Wer schützt meine Kinder vor dem Penner dort an der Ecke? - Liebesgeschichte

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Pentzw
Kalliope
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Wer schützt meine Kinder vor dem Penner dort an der Ecke? - Liebesgeschichte

Beitragvon Pentzw » 05.12.2023, 14:15

Sie sah ihn wieder durch das Autofenster an der Ecke zum Discounter stehen. In Jeansjacke, Jeanshose, voller Cowboy-Montur und in der Hand eine Flasche Bier. Es war das zweite Mal. War das jetzt Gewohnheit, dort zu stehen? Das ging nicht! Sie musste dann einen anderen Weg nach Hause für ihre Kinder finden. Wenn sie nachher nach Hause zurückfuhr, durften diese ihren Vater auf keinem Fall sehen. An einer Ecke herumlungern – in dieser abstoßenden Erscheinung - eine Flasche Bier in der Hand - wie der letzte Penner ...
Sie hatten etwas Besseres verdient als so eine jämmerliche Gestalt! Immerhin hatte sie es geschafft, beide Mädchen aufs Gymnasium zu bringen, mit viel Nachhilfe zwar, aber egal. Und das Beste für Kinder ist natürlich eine solide, gute Ausbildung am Gymnasium.
Das war nur möglich geworden, indem sie die Schwiegereltern auf ihre Seite ziehen konnte, die im Geld schwammen und ihre Enkel über alles liebten und keine Mittel und Mühen scheuten, ihnen eine gute Zukunft zu ermöglichen. Wobei die Zeiten schon einmal anders gewesen waren. Sie hatten ihre Schwiegertochter zunächst für nicht standesgemäß erachtet und ihr das unverblümt spüren lassen. Sie hatte aus einer ländlichen Mittelstands- in diese städtische, reiche Oberschichtsfamilie eingeheiratet. Ein großer Fang für sie. Und alles lief nach Plan: Großes Haus, einigermaßen gutes Einkommen des Mannes, vor allem aber immer wieder finanzielle Unterstützung der Schwiegereltern. Der Mann saß im Stadtbauamt, besaß Vitamin B und arrangierte alles was gutes Wohnen betraf. Wenn nur nicht dieser steile Absturz des Versagers von einem Ehemann gekommen wäre. Sie konnte nur von Glück reden, dass dieser erst stattfand, nachdem die Kinder aus dem Gröbsten raus waren. Sie sah dies als Zeichen: Ihr Mann hatte als Vater ausgedient und sie brauchte ihn als Ehemann nicht mehr, um gut leben zu können.
Sehr gut sogar!

Für immer und ewig. In guten und schlechten Zeiten. Vollkommener Verlass auf einen Menschen. Es gibt wohl nichts Schöneres auf dieser Welt, in diesem unsicheren Leben …

