Hotel Ruanda

Moderne Literatur heißt: Kino, Theater und Oper nicht vergessen. Welcher Film ist sehenswert? Welche Inszenierung gelungen?
Stephanie
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Hotel Ruanda

Beitragvon Stephanie » 16.04.2005, 20:09

Servus!

Leute, schaut euch "Hotel Ruanda", den Neuling des irischen Regisseurs Terry George, an!!!

Endlich, nach mehr als zehn Jahren, thematisiert ein Film den eskalierenden Konflikt des einst(unter belgischer Kolonialherrschaft)in Hutu und Tutsi geteilten ruandischen Volks , der im Jahre 1994 in einem grausamen, dem Völkermord nahen, Bürgerkrieg kulminiert.

Die Gradwanderung zwischen politisch-realistischer Darstellung und emotionaler Authentizität meistert George bravourös.

Ein ergreifender Film, der das außerordentlich couragierte Handeln des "Afrikanischen Schindlers" Paul Rusesabagina erzählt, der mit seinem unerschütterlichen Willen mehr als 1200 Menschen das Leben rettet.

Absolut sehenswert!

Lorelai
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Re: Hotel Ruanda

Beitragvon Lorelai » 21.04.2005, 18:52

Hast absolut Recht!!!
Wir konnten uns den Film auf einer Werbeveranstaltung für Lehrer kostenlos ansehen.
Am Ende hat das ganze Kino entweder geheult oder zumindest laut geschluchzt! :-)
Ich meine, nicht dass ein Film automatisch gut ist, nur weil viele weinen, aber dieser geht einem doch ziemlich nah, nicht?!...
Schöne Tage... nicht weinen, dass sie vergangen, sondern lächeln, dass sie gewesen!

Stephanie
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Re: Hotel Ruanda

Beitragvon Stephanie » 21.04.2005, 19:39

Hey Lorelai!

Ja, der Film ist erschütternd!Ich war wie gelähmt,da mir die Bilder und das ganze Geschehen so nahe gegangen sind... einfach unglaublich, was da vor sich gegangen ist.Und das war vor zehn Jahren!!!! Geschichte zum Anfassen sozusagen!

Menschen, wie der Protagonist Paul Rusesabagina sind dermaßen beeindruckende Persönlichkeiten, von denen es sehr wenige gibt...was uns ja auch das Beispiel Nationalsozialismus zeigt! In einer solchen Situation Mut und Entschlossenheit zu bewahren, und die so oft gepriesene Zivilcourage auch tatsächlich zu praktizieren, dem gebührt doch einige Ehre!

[) i r k
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Re: Hotel Ruanda

Beitragvon [) i r k » 21.04.2005, 20:58

Hallo Stephanie,

ich habe mir den Film noch am selben Tag angeschaut, als du hier die Rezension eingestellt hast. Danke für den Tipp - ich kann den Film ebenfalls weiterempfehlen. Vor allem aus einem Grund. Weil es immer noch so ist: Wir sehen schreckliche Bilder aus Afrika und dann essen wir zu Abend. Der Film sensibilisiert nicht nur dafür, dass eine Genozid auch heute noch möglich ist, sondern auch dafür, was für ein Unterschied zwischen den Menschen der Nord- und Südhemisphäre besteht, zwischen Weiß und Schwarz. Wenn man diesen Film schaut und dann wieder bedenkt, was auch derzeit auf dem afrikanischen Kontinent los ist (z.B. im Sudan), dann wird einem ziemlich schlecht.

Der Film hat etwas äußerst Beklemmendes. Ich habe mir die Frage auch die ganze Zeit über gestellt: Warum tun Menschen anderen Menschen so etwas an? Aber diese Frage beantwortet der Film nur unzureichend. Die Antwort, die Autor und Regisseur mir hier geben, ist mir persönlich zu simpel: aus Hass. Äußerst interessant fand ich aber, dass der Konflikt in seinem Ursprung eine Spätfolge der belgischen Kolonialherrschaft ist: dass die Unterscheidung zwischen den zwei Völkern der Tutsi und der Hutu auf einer ganz willkürlichen und absurden rassentheoretischen Selektion der ehemaligen Kolonialherren beruhte. Das war mir neu.

