Die Randnotiz

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Hamburger
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Die Randnotiz

Beitragvon Hamburger » 18.09.2002, 14:31

Die Randnotiz

Mein Vater sprach:"Dir, mein lieber Sohn, übertrage ich nun eine ganz besonders ehrenvolle Aufgabe. Du darfst nicht nur die beiden Oma`s, sondern auch unsere Gräfin abholen. Sie hat sich wieder einmal anders entschieden."
Er drückte mir Wagenschlüssel, Fahrzeugpapiere und Führerschein in die Hand, lächelte ackselzuckend und sagte zu meiner Mutter, die ihm auf halbem Wege im Flur entgegenkam:"Nun, was ist? Wir verpassen noch den Bus."
Meine Mutter, immer noch mit der Suche nach ihrer Handtasche beschäftigt, nickte hastig, passierte meinen Vater und setzte ihre Suche in der Küche fort. Sie bemühte sich fortwährend unaufgeregt zu wirken, was ihre Gesichtszüge angespannt werden ließ. Es dauerte noch einige Minuten bis sie schliesslich unter der Wohnzimmercouch fündig wurde. Den sonst üblichen eher liebevollen Streit, wer die Verspätung verantwortete, sprich wer die Handtasche verlegt hatte, schenkten sich meine Eltern ausnahmsweise.
"Du hast ja nicht alle Tage Geburtstag", begründete mein Vater brummelig seinen Verzicht.
Wir verabschiedeten uns. Ich stand unschlüssig im Flur und dachte über Masochismus nach. Ob dieses Phänomen genetisch bedingt ist? Oder kommt er erst durch Umwelteinflüsse zur vollsten Blüte? Ich entschied mich aufgrund der eindeutigen Beweislage für die Umwelteinflüsse, schalt mich aber gleichzeitig zynisch und verbat mir jedwede voreilige Schlussfolgerung. Immerhin hatte ich die Gräfin, wie meine Tante Gabriele mütterlicherseits seit gut eineinhalb Jahren genannt wurde, volle 3 Monate nicht gesehen. In 3 Monaten kann eine Menge passieren, redete ich mir ein und machte mich daran den Wagen aus der Garage zu holen.
"Gräfin Maritza kommt auch", seufzte mir Oma Elfriede gleich nach der herzlichen Begrüssung entgegen. Ich schwieg.
"Die will doch nur wieder, ach ich weiss auch nicht, was die will", erregte sich ihre Mutter Oma Antonia schon bevor sie mir die Hand gab. Ich schwieg.
Während der viertelstündigen Fahrt zu Tante Gabriele sprachen wir allen Ernstes nur über`s Wetter. Es erstaunte mich, mit welch kindlichem Erstaunen die beiden Damen den seit Mittag andauernden Schneefall registrierten. Ich wandte ein, an einem 11.Januar sei dies ja wohl nichts Ungewöhnliches und ärgerte mich sofort nicht geschwiegen zu haben. Denn eine Aufzählung aller vergangenen Winter, die wesentlich wärmer gewesen waren, war nun unvermeidlich. Ich nickte, verlegte mich wieder auf`s Schweigen und übte Nachsicht gegen so viel geballte Erfahrung.
Zur verabredeten Zeit um 18 Uhr 30 erreichten wir den Anwohner-Parkplatz der Kreutzburger Strasse 32.
Ich parkte den Wagen auf dem sechsten Parkplatz von links zur Strassenseite hin, den meine Tante gemietet hat. Kurze Zeit später schwang die rechte Beifahrertür auf und sie stieg ein.

P.S.: Fortsetzung folgt
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razorback
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Re: Die Randnotiz

Beitragvon razorback » 18.09.2002, 16:19

"Alles sehr merkwürdig", sagte der Razorback und kratzte sich am Kopf... ;-)

Tja, äh, nun, da fehlt tatsächlich die Fortsetzung (mieser Trick übrigens, der Cliffhanger). Die Art der Geschichte und der Hinweis "Fortsetzung folgt" nähren den Verdacht, dass dies nur ein Anfang sei, also stört der Mangel an dramatischen Höhepunkten nicht. Und immerhin - ich würde gerne mehr davon lesen!

Der Text kommt nämlich recht witzig daher und berechtigt zu der Hoffnung, dass es noch richtig lustig wird:

"Die will doch nur wieder, ach ich weiss auch nicht, was die will", erregte sich ihre Mutter (...)


