Die etws andere Autorenseite

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Die etws andere Autorenseite

Beitragvon Besucher » 18.11.2005, 22:41

Die sich hier bietende Gelegenheit, sich angelegentlich vorzustellen, nehme ich gerne wahr. Für diejenigen, welche jetzt erwarten, etwas Außergewöhnliches, Intimes und ansonsten nur hinter vorgehaltener Hand erzähltes zu erfahren, ein voyeuristischer Langzeitgenuss. Für alle anderen allenfalls eine moderne Odyssee.

Wie such immer... Der Meinige stellt sich vor.

Meine erste Publikation sollte eigentlich nie in die Öffentlichkeit gelangen, aber als pubertierender und überdies auch noch erstmals verliebter Primaner lässt man sich zu Unbesonnenheiten hinreißen, über die vernunftbegabte Menschen nur schmunzelnd den Kopf schütteln.
„Sabrina-Eleonore, ich glaube, dass ich dich liebe“, hatte ich ihr in kantiger, maskulin wirkender Druckschrift geschrieben. Und weiter: „Ich glaube, dass wir später heiraten sollen. Ich glaube, wir bekommen viele Kinder. Was glaubst du?“
Meine schwungvolle Unterschrift nahm die ganze Breite des Blatts ein. Sorgfältig faltete ich den Brief zusammen und schob ihn in ein Kuvert. Am darauf folgenden Vormittag wartete ich voller Herzklopfen neben dem Schultor auf sie. Es war nicht einfach, ihr den Brief unbemerkt in den Schulranzen zu schieben, als sie an mir vorbei ging, aber irgendwie gelang es mir, ohne dass ihre Freundinnen etwas davon bemerkten. Bangen Herzens ging ich in meine Klasse und verbrachte die ersten zwei Unterrichtstunden, ohne mich auf etwas anderes als ihre baldige Antwort konzentrieren zu können.
9 Uhr 30, große Pause.
Als letzter meiner Klasse schlenderte ich die Treppe hinunter in das Erdgeschoss und weiter Richtung Schulhof. Sabrina-Eleonore stand mit ihren Freundinnen und Klassenkameradinnen in einer dichten Traube neben der Schultür. Die zahlreichen feixenden Mädchen hatten mich offenbar bereits erwartet und je näher ich kam, umso nervöser wurde ich. Man(n) entwickelt sehr früh ein Gespür für Gefahr. Mit gesenktem Kopf versuchte ich, an der Mädchenschar vorbei ins Freie zu gelangen. Ich glaubte, ersticken zu müssen, hatte wohl vor Aufregung das Atmen vergessen. Schon hatte ich den Messingdrehknopf der Tür in der Hand, als mich Sabrina-Eleonores Stimme in meinem Rücken innehalten ließ.
„Kleiner, ich glaube, da hängt etwas für dich“, rief sie mir kichernd zu. Kleiner - dabei war sie gerade einmal ein klägliches Jahr älter als ich. Als ich mich zögernd umdrehte, drängte die Mädchenschar lachend und glucksend an mir vorbei ins Freie und gewährte mir den Blick auf die Mitteilungstafel neben dem Eingang. Zwischen den Ergebnissen der letzten Bundesjugendspiele und der fast die ganze Höhe der Tafel einnehmenden Schulordnung hatte jemand – vermutlich Sabrina-Eleonore – meinen für sie bestimmten Liebesbrief der Öffentlichkeit preisgegeben. Während mir das Blut in den Kopf schoss und mich fast ohnmächtig werden ließ, starrten meine Augen auf den Brief. Das erneute Öffnen der Schultür nahm ich ebenso wenig wahr wie das diabolische, schadenfrohe Gelächter einiger meiner Klassenkameraden, welche, offensichtlich von Sabrina-Eleonore und ihren Freundinnen bereits bestens instruiert, sich breitbeinig um das corpus delicti gruppiert hatten und es lautstark kommentierten. Das Allerschlimmste jedoch war der Satz, den Sabrina-Eleonore als Antwort quer und in roter Tinte über mein Bekenntnis geschrieben hatte.
„Kleiner - ich glaube“, tanzten und zitterten die roten Buchstaben vor meinen Augen, „du hast keine Ahnung von Frauen!“