Der Kontakt zu ihrem Mann war fast vollständig zum Erliegen gekommen. Sie kannte aber seine Wohnung, zum Glück aber nur von außen. Angeblich waren seine Wohnverhältnisse sehr schäbig, hatte man ihr erzählt. Sie wollte sich und ihren Kindern diesen Anblick ersparen. Was ging sie das noch an, sie war mittlerweile von ihm geschieden. Sie spielte jetzt in einer anderen Liga.
Sie konnte verstehen, dass er sich den Weg zur Stammkneipe sparen wollte und deshalb direkt zum Discounter um die Ecke ging, um sich zu betrinken. Wenn die Blätter fallen, ist man wenigsten gern allein zu Hause - das ist ein Allgemeinplatz. Die Einsamkeit in der Wohnung ist besonders drückend, wenn man nach der elend eintönigen Maloche nach Hause kommt. Obwohl sie Kinder hatte, kannte sie dieses Gefühl der Einsamkeit, das nur ein wenig gemindert wurde. Aber für ihn, bei dem niemand da war, musste es schlimm sein: „War da etwas? Bewegte sich etwas? Nur die Mäuse und Ratten. Keine Menschenseele mehr um mich herum. Ich schalte die Glotze an, um Wärme ins Leben zu bringen. Elektrische Strahlung als Ersatz für menschliche Ausstrahlung! Womit habe ich das verdient?“ Es war ihr egal sein, ob dieser Kerl seine Wärme nur noch im Biertrinken fand oder aber längst schon eine andere Frau gefunden hatte. Sie hätte es ihm zwar gegönnt. Aber es war ihr egal. Sie hatte selbst keinen Partner. Es war auch nicht notwendig, sich mit ihm zu vergleichen, es waren zwei verschiedene Welten.
Das Dilemma, einen abgestürzten Ehemann und Vater ihrer Kinder zu haben, hatte sich schon kurz nach der Trennung abgezeichnet. Sie waren zunächst in Freundschaft auseinandergegangen. Er hatte großspurig getan und gesagt: „Du kannst die Wohnung behalten, ich komme schon zurecht.“ Doch plötzlich stand er vor ihrer Tür, packte sie schmerzhaft am Handgelenk und schrie ihr seinen Frust und seine Vorwürfe ins Gesicht. Obwohl sie ihn daran erinnerte, was sie ihm gesagt hatte: Die Kinder müssten in der Wohnung bleiben. Ein Umzug ist ihnen nicht zuzumuten. Das Nest dürfe nicht zerstört werden, Brut und Glucke sollten nicht auf eine widrige Wohnungssuche gehen müssen. Außerdem hatte er einen Vater, der im Bauamt saß, ihn aber ignorierte. Wie sich herausstellte, hatte sich der coole Ehemann überschätzt. Mit seiner neuen Behausung war er alles andere als zufrieden, da eine Bruchbude, offene, nicht abschließbare Türen, laute, dünne Wände, asoziale Nachbarn … „Du lebst im gemachten Nest. Und ich? Ich guck jetzt in die Röhre!“ Stimmten die Informationen über die Umstände seiner Wohnung, konnte sie ihn gut verstehen. Aber was geschehen war, war geschehen. „Du hast es selbst so gewollt!“ Und Schweigen im Walde. Und rundum leugnen. Immer neue Vorwürfe. Sie fühlte sich erpresst und versuchte, dieser zu entgehen, indem sie ihm aus dem Weg ging. Sie unterband jeden Ansatz eines Gesprächs und war bis heute damit erfolgreich.
Warum hatten sie sich überhaupt getrennt?
Sie dachte an Lisas Schicksal. Ihr Mann hatte sie verlassen, weil sie mit einem anderen Mann geschlafen hatte, gerade mal 10 Sekunden und schon war es vorbei. Die Schuldgefühle hatten sie blockiert. Mein Gott, ein paar Sekunden, was hatte sie davon? Dumm wie sie ist, beichtet sie es prompt ihrem Ehemann, der sie natürlich in die Wüste schickt. Dort sitzt sie auf dem Trockenen. Wegen eines dummen Verständnisses von Treue und Aufrichtigkeit – und lächerlicher drei Sekunden Lust. Mensch, hätte sie doch lieber geschwiegen!
In ihrem Fall gab es keinen Anlass zur Trennung. Diese hat sich im Laufe der Zeit entwickelt, wie bei einer Schaukel, die von unbekannten Mächten immer wieder angestoßen wird, bis sie sich überschlägt und der Schaukelnde - bumm - auf dem Hosenboden landet. In ihrer Beziehung gab es von Anfang an Spannungen. Die Sorge um die Kinder hat die Risse nur vorübergehend gekittet. Allerdings wurden die Fugen rissig und bröckelten, als sie beide anfingen, Drogen zu nehmen. Wenn ihr Mann nüchtern war, war er handsam und schmiegsam wie eine Puppe. Mit jedem Schluck Alkohol wurde er jedoch widerspenstiger, bis er schließlich ausrastete. Als sie es kapierte, war es schon zu spät. Immer wieder drängte er sie, sich Aufputschmittel, Entspannungselixiere oder gar Aphrodisiaka zu besorgen und sie gab nach. Dann stand sie wieder ratlos vor den Scherben. Als er begann, sich den Stoff selber zu besorgen und betrunken nach Hause kam, war der Zug endgültig abgefahren. Und sie hatte ursprünglich das Signal zur Abfahrt gegeben. Pech gehabt. Es ist nichts als Unwissenheit.
Kann man sagen, dass sie ihren Mann ruiniert hat?
Was kann sie dafür, dass sie mehr verträgt? Was kann sie also dafür, dass ihr Mann schwächer ist und abstürzt?