Ich wandte ein, an einem 11.Januar sei dies ja wohl nichts Ungewöhnliches und ärgerte mich sofort nicht geschwiegen zu haben. Denn eine Aufzählung aller vergangenen Winter, die wesentlich wärmer gewesen waren, war nun unvermeidlich.


Allerdings habe ich auch was zu mäkeln:

1.) Der Sohn soll die drei alten Damen abholen und die Eltern fahren mit dem Bus weg? Lassen sie den armen Kerl alleine mit denen? Mag sein, dass Du das in der Fortsetzung aufklärst, noch erscheint es ein wenig seltsam.

2.)
Den sonst üblichen eher liebevollen Streit, wer die Verspätung verantwortete, sprich wer die Handtasche verlegt hatte, schenkten sich meine Eltern ausnahmsweise.
"Du hast ja nicht alle Tage Geburtstag", begründete mein Vater brummelig seinen Verzicht.


Der letzte Satz setzt irgendwie voraus, dass der Streit per Absprache ausfällt (sonst bedürfte es nicht der ausgesprochenen Begründung). Ich habe den Verdacht, Du nutzt diese Stelle, um den Geburtstag der Mutter einzuführen. An sich keine schlechte Idee, dann müsste der Ausspruch des Vaters aber passen. Er würde zum Beispiel passen, wenn Du den Vater zu einem Gemeckere ansetzen liessest, in dem er sich aber - die Begründung aussprechend - selbst unterbricht.

3.) Das mit dem Masochisten passt auch nicht so. Schliesslich geniesst der Masochist sein Leiden und sucht es freiwillig - ganz im Gegensatz zu Deinem Helden :-D

4.) Manchmal formulierst Du etwas umständlich:

Während der viertelstündigen Fahrt zu Tante Gabriele sprachen wir allen Ernstes nur über`s Wetter. Es erstaunte mich, mit welch kindlichem Erstaunen die beiden Damen den seit Mittag andauernden Schneefall registrierten. Ich wandte ein, an einem 11.Januar sei dies ja wohl nichts Ungewöhnliches und ärgerte mich sofort nicht geschwiegen zu haben. Denn eine Aufzählung aller vergangenen Winter, die wesentlich wärmer gewesen waren, war nun unvermeidlich. Ich nickte, verlegte mich wieder auf`s Schweigen und übte Nachsicht gegen so viel geballte Erfahrung.



5.) Oma's ??????

6.) Muss die Elfriede heissen? Das ist so klischeehaft...

7.) Es wimmelt in diesem Text von Kommafehlern. Allerdings fliegt der Stein mit grossem Krach aus dem Glashaus, denn ich bin der König der Kommafehler. Also... äh... vergessen wir das Ganze und Du schaust den Text nochmal darauf durch, okay?

Wann folgt sie denn, die Fortsetzung?
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Re: Die Randnotiz

Beitragvon Spiderman » 18.09.2002, 19:17

Guten Abend Hamburger!

Es ist angenehm, als zweiter nach razorback einen Text zu kommentieren: man kann sich auf die Aussage zurückziehen, dass der schon alles gesagt und recht hat. Und so ist es auch.

Persönlich muss ich aber leider hinzufügen, dass es Dir mit diesem kurzen Ausschnitt, mit dem Anfang noch nicht gelunge ist, mich für Deine Geschichte zu gewinnen. Ich erfahre nichts, was mich dazu veranlassen könnte, sie spannend oder interessant zu finden. Wenn Du "Das kommt ja erst später" sagst, hast Du vollkommen recht, solltest aber bedenken, dass die ersten Abschnitte dafür sorgen, ob jemand den gesamten Text liest oder nicht. Zwei Omas und eine Gräfin kommen zu Besuch und die scheinen zu nerven. So what?!

Deshalb empfehle ich Dir den Text dahin gehend zu prüfen, inwieweit Du den Einstieg interessanter oder spannender gestalten kannst. Vorahnungen wecken? Andeutungen machen? Interessante Eigenschaften verraten?

Naja, ich werde mir die Fortsetzung gerne durchlesen. Dann sehen wir weiter.

Gruß von
Spiderman
Die nette Lyrik-Spinne von nebenan!

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Re: Die Randnotiz

Beitragvon Hamburger » 18.09.2002, 21:49

Hallo ihr beiden!

@razorback

1) Wird noch aufgeklärt.

