Das Unglück als Motor oder Ladehemmung

Warum schreiben wir? Wie werde ich reich und berühmt durch meine Bücher? Was macht die besondere Schönheit des Adjektivs aus?
charis
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Das Unglück als Motor oder Ladehemmung

Beitragvon charis » 11.09.2003, 10:44

Hi ihr Lieben!

Also da sitze ich vorm Laptop, freue mich meines (momentan recht fein verlaufenden) Lebens, würde gerne ein neues Gedicht schreiben... und sitze... und sitze... und tippe ... und lösche...

*seufz*

habt ihr auch das Gefühl, in Krisen- oder sonstigen (welchen??) Zeiten mehr Stoff für literarische Werke zu haben, mehr Intensität aufs Papier oder in die Tasten legen zu können?

Und wie sieht es denn prinzipiell so mit Schreibhemmungen aus? Gibt es die? Wenn ja, habt ihr einen Weg gefunden, sie aufzulockern? Muss man sie ignorieren?
Sie wegsaufen oder -kiffen :-D ?
Oder wie oder was...?

Würd mich mal interessieren, aus... ähem... aktuellem Anlass...

:-&
Charis

Sick Steve
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Re: Das Unglück als Motor oder Ladehemmung

Beitragvon Sick Steve » 11.09.2003, 13:45

Howdy, Charis,

also ich empfinde Unglück (im weitesten Sinne) sowie überschäumendes Glück (sowas wie frisch verliebt sein zum Beispiel) als ausgesprochen beflügelnd - das Schlimmste ist Zufriedenheit! Zufriedenheit hemmt jegliche schriftstellerische Energie - bei mir zumindest. Wenn man im Innersten nach nichts strebt, kein Glück ersehnt, keinem Unglück zu entkommen sucht, also einfach zufrieden ist, dann kommt man im Grunde zu nichts.
Das ist tragisch, denn innere Zufriedenheit ist eigentlich der anzustrebende Idealzustand; was also ist zu tun, wenn man dennoch schreiben möchte?
Was mich angeht, kann ich mich ganz gut vorsätzlich in fast jede beliebige Stimmung versetzen; es hilft, wenn man einfach an passende Begebenheiten aus der persönlichen Vergangenheit denkt. Saufen und Kiffen hilft auch, je nachdem, was man zu schreiben beabsichtigt :-D
Und man kann sich natürlich vor dem Schreiben einfach eine Weile mit verwandten Themen beschäftigen und sich einfach hineindenken, zum Beispiel etwas passendes Lesen. Das bringt mich auch weiter.
Und letztlich - und das ist sicher nicht die schlechteste Lösung - kann man's auch einfach lassen, bis man wieder den Drang verspürt, dieses Gefühl, schreiben zu müssen, weil etwas heraus will. Denn wer zwingt uns zu schreiben, wenn offenbar gerade nichts in uns ist, was sich zu schreiben lohnt?

Gruß
Stevo
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razorback
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Re: Das Unglück als Motor oder Ladehemmung

Beitragvon razorback » 12.09.2003, 10:47

Mir geht es ähnlich wie Stevo - große Gefühle beflügeln sehr, schöne wie schlechte. Allerdings ist hier Vorsicht angebracht - ich habe festgestellt, dass ich, wenn ich zum Beipiel verliebt bin und übers verliebt sein schreibe, viel Disziplin brauche, um nicht in grausigen Kitsch abzugleiten. Als ebenfalls sehr nützlich fürs Schreiben haben sich bei mir aufgestaute Energien - Lust, Aggression, was auch immer - erwiesen. Sehr hilfreich ist für mich, beim Schreiben Musik zu hören. Ich notiere bei einem längeren Text immer alle Künstler, deren Werke ich beim Schreiben höre, weil ich Ihnen mit einem kleinen Vorwort danken will, wenn ich es irgendwann doch mal schaffe, verlegt zu werden. Die Musik, die ich bei der Arbeit höre, ist extrem wichtig, ohne geht es nicht sehr gut.

Zufriedenheit schadet und nutzt bei mir nicht. Sehr schädlich ist Zeitdruck oder Langeweile. Langeweile ist am schlimmsten, ich bin dann so antriebslos, dass ich nicht in der Lage bin, mir durch Schreiben die Langeweile zu vertreiben. Ausserdem kann ich nur konzentriert schreiben, wenn ich ungestört bin. Bei drei kleinen Kindern ist das zuweilen ein Problem :-D

Was Drogen angeht: Ich bekenne - trinken hilft bei mir. Wenn ich beim Schreiben Alkohol trinke (was ich - zur Ehrenrettungs sei's gesagt - nicht immer tue) ist das Zeug allerdings verglichsweise teuer und hochprozentig, und da ich besoffen absolut nicht schreiben kann (jedenfalls keine Prosa) hält sich der Konsum sehr in Grenzen. Ach ja - und bevor ich hier das Klischee des Whiskyliteraten pflege (denn es handelt sich um Whisky): ebenso gut (wirklich!!!) zum Schreiben eignet sich für mich grüner Tee. Keine Erfahrungen mit Kiffen und Schreiben. Mit Kiffen habe ich andere... