20. Fantasy Filmfest

Moderne Literatur heißt: Kino, Theater und Oper nicht vergessen. Welcher Film ist sehenswert? Welche Inszenierung gelungen?
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20. Fantasy Filmfest

Beitragvon razorback » 08.08.2006, 00:18

August ist Fantasy Filmfestzeit in Köln – so auch dieses Jahr. Vom 02. bis zum 09. August gastiert das 20. Internationale Festival für Science Fiction, Horror und Thriller am Rhein (und an der Ruhr – in Bochum nämlich), bevor es nach Hamburg und Berlin weiter zieht. Für alle Fans des phantastischen Films ist das Festival ein Geschenkt des Himmels: Niemals sonst bekommt man hierzulande die Gelegenheit, so viele Filme des Genres auf der großen Leinwand zu sehen. Filme, von denen es die meisten in Deutschland mit Sicherheit nicht in die Kinos schaffen werden – nicht, weil sie schlecht wären, sondern weil sie eben im falschen Genre stecken.

Ich habe diesmal in die Vollen gegriffen und mir Karten für 11 verschiedene Filme sowie die Kurzfilmpräsentation gesichert. Ich möchte Euch heute und an den folgenden Tagen in loser Folge meine Eindrücke zu den Werken präsentieren (und hoffe, dass diesmal nicht irgendwelche Straßen unpassierbar sind – siehe das Thread zum letzten Jahr). Vielleicht nutzen ja der eine oder andere Hamburger, die eine oder andere Berlinerin oder gar ein paar kurz entschlossene Rheinländerinnen und Westfalen die Gelegenheit, und statten dem Festival auch einen Besuch ab. Es lohnt sich! Und auch wenn sie mal wieder ein mieses Programmheft zusammengestellt haben, dessen Inhaltsangaben man komplett in der Pfeife rauchen kann – danken soll man den Veranstaltern, auf den Knien, morgens und abends!

Meine Auswahl der Filme hat keinerlei thematischen roten Faden – einziges Kriterium war: Interessiert das den Razor und hat er Zeit. So habe ich mir keinen einzigen und werde mir auch keinen der vielen Schwertfantasyfilme aus Fernost ansehen. Zu dem Thema hat die Chinese Ghost Story alles Wichtige gesagt und ich habe nicht den Eindruck, dass es unter den Festivalfilmen da etwas Neues gibt. Andererseits musste ich, aus terminlichen Gründen, auf die neueste Philip K. Dick Verfilmung verzichten: "A Scanner darkly". Das tat weh.
Einzige Ausnahme: Ich sehe mir alle Filme des Festivals mit deutscher Beteiligung an – aber bei zwei Filmen kann man da wohl schwer von einem roten Faden reden.

Es würde mich sehr freuen, wenn ich Euch ein wenig Appetit auf das Genre und die Filme machen kann. Wer ebenfalls das Festival besucht, eine ganz andere Meinung zu den von mir besprochenen Filmen kund tun oder eigene Kritiken einstellen möchte sei herzlich eingeladen, es in diesem Thread zu tun.

Die Website zum Fest:

http://www.fantasyfilmfest.com
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Re: 20. Fantasy Filmfest

Beitragvon razorback » 08.08.2006, 01:24

The Marsh
(Canada 2006)
Drehbuch: Michael Stokes
Regie: Jordan Barker

"People are weired. When they die, they get weireder." (Hunt)

The Marsh, mein persönlicher Start ins 20. Fantasy Filmfest, behandelt ein ganz ganz klassisches Horrothema: Das Spukhaus. Es ist eine Geistergeschichte mit allem, was dazu gehört, bis hin zu der Erkenntnis, dass das Böse im Geist letztlich nur ein Spiegel dessen ist, der heimgesucht wird. Dieses sehr klassische Setting wird hier sorgfältig und mehrschichtig aufgebaut, schön durcherzählt und gekonnt zu Ende gebracht. Die Geschichte, die Drehbuchautor Michael Stokes erzählt, ist weder wirklich neu noch besonders originell, dennoch enthält sie genug Überraschung und gute Ideen, um nicht langweilig zu werden, dazu einige interessante Charaktere mit überraschenden Facetten... eine gelungene Geschichte. Regisseur Jordan Barker macht auch Stokes Geschichte einen wirklich gruseligen Film, und wenn der Grusel auch oft auf dem bekannten Effekt des plötzlichen Schocks oder des verfremdeten Menschen besteht (unnatürliche Bewegungen etc.) – geschenkt. Ich mag tausendmal um die Methoden wissen – sie wirken trotzdem auf mich. Und man muss es Barker lassen – er kann mit Stimmungen umgehen. Das selbe Haus aus dem selben Winkel zur selben Tageszeit von aussen gefilmt einmal als gemütliche Zuflucht und einmal als unheildrohendes Gebäude erscheinen zu lassen, das kann nicht jeder. Und dann die Sache mit den schweren Tritten... aber dazu später.