2) Verstehe den Kritikpunkt nicht ganz. Ich beschreibe ja, das sich die Beiden den Streit schenkten. Muss ich da wörtlich den Vater sprechen lassen, der sich selbst unterbricht? Warum?

3)Klärt sich noch auf.

4) Du hast Recht. Das ist eine meiner Schwächen. Ich will jetzt ernsthaft daran arbeiten und werde das bei der Fortsetzung berücksichtigen.

5) Wie soll ich sie sonst nennen? Großmütter wäre ja noch schlimmer...

6) Leider heisst diese Frau in der Realität wirklich Elfriede. Klischees stimmen manchmal leider wirklich.

7)Auch dies ist eine berechtigte Kritik. Auch daran werde ich arbeiten.

Die Fortsetzung folgt bis allerspätestens Sonntag, allerdings dann ein sehr viel längeres Stück.

@Spiderman

1. Woraus schliesst du, das die Oma`s und die Gräfin zu Besuch kommen?

2. Ich kann bei dieser Geschichte - aus Gründen die ich erst hinterher auflösen kann - keinen Einstieg wählen, der nicht auch ein wenig Geduld vom Leser verlangt.

Auch wenn dir die Geschichte bisher nicht gefällt, freue ich mich, dass auch du deine Kritik der Fortsezung widmen wirst.

Einstweilen Danke für die ersten Reaktionen...

MFG,

Ham-puzzle-burger
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Re: Die Randnotiz

Beitragvon razorback » 19.09.2002, 00:25

Aaaaalso...

Zu meinem Punkt Zwei: Entweder ich habe mich hier verquast ausgedrückt, oder Deinen Text nicht verstanden.

Ich gehe davon aus (nach dem Text), dass die Eltern sich in solchen Situationen immer anfrotzeln. Du hast recht, das ist realistisch, gibt es in jeder längeren Beziehung. Meist ist den handelndenden Personen aber nicht oder nur am Rande bewusst, dass sie ein Ritual vollführen. Wenn aber der Vater hier - ohne den vorherigen Streit - einlenkt, mit der Begründung, die Mutter habe Geburtstag, dann setzt das voraus, dass beide sich des Ritualcharakters der üblichen Streiterei völlig bewusst sind, ihn quasi stets nur spielen. Sonst würde das Einlenken ohne vorherige Auseinandersetzung keinen Sinn machen. Von daher der Vorschlag, den Vater einen Streit (wie üblich) beginnen zu lassen, ihn (den Streit) aber dann wegen des Geburtstages (und der Einsicht, dass die Sache im Grunde nichtig ist) abzubrechen.

Zu Punkt Fünf:

Nee, Omas ist schon völlig in Ordnung, würde ich auch schreiben. Aber was soll das Apostroph? :-D


Ansonsten bin ich offenbar anspruchsloser als Mr. Spider - mir reichen drei alte Schachteln und ein genervter Erzähler, um mich auf die Fortsetzung zu freuen. Aber ich lache ja auch jedes Jahr über "Dinner for one"...

Schreib!
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Re: Die Randnotiz

Beitragvon Hamburger » 19.09.2002, 00:51

Hallo razorback!

Wenn aber der Vater hier - ohne den vorherigen Streit - einlenkt, mit der Begründung, die Mutter habe Geburtstag, dann setzt das voraus, dass beide sich des Ritualcharakters der üblichen Streiterei völlig bewusst sind, ihn quasi stets nur spielen


Genau das habe ich eigentlich gemeint. Sie sind sich des Ritualcharakters bewusst. Daher macht auch das Einlenken ohne vorherhigen Streit Sinn. Ich sprach deshalb auch von einem "eher liebevollen Streit" (was auf diesen Ritualcharakter hinweisen sollte) und auch der brummelige
Verzicht des Vaters sollte darauf hindeuten, das er eigentlich den Streit liebgewonnen hatte, eben weil er schon irgendwie dazu gehört, eben ein Ritual
ist. (man merkt, ich muss meine Sprache noch verfeinern)

Omas schreibt man echt ohne Apostroph. Junge, wie habe ich nur meine Deutschnote bekommen.

