Tunnel versetzte.
Er war Hauptkommissar mit Fällen, die selten als kapital zu bezeichnen sind. Hier und da einmal Rowdys, die Autoreifen zerstachen, natürlich permanente Fahrradklauereien, häusliche Gewalt, Suizide und meist Kaufhausdiebstahl. Wenn's hochkam, ein richtig schönes Gewaltverbrechen im Asozialen-Milieu, das war's, was die Provinz zu bieten hatte.
Wie vor wenigen Tagen dieser Kaufhausdiebstahl, auf Video aufgenommen. Klar, die Beschäftigten hatten den Assi provoziert, was er durchaus erkennen konnte, aber kein Wort darüber verlor, sich nur seinen Teil gedacht, nämlich Tat ist Tat. Stand es Spitz auf Kopf, dann war man auf der sicheren Seite, wenn man sich auf die der Mächtigen, Reichen und Einflußreichen stellte, sprich eine Anklage hatte entschieden eine höhere Trefferquote, wenn da der Schwächere am Pranger stand, allein schon, weil dieser weniger Mittel zu seiner Verteidigung besaß und auch kaum sich eine Berufung leisten konnte. Erfolgreiche Anklagen waren nun einmal der Karriere förderlich. Freilich bestand da kein objektives Kriterium zum Aufstieg auf der Karriereleiter, also keine Statistik zum Beispiel – aber insgeheim zählte jeder Vorgesetzte mit – das war klar.
Er wischte sich eine imaginäre Fusel von der Jacke, eine überreaktive Reinigungsgeste, die ihn, seit er diese langen paar Stunden in diesem verpissten Tunnel zubringen mußte, quälte. Die Kollegen konnten zwar sofort per Funk benachrichtigt werden, aber bis der Bolzenschneider zum Aufschneiden der Fahrradschlösser an den Tunnelgitter zum Einsatz kam, verstrichen eineinhalb Stunden und gefühlt ein Ewigkeit. Solch einen Gestank dortdrinnen hatte er noch nicht erlebt. Während der ganzen Zeit konnte man sich wegen der Enge auch nicht setzen, selbst an den Wänden klebte die Scheiße und roch es nach Urin und Kotze.
Ja, und seitdem überall Videos aufgestellt wurden, schoß ohnehin die Kaufhausdiebstahlrate durch die Decke. Das waren goldene Zeiten mittlerweile - diesbezüglich. Daß an diesem Diebstahl noch ein ganzer Rattenschwanz von Entführung, Erpressung und Flucht hing, wer hätte das gedacht? Deswegen die Flucht des Kaufhausdiebes, aber wer konnte das ahnen? Es war davon auszugehen gewesen, daß dieser erst zum Anklageprotokoll seine Stellung zu Protokoll gab, dann unterschrieb und wartete, bis die Staatsanwaltschaft das Verfahren wegen Geringfügigkeit einstellte, eine freiwillige Spende offerierte oder die Klage vorm Gericht eröffnete. Daß er floh – als erfahrener Kriminaler hätte er es sich vielleicht denken können – war ein klarer Hinweis darauf, daß der Delinquent tiefer im Sumpf steckte als bloß so eine Bagatelle Kaufhausdiebstahl.
'Aber hinterher ist man immer schlauer!'
Außerdem hätte er nicht anders gehandelt, oder?
Roch hier nicht etwas?
Hätte man vorsichtiger die Verfolgung angehen sollen – nein! Alles war richtig!
Nach Urin und Kot hatte er bestialisch gerochen nach dem Tunnelaufenthalt, sich zwar gewaschen, geduscht und sogar in den Whirl-Pool der Badewanne gelegt, danach natürlich frische Kleider angezogen, aber in seiner Nase steckte noch immer dieser eklige, beizende, durchdringende Geruch. Naja, wahrscheinlich nur Einbildung.
Der Kleinkriminelle, da er geflohen ist, hat wahrscheinlich damit gerechnet, daß er der Buhmann sein würde, das provozierende Verhalten der Kaufhausangestellten untern Tisch fiel - wer sich versuchen lässt, ist verloren – und tatsächlich hatte er, der Kriminaler, diesbezüglich schon die Anklage mit seiner Kollegin vorbereitet, als sie aus dem Videoraum in den leeren Personalraum traten.
Er war ihnen entwischt!
Er hätte in diesem Moment sofort Verstärkung anfordern und die Lunte riechen müssen.- Hätte, hätte!
Und eben, jetzt, danach, hätte er liebend gern den Kaufhausdieb, der ihm diese Suppe eingelöffelt hatte, in die Zange genommen. Leider war dieser bei der Flucht durch einen Autounfall ums Leben gekommen. Vollkräsch mit einem LKW und die Fahrer vorne sind über den Jordan gegangen.
Zu schade!
Allein schon, um sich dafür zu rächen, welchen Ausmaß an Spott, Stichelleien und versteckten Bemerkungen er seitens seiner Arbeitskollegen deswegen ausgesetzt war!
Seiner Kollegin, die auch dabei war, erging es natürlich nicht besser. Diese nahm es aber leichter auf die Schulter, sagte: „Leut, ich lebe auf dem Land, in einem Dorf. Da bin ich den Gestank gewöhnt! Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps und Scheiße ist nun einmal nur Scheiße.“ Dazu zeigte sie ihr feistes Grinsen, worum er sie beneidete.
Aber offensichtlich, schlecht für die Professionalität eines Kriminalbeamten, nahm er die Sache zu ernst, oder anders gesagt, verfolge ihn dies länger als nötig. Er hätte gar nicht gedacht, daß er so sensibel sein könnte.
Scheiße war eben mehr als „nur“ Scheiße.

