...auf einem Karussell, ohne Schuhe, ohne Strümpfe

Moderne Literatur heißt: Kino, Theater und Oper nicht vergessen. Welcher Film ist sehenswert? Welche Inszenierung gelungen?
vogel
Phantasos
Beiträge: 1889
Registriert: 28.05.2003, 19:55
Wohnort: Braunschweig
Kontaktdaten:

...auf einem Karussell, ohne Schuhe, ohne Strümpfe

Beitragvon vogel » 23.04.2005, 23:33

Ich mag das Wort Barfuss.

Und ich mag FSK Angaben, sie geben so ungefähr an, was im Film kommen mag. Okay, neuerdings dürfen auch sechs Jährige in Filme für 12jährige, wenn sie einen Erwachsenen an der Leine führen. Aber ich mag auch schwere Filme, vielleicht auch schwerfällige Filme. Und auch wenn diese ab sechs sind, so ist ihr Inhalt nicht immer gerade angebracht für ein Kindergeburtstag von etwa 12jährigen Jungens. Da sollte doch Mama dann allein ins Kino gehen, wenn sie denn Film sehn mag, oder eben mit ner Freundin.

Gut, ich habe keine Kinder (wär ja noch schöner), ich habe aber ne Freundin (Britta, ich hab noch mehr Freundinnen (wie das halt so is unter uns Mädelsn), und die einen mag ich mehr zum Reden und die anderen zum Gackern (Huhn bleibt Huhn ^^), aber eben mit jener spielt die Geschichte), und die hat mich gestern nun also belagert. Sie hats geschafft meinen versauten Wochenendplan (und heute war so verdammt gutes Wetter – ich hättt Rad Fahren können !), noch mehr um zu werfen. Wir sind also über zig Umwege nach Potsdam ins Kino (Frankfurt oder Eisenhüttenstadt wäre zu naheliegend gewesen, nein es mußte Potsdam die Landeshauptstadt Brandenburgs sein !). Ich habe fünf Kugeln Eis gegessen, eine kleine Pommes von McDoof, ein belegtes SalamieBrötchen (NIE WIEDER !), und eine Laugenbretzel (wir waren eigentlich nur mit Essen beschäftigt). Und dann hab ich noch zwei Bücher gekauft, und eigentlich wollt ich noch die Sueddeutsche Buchausgabe von Paul Austers Stadt aus Glas, gabs aber nich … Nun denn … Ach so, ja im Kino waren wir.
Und da war halt Kindergebrutstag. Fünf 12 Jährige, eine Mutta, und ne Frau Mittleren Alters (nicht zu ordentbar, sie trug ein gräßliches Kleid …) Und Britta und ich in diesem riesen Kino in der Vorstellung um viertel nach zwei …

Ja, und wie gesagt, es gibt Filme, die sind nich für Jeden. Ich mein mir gefiel er. Britta auch. Von den beiden Damen wissen wirs nich. Und die Kids auch nicht, aber sie haben gegackert, das zählt wohl. Aber sie haben, so kamen Britta und ich intelektuell zu dem Schluß : sie verstanden wohl den gesellschaftskritischen Hintergrund beim Blasen nicht …







Das ist Leila. Leila ist eine dunkelhaarige Frau. Ihre Nase ist etwas spitz, arg markant. Und sie trägt keine Schuhe. Und keine Socken – sie ist barfuss. Leila trägt ein weißes Kleid. Sie lebt in einer Nervenheilanstalt.

Und Nick, kein Job, wilde Nächte mit Frauen (die letzte liegt noch in seinem Bett) wird Putze in dieser Nervenheilanstalt. „Die Toilettenbrillen immer von rechts nach links reisend putzen, sonst zerkratzen sie, und dann sammeln sich keime, und das ist nicht gut. Und lassen sie ja nicht den Putzwagen im Wege stehen, der König hat schon mehrmals das Putzmittel getrunken.“ So wird Nick eingewiesen zu putzen.
Was passiert ?
Der König trinkt das Domestos.
Nick wird gefeuert.
Leila packt ihren Koffer.
Nick sitzt auf der Damentoilette und muß mit Mama telefonmieren.

Liela will sich erhängen.

Und Nick kann sie gerade noch davon abhalten.


Und dann folgt Leila Nick. Sie will bei ihm bleiben.
Mehrere Versuche sie in die Klinik zurück zu bringen (sie verbringt eine Nacht bei Nick, sie im bett er auf dem Sofa, sie schnarcht, er liegt wach), scheitern. So machen sich beide auf den Weg zur Hochzeit von Nicks Bruder ..


Das ist Leila. Sie war ihr ganzes Leben nur mit ihrer Mutter zusammen. Ihre Mutter hielt sie fest. Aber ihre Mutter ist tod. Wenn man leila bedrängt, beginnt sie zu zittern, zu schreien, in ihrem Koffer sind nur zwei Tabletten. Und eine Fahrkarte. Das erste mal ist sie mit Nick Bus gefahren. Zum allerersten Mal.

Und Nick, ein Verlorener Sohn, kein Wahrer Job, seine Letzte Freundin heiratet seinen Bruder. So fahren beide also zur Hochzeit. Sie steigen in den Zug, ohne Karte, und werden hinausgeworfen. Nick will einen Wagen besorgen, und Leila soll sitzen bleiben. Tut sie nicht.
Was passiert ?
Leila kommt an einem Bordell vorbei.
Ein Man hält an.
Sie steigt ein.
Wie viel willst du fürs Blasen.
Und Leila pustet in die Luft.
Einmal.
Zweimal.
Dreimal.
Und dann tatscht der Mann sie an.
Und sie bekommt einen Anfall.

Irgendwie rettet Nick die Situation. Und nun ist nur noch eine Tablette in dem Koffer.

In einer kleinen Pension verbringen sie die Nacht. Leila schaut aus dem Fenster. Ein Jahrmarkt.

Nick und Liela, fahren auf den Autoskootern, sie fahren Karussell, und Kettenkarussell. Sie tanzen ..
Und sie liegen in der Nacht in einem bett, Leila hört Nicks Herzschlag.



Der Herzschlag ist schön.
Und hier möchte ich auch aufhören, die Geschichte zu erzählen.

Der Film hat seine Stärken und seine Schwächen. Und wäre ich nicht unsterblich in diesen Sänger der Boozehounds verschossen, so würde ich Til Schweiger nehmen :-D
Aber er war schon besser. Filme wie Der Eisbär und Noking on Heeavens Door liegen mir immer noch schwer im Magen, auch wegen Til. Dieser Film ist aber recht ruhig. Nicht so dominant, aber das liegt vielleicht am Thema …

Zu dem was ich nicht mochte : Die Musik war manchmal zu laut (nicht vom Kinoton), sie war zu aufdringlich, manchmal total Kontrapunktisierung, ich werde mir aber wohl trotzdem den Soundtrack suchen ,) Auch waren manche Szenen stellenweise trocken, es passierte nichts, ich wurde ungeduldig .. Auch finde ich es fast Fragwürdig, dass jemand der sein leben lang esoliert war, in acht Monaten wieder einiger maßen resozialisiert sein soll … Auch war der Humor manchmal eigenartig … (is Geschmackssache) (Mehr fällt mir grad nicht ein =.= )


Was ich natürlich sehr mag, ist das Karussell .. :-) Aber auch die instrumentale Klavier Musik ist fabelhaft und trieb mir jedes Mal die Gänsehaut auf die Beine .. Und natürlich siegt die Liebe … Vielleicht ist es kein Argument, dass ich mich echt hingesetzt hab und geheult habe (is ja keine Seltenheit mehr ..), aber es gab Szenen die haben mich unendlich berührt.