Zum Inhalt: Claire Holloway (Gabrielle Anwar :herz: ) – von Alpträumen geplagte Autorin und Zeichnerin gruseliger Kinderbilderbücher – sieht in einer Fernsehsendung zufällig (?) ein Haus, dass dem Spukhaus in ihrem neuesten Werk beängstigend gleicht. Sie recherchiert ein wenig, entdeckt, dass das Haus zu vermieten ist und beschliesst spontan, ein Zeit lang dort zu wohnen, um ihr aktuelles Werk zu beenden. Natürlich IST das Haus ein Spukhaus und die Geister dort haben ein paar Rechnungen offen. Mit Claires Ankunft beginnen sie, diese Rechnungen zu begleichen, und sie sind nicht gerade zimperlich dabei. Claire zur Seite stehen der Chefredakteur der Lokalzeitung (Justin Lewis) und Hunt (wie immer sehr cool: Forrest Whitaker), ein Experte fürs übersinnliche. Selbstverständlich hat das ganze Geschehen etwas mit der unbewältigten Vergangenheit zu tun – sowohl der von Claire, als auch der einiger Nachbarn – aber mehr möchte ich nicht verraten, um nicht zu spoilern. Wie gesagt, die Geschichte ist nicht unbedingt krachend originell, aber sie ist gut erzählt und überraschend genug, um keinen faden Beigeschmack zu hinterlassen. Erwähnt werden sollte auch, dass Barker auf jeglichen Splattereffekt verzichtet. Das ist gut so, denn er hat sowas auch gar nicht nötig.

Sie hat allerdings auch ein paar Schwächen und Lücken. Die wichtigste und störendste teilt sie sich mit vielen anderen Genregeschichten, gerade, wenn es um Spukhäuser geht: Warum in drei Gottes Namen, bleibt Claire nach den ersten (sehr massiven) Erscheinungen in dem Haus und rennt nicht schreiend von dannen? Oder geht zumindest auf Hunts Rat ein, nachts nicht im Haus zu bleiben, sondern anderswo zu schlafen (denn zum Schlafen kommt sie wohl kaum, und dafür erscheint sie – zweite Logiklücke – dann tagsüber doch erstaunlich frisch). Der Witz in diesem Falle ist: Die Geschichte gäbe eine sehr logische Erklärung dafür her, dass Claire sich an das Haus gebunden fühlt. Aber so ein Gefühl wird nie erwähnt, sie bleibt eben einfach da und lässt sich ängstigen – die beste Erklärung, die der Film dafür bietet ist Starrköpfigkeit. Na ja...
Ebenfalls etwas störend ist der ziemlich aufgepropfte Ursprung des Spuks im Haus. Wohl gemerkt – nicht des aktuellen Spuks, der ist absolut nicht aufgepropft sondern schön logisch und vielschichtig entwickelt. Aber davor wird eine noch ältere Geschichte geschaltet, die nicht reinpasst, ziemlich gewollt erklärt und am Ende auch nicht aufgelöst wird. Vielleicht habe ich da auch etwas nicht mitbekommen, denn dieser Teil des Hintergrundes wird von Noah (also Justin Lewis) erzählt. Und da der Film im englischen Original lief und der Mann – wohl um des Lokalkolorits willen – nuschelt was das Zeug hält, habe ich womöglich nicht alles verstanden. Trotzdem – irgendwie blieb dieses Ende lose.

Aber ich will mit einem positiven Eindruck enden, das hat der Film verdient. Er ist kein Meilenstein der Filmgeschichte, aber ein schönes, gutes Stück altmodische Schauergeschichte und als solche eine positive Erscheinung in einem Genre, das viel Mist produziert. Empfehlenswert. Und ein schöner Einstieg ins Festival.

Der positive Eindruck ist eine Szene, die sich einen Platz in den Top Ten der gruseligsten Szenen die ich kenne erobert hat. Der Eindruck, dass etwas völlig falsch und unnatürlich ist, muss nämlich nicht immer der um 180 Grad gedrehte Kopf oder die zuckende und grinsende Untote sein. Stellt Euch Folgendes vor:

Mercy O'Shea hat Dreck am Stecken. Über eine alte, schwere Schuld ist die Frau zur Trinkerin geworden. Sie ist kein Alkoholwrack, aber einsam und verbittert. Ihre einzige wirkliche Freude sind ihre Pferde, und der Pferdestall ist ihr ein heimeliger, freundlicher Ort geworden. Damit ist es nun vorbei. Ihre Schuld ist zurückgekehrt, hat die beruhigende klassische Musik, die sie bei den Pferden hört, durch harten Rock ersetzt (der mit dieser Schuld direkt verbunden ist), hat sie einmal hoch und runter durch den Stall gejagt, sie fast durch ihr Lieblingspferd niedertrampeln lassen, die gute Mercy ist fertig. Panisch und erschöpft, nicht mehr fähig, auf ihren Beinen zu stehen, kriecht sie auf die rettende Stalltür zu. Über Ihr hängen, in lockeren Halterungen, allerlei Stallgerätschaften wie Damoklesschwerter.

Da bebt die Erde. Etwas Gewaltiges erschüttert den ganzen Stall, die Mistgabeln wackeln bedrohlich... und gleich nochmal das selbe. Und dann erscheint, auf dem Balken über Mercy – die Gestalt eines kleinen Mädchens in Nachthemd und Gummistiefeln. Das zierliche Ding macht einen langen Schritt, als wolle es Soldat spielen – und der kleine Fuß fällt donnernd auf das Holz, dass der ganze Stall ein weiteres Mal erzittert. Der langsame, stechschrittartige, erderschütternde Marsch dieses Kinderwesens über den Balken ist so völlig... falsch, dass es wahrhaftig erschütternd ist. Natürlich geht Mercy dabei drauf (zu dem Zeitpunkt tut sie dem Zuschauer noch leid, aber glaubt mir, sie hat es verdammt nochmal verdient), aber das ist nur der logische Abschluss der Szene. In einem Horrorfilm ist es das Andersartige, dass den Horror ausmacht. Und die schweren Tritte dieses kleinen Geistes sind wirklich grauenvoll anders.
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Re: 20. Fantasy Filmfest

Beitragvon razorback » 08.08.2006, 01:55

The Night Listener
(USA 2006)

Drehbuch: Armistead Maupin, Terry Anderson, Patrick Stettner
Regie: Patrick Stettner

Ja, Gott, was soll man erwarten. Das ist ein Film mit Robin Williams. Hätte ich mal die Besetzungliste etwas genauer studiert, bevor ich die Karte gekauft habe. Mein Fehler.