Wer den Schaden hat, spottet bekanntlich jeder Beschreibung und so benötigte ich meinerseits einige Zeit, um dieses Erlebnis zu verkraften. Möglicherweise war es auch die psychische Bremse in meinem Hinterkopf, die mich in Freudschem Sinne immer davor zurück hielt, mich noch einmal öffentlich zu blamieren. Dermaßen geschmäht und an den Pranger gestellt, widmete ich Jahre meines Lebens den akkuraten Wissenschaften: Jenen, die berechenbar, beweisbar und vor allem widerspruchsfrei und stumm sind. Bis ich mich irgendwann dabei ertappte, darüber nachzudenken, einen Roman zu schreiben. Unglücklicherweise geschah dieses in einer Bar zu vorgerückter Stunde und mit einem guten Freund an meiner Seite.
„Schreiben willst Du?“ fragte er mit leicht belegter Stimme und blickte mich sorgenvoller Miene an. „Wozu? Du kennst Dich aus in Trigometrie, Relativitätstheorie und Astronomie. Du verstehst Dich in der Computer-Programmierung, bist ein Profi in Infinitesimalrechnung, Kurvendiskussion und Heuristik. Was zum Teufel willst Du dann mit Belletristik?“ Vollkommen konsterniert trank er sein Glas aus und bestellte unmittelbar darauf zwei neue. Ich versuchte, es ihm zu erklären.
„Musik“, wandte ich mich ihm zu, während er mich mit verständnislosen Augen anstarrte und auf sein Glas wartete, „ist ein gutes Beispiel für meine Motivation. Stell Dir vor, Du bist in einem Konzert. Der Rhythmus nimmt Dich einfach mit, Du wippst mit dem Fuß zum Takt. Du kennst die Melodie, den Text – alles. Und plötzlich stellst Du Dir vor, irgendwann selbst auf einer Bühne zu stehen. Mit Büchern verhält es sich ähnlich. Je mehr ich lese, umso stärker wird der Wunsch, selbst zu schreiben.“
„Aha“, erwiderte mein Freund. „Du wirst der Mick Jagger der Literatur. Der absolute Senkrechtstarter. Das Highlight unter Tausenden von Neuerscheinungen.“ Sein Sarkasmus war nicht unbegründet; mein Freund ist Redakteur einer Lokalzeitung und kennt sich daher in der Szene aus.
Nach dem letzten Bier hatte er mich immerhin soweit zur Vernunft gebracht, dass ich ihm versprechen musste, nicht den Standardfehler vieler Autoren zu machen, die viel Geld dafür bezahlen, nur damit irgendein Verlag ihre Bücher druckt. „Das hast Du nicht nötig“, mahnte er mich beim Abschied, „entweder Du findest einen richtigen Verlag, dann ist das in Ordnung, denn das beweist, dass irgendjemand Interesse an Deiner Schreiberei hat und sie auch noch gut findet. Oder Du zahlst für Deine Profilneurose. Dafür kannst Du später im Himmel ins VLB schauen und allen mitteilen: Da stehe ich auch drin!“
Ich versprach ihm auch, ein Exemplar meines Erstlingswerkes zu schicken. Doch soweit war ich noch lange nicht. Der Roman musste zuerst einmal geschrieben werden, bevor ich einen Verlag dafür suchen konnte. Nach drei Monaten hatte ich das Manuskript fertig. Natürlich hatte ich mich in der Zwischenzeit kundig gemacht und kannte die Unterschiede zwischen BOD, DKZV und ebook. So gerüstet, verfasste ich ein kurzes Expose und informierte stolz via Emails Dutzende von Verlagen. Es konnte sich nur noch um einige wenige Monate handeln, bis mein Roman in der Bestsellerliste des Spiegel auftauchen würde!