Jedenfalls, gegenüber dem sonstigen Kleinkram war dieser Entführungsfall eine große Sache. Das roch regelrecht nach Lüge, Trüg und Täuschung und zwar im großen Stil. Er spürte dies wie das Wetter in seinen geschlagenen Knochen, dass das noch etwas Großes geben würde und der Fall abgründiger war, als es auf den ersten Blick aussah.
Da bei ihm das Sprichwort zutraf: Der Wunsch ist der Vater des Gedankens, darf man feststellen, dass ihn sein Ehrgeiz, Unausgelastet- und Kühnheit nicht gerade zu einem systematisch denkenden Kopf stempelte, der langsam, aber unerbittlich zielführend sein würde. Er würde wohl noch öfter auf Abwegen geraden oder in Mausfallen geraten wie der Tunnel mit... aber lassen wir das!
Klar ist aber auch, er fühlte sich an seinem Posten in der Pampa fehl am Platz, für viel zu überqualifiziert. Doch diesen Hintergedanken ließ er nicht hochkommen, dazu war er zu professionell. Denkt er.

Zunächst an den Anfang der Erpressung kommen.
Wie begann die Erpressung?
Das hängt davon ab, welches Motiv dahinter steckte.
Und das Motiv war das am schwersten zugängliche Ding an einer Mordsache.
Nun gut, es gibt zwei Möglichkeiten:
Die Erpressung geschah
a) aus einer Verschwörung heraus
b) aus Zufall.
Beginnen wir mit dem am wenigsten wahrscheinlichen Motiv, wenn auch die faszinierensten Variante: alle stecken unter einer Decke.
Hm, außer vielleicht die Krankenschwester, die keinen auffallenden Vorteil aus dieser Erpressung zieht, vielmehr das Opfer überhaupt war oder vorsichtig formuliert, das am meisten Haare und Federn ließ. Wurde sie vielleicht mit Geld dazu verleitet, mitzuspielen, sich scheinbar zu opfern und zu schweigen – wenn eben alles stimmt, was die Beteiligten, vor allem dieser Arzt, sagte?