Was dieser doofe Film allerdings auf einem Festival für Horror, Science Fiction und Thriller zu suchen hat, ist mir völlig schleierhaft. Das ist nicht etwa ein Psycho-THRILLER, sondern ein Psycho-DRAMA. Von Thrill nicht die geringste Spur und in Gefahr ist auch niemand jemals wirklich. Protagonist Gabriel Noone (Williams) wird zwar zweimal verletzt (einmal knickt er mit dem Fuß um und einmal stopft ihm ein fetter, tumber Dorfbulle dankenswerterweise das dumme Mundwerk mittels Elektroschocker) und bejammert das auch ausgiebig, aber das war es dann auch schon. Wohlgemerkt: Ein guter Film setzt nicht unbedingt voraus, dass jemand in Gefahr ist. Aber Thriller, Horror... es läge irgendwo nahe.

Die Geschichte ist rasch abgetan: Gabriel Noone liest nachts im Radio Geschichten vor, ist aber gerade in der Krise, weil sein Lover ihn verlassen hat und ersäuft in Selbstmitleid. Ein Charakter den Robin Williams, zugegeben, sehr glaubwürdig verkörpert. Ein Freund überreicht dem alternden Egomanen ein Manuskript, geschrieben von einem 14jährigen, der im Leben bisher viel gelitten hat. Noone, der auch viel und gerne leidet, telefoniert mit dem Knaben und seiner Pflegemutter, baut eine Beziehung auf, blablabla, doch nichts ist wie es scheint, blablabla, er geht der Sache auf den Grund, blablabla und findet etwas Überraschendes heraus, das heisst, es WÄRE überraschend, wenn die Pointe nicht schon in der ersten Viertelstunde des Films ausgeplaudert worden wäre. Sehr langweilig.

Außerdem wäre der Film ein Musterbeispiel für homophobes Kino, wenn nicht die Figur des Jess (Bobby Canavale) wäre. Jess ist Noones Ex-Lebenspartner und man kann ihn nur dauernd dafür beglückwünschen, dass er den alten Jammerlappen gekickt hat. Auch äussert Jess viele kluge und vernünftige Gedanken, was bei Noone zu viel Gejammer und Geplärre führt. Ohne Jess fände man im Film nur blöde und klischeehafte Homosexuelle: Heulsuse Noone, einen tuntig grinsenden und noonebetatschenden Steward... Man hätte die Geschichte vielleicht aus Jess Sicht erzählen sollen, dann hätte es eine schöne, bittere Komödie mit einer sympathischen Hauptfigur werden können. Bitter, da Jess gerade an AIDS stirbt. Er trägt es mit Haltung und Aufrecht. Noone hingegen... hat eigentlich gar keine Probleme, geht an denen aber fast zu Grunde. Öde.

Und dumm wie Bohnenstroh ist er außerdem. Hätte er (was logisch gewesen wäre) seine Suche Fachleuten überlassen, statt (was völlig unlogisch ist und nicht zum Charakter passt) selbst durch die Gegend zu reisen, in Häuser einzudringen und arme, krebskranke Kinder fast zu Tode zu erschrecken, hätte es die ganze doofe Geschichte nicht gegeben. Was besser gewesen wäre.
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Re: 20. Fantasy Filmfest

Beitragvon razorback » 08.08.2006, 02:43

The Woods
(USA 2006)

Drehbuch: David Ross
Regie: Lucky McKee

Ein Film mit Mädchen in Schuluniformen und Musik aus den 60's. Im Grunde also wie gemacht für mich...

Na ja, ging so.

Ich erzähle mal die Geschichte, soweit es geht ohne zu spoilern: 1965 wird Heather (Agnes Bruckner) in ein abgelegenes Mädcheninternat verfrachtet, da sie daheim das Haus niedergebrannt und dabei fast Mutti umgebracht hätte. Sowas tut eine junge Dame nicht. Heather wird von der Rektorin (Patricia Clarkson) deutlich zu verstehen gegeben, dass Vati nicht genug Kohle für dieses exklusive Haus hat, aber vielleicht kann sie ja das Stipendium bekommen. Ein paar Symboltests auf Papier, (das wohl alt aussehen soll, aber eher die Anmutung vom VHS-Kurs "Wir schöpfen Papier") hat und fertig ist der Lack: Heather kann bleiben. Was ihr gar nicht paßt. Alsbald hat sie Alpträume, erlebt Grauenhaftes im Wald und entdeckt ganz neue Fähigkeiten an sich. Und zum Schluß darf sie dann auch noch ihrer Pyromanie freien Lauf lassen.

Neben der typischen Aussenseiter-in-der-Schule-Geschichte, die sich fast zwangsläufig entwickelt wird schnell klar, dass hier einiges nicht stimmt: Verschwörungen, Naturgeister und Hexen treiben die Geschichte in ein gar nicht passendes, leider ziemlich gewolltes und unlogisches Splatterfinale.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Das ist kein wirklich schlechter Film. Er hat seine richtig guten Momente, auch intelligente und tiefergehende, und nach "The Night Listener" war er eine echte Erholung. Der Schluß ist, wie gesagt, schlecht, dafür ist aber die Anfangssequenz wiederum sehr gut gelungen. Kein ganz schlechter Film, nein.