Die letzten fünf Zeilen rütteln schwer an meiner Motivation, weisst du das. Bin jetzt zerknirscht, das Spiderman meinen Text nicht mag und du ihn mit "Dinner for one" vergleichst. Dabei ist "Dinner for one" ziemlich witzig, wenn man es das erste Mal sieht. Aber leider hast du ja eine andere Analogie gezogen. :-|

Was sollte übrigens der Schluss:"Schreib!"
Hmmm, wenn du mich so anzufeuern beliebst, dann schaue doch mal in das Manifest unseres Clubs, da werden die Schriftsteller (ich bin ja noch längst keiner) noch ganz anders behandelt...

MFG,

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Re: Die Randnotiz

Beitragvon gelbsucht » 19.09.2002, 00:54

Hey Hombres,

Da ich einen Teil der Story, die dahintersteckt bereits kenne, finde ich den Anfang gar nicht schlecht ... besonders die Stigmatisierung der Tante durch die beiden Omas und das Ganze recht ironisch-trocken serviert.
Vorahnungen wecken? Andeutungen machen?
Das alles enthält auch das kurze Textstück bereits ... es wird schon ein gewisser Konflikt angedeutet: nicht inhaltlich, sondern nur, DASS es irgendeinen Konflikt gibt, der mit der "Gräfin" aka der Tante zu tun hat.
"Gräfin Maritza kommt auch", seufzte mir Oma Elfriede gleich nach der herzlichen Begrüssung entgegen. Ich schwieg.
"Die will doch nur wieder, ach ich weiss auch nicht, was die will", erregte sich ihre Mutter Oma Antonia schon bevor sie mir die Hand gab. Ich schwieg.
Super Stelle!

MfG,
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Re: Die Randnotiz

Beitragvon razorback » 19.09.2002, 10:41

Ähm - Hamburger - hatte ich da eine Halluzination oder habe ich einen Text von Dir gelesen? Und stehen da nicht überall auf dieser Seite noch mehr Texte von Dir? Ja, potztausend, es ist so - Du bist ein Schriftsteller. Hab das Selbstbewusstsein!!!

Wovon willst Du diese Bezeichnung sonst abhängig machen? Davon, ob Du in irgendein Verlagsprogramm passt, davon, ob sich irgendein überbeschäftigter Lektor erbarmt, alle vier Monate mal zurückzurufen um sich weiterhin nicht festzulegen? ( :-E Grrrrrrr :-E Herr B.!)?

Nein wirklich: Du schreibst, hast offenbar Talent und Bedürfnis und arbeitest ernsthaft an Deinen Texten - das ist es doch. Ob Du jetzt ein guter, erfolgloser, lesenswerter, gescheiterter, begnadeter oder was auch immer Schriftsteller bist - das ist eine andere Frage :-D

Zum Text nochmal - ich wollte Dich keineswegs demotivieren. Der Vergleich mit Dinner for one ist ein weit hergeholter, mit dem ich Spider ärgern wollte, die einzigen Gemeinsamkeiten sind eigentlich:

1.) In beiden Werken kommt mindestens eine alte Frau vor.
2.) Beide sind lustig oder versprechen es zu sein.

Kannst Du damit leben? Wie gesagt - nach diesem Start rechne ich mit einem Text der Marke "genervter Erzähler kommentiert Familienfeier". Sollte das ganze statt dessen auf so etwas wie die Buddenbrooks hinauslaufen - herzlichen Glückwunsch ;-)

Schreib!
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Re: Die Randnotiz

Beitragvon Hamburger » 19.09.2002, 11:27

Hallo zusammen!

Nun ist meine Motivation natürlich wieder deutlich angestiegen. Ich werde zu der "Schriftsteller-Frage" erst nach der Beendigung der Geschichte Stellung nehmen, da sie für mich ziemlich bedeutend ist.
Ich will jetzt aber hier nicht ständig mit Wasserstandsmeldungen nerven, sondern werde mich nun an die Fortsetzung
machen.

Doch eine Frage noch an razorback: Schon in`s Manifest geschaut?

MFG,

Hamburger
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Re: Die Randnotiz

Beitragvon malino » 19.09.2002, 14:49

Ein Schriftsteller ist jemand, dessen literarische Texte veröffentlicht werden.
Sorry, razor, niemand von uns ist Schriftsteller. Jedenfalls noch nicht.

Hamburger, leider finde ich die Geschichte auch relativ langweilig, die Wortwahl wirkt auf mich teilweise gestelzt und affektiert. "Elfriede", es gibt Sachen, die sind in der Realität okay, aber wenn du sie eins zu eins in einen Text übernimmtst, wirken sie konstruiert und unrealistisch.
Deine Geschichte hat für mich diesen lustigen Jugendbuch-Tonfall , wenn ihr wisst, was ich meine. So eine harmlose ironische Distanz.