Die Musik ertönte. Bei jedem Ton explodierte eine Farbe. Die Silberkette an ihrem Hals funkelte im Licht der Lampe. Es war Sommer. Wassertropfen rollten über gebräuntes Haar. Sonnenlicht fiel durch die Fenster, breitete sich auf dem Holzboden und dem Teppich aus. Der Himmel war hoch und blau, gesprenkelt mit ein paar Wolken, die sich ruckartig zu bewegen schienen. Sie liebten sich bis zur Erschöpfung. Das ist die Geschichte einer großen Liebe, die niemals endet.

Wann hatte sie den Respekt vor ihrem Mann verloren? Ganz klar, als sie diesen neureichen, protzigen Nachbarn kennengelernt hatten. Kaufmann hieß er und sein Name war Programm. Er kaufte wirklich jede Schwäche gegen Bargeld. Wurde ihr Mann wieder einmal von ihm gedemütigt, dann öffneten sich die Schatztruhen des Herrn Kaufmann. Zunächst werden ein paar Flaschen besten schottischen Whiskys oder teure, französische Weine serviert. Anschließend können üppige kulinarische Erlebnisse bei Yachtausflügen genossen oder der hauseigenen Swimmingpools benutzt werden. Fassungslos stand sie jedes Mal da, wenn ihr Mann wieder einmal einknickte und sich unwidersprochen hatte erniedrigen lassen. Er ließ sich alles gefallen. Die Kaufmanns frohlockten, während es die anwesenden Gäste duldeten, eingenommen sie selbst, auch wenn sie innerlich empört war. Schließlich empfindet sie Verachtung für ihren Mann. „Warum wehrst du dich nicht? Schlag zurück, sag dem Kaufmann, dass er das Maul halten soll. Der mit seiner Halbglatze, grauen Haaren, diesem Säufer! Wovor hast du eigentlich Angst?“ Schulterzucken. Er verteidigte sich nicht einmal. Woher rührte das? Lag es daran, dass er als Kind von seinen Eltern gedemütigt und gebrochen wurde? Selbst heute, als erwachsener Mann und Vater von zwei wunderbaren Kindern, fehlte ihm das Rückgrat. Stattdessen schluckte er alles hinunter, zog sich lieber in sich selbst zurück und ließ sich widerstandslos weiter erniedrigen, So verlor sie jeglichen Respekt vor ihrem Mann, dieser Memme.
Jetzt steht an der Ecke, mit der Bierflasche in der Hand und ist in Gesellschaft von zweifelhaften Gesellen. Ihre Kinder könnten ihn jeden Tag sehen und denken: 'Oh, da ist ja unser Vater, der Penner.' Nein, niemals! Sie hatte nicht umsonst gegen so viele Schwierigkeiten gekämpft, damit diese Kinder eine gute Zukunft haben würden und nicht in der Realschule, sondern im Gymnasium aufgenommen wurden. Was würde nun passieren, wenn deren Klassenkameradinnen mitkriegten, dass da der Vater von Elli und Belli steht. Man kann sich leicht ausmalen, was unweigerlich passieren würde. Die Kinder gehen gerade mit anderen um die Ecke zum Discounter und bei seinem Anblick automatisch sagen: „Hallo Papa!“ Sie sind ja so gut erzogen. Aber das würde jetzt nichts mehr helfen, die anderen Kinder denken: „Unglaublich, das ist der Vater von Elli und Belli! Ein sauberer Vater. Was wollen die überhaupt in unserer Schule, mit so einem Vater gehören die doch auf die Hauptschule, wenn nicht sogar in die Sonderschule!“ Und wenn es mal Streit gibt, was bei Mädchen leider häufiger vorkommt, dann kann es sehr verletzend sein: „Du hast mir gar nichts zu sagen, du mit deinem Vater, diesem Penner!“ Kinder können manchmal sehr gemein sein.
Nicht auszudenken, was alles passieren kann.
Wenn sie an vorgestern denkt. Da hat sie ihn zum ersten Mal dort an der Ecke beim Discounter gesehen. Wenn das wahr ist, darf es so nicht weitergehen. Sie stieg wütend aus dem Auto, ging auf ihn zu und bat ihn: „Können wir mal alleine reden!“ Dabei deutete sie leicht mit dem Kinn auf die Umstehenden. Statt zu antworten, nahm er einen großen Schluck aus seiner Bierflasche und schwieg. „Komm, lass uns ein paar Meter gehen!“ Aber er stemmte nur die Flasche gegen seine Hüfte und starrte sie mit einem debilen Blick an. Sie fuhr ihn an: „Was stehst du hier hier herum? Was denkst du dir eigentlich? Was sollen deine Kinder von ihrem eigenen Vater denken, wenn sie dich hier so stehen sehen?“ Er verzog den Mund, als hätte er in eine Zitrone gebissen. „Sag doch etwas!“ Er nahm aber nur einen weiteren Schluck von seiner Bulle.
„Ist das dein Hausdrache? Dann solltest du besser deine Höhle verrammeln. Die verpestet mit ihrem Feuergespei hier nur die Gegend!“ Das fehlte ihr gerade noch, dieser dumme Kommentar von diesen Idioten. „Dir werd ich gleich einen Drachen geben!“, hatte sie zurückgeblafft, aber nur Gelächter geerntet. Außerdem hatte sie damit einen kleinen, schmutzigen Hund aus der Reserve gelockt, der sie bedrohlich anknurrte, aber zum Glück an der Leine hing.
Es waren zu viele. Zwar hätte sie es mit jedem einzelnen von diesen Männern aufgenommen, aber nicht mit vier, fünf auf einmal. Selbst ihr durchdringender Ton richtete konnte das schrille Gebell des Hundes nicht übertönen. Sie erntete nur Gelächter: „Mann, die gehört mal richtig durchgevögelt, dann reißt sie ihr Maul nicht mehr so weit auf!“ Es war sinnlos. Sie hatte sich lächerlich gemacht. Fast weinend rannte sie weg.
Geistesgegenwärtig eilte sie zum Discounter, um nach dem Filialleiter rufen zu lassen. Später klärte sie eine Freundin darüber auf, wie es wirklich war. In solchen Fällen wird der nächstbeste Mitarbeiter ohne Zuständigkeit gerufen, der sich gerade in der Nähe befindet. Jemand, der wirklich etwas zu sagen hat, ist selten anwesend und meist nur am Vormittag. Wer auch immer es war, sie klagte ihm ihr Leid. Sie fühlt sich belästigt von den Säufern, die dort an der Ecke herumlungern, wie man durch die Eingangstür sehen kann. Vor allem wegen ihrer Kinder mache sie sich Sorgen. Dabei hatte sie hier noch nie eingekauft. Aber das spielte natürlich keine Rolle. „Möchten Sie wirklich den armen Kerle da draußen ihr bisschen Spaß verbieten?“ „Das ist mir egal. Ich denke nur an meine Kinder. Ein Stück weiter, wo das Schulgelände anfängt, ist ein Mäuerchen, da können sie auch stehen.“ Dieser Vorschlag war ungeschickt, denn diese Stelle grenzte direkt an den Pausenhof der Schule und würde somit die Gefahr noch erhöhen. Der zweite Vorschlag war noch ungünstiger. „Vielleicht gegenüber dem Markt, auf der anderen Seite, auf dem anderen Bürgersteig.“ Es war nicht akzeptabel, dass sie die Trinker jedes Mal der Gefahr aussetzten, überfahren zu werden, wenn sie die Straße überquerten, um sich auf die andere Seite zu begeben. Aber sie mussten weg, weg von hier. Sie argumentierte so lange, bis der Verkäufer vage versprach, er werde schauen, was er tun könne. „Vielleicht kann man sie bitten, nach einer halben Stunde Wartezeit, die man den Kunden wohl zugestehen muss, diesen Ort zu verlassen.“ Vielleicht! Alles sehr vage. „Vielleicht könnten sie ein Schild an der Außenwand anbringen, neben dem Schild mit der Hundezeichnung: Wir müssen draußen bleiben!, mit der Aufforderung: Stehenbleiben verboten!“ Der vermeintliche Filialleiter antwortete zu Recht säuerlich: „Meinen sie das ernst?“ Sie stand auf verlorenem Posten. Bevor sie geschlagen das Feld räumte, holte sie zum letzten Rundumschlag aus: „Wenn Sie keine gute Kundin verlieren wollen, dann sorgen sie dafür, dass dieses Gesindel von hier verschwindet.“