Aber eben auch kein guter. Drehbuchautor David Ross hat sich in erster Linie als Vermischungskünstler versucht, und als Whiskyfreund sage ich ganz entschieden: Blends schmecken selten – egal ob im Glas oder auf der Leinwand. Ein bißchen "Blair Witch Project", zwei Tropfen "Rosemaries Baby", etwas "Picknick am Valentinstag", eine Prise "Das Kindermädchen" und ein guter Schuss "Freitag der 13."... von all dem und noch viel mehr ist in diesem Film und das funktioniert einfach nicht.

Und manchmal wird es wirklich ärgerlich. Da ist zum Beispiel Samantha (Rachel Nichols). In jeder anderen Schule wäre sie vermutlich die Anführerin der Cheerleader und selbstverständlich ist die Heathers Erzfeindin. Ich mochte sie. Zum einen ist sie nicht eins von diesen typisch öden Schulfilmblondchen, sie hat etwas wirklich hartes an sich, und zum anderen liefert sie sich mit Heather einen guten Kampf. Nicht keifen, kratzen, haareziehen, sondern Faust in die Fresse und Headbutt – die beiden meinen es wirklich ernst (und das ganze in Schuluniformen... aber lassen wir das... ]:-) ) . Samantha jedoch täuscht: Letztlich opfert sie ihr Leben, um Heather zu warnen. Während sie weggeführt wird – wir ahnen, welchem Schicksal entgegen (und werden bald eindrucksvoll bestätigt) – raunt sie ihrer ehemaligen Feindin noch zu: "Don't drink the milk!"

Die abendliche Milch hatte von Anfang etwas Bedrohliches, nun wissen wir (und Heather) Bescheid. Und Heather befolgt den Rat, am entscheidenden Abend kotzt sie die Milch wieder aus – mit dem Erfolg, dass auch nichts anderes passiert, als wenn sie sie getrunken hätte. Es KANN aus der Logik des Schlusses auch nichts anderes passieren. Für die, die den Film sehen werden: Es war doch klar, dass es Heather anders ergehen würde als Marcy oder Ann, Milch hin oder her, denn sie hat ja eine andere Bedeutung. Und für dieses Nichts muss meine zauberhafte Samantha baumeln. Ich war ehrlich sauer.

Der Schluß ist, wie gesagt, ein ärgerlicher Splatterschluß, der so gar nicht zum Film paßt. Er ist auch nicht zwangsläufig, man hätte das sehr viel subtiler lösen können. Statt dessen – die rächende Axt. Schade.

Dennoch: Die Uniformen waren wirklich kleidsam (hehehe) und der Soundtrack – viele schöne Songs von Lesley Gore – ganz groß. Und es war eine ganze Menge Potential in dem Film. Vielleicht wäre es besser gewesen, aus den Ideen und Motiven zwei oder drei Filme zu machen.
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Re: 20. Fantasy Filmfest

Beitragvon Silentium » 09.08.2006, 20:49

:rofl:
Wie üblich, lieber Razor, erfüllt mich der Stil deiner Rezensionen mit reinstem Entzücken.

Einmal allerdings bist du unlogisch:
Was dieser doofe Film allerdings auf einem Festival für Horror, Science Fiction und Thriller zu suchen hat, ist mir völlig schleierhaft.


Was ist denn ein Film mit Robin Williams sonst, als der blanke Horror?
I would go to the Dark Side in a heartbeat if I thought they had better dialog over there.
- Ursula Vernon

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Re: 20. Fantasy Filmfest

Beitragvon razorback » 10.08.2006, 12:06

Ja, das ist ein Punkt, stimmt...

So, das Fantasyfilmfest ist vorbei, aber es gibt noch viele Kritiken zu schreiben, da ich gestern und vorgestern die meiste Zeit in Kinos verbracht habe. (Cinedom Köln Kino 6, Reihe 8, Platz 6 und Kino 9, Reihe 8, Platz 10, dass sei hiermit vermeldet, betrachte ich nunmehr als meinen Be-Sitz). Von den 8 Filmen, die ich noch zu besprechen habe, sind gottlob nur zwei wirklich richtig schlecht. Die anderen sind, wenn zum Teil auch nicht gerade gut, dann doch zumindest sehenswert. Und der Letzte (und einzige in... na ja... deutscher Sprache) war - aufgemerkt nun, Silly: Ein Film aus Österreich. Aber dazu viel später. Here we go:
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Re: 20. Fantasy Filmfest

Beitragvon razorback » 10.08.2006, 12:13

Blood Trails
(Deutschland 2005)
Drehbuch: Robert Krause, Florian Puchert
Regie: Robert Krause

Ein wegweisender Film, der ein ganz neues Subgenre eröffnet: Den Mountain-Trail-Bike-Splatterfilm. Wer der Meinung ist, dass Splatter unbedingt noch ein neues Subgenre braucht, und das es mit Fahrrädern und Wäldern zu tun haben sollte, kommt hier voll auf seine Kosten.

Auch wer gerne zuschaut, wie halbnackte Frauen mit Messern gefoltert werden, sollte diesen Film keinesfalls verpassen.