Nicht besonders konstruktiv, meine Kritik, sorry,
malino

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Re: Die Randnotiz

Beitragvon razorback » 19.09.2002, 16:33

Und das von der Frau, die mir das m.E. ausgetrieben hat. Also: Meines Erachtens - und nach meiner oben angedeuteten Definition - sind wir Schriftsteller. Nach Deiner nicht.

Übrigens - das kurz zur Erklärung - hat das nichts mit Eitelkeit zu tun. Ich müsste mich ja nach meiner Definition und um Missverständnisse zu vermeiden, in Gesprächen als "Hobbyschriftsteller" bezeichnen. Und nichts klingt lächerlicher. Also meide ich das Wort normalerweise, wenn es mich betrifft. Der Definition, dass jeder, der ernsthaft schreibt ein Schriftsteller sei (die ist ja auch nicht von mir) habe ich mich eher aus praktischen Gründen ansgeschlossen: Das Wort "veröffentlichen" ist im Zweifel noch schwammiger als "ernsthaft schreiben" ;-)

Hamburger - bitte entschuldige den Missbrauch Deines Threads für Erläuterungen :-&
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Re: Die Randnotiz

Beitragvon Hamburger » 25.09.2002, 12:03

Hallo zusammen!

Hier der zweite Teil meiner Geschichte. Es wird noch einen dritten (und letzten) Teil geben. Den ersten Teil habe ich nochmal vorangestellt, damit man das was bisher geschah in einem Stück lesen kann.


Die Randnotiz

Mein Vater sprach:"Dir, mein lieber Sohn, übertrage ich nun eine ganz besonders ehrenvolle Aufgabe. Du darfst nicht nur die beiden Oma`s, sondern auch unsere Gräfin abholen. Sie hat sich wieder einmal anders entschieden."
Er drückte mir Wagenschlüssel, Fahrzeugpapiere und Führerschein in die Hand, lächelte ackselzuckend und sagte zu meiner Mutter, die ihm auf halbem Wege im Flur entgegenkam:"Nun, was ist? Wir verpassen noch den Bus."
Meine Mutter, immer noch mit der Suche nach ihrer Handtasche beschäftigt, nickte hastig, passierte meinen Vater und setzte ihre Suche in der Küche fort. Sie bemühte sich fortwährend unaufgeregt zu wirken, was ihre Gesichtszüge angespannt werden ließ. Es dauerte noch einige Minuten bis sie schliesslich unter der Wohnzimmercouch fündig wurde. Den sonst üblichen eher liebevollen Streit, wer die Verspätung verantwortete, sprich wer die Handtasche verlegt hatte, schenkten sich meine Eltern ausnahmsweise.
"Du hast ja nicht alle Tage Geburtstag", begründete mein Vater brummelig seinen Verzicht.
Wir verabschiedeten uns. Ich stand unschlüssig im Flur und dachte über Masochismus nach. Ob dieses Phänomen genetisch bedingt ist? Oder kommt er erst durch Umwelteinflüsse zur vollsten Blüte? Ich entschied mich aufgrund der eindeutigen Beweislage für die Umwelteinflüsse, schalt mich aber gleichzeitig zynisch und verbat mir jedwede voreilige Schlussfolgerung. Immerhin hatte ich die Gräfin, wie meine Tante Gabriele mütterlicherseits seit gut eineinhalb Jahren genannt wurde, volle 3 Monate nicht gesehen. In 3 Monaten kann eine Menge passieren, redete ich mir ein und machte mich daran den Wagen aus der Garage zu holen.
"Gräfin Maritza kommt auch", seufzte mir Oma Elfriede gleich nach der herzlichen Begrüssung entgegen. Ich schwieg.
"Die will doch nur wieder, ach ich weiss auch nicht, was die will", erregte sich ihre Mutter Oma Antonia schon bevor sie mir die Hand gab. Ich schwieg.
Während der viertelstündigen Fahrt zu Tante Gabriele sprachen wir allen Ernstes nur über`s Wetter. Es erstaunte mich, mit welch kindlichem Erstaunen die beiden Damen
den seit Mittag andauernden Schneefall registrierten. Ich wandte ein, an einem 11.Januar sei dies ja wohl nichts Ungewöhnliches und ärgerte mich sofort nicht geschwiegen zu haben. Denn eine Aufzählung aller vergangenen Winter, die wesentlich wärmer gewesen waren, war nun unvermeidlich. Ich nickte, verlegte mich wieder auf`s Schweigen und übte Nachsicht gegen so viel geballte Erfahrung.
Zur verabredeten Zeit um 18 Uhr 30 erreichten wir den Anwohner-Parkplatz der Kreutzburger Strasse 32.
Ich parkte den Wagen auf dem sechsten Parkplatz von links zur Strassenseite hin, den meine Tante gemietet hat. Kurze Zeit später schwang die rechte Beifahrertür auf und sie stieg ein.