Die Kollegen hatten einen Berg an Ermittlungsarbeit angehäuft, sprich die erstellten Protokolle waren umfangreich und beeindruckend. Verständlich, nicht jeden Tag trifft man eben hierorts auf so einen Fall.
Jedenfalls, jeden irgendwie daran Beteiligten hatte man interviewt, selbstverständlich die unmittelbar Betroffenen zuallererst und am intensivsten, aber auch Verwandte, beispielsweise den Polizistenneffe, da man festgestellt hatte, daß ein Verbrecher eine polizeiliche Dienstwaffe besessen hatte. Zudem hatte der Kriminaler selbst ein bißchen in der Gerüchteküche rumgeschnuppert, auf eigene Faust auf fremden Terrain Erkundigungen und Untersuchungen durchgeführt: in der Kleinstadt der beheimateten involvierten Familie.

Insofern gab es etliche vorstellbare Szenarien und Varianten für das Motiv.

Erste Variante.
Fing es vielleicht so an?
Die drei Verwandten saßen zusammen. Der Arzt, der Polizist und Ernst.
„Ernst sollte nach Berlin gehen!“
Bestimmt kam dieser Vorschlag vom Polizistenneffe.
Ernst war ein Schandfleck für die reine Weste dieser weitverzweigten, wohlangesehenen Familie. Viele merkwürdige Dinge gingen auf sein Konto, die nicht unbedingt genuin auf eine psychische Erkrankung hinwiesen. Zum Beispiel jener akrobatische Handstand Ernsts auf einem Nebenaltar in der großen Ortskirche, mitten während eines Gottesdienst, zur Freude vieler Besucher und Gläubigen?
Vielleicht war das einfach nur Übermut und Ausbruchsversuch eines für den beschränkten dörflich-kleinstädtischen Geisteshorizont zu intelligenten Menschen?
Jedenfalls, die Aussicht, Ernst aus dem Blickfeld, aus der Kleinstadt, der näheren Umgebung zu haben, war eine schöne. Es hob die Stimmung am Tisch, denn jeden erfreute diese Vorstellung, am meisten natürlich Ernst.
„Nur, wie können wir das erreichen?“
Der Arzt hatte gesagt: „Da kommt mir eine Idee. Ich kenne da aus meiner Klinik zwei Drogenabhängige, zwei Kleinkriminelle und Möchte-Gern-Ganoven, mit denen man Pferde stehlen kann. Die machen wahrscheinlich alles, Hauptsache, sie können sich ein bisschen Geld verdienen.“
„Klingt interessant.“
Und schon steckten sie die Köpfe zusammen.
Diese verschworene Verbrecherbande stand nunmehr bestimmt vor diesem Problem: die Kleinganoven hatten keine Knarre, da es sehr schwer war in Deutschland, eine in die Hände zu bekommen, zumal für Drogenabhängige und allemal für Vorbelastete und Vorbestrafte. Aber richtige Entführer brauchten eine Pistole.
Also lieh der Polizist ihnen seine.
Das erklärte diesen merkwürdigen Sachverhalt mit der Pistole, hm.
Alle hatten doch damit gerechnet, die Entführung klappe und der Polizist bekomme bestimmt wieder seine Dienstpistole zurück und es falle bestimmt nicht in die Hände von polizeilichen Ermittlern nach so einem undenkbaren, unwahrscheinlichen Desaster.
Dann kommt aber noch hinzu? Wozu das viele Geld? Wer hatte ein Interesse an diesem, es war ja quasi ohnehin Familieneigentum. Hatte sich jemand verschuldet, war spielsüchtig, hatte eine Mätresse, außer der Krankenschwester. Hm, dann aber mussten nicht nur der Arzt, wenn der in Frage kommt, auch der Polizisten-Neffe einen guten Grund für das Geld haben.
Das wäre allerdings ein unwahrscheinlicher Zufall.
Jedenfalls, mit der Entführung und dem Gelderlös würden die Entführer zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen haben: Geldeinnahme und den unliebsamen Ernst und Bruder von der heimischen Bildfläche verschwinden lassen.