Alle anderen könnten eventuell bemerken, dass dieser Film so viel Atmosphäre hat wie der Mond, so spannend ist wie eine nasse Nudel und so überraschend wie die Antwort auf die Frage, auf welchen Termin wohl dieses Jahr Weihnachten fällt.
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Re: 20. Fantasy Filmfest

Beitragvon razorback » 10.08.2006, 12:50

Starfish Hotel
(Japan 2005)
Drehbuch und Regie: John Williams

In diesem Film kommt ein Hasenkostüm vor, das dem Hasenkostüm in dem von mir sehr geliebten, bahnbrechenden Meisterwerk "Donnie Darko" so stark ähnelt, dass viele Kritiker (und auch der blöde Kommentar im Festivalprogramm) sich auf die falsche Fährte locken ließen, den Film irgendwie mit DD zu vergleichen. Manche warfen ihm vor, er stehle bei Richard Kellys Film. Das ist nicht so – Starfish Hotel hat mit Donnie Darko etwa so viel zu tun, wie mit "Schlaflos in Seattle", sieht man mal vom Hasen ab und davon, dass er viele Interpretationsmöglichkeiten offen lässt. Er lehnt sich, meiner Meinung nach, an ganz andere Vorbilder an. Aber ich greife vor. Die Handlung, soweit sie sich nacherzählen lässt:

Bürokröte (im englischen Untertitel des japanischen Originals: Pen Pusher) Yuichi Arisu (Koichi Sato) kommt eines Tages nach Hause und findet seine Frau, die Architektin Chisado (Tae Kimura), nicht mehr vor. Diese Ausgangssituation – eine Frau verschwindet – entspricht genau der, mit der die Bücher seines Lieblingsautors, des Horrorschriftstellers Jo Koruda (Kazuyoshi Kushida), stets beginnen. Und Koruda erscheint dann auch immer wieder in verstörenden Traumsequenzen, in denen er Arisu dessen derzeitige Situation aus seinem Schreiben heraus erklärt. Chisados Verschwinden, soviel ist klar, steht in einem Zusammenhang mit Arisus Verhältnis mit (der wirklich betörend schönen) Kayoko (Kiki), dass die Beiden in erster Linie an dem Ort ausleben, an dem sie sich kennengelernt haben: Dem etwas heruntergekommenen "Starfish Hotel". Was das Strafish Hotel ist, ob es überhaupt existiert, welcher Teil der Handlung real ist (wenn überhaupt einer), ob sie von Arisu oder Kayoko geträumt wird, was wann passiert oder ob all die Charaktere nur Figuren in einer Geschichte von Koruda sind... all dies bleibt letztlich offen und dem Zuschauer zur Interpretation überlassen – und mehr lässt sich von der Geschichte auch verständlich nicht erzählen.

Diesen Film sollte man sehen, und zwar mehrmals (ich werde mir die DVD krallen, sobald sie zu haben ist). Darin ähnelt "Starfish Hotel" zwar auch "Donnie Darko" – aber eher zufällig. Ganz offensichtlich sind aber die Anklänge an Werke von David Lynch. "Blue Velvet", "Mullholland Drive", "Lost Highway", "Twin Peaks" (sowohl die Serie als auch "Fire, walk with me") findet man in diesem Film wieder. Mein erster Ansatz zur Interpretation war und ist, dass es so ähnlich wohl aussehen würde, wenn David Lynch eine japanische Geistergeschichte drehen würde. So ähnlich, wohlgemerkt. Für eine Gleichsetzung ist "Starfish Hotel" dann doch nicht gut genug. Aber es ist keine Schande, sich David Lynchs Bilderwelt und Erzählstil anzunähern, dabei aber schlechtere Filme zu machen als der Meister selbst. Auch unterhalb der Gefilde eines David Lynch sind sehenswerte Filme möglich, weit unterhalb sogar. Und dieser hier ist definitiv sehens- und empfehlenswert.

Er gehört übrigens zu denen, die ich Filmfreunden ans Herz legen möchte, die mit Phantastischen Filmen sonst nicht viel am Hut haben, sich aber trotzdem für das Festival interessieren. Wer Lynch mag, oder – ganz anderer Gedanke – vielleicht mit dem Blickwinkel von "Chihiros Reise ins Zauberland" (Kennt Ihr den? Unbedingt anschauen!!!) mal auf einen Film für Erwachsene blicken möchte sollte sich "Starfish Hotel" gönnen.
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Re: 20. Fantasy Filmfest

Beitragvon razorback » 10.08.2006, 13:18

H6, Diary of a Serial Killer
(Spanien 2005)
Drehbuch und Regie: Martin Garrido Barón

Dieser Film ist nicht nur grottenschlecht, er ist richtiggehend ärgerlich.

Ich gebe zu - Splatterfilme haben es schwer bei mir. Sie interessieren mich nicht, sie berühren mich nicht, die Handlung ist üblicherweise so weit hergeholt, dass ich keine Sekunde vergesse, dass da vor mir ein Film abläuft und wenn andere bleich das Kino verlassen, weil eine kreischende Komparsin mit Kunstblut bespritzt wird - was soll's.

Aber ich gebe auch zu, dass es Splatterfilme gab (und vermutlich auch noch geben wird), die bahnbrechend sind, die mit Sinn Tabus brechen, vielleicht sogar psychologische Abgründe ausloten. Diese Filme werden für mich dadurch nicht interessant - ich finde die ganzen Schocker , angefangen bei Halloween, Freitag der 13. etc., erbärmlich öde (ausnahme: der erste "Nightmare on Elmstreet"). Und ich habe mir "Hostel" nicht etwa aus Angst nicht angesehen, sondern weil ich kein Geld ausgeben will, um mich zu langweilen.

Wozu diese lange Einleitung? Nun, ich will einfach klar machen, dass ich zwar Splatterfilme nicht mag, ihnen aber keineswegs Existenzberechtigung oder gar Anspruch absprechen will.

H6, allerdings spreche ich alles ab. Dieser primitive Mistfilm ist einzig und alleine das Vehikel, endlich mal die Kamera draufhalten zu dürfen, wenn eine Frau vergewaltigt und dann zerstückelt wird.