Und ich muß ehrlich sagen, nach dem Film, den ich trotz der kleinen mängel, irgendwie mag, wieder dieses eine kleine Gefühl bestätigt sehe, dass es eigentlich nicht darum geht, sich ein dauerhaftes Glück aufzu bauen, sondern es auch einfach mal einfach nur zu sein, eine kleine Märchen Prinzessin, umgeben von Dienern, von Träumen, und draußen auf der verregneten Straße steht die Kutsche und wartet schon auf dich …




Und ich mag das Wort Barfuß ..
Mein Ich ist ein Pfogel aus Metall, doch Du hast ihn berührt und beschützt.

Hamburger
Phantasos
Beiträge: 1808
Registriert: 28.04.2002, 23:48
Wohnort: Hamburg

Re: ...auf einem Karussell, ohne Schuhe, ohne Strümpfe

Beitragvon Hamburger » 20.10.2005, 15:57

Hallo kv,

habe beim Rumstöbern im Archiv diese alte Filmkritik von dir entdeckt.

Ich habe mir damals „Barfuss“ ebenfalls angeschaut und mir hat er auch gefallen.

Drei Anmerkungen:

1) Ich erscheine dir jetzt bestimmt als fürchterlich unromantisch veranlagter großer Klotz aber was war an den Karussell so toll? Also wenn je eine Liebesszene übertrieben war ohne Ende – dann doch diese. Die grellen Lichter + die lachenden Gesichter + im Hintergrund die Nacht + der Soundtrack „Halleluja“ – der Film hat doch so viele schöne Szenen in denen die Liebe der Beiden auf viel subtilere Weise deutlich wird – brauchte es da wirklich so einen Schmalz? (ich bin unromantisch, ich sags ja…)



Und sie liegen in der Nacht in einem bett, Leila hört Nicks Herzschlag.

(schreckliche Szene – würg, ich spul beim Soundtrack immer gleich auf die guten Lieder weiter)


Geht mir beim Soundtrack auch so – aber die Karrussel-Szene ist wesentlich schlimmer, wenn ich das mal so unverschämt formulieren darf. :-D

2) Ein paar kleinere Sachen: Musik fand ich auch manchmal zu aufdringlich und gleich mehrere Sachen kamen mir unlogisch oder schlecht vor: Wieso kann man mit dem Auto dermaßene Schäden anrichten ohne dass die Polizei gerufen wird? (du weißt, dieser lustige Autounfall als Leila fährt) Was soll dieser blöde Humor mit der Heimleiterin am Schluss, die kurzzeitig meint Nick liebe sie? Und wieso kann Nick sich trotz eines gerichtlichen Beschlusses Leila trotzdem wieder nähern und sich ins Heim einweisen lassen?

Und das…


Auch finde ich es fast Fragwürdig, dass jemand der sein leben lang esoliert war, in acht Monaten wieder einiger maßen resozialisiert sein soll


…sehe ich auch genauso. Sehr fragwürdig.

3) Um aber nicht nur zu meckern möchte ich noch sagen, das die Hauptdarstellerin Johanna Wokalek hervorragend spielt. Til Schweiger ist auch nicht schlecht, aber den Film getragen hat für mich eindeutig sie. Wie sie wie ein großes Kind die Welt da draußen entdeckt – mag manches auch naiv oder unrealistisch sein – das ist sehr warmherzig und oftmals witzig rüber gebracht worden. Das und dieser Roadmovie-Flair, der phasenweise aufkommt, zeichnen den Film aus.

Ach ja, und das Ende ist klasse – die arme Tomate :-) (oder wars ein Ei, kann mich nicht mehr genau erinnern...)

Liebe Grüße,

Ham
"If it's a hit? - Yeah, that's me! If it's a miss? - Yeah, that's me!" (Robert Palmer)


Zurück zu „Schauspiel“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 41 Gäste