Zur zweiten Variante.
Gehen wir davon aus - der Kollege Polizist hatte dazu noch keine Angaben gemacht - er war so dämlich, dass es so unglücklich lief, dass ihm seine Pistole irgendwie abhanden gekommen war. Nur wie? Geklaut worden? Nein, zu ungeheuerlich! Stellen wir das einmal hinten an.
Warum aber diese extreme Geldforderung?
'Weshalb gleich solch eine hohe Summe von einer Million Euro erpressen? Wie kommen sie darauf, dass es möglich war? - Hm. - Sie haben diese Erpressung nicht geplant. Es wurde bestimmt keine Vorbereitung durchgeführt, keine Auswahl des Opfers getroffen, wie auch? Sind die zufällig am Cabrio vorbeigekommen und haben sich dazu entschieden, einen Menschen zu erpressen? Nur, was hat sie dazu bewogen? Ein Arzt muss auch nicht unbedingt ein Goldesel sein. Außerdem sieht man es keinem Menschen an der Nase an, dass er Arzt ist. Warum sind sie darauf verfallen, von diesem Doktor gleich eine Million Euro zu erpressen?'
Nochmal.
Zufällig entdecken die Ganoven also zwei Menschen gerade in einem Auto beim Sex. Anfänglich machen sie sich etwas lustig über die Beschämten, Entdeckten, Entblößten.
„Das ist doch ein gefundenes Fressen, was? Das ergibt einen fetten Happen? Die erpressen wir ein klein wenig. Das könnte sich lohnen, was Kumpel?“ „Hm, vielleicht hast Du recht? Das ist ein guter Anlaß, Sex im Auto, auf Video aufgezeichnet, ideal für eine Erpressung, hm!“ „Hm, meinst da springen ein paar Tausend Euro heraus, was!“ „Meine ich schon!“ „Wau!“
Wie gesagt, anfänglich ist es nicht ernst gemeint von den dahergelaufenen Kleinkriminellen, keine wirkliche Absicht, nur mal so ein klein bißchen Auf-dem-Busch-klopfen.
Aber einer der Entblößten verliert plötzlich die Nerven, der Mann, hier der Chefarzt, denkt, er würde wirklich entführt und treibt die Summe in die Höhe, nur aus Angst heraus, sein Fremdgehen könnte an die Öffentlichkeit gelangen; seine Karriere, sein Prestige, sein Status, den der ganzen Familie steht auf dem Spiel und nicht zuletzt, wenn seine Ehefrau davon erfahren würde, wäre der Teufel los.
„Ihr kriegt so viel ihr wollt!“
„Vielleicht ne halbe Million?“
„Auch das, wenn's sein muß!“
Die beiden Zufallsentführer verschlägt's den Atem.
Sie starren sich an. So eine Gelegenheit kommt so schnell nicht wieder, was?
„Ne Mille muss es schon sein?“
„Meinetwegen!“ Die Schweißperlen auf der Stirn des Arztes schimmern silbern.
Hauptsache, es kam nicht heraus, dass er mit einer Krankenschwester, einer Untergebenen, einer Komparsin Sex im Auto gehabt hatte, was einen gehörigen Skandal verursachte, den er sich als Chefarzt und zumal als wohlsituierter Ehemann nicht leisten konnte.
War es so?
Oder war es diejenige, mit der der Arzt die Million Euro verprassen wollte, untertauchen mit ihr, ein neues Leben beginnen, die Krankenschwester - aber das ist doch zu abstrus. Schließlich hat er eine sehr gut bezahlte Anstellung als Chefarzt. Aber einmalig das Geld ausgeben, für eine Weltreise, eine Jacht kaufen, was immer? Welche Rolle aber spielte hierbei der Polizisten-Neffe?
'Na, dann hören wir uns einmal die Beteiligten an, was sie zu sagen haben!'

als E-Book

https://www.amazon.de/Verbrechen-wider- ... B09VPNFYHX


Zurück zu „Texte“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 13 Gäste