Da wird natürlich wieder von Tabubruch und Mut gelabert, die übliche Soße. Nein, gar nicht wahr, hier wird kein Tabu gebrochen, jedenfalls kein Splattertabu. Im Gegenteil - der blendet, wenn es ans Zerstückeln geht, früher ab als viele andere. Das stört mich nicht, ich kann Filmzerstückelungen nichts abgewinnen (s.o.). Wenn ein Tabu gebrochen wird, dann das, dass man nicht unbedingt mehrmals en Detail und mit bemerkenswerter Freude am Detail Vergewaltigungen zeigt.

Vielleicht braucht man irgendwann mal einen echten Vergewaltigungsfilm, um den Schrecken einer solchen Tat deutlich zu machen. Ich glaube eher nicht, vielleicht aber doch. Dieser Film allerdings hat mit einem solchen Ansatz nichts zu tun. Da werden aufgesetztes Motivgelabere (das "Diary") gegen das jede Folge von "Profiler" ein Wunder an Tiefgang ist und die Tarnung als Splatterhorror benutzt, um genüsslich vorzuführen, wie eine auf einem Tisch festgeschnallte Frau von einem grinsenden Schmierlappen gegen ihren Willen genommen wird. Mehrmals. Verschiedene Frauen. Weils ja so schön ist.

Wer diesen Film mutig findet, hat keine Ahnung davon, was einen mutigen Film ausmacht. Wer ihn mag, sollte dringend mal zum Arzt. Ganz dringend. Mieser Drecksfilm.
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Re: 20. Fantasy Filmfest

Beitragvon razorback » 10.08.2006, 14:46

Neugier ist der Katze Tod:

Cargo
(Spanien 2005)
Drehbuch: Paul Laverty
Regie: Clive Gordon

Eigentlich ist dieser Film gar nicht schlecht - oder besser gesagt, er entwickelt sich im Laufe der Handlung zu einem ansehnlichen Film. Er krankt aber an einem ganz massiven Anfangsproblem. Stellt Euch Folgendes vor:

Ihr strandet irgendwo in Nord- oder Westafrika. Während Ihr so über einen einheimischen Markt stromert, fällt Euch eine Holzfigur auf, die Euch gefällt. Der Händler erklärt sie aber leider für unverkäuflich, auch Feilschen bringt nichts. Ihr werdet sauer und

1.) klaut ein Armband.

Der Händler merkt das, verfolgt Euch, und nimmt Euch das Armband wieder ab. Der Tumult lockt zwei Polizisten an. Während der eine das Gepäck untersucht (in dem sich ja nun kein Diebesgut mehr befindet - Ihr habt eine völlig reine Weste), kontrolliert der andere Euren Pass. Er ist dabei ziemlich unfreundlich. Ihr

2.) verpasst dem Ordnungshüter eins auf die Nase und rennt weg, ohne Euren Pass mitzunehmen.

Ohne Pass steht Ihr nun ziemlich dumm da - Geld habt Ihr aber noch. Ihr nutzt es aber nicht, Euch zur nächsten Botschaft oder zum nächsten Konsulat durchzuschlagen, sondern Ihr

3.) geht in eine Hafenspelunke um eine Überfahrt nach Europa zu finden.

Irgendwie scheint aber von den Seeleuten niemand so recht auf Euch gewartet zu haben, also

4.) schleicht Ihr Euch bei Nacht als blinder Passagier auf einen Seelenverkäufer mit Ziel Marseilles.

Ihr versteckt Euch im Laderaum und bleibt erstmal unentdeckt. Die Ladung des Schiffes besteht in erster Linie aus Kakaobohnen und lebenden Vögeln. Ihr richtet Euch zwischen den Kakaosäcken recht häuslich ein. Tags darauf, das Schiffe befindet sich bereits auf See, beobachtet Ihr einen Matrosen, der zum Vögelfüttern in den Laderaum gekommen ist, bei einer recht bizarren Beschäftigung: Der Typ - eine Kante von Mann - steht nackt vor einem Spiegel, onaniert und stammelt dabei Satzfetzen wie: "Yeah... I'm a machine..." recht witzig. Ihr

5.) lehnt Euch, um besser sehen zu können, weit über Eure Kakaosäcke hinaus und verliert Euer Taschenmesser. Es fällt dem Selbstverliebten genau vor die Füße.

Ihr werdet entdeckt und zum Kapitän gebracht. Der gibt Euch die Möglichkeit, Eure Überfahrt zu verdienen - Ihr müsst an Bord arbeiten, bekommt dafür aber auch satt zu essen und eine eigene Kajüte. Ihr werdet "Baptist" zugeteilt, dem Schiffskoch, der im Rahmen des Möglichen sogar recht nett zu Euch ist. Die Mannschaft behandelt Euch nicht gerade freundlich, aber niemand ist wirklich bösartig und Baptist und der Kapitän scheinen Euch sogar zu mögen. Irgendetwas stimmt jedoch nicht mit diesem Schiff. Eines Tages gibt es einen Tumult und Baptist brint Euch in Eure Kajüte: "Stay here, go to sleep, don't come out!" Ihr

6.) öffnet die Tür, sobald Baptist weg ist und schleicht den Geräuschen nach, um zu sehen, was los ist.

