Der Kaufmann von Venedig

Moderne Literatur heißt: Kino, Theater und Oper nicht vergessen. Welcher Film ist sehenswert? Welche Inszenierung gelungen?
Stephanie
Erinye
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Der Kaufmann von Venedig

Beitragvon Stephanie » 22.04.2005, 23:24

Shakespeares' "Der Kaufmann von Venedig" ist wohl sein bekanntestes, aber auch umstrittenstes Werk. Meiner Meinung nach eine der genialsten Schöpfungen aus seiner Feder.
Die Charakterzeichnungen-die Ambivalenz jeder einzelnen Persönlichkeit-, eine Problematik nach der anderen,und doch hat niemand Schuld - oder Recht.

Der Film macht dem Stück alle Ehre!
Fantastische Kulisse, mit Liebe zum Detail,ebenso die Kostüme,Shakespeares Sprache - und erstklassige Schauspieler belohnen das Kommen der Kinobesucher.

Kennt ihr das Stück???
Oder hat sogar schon jemand den Film gesehen???

Dieses Werk hat mich soooooo beeindruckt, ich kann es kaum in Worte fassen!
Und ich würde mich gern mit Gleichgesinnten austauschen...

Mattes
Kerberos
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Re: Der Kaufmann von Venedig

Beitragvon Mattes » 02.05.2005, 13:33

Hallo Stephanie,

zuerst einmal möchte ich bezweifeln, dass "Der Kaufmann von Venedig" bekannter ist als beispielsweise Hamlet, Macbeth oder "Ein Sommernachtstraum" ... Aber egal :-)

Zuerst einmal würde ich gerne wissen, ob du den Film auf deutsch oder im Original gesehen hast. Ich habe ihn auf deutsch gesehen und fand die Sprache furchtbar antiquiert ... Es hätte dem Film sehr gut getan, hätte man eine neuere Übersetzung herangezogen oder gar selber angefertigt. Wo die Personen anstatt "ich bin mir sicher" "ich bin mir gewiß" sagen, wirkt das auf mich unpassend, unnatürlich und falsch. Insbesondere, wenn das Unnatürliche durch die künstliche Aussprache noch verstärkt wird.

Nach Übersetzung und Synchronisation zum Film selbst: Furchtbares Schrittempo, unnötige Szenen und mindestens eine Inkonsistenz.

Zum ersten Punkt: Der Film wurde ungemein gedeeeehhhhhnnnnnt. Die Sprache schleppt sich von Wort zu Wort, von Satz zu Satz, lang und pathetisch, wo es auch schneller und natürlicher gegangen wäre. Beispiele wären die Szene zwischen zwischen Shylock und Tubalt (oder so ähnlich), wo letzterer ersterem von Antonios Schiffen und dem prassenden Verhalten seiner Tochter erzählt, eine Szene, die sich im Film sehr lang erstreckte, im Stück nur ein paar Zeilen sind; Bassianos Wahl der bleiernen Schatulle ist ebenso langwierig und einschläfernd: seine Rede ist nicht länger als die seiner zwei Vorgänger, welche allerdings sehr viel mehr Dynamik in den Text brachten; schließlich die Gerichtsszene. Als Juristen vetrkleidete Frauen, das gehört ganz eindeutig der Welt der Komödie an; man hätte die Szene spritzig und fies und bösartig machen können, mit einer Portia, die die ganze Lage völlig unter Kontrolle hat: ihre Rede über Gnade ist eigentlich auch eine Drohung an Shylock, dass er, wenn er keine Gnade zeigt, auch keine empfangen wird; statt dessen wird langsam, bedeutsam deklamiert, Antonio wird SM-mäßig gefesselt, man weidet sich an seiner Angst, und erst im allerletzten Moment kommt Portia der rettende Einfall ... Das alles hat mich ziemlich "abgetörnt", und ich fand, dass es dem Charakter des Stückes und der Szene nicht gerecht wurde.
(Ein Beispiel eines gelungenen Sprachtempos bei Shakespeare ist zum Beispiel die BBC-Hamlet-Produktion mit Derek Jacobi: Der "To be or not to be"-Monolog zum Beispiel klingt so klar und natürlich und ungekünstelt, dass man gar nicht merkt, die berühmtesten und am meisten zitierten Verse Shakespeares zu hören)

Unnötige Szenen: Der ganze Prolog, mit seinen fanatischen Mönchen, die später nie wieder zu sehen waren; was sollte das Ganze? Klar machen, dass die Juden die Opfer der Christen waren, und zwar so, dass es auch wirklich JEDER versteht.

Inkonsistenz: Ganz am Ende besitzt Jessica wieder den Ring, den sie in der Mitte für einen Affen weggegeben hat; woher hat sie ihn wieder?

Außerdem finde ich es schade, dass die romantischste, zweitberühmteste und hintergründigste Szene gefehlt hat, der Dialog zwischen Lorenzo und Jessica "In so einer Nacht ..." (hintergründig deshalb, weil alle klassischen Liebenden, die erwähnt werden, tragisch endeten; dass Jessica auch sich und Lorenzo in diese Reihe einreiht, hat nichts Gutes zu bedeuten ...)


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