Die Vorfreude währte nicht lange. Die meisten Verlage hatten kein Interesse an meinem Roman, weil ich übersehen hatte, mich über das Verlagsprogramm zu informieren. Und ein Verlag, der sich auf Thailandliteratur oder Kochbücher spezialisiert hat, hat naturgemäß kein Interesse an einem Kriminalroman. Einige andere bekundeten sofort starkes Interesse am Manuskript, weil der Stoff hervorragend in das Programm passen würde und das Expose eine spannende Story versprechen würde und überhaupt sei nur dieser Verlag im Stande, das Werk zu produzieren und in hoher Auflage in den Handel zu bringen...
Natürlich waren es ausnahmslos Verlage, die den Autor nicht nur an den Kosten beteiligen, sondern bei Summen im fünfstelligen Eurobereich für ein Taschenbuch mit knapp fünfhundert Seiten auch entsprechenden Gewinn verbuchen würden. Je mehr dieser „Angebote“ ich dankend ablehnte, umso mehr schwand meine Zuversicht, doch noch einen richtigen Verlag für meinen Roman zu finden. Vielleicht führte doch kein Weg an einem BOD Dienstleister vorbei? Dann dachte ich an das Gespräch mit meinem Freund. Nein, beschloss ich, wenn sich kein richtiger Verlag findet, bleibt das Manuskript eben in einer Schublade liegen.
Mit Erstaunen stellte ich fest, wie viele Verlage es noch gibt. Tagelang war ich damit beschäftigt, an immer kleinere und unbekanntere Verlage Emails zu schreiben. Die meisten bedauerten, nicht ohne Kostenbeteiligung seitens des Autors auszukommen. Von den wenigen Verlagen, die am Ende meiner Suche noch übrig geblieben waren, entschied ich mich dann für den ersten, der mir einen Autorenvertrag anbot.
Ich hatte es geschafft, ein Buch bei einem Verlag herauszubringen. Ohne Kostenbeteiligung. Ich muss gestehen, dass ich etwas Stolz empfand. Auch noch, als drei Monate später ein Päckchen des Verlags mit meinen zwei Eigenexemplaren angeliefert wurde. Meine Lebensgefährtin, die beste Nichtehefrau von allen, hatte bis dahin nichts von all dem gewusst. Neugierig geworden, zog sie sich mit einem der Taschenbücher zurück und begann, darin zu lesen. Natürlich folgte ich ihr kurze Zeit später und wartete ungeduldig auf eine erste Reaktion.
„Na ja“, meinte sie nach einigen Seiten nachdenklich, „scheint ja sehr spannend zu sein. Aber – warum nur hast Du so viele Rechtschreibfehler gemacht?“ Sie klappte das Taschenbuch zu und schüttelte den Kopf. „Das Format gefällt mir auch nicht!“, beendete sie ihre schonungslose Zwischenbilanz.
Torhüter kennen das Achterbahngefühl, wenn nach einem erfolgreich abgewehrten Elfmeter der lässige Nachschuss in eine Torecke rollt, während man noch hilflos in der andern liegt.
Ich nahm das Buch zur Hand und blätterte es durch. Rechtschreibfehler auf jeder Seite. Schiefe Sätze mitunter. Sich wiederholende Sätze auf manchen Seiten. Das ganze Buch zu schmal für den Text, man musste es gewaltsam auseinander drücken, um darin lesen zu können. Dabei lösten sich bereits die ersten Seiten. Die Katastrophe war perfekt, denn ganz vorne auf dem Umschlag stand mein Name als Urheber dieses Desasters.
„Die Lektorin ist daran schuld“, erklärte mir mein Verleger am andern Tag. „Ich habe die Dame bereits entlassen. Aber das ist nicht so schlimm, machen Sie sich keine Gedanken. Das kommt öfter vor!“ Der Mann muss es wissen; er hat schon mehrere Bücher verlegt. Offenbar hatte ich bisher Glück bei meinen Buchkäufen.
Wochen später erschienen auf den diversen Internetportalen die ersten Rezensionen. Der Tenor war eindeutig: Guter Plot, schlechtes Lektorat, schlechter Satz, schlechtes Buchformat. Fazit: Zu teuer. Manche Rezensenten waren höflich genug, mir ihre Meinung privat mitzuteilen und deuteten im Internet nur dezent auf die Mängel hin. Meinen Verleger störte das immer noch nicht. „Egal, ob Kritik oder nicht“, teilte er einmal lapidarisch mit, „Hauptsache, über das Buch wird gesprochen.“