Der Rest entwickelt sich dann zu einer ziemlich spannenden Geschichte, die sich sogar auf ganz intelligente Weise mit der aktuellen Flüchtlingsproblematik auseinandersetzt. Der Protagonist Chris (souverän gespielt von Daniel Brühl) gerät durch seine fast schon manische Neugier allerdings immer tiefer in Probleme und die Logik bleibt manchmal etwas auf der Strecke, aber alles in allem ist die Geschichte gut gemacht, berührend, die Charaktere sind anständig ausgearbeitet - ein sehr brauchbarer Thriller. Wenn... ja, wenn man vergisst, dass die ganze Geschichte nie passieren würde, wenn Chris auch nur einen einzigen der oben beschriebenen, völlig dämlichen sechs Fehler nicht gemacht hätte. Das ist dermassen konstruiert, dass der Film letztlich dann doch nicht wirklich gut sein kann - trotz guter Regiearbeit und überzeugender Schauspielerei.
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Re: 20. Fantasy Filmfest

Beitragvon razorback » 10.08.2006, 15:49

Minotaur
(GB, Deutschland, Luxemburg, Frankreich, Spanien 2005)
Drehbuch: Nick Green, Stephen McDool
Regie: Jonathan English

Nein, das sich überhaupt jemand noch traut, so etwas zu machen. Ich war entzückt und gerührt. In Zeiten der hochentwickelten Tricktechnik, der Monsterdesigner und großangelegten Sagenverfilmungen, traut sich wirklich noch jemand, nach Luxemburg (!) zu gehen, und dort einen richtig trashigen Monsterfilm alter Art zu drehen, mit miesen, hölzernen Darstellern (Ausnahme: Tony Todd als böser König), Kulissen aus Gips und Pappe und einem Monster, dem man so richtig ansieht, dass als allererstes die Monsterdesigner in die Wüste geschickt wurden, vermutlich mit den Worten: "Verpisst Eusch, unser Monster wöd nisch jedeseint, unser Monster wöd jemacht!" Herzerfrischend! Was habe ich gelacht – oder, was haben wir gelacht, ich war absolut nicht der einzige. Denn ganz ehrlich: Nach dem Dienstag, an dem ich "Blood Trails" und "H6" über mich ergehen lassen musste und von "Cargo" auch nicht wirklich begeistert war, habe ich mich vor dem abschließenden Mittwoch schon ein wenig gefürchtet. Was, wenn von den letzten vier Filmen sich auch drei als Geldverschwendung entpuppen? Und dann gleich zu Anfang dieser herrliche Trost, der an lange vergessenen Fantasytrash der Marke "Clash of the Titans" und "Herkules, der Sohn der Götter" erinnert. Toll!

Äh... um da keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: "Minotaur" ist kein guter Film. Überhaupt gar nicht. Neinneinnein! Aber er ist der Beweis dafür, dass man auch an einem schlechten Film frischen, sauberen Spass haben kann. Der Beweis dafür, dass der echte Trashfilm nicht tot ist, trotz der ganzen Filme, die von Beginn an als Trash konzipiert sind. "Minotaur" ist der richtige Film, wenn man mit ein paar guten Freunden mal einen Abend richtig niveaulos Spass haben will, ohne auf immer die selbe Godzilla-Retrospective zurückgreifen zu müssen (obwohl das natürlich auch Spaß macht).

Die Handlung in Kürze: Im Norden des kretischen Herrschaftsgebietes (der Karte nach, die zu Beginn gezeigt wird, befindet sich dieser Norden irgendwo auf dem Pelepones, nach den Klamotten der Nordleute und dem Klima in ihrer Gegend aber eher in Norwegen) liegt ein Dorf, dessen Bewohner wegen eines Frevels – einer von ihnen soll einen königlichen Prinz ermordet haben – alle drei Jahre acht junge Leute als Blutzoll an den Gott des Stierkultes abgeben müssen. Dieser lebt in einem Labyrinth unter dem kretischen Königspalast und ist – genau – der bekannte und beliebte Minotaurus, halb Stier, halb Mensch (obwohl in diesem Falle auch je ein gut Teil Schwein und irischer Wolfshund dabei zu sein scheinen, dem Augenschein nach). Blutrünstig, gemein und mit einem sehr animalischen Gebrüll ausgestattet.

Vor drei Jahren nun wurde die Liebste des jungen Theo (!) nach Kreta verschleppt. Und obwohl Theo der Sohn des Häuptlings, Dorfältesten, Großmufti oder was auch immer ist und daher nicht geopfert werden soll, lässt er sich von einer leprakranken alten Vettel bequatschen und schleicht sich in die Kolonne der Verdammten in der Hoffnung, seine Süße mit etwas Verspätung doch noch retten zu können. Theo, wir fahr'n nach Kreta. Bis schließlich der Minotaurus erst in die Luft gesprengt (!!) und dann mit seinem eigenen Horn gepfählt wird (!!!) passiert noch viel herrlicher Blödsinn – ein Highlight unter vielen ist der dauernd gasschnüffelnde, völlig bedröhnte böse König, gespielt, wie gesagt, von "Candyman" Todd. Natürlich gibt es auch eine schöne, leicht bekleidete Königing und eine platte Moral – alles, was man braucht. Schöner, runder, bescheuerter Film.

Um ihn voll geniessen zu können sollte man selbstverständlich verdrängen, dass es eine sehr schöne und symbolreiche griechische Sage um einen Minotaurustöter namens Theseus gibt. Aber das bekommt für 90 Minuten schon hin. :-D
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razorback
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Re: 20. Fantasy Filmfest

Beitragvon razorback » 09.08.2007, 18:04

Heute Abend, liebe Freund, geht es weiter. Gestern hat das 21. Fantasy Filmfest in Köln begonnen, für mich beginnt es heute mit den Filmen "Fido" und "I'm a Cyborg, but that's okay".