"Guten Abend", sagte sie ruhig und unbetont, während sie in ihrer Handtasche kramte. Pflichtschuldig erwiderten wir die Begrüssung. Ich nahm mir zum ersten Mal an diesem Abend ernsthaft vor, meine Idee in die Tat umzusetzen und startete den Wagen.
Meine Omas begannen, kaum das wir wieder fuhren, sich über Flohmärkte, Krankenhäuser und Kriminalität zu unterhalten. Sie bestätigten sich ihre ewigen Ansichten und erzeugten das Meeresrauschen im Hintergrund.
"Praktisch, nicht wahr?", begann meine Tante Gabriele ein Gespräch.
"Was meinst du?"
"Der Parkplatz. Hätte ich ihn nicht gemietet, hättest du in der Seitenstrasse halten müssen."
"Was wäre daran so schlimm gewesen?"
"Nichts, ich meine ja nur."
Ich empfand eine tiefe Abscheu gegen mich und hatte dennoch das Gefühl, genau das Richtige zu tun. Das, was ich schon lange hätte tun sollen.
Ich sagte:"Willst du dir bald wieder ein Auto kaufen?"
"Mal sehen. Nach der Umschulung weiss ich mehr."
"Wie läuft es?"
"Wie immer. Es ist alles nicht so einfach. Dabei ist es auch nicht schwer. Ich kann das. Ich weiss, das ich es kann. Aber mal sehen."
"Wie lange dauert die Umschulung noch?"
"Sie hat gerade erst angefangen."
"Und wie lange dauert sie noch?"
"Noch einige Zeit. So lang wie eine Umschulung eben dauert."
"Macht es dir Spass?"
Tante Gabriele schwieg und blickte aus dem Fenster. Wir fuhren auf einer zweispurigen Hauptstrasse vorbei an hässlichen Häuserzeilen.
"Mit dem, was ich nun lerne, kann ich später Personaldisponentin werden. Ich habe für den Job sicher genug Erfahrung."
"Ich drücke dir die Daumen."
Es entstand eine kurze Pause.
"Spielst du eigentlich noch Tennis? Joggst du noch?", fragte ich.
"Vor drei Monaten habe ich mich mit Sabine getroffen. Wir spielen regelmäßig. Immer, wenn wir Zeit haben."
"Und Joggen?"
"Ich laufe manchmal morgens alleine ein wenig. Es tut gut, sich eine halbe Stunde zu entspannen."
Wir bogen in die Schalker Strasse ein und hielten vor dem "Haus Eintracht". Dieses jugoslawische Restaurant hatte sich meine Mutter zur Feier des Tages ausgesucht. Wir betraten das Restaurant, liessen den Tresen rechts liegen und gingen direkt durch einen breiten, kunstvoll verzierten Türbogen in den hinteren Raum, an dem bereits mehrere Tische in einer langen Reihe zusammengeschoben waren. Ungefähr die Hälfte der circa 25-köpfigen Geburtstagsgesellschaft war bereits zugegen. Es wurde angeregt gesprochen oder man starrte wie andächtig auf die wunderbar gefalteten rosa Servierten in den kleinen silbernen Metallständern, auf die farblich dazu passenden Tischdecken oder die herrlich exakte Anordnung des Bestecks. Ich suchte die Garderobe, fand sie rechts neben dem Türbogen und machte mich nützlich. Tante Gabriele setzte sich augenblicklich an`s rechte vordere Eck der Tischreihe nahe des Türbogens, durch den man den Eingang einigermaßen gut einsehen konnte. Ich setzte mich neben sie. Alle anderen Gäste saßen am hinteren Ende der Tischreihe. Ich wollte meine Tante ansprechen, die sich gerade in das Beobachten des Eingangs vertiefte obwohl doch niemand das Restaurant betrat, aber irgendetwas hielt mich davon ab. Wir saßen einige Minuten schweigend da. Sie betrachtete, von mir abgewandt, den Eingang und ich betrachete sie.
Als es sich endlich lohnte den Eingang zu betrachten stand plötzlich meine Mutter hinter mir und beugte sich zu mir herunter:"Du, es kommen immer mehr Gäste, aber ich hab dir einen Platz frei gehalten. Ich werde nicht alle Tage 48. Ich sehe dich auch so selten. Kommst du mit rüber?"
Ich stand auf und nickte meinem Onkel Thomas und meiner Patentante Christa, die mir bereits gegenüber gesessen hatten, sinnlos zu. Ich hatte sie weder begrüsst noch bemerkt.
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Re: Die Randnotiz