„Aber – kein Mensch gibt mehr als fünfzehn Euro für so ein Buch aus“, versuchte ich verzweifelt einzuwenden. „Meinen Sie nicht, dass es vernünftiger wäre, es neu aufzulegen?“
Natürlich war es naiv von mir zu glauben, dass ein kleinerer Verlag Hunderte von unverkauften, neuen Büchern einstampfen lässt. Und ebenso selbstverständlich wurde mein Begehren auch abgewiesen. Nach fünf Monaten und hinreichend Rezensionen mit einander ähnelnden Aussagen erklärte mein Verleger, dass sich das Buch schlechter als erwartet verkaufen würde. „Ich verstehe es selbst nicht“, schrieb er mir, „obwohl alle Rezensionen hervorragend sind, kauft kaum jemand das Buch!“
Ich würde es auch nicht kaufen, mailte ich ihm zurück. Es ist zu teuer, unlektoriert und hat zum Teil erhebliche handwerkliche Mängel. Außerdem trüge ich als Autor den größten Teil der Verantwortung, ohne daran Schuld zu sein. Ich beharrte darauf, dass das Buch neu aufgelegt werden müsse. Der Verlag unterbreitete mir daraufhin ein alptraumhaftes Angebot. „Wenn Sie die restlichen Bücher zu den Druckkosten abkaufen, machen wir eine zweite Auflage.“
Ich lehnte dankend ab und konsultierte einen Anwalt, um mich beraten zu lassen. Dieser empfahl mir, den Autorenvertrag zu kündigen und Schadenersatz zu beanspruchen. „Der Verlag hat seine Verpflichtungen nicht erfüllt“, belehrte mich der Rechtskundige, „also steht einer Kündigung nichts im Wege. Aber Schadensersatz werden Sie wohl kaum durchsetzen können. Seien Sie froh, wenn Sie die Rechte aus dem Vertrag zurück bekommen! Bieten Sie den Roman doch einfach einem andern Verlag an!“
Es blieb mir nichts anderes übrig, als dieser Empfehlung zu folgen. Immerhin räumte mein ehemaliger Verleger zuletzt ein, dass er wohl versehentlich die Manuskripte auf dem Weg zur Druckerei vertauscht habe, aber zu einem Schadenersatz war er nicht bereit. Das Buch wurde sofort vom Markt genommen und der Vertrag aufgelöst. In der Zwischenzeit hatte ich meinen zweiten Roman fertig und dieses Mal mehr Glück mit meiner Verlagswahl. Demnächst wird es wohl auch eine zweite Auflage des ersten geben, doch vorher will ich das aktuelle Projekt fertig schreiben. Mittlerweile interessieren sich auch bereits zwei wirklich große und bekannte Verlage für mich und so hoffe ich, am Ende doch noch zu den wenigen zu gehören, die es geschafft haben, bei einem „richtigen“ Verlag Stammautor zu werden.
Doch zuvor musste ich noch ein Versprechen einlösen und rief meinen Freund an, um mich mit ihm zu treffen. „Ist ja toll, dass Du es geschafft hast“, gratulierte er mir am Telefon, „bring das versprochene Buch mit. Übrigens – ich habe eine tolle Frau kennengelernt, die ich Dir unbedingt vorstellen möchte. Sie heißt Sabrina...“
„Eleonore?“, hauchte ich in den Hörer.
Mein Freund lachte. „Bist Du durch das Schreiben schwerhörig geworden? Sabrina ist ihr Name. Sabrina Müller!“
Manchmal überlege ich, ob es wirklich so eine gute Idee war, mit dem Schreiben anzufangen. Nun, ich glaube, es war die beste Idee meines Lebens.

Ob das wirklich alles stimmt? Auf www.erich-schanda.de könnt ihr es herausfinden!

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