Am Anfang ihrer Ehe liebten sie sich sehr und hatten viel Zeit im Bett verbracht. Mit der Geburt ihrer Kinder, leider schon mit dem ersten, fanden sie keine Ruhe mehr und wurden ständig aus dem Bett gescheucht. Diese Geplärre! Für sie war das in Ordnung, denn sie liebte Babys über alles. „Das geht mir zu schnell!“, sagte er aber. Er konnte aber nichts dagegen tun. Das nächste Kind kam zufällig zur Welt. Wie auch immer, es war schön gewesen …

*

Ich hatte eine Niederlage erlitten. Sollte ich deshalb aufgeben? Niemals! Wer mich kennt, weiß, dass ich dies niemals tat. Ich verfolgte immer mein Ziel weiter.
Dieser Mann wird meine Kinder nicht verderben!
Es war klar, dass vom „Abteilungsleiter“ des Discounters nichts zu erwarten war. Deswegen beschloss ich, selbst aktiv zu werden.
Zunächst habe ich darüber nachgedacht, eine Waffe zu besorgen. Aber das war doch nur eine kindische Phantasie! Nein, ich musste jemanden engagieren. Einen Auftragsmörder! Eine schöne Vorstellung, aber wie sollte ich als Normalsterblicher einen solchen finden?
In meinem freien Leben, in den langen Nächten in Kneipen und Diskos, stieß ich schließlich auf einen.
Das geschah so.
Es wird oft angenommen, dass Alleinerziehende an ihr Kinder gebunden sind, aber in meinem Fall ist das Gegenteil der Fall gewesen. Ich war noch nie so frei wie jetzt. An den Wochenenden haben sich die Schwiegereltern um die Enkelkinder gekümmert, was mir sehr gelegen kam. So konnte ich fleißig auf Tour gehen. Im Umkreis von 100 Kilometern war ich unterwegs. Keine angesagte Disco und kein Szenelokal habe ich ausgelassen.
Eines Morgens landete ich in der tiefsten Oberpfalz, wo die Moorbüffel zu Hause sind. Der Menschenschlag wird so bezeichnet, weil dort ein breiter Dialekt vorherrscht, der kaum verständlich ist. Erst ist vergleichbar mit dem Texanischen Dialekt in den Vereinigten Staaten. Als normaler Deutscher braucht man einen Übersetzer, um einen Satz zu verstehen. Sobald sie den Mund öffnen, kommen grunzende Laute heraus, ähnlich wie bei einem Büffel. Der Tonfall kann manchmal brutal klingen, das heißt nicht, dass es die Menschen auch sind. Aber einer war es mit Sicherheit.
Ich bin auf Rocker gestoßen. Am Nebentisch saß jemand, der getönt hat, er habe einer Tussi die Zähne ausgeschlagen, weil ihr Freund das gemeinsame Kind nicht bekam und er befürchtete, dass es mit der Mutter in schlechte Gesellschaft geraten würde. „Er hatte absolut recht. Die Frau hing so an der Nadel, Heroin, kann ich dir versichern, dass sie nicht einmal mehr die Kraft gehabt hat, das Fläschchen mit dem Babybrei ruhig zu halten.“ „Du hättest doch den Auftrag ablehnen können. Dem Mann empfehlen können, dass er besser mit dem Familiengericht klärt. Seine Chancen stehen gut, da die Mutter drogenabhängig ist!“ Der Bulle von Moorbüffel lachte laut. Sein breiter Ochsenkopf war von einem dichten Haarwuchs umgeben, so dass man kaum sein Gesicht erkennen konnte. Nur die hängenden Backen waren sichtbar, die wie Speckschwaden hin- und herwedelten: „Geschäft ist Geschäft!“, lachte der Bulle von Moorbüffel.
Das erinnerte mich an meine Erfahrungen während meines sozialpädagogischen Praktikums bei der Jugend- und Familienhilfe sowie dem Allgemeinem Sozialen Dienst. Die Mitarbeiter äußerten oft, dass richterliche Entscheidungen oft unberechenbarer als Lottogewinne seien. Ist es nicht bedenklich, dass selbst Vertreter des Staates auf Amtsfeiern betrunken sich so über diesen äußern: „Scheiß auf den Staat und spiel Skat!“ oder „Wer auf den Staat vertraut, dem ist das Hirn verbaut“
Als ich vom Nebentisch das Wort „Koks“ hörte, sah ich einen Anknüpfungspunkt, um mit dem Rocker in Kontakt zu treten. „Koks? Klingt ja interessant!“ Der Rocker antwortete sofort: „Hau Dich her, Schlampe!“. Ich machte gute Miene zum bösen Spiel und ließ mich neben ihm nieder. Er roch widerlich nach stinkendem Bierkonsum, aber was tut man nicht alles für seine Kinder. Ich hatte gehofft, bei ihm leicht anzukommen und zu landen, bei diesem stiernackigen, dickbäuchigen, stinkenden Bullen, ich mit meinem unwiderstehlichen Schwanenhals.
Nach weniger als einer Minute fragte der Büffel aber: „Was willst du wirklich?“ Ich rückte mit den Worten heraus und hoffte, billig davonzukommen. Dazu drückte ich mich an den Schmerbauch des Bullen, spreizte die Beine weit auseinander und warf einen herausfordernden Blick auf eine einschlägige Stelle da unten. Sein Blick folgte meinem, aber er stieß nur verächtlich aus: „Nicht mit jeder Schickimickifotze.“ Ich vermute, dass ich nach Geld rieche. Damals war ich als Edelpunk unterwegs: blond gefärbter Meckischnitt, ein Dutzend Piercings an Ohr, Nase und Zunge und einen funkelnden Diamant am Ohrläppchen. Außerdem lächle ich zu oft, was Glück ausstrahlt, aber ich kann es leider nicht kontrollieren. 'Ich und eine Schickimickitussi, dass ich nicht lache', dachte ich, 'und da sieht man mal wieder, dass ich hier wirklich in der tiefsten Oberpfalz bin (was bei uns als geflügelter Ausdruck gilt: soviel wie auf dem Mond leben).' Immerhin fällt mir auch etwas Passendes zu diesen dumpfen Bullen ein, was selbst er gut verstehen kann. Dabei wende ich meine jüngst erworbenen Kenntnisse in der Sozialpädagogik an: "Soziale Intelligenz nennt man das: Man muss sich gut überlegen, für wen man die Beine breit macht!" Er schüttelt sich vor Freude über meinen flachen Witz. Mir recht, unter Blinden ist der Einäugige König, heißt es ja.
Wir sind uns schnell einig: Ein Braunen als Vorschuss und dann nochmal tausend.
Mein Goldmariechenlächeln hat wenigstens bei anderen Wunder gewirkt. Die Schwiegereltern zückten bereitwillig ein paar Scheine. Ich musste nichts erklären, sie winkten nur ab. Geld ist für sie zweitrangig, Hauptsache, ich lasse die Enkel so oft wie möglich in ihrer Obhut.
Ich habe dem Rocker das Versprechen abgenommen, dass er meinen Ex nicht allzu brutal angehen soll. Bitte keine Zähne ausschlagen oder Arme oder Nasen brechen. Wer weiß, welches Aufsehen das erregen könnte? Es ist besser, auf Nummer sicher zu gehen. „Wenn's geht! Der Erfolg hängt aber von deinem Alten ab, wie zäh er ist.“ „Ja, ich weiß. Aber er ist im Grunde ein Waschlappen!“ „Du musst wissen, dass es in der Natur des Menschen liegt, wankelmütig zu sein. Was heute gesagt wird, gilt schon morgen nicht mehr. Deshalb muss ich nachhaltig sein!“ Er lachte nicht einmal. Er meinte es ernst.
Der Rocker hatte ordentlich und sauber gearbeitet, das Opfer hat keine schweren Verletzungen erlitten. Trotzdem war ich ziemlich schockiert angesichts des blühenden Veilchens auf seinem Auge. Er hat mich schon komisch angeguckt und bestimmt vermutet, dass ich dahinter stecke. Er hat jedoch die Zähne zusammengebissen und es sich verkniffen, etwas zu bemerken. Er schluckte anstandslos die dickste Kröte seines Lebens. Die Angelegenheit war erledigt und der Weg zum Discounter war frei.
Heute können meine Kinder und ich sicher sein, auf dem Weg zum Discounter keine unangenehmen Überraschungen zu erleben, wie zum Beispiel auf eine heruntergekommene Vogelscheuche zu stoßen, der sich als mein Ehemann und ihr Vater entpuppt. Solch ein Anblick wird bei ihnen kein Selbstzweifel entfachen. Sie werden von keinen gemeinen Bemerkungen anderer verletzt werden. Ihnen ist eine ganz normale Kindheit, Schulzeit und Jugend garantiert. Das haben sie verdient!
Ich habe wie ein Löwe gekämpft und meine Jungen verteidigt, wie es die Natur von mir verlangt: die Kinder vor Gefahren zu bewahren. Ich bin eben Sternzeichen „Löwe“!

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