Beitragvon gelbsucht » 29.09.2002, 20:05

Hallo Hamburger,

also wenn ich ehrlich bin: den zweiten Teil des Textes finde ich schwach. Denn abgesehen von einer mehr oder weniger seltsamen Distanz, die zwischen der Tante und allen anderen Personen herrscht, und einigen sehr kryptischen Andeutungen ("Ich nahm mir zum ersten Mal an diesem Abend ernsthaft vor, meine Idee in die Tat umzusetzen.") passiert hier wirklich nur total Banales: Autofahren, Belangloses reden, an Tischen Platznehmen, in der Gegend umherschauen etc. Den Anfang fand ich, entgegen der Tendenz der anderen, gar nicht schlecht, darum bin ich jetzt auf den Schluss gespannt, wo du noch einiges wettmachen kannst. Allerdings: vom erzähltechnischen Standpunkt hättest du viel eher in medias res gehen müssen, einen Konflikt aufbauen etc., du beanspruchst die Geduld deines Lesers viel zu sehr - es passiert einfach nichts interessantes, es entsteht keine Spannung. Besonders die Unterhaltung im Auto hätte schon mehr Ansatzpunkte bringen müssen ...

gelbe grüße
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Re: Die Randnotiz

Beitragvon gelbsucht » 15.10.2002, 20:46

Hallo Schinkenburger,

wann ist denn mit der Fortsetzung deiner Story zu rechnen. Ich hoffe inständig, dass ich mit meinen letzten Beitrag bei dir nicht eine irreversible Senkung des Motivationspegels bewirkt und so mich selbst um eine Forsetzung gebracht habe!

:-) gelbe grüsse ;-)

ps.: Denk dran! Ich hab dir gesagt, du mußt kontinuierlich an deinen Fähigkeiten arbeiten. Dass die ersten Geschichten, die du wieder schreibst, keine Volltreffer sein werden, war vorherzusehen. Dennoch mußt du es immer wieder versuchen, wenn es dir wirklich etwas bedeutet. Vielleicht wird Geschichte Nr. 10, Nr. 20, Nr. 30 dann richtig gut sein, auf jeden Fall macht Übung den Meister. Schau meine Gedichte an: ich produziere auch größtenteils Müll und lasse mich aber trotzdem nicht abhalten, weiterzumachen, weil ich weiß, dass auch immer mal wieder ein gutes Gedicht mit abfällt. Und dieses eine gute Gedicht (mit dem ich selbst zufrieden bin), dieser seltene Fall, dieser Glückfall, rechtfertig die dauerhafte Bemühung. Wohlan, mein Freund! Wenn das den Pegel nicht wieder aufputscht, dann weiß ich auch nicht, was ich noch tun kann!
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Re: Die Randnotiz

Beitragvon Hamburger » 15.10.2002, 21:09

Hallo gelbsucht!

Warum denkst du eigentlich immer, das deine Kritik mir jede Motivation raubt, wenn sie negativ ausfällt? Nun gut, ich habe lange nichts von mir hören lassen bezüglich der Story, vielleicht war daher der Gedanke naheliegend. Du kannst ihn aber in Zukunft fast grundsätzlich ausschliessen. Negative Kritik macht mich niemals so fertig, das ich deswegen Projekte aufgebe, zumal mir die Geschichte immer noch am Herzen liegt. Ich werde sie bald beenden und dann hier veröffentlichen und werde danach auch weiterschreiben.
Tja, jetzt bist du beruhigt und alle anderen fürchten sich vor den gruselig grottigen Geschichten, die sie bald von mir zu lesen bekommen werden...

Bis denn!

Hamburger
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