Doch wie ich entsetzt feststelle, schulde ich Euch noch drei Alte. 8-o Ich gelobe, dieses Jahr werde ich versuchen, Euch auf dem Laufenden zu halten (ob's Euch interessiert, oder nicht :-p )

Aber einer der drei Filme, die ich letztes Jahr zu besprechen vergessen habe, war ganz herausragend, den will ich Euch keinesfalls vorenthalten - und die anderen auch nicht. Besser spät als nie. Also:


The Absent (Ausentes)
Spanien 2006
Drehbuch: Daniel Calparsoro, Ray Loriga, Elio Quiroga
Regie: Daniel Calparsoro


Aus Spanien kamen immer schon Filme, die bekannte Settings und Themen auf eine sehr eigene und originelle Art aufnehmen und erzählen. Viel besser und subtiler - im Großen und Ganzen - als die Franzosen, von uns Deutschen ganz zu schweigen.

Dieser großartige Film ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die Spanier es einfach drauf haben. Diesmal stimmt sogar die üblicherweise eher blöde Beschreibung im Programmheft. Ja, dieser Thriller ist VERSTÖREND. So ausgelutscht dieses Wort ist: Er verstört, verwirrt und lässt den Zuschauer (mich zumindest, und ich bin nicht ganz schlecht darin, solche Filme zu durchschauen - Nähe und Übung) rätseln, fürchten und gruseln (oh ja!) bis zum Schluss. Und wenn die Pointe dann trifft, trifft sie nicht wie ein Hammer, denn Calparsoro hat keinen Hammer benutzt. Er benutzt einen sehr feinen, dünnen Dolch, und erst wenn die Klinge tief drin ist - dann denkt man "Ja... natürlich. Oh mein Gott..."

Denn natürlich war alles stimmig, natürlich passt alles, natürlich ist das wundervoll komponiert. Dieser Film spielt - darin (und nur darin) ähnelt er dem ebenfalls sehr guten Roman "Du bist zu schnell" von Zoran Drvenkar - mit den Erwartungen des Zuschauers, aber nicht, indem er falsche Fährten legt oder sonst eine übliche Soße. Nein - er führt uns nur in einem einzigen Punkt völlig in die Irre. Und das reicht.

Die Geschichte, ach ja. Eine Familie zieht in eine Vorstadt, und die Mutter bekommt arge Probleme. Mehr muss man dazu gar nicht sagen. Die Figuren sind - in jeder Beziehung und auf allen Ebenen - gut ausgeführt und gezeichnet. Die Bildsprache ist toll und erst am Ende voll verständlich. Und die Grundidee ist auch klasse.

Ansehen, bitte, wann immer möglich.



Baba's Cars (Babas Bilar)
Schweden 2006
Drehbuch: Rafael Edholm, Björn Olovsson
Regie: Rafael Edholm


Hahahahahaha! Ja - die Skandinavier haben es auch drauf. Schweden in diesem Falle. Und drauf haben sie es, wenn es darum geht, den Briten das Feld des Humors nicht völlig alleine zu überlassen.

Dieser ausgesprochen witzige Film wurde mehrmals mit zweien meiner Lieblingsfilme verglichen: "Fargo" und "In China essen sie Hunde". Er ist schlechter als beide, doch das ist nicht schlimm. Man kann schlechter als diese Filme sein, aber trotzdem noch verdammt gut. Und wenn irgendwer auf die Idee käme, diese beiden Meisterwerke zu verbinden, käme vermutlich genau so etwas dabei heraus, wie "Baba's Cars".

Für Freunde der kompromislosen skandinavischen Komödie ein absolutes Muss. Norweger, Russen, Finnen und Schweden selbst sollten eine Extraportion Humor mitbringen (insbesondere die Norweger), denn sie werden hier heftig durch den Kakao gezogen. Macht aber nix. Feiner kleiner Film :-D



In 3 Tagen bist Du tot
Österreich 2006
Drehbuch: Andreas Prochaska
Regie: Andreas Prochaska

Ja, ja, ja, über diesen Film ist schon sooooo viel Schlechtes geschrieben worden. Und ja - es ist ein typischer Teenieslasherfilm, und ja - die waren noch nie besonders originell, und ja - er leiht sich die Grundidee (und noch ein paar Details) SEHR deutlich bei "I know what You did last Summer".

Aber dann vergleichen wir doch mal dieses kleine Werk aus einem kleinen Land mit dem Marketinghorror von "Ich weiss..." aus Hollywood:

Welcher Film hat die originelleren Figuren? Der Österreicher! (Nein, ich sage nicht, die Figuren seien originell, ich sage nur, sie sind origineller als die Hollywoodfiguren!).

Welcher Film ist atmosphärisch dichter? Der Österreicher!

Welcher ist gruseliger (bei einem Horrorfilm ja nicht ganz unwichtig)? Der Österreicher!

Welcher ist origineller? Der Österreicher!

Wo wird realistischer und origineller gestorben? Beim Österreicher!

Tennieslasher haben von Natur aus einen Hang zum Langweilen. Aber wo zum Beispiel "I know what You did..." eine einzige Schlaftablette ist, ist "In 3 Tagen..." zumindest etwas spannend, hat sympathische Figuren und einige originelle Ideen. Als Film an sich sicher kein Kracher. Aber der Film ist als Genrefilm auf eine Genrefestival gelaufen. Und dafür war er gut. Verglichen mit den anderen beiden Blutbädern - "Blood Trail" :gähn: und "H6" :vomit: sogar ausgesprochen gut.

Dieses Jahr läuft wieder so ein Teenieschlitzer, den ich eigentlich nur des Titels wegen gewählt habe: "All the Boys love Mandy Lane". Wir werden sehen...
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