Der Film ist eine Anklage, aber nicht gegen die Hutu. Vielmehr kommt die doppelte Schuld des Westens in diesem Film sehr deutlich heraus: die Wurzeln dieser Konflikte liegen irgendwo in der Kolonialzeit und, wenn es dann ausbricht, schaut die westliche Welt weg (oder hilflos zu, was aber auf das selbe hinausläuft).

Sehr interessant ist auch die Rolle des Retters Paul Rusesabagina. Hier steht eine wirklich gut ausgearbeitete Person im Mittelpunkt der Handlung, weil sie von Anfang an keineswegs der geborene Retter und tapfere Held ist, sondern vielmehr ein Duckmäuser, ein stiller, kluger, aber zurückhaltender Mensch, demütig vor Autoritäten und immer bestrebt alle zufriedenzustellen, einer, der sich keine eigene Meinung erlaubt, einer, der die Wahrheit gar nicht sehen und nur seine Familie schützen will, aber ansonsten absolut loyal und integer gegenüber seinem Arbeitgeber ist. Ein bisschen unfreiwillig wird er dann immer mehr in die Rolle der rettenden Hand gedrängt und ihm gehen nach und nach die Augen auf und die Fassade seines früheren Lebens beginnt zu bröckeln und er steht Menschen gegenüber, die er zu kennen glaubte, aber es sind plötzlich gar keine Menschen mehr, sondern Fratzen, Schlächter, Bestien. Das hat was. Beklemmend ist der Film gerade durch seine Perspektive, durch seine Angst, durch seine glaubwürdige Rolle -- und, weil die ganze Geschichte dieser Rettung auch mit sehr viel unwahrscheinlichem Glück verbunden war.

Aber der Film hat natürlich auch eine merkwürdige Perspektive: Man fiebert mit den Menschen, die der Film einem vorstellt und näherbringt, und am Ende schaffen es die 1.200 Tutsi-Flüchtlinge mit knapper Not dem Wahnsinn der Schlächter zu entkommen ... dann ist der Film zuende und wir lesen, dass in diesem Konflikt fast 1 Million Tote gab. Was der Film dann natürlich ausspart, ist, dass es auch Massaker an den Hutus gegeben hat.

Das ist ein schrecklicher Film und er ist es, weil man ihn sieht und ahnt, dass die Wirklichkeit noch viel schrecklicher gewesen sein muss. So schrecklich, dass man es gar nicht wissen möchte ...

... und da sollten wir mal wieder dankbar sein für das Glück, das für uns so selbstverständlich geworden ist, für das kleine Paradies des Friedens, in dem wir seit fünfzig Jahren leben.


MfG,
[) i r k
"du trittst da fast in die fußstapfen des unseligen dr goebbels und seiner zensur und verdammungsmaschine." (Ralfchen)

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Re: Hotel Ruanda

Beitragvon Stephanie » 22.04.2005, 23:10

Hallo Dirk,

schön, dass ich mit meiner eher bescheidenen Rezension dein Interesse wecken konnte.

Mir gefällt deine differenzierte Charakterisierung des Protagonisten.Die Ehre des heroischen, couragierten Retter wurde ihm wohl mehr oder weniger unfreiwillig zuteil. Immer mehr von Angst und Verzweiflung getriebene Menschen gaben ihr Schicksal, ihr Leben in seine Hand und alle Hoffnungen lagen schließlich bei ihm. In seiner Rolle wurde er immer sicherer und entschlossener,er wuchs sozusagen in sie hinein, und bald konnte nichts und niemand seine Zivilcourage beeinträchtigen und ihn von seinem Entschluss abbringen.

Wirklich äußerst interessant bzw. erschreckend ist das Phänomen, dass sich das absolut willkürlich (den belgischen Kolonialherrschern zufolge nach äußeren Merkmalen wie Naßengröße)unterteilte ruandische Volk derartig entfremden, die gemeinsame Identität verlieren konnte, dass ein solcher Hass, der schließlich im Bürgerkrieg seinen tragischen Höhepukt fand,entstehen konnte...

Ja, du hast vollkommen recht. Gerade wir sollten uns gerade jetzt (60 Jahre nach der Kapitulation Hitlers bzw. der Nationalsozialisten)unseres "kleinen Paradieses des Friedens", wie du so schön sagst, bewusst sein und uns glücklich schätzen ein friedliches und zivilisiertes Leben in Demokratie leben zu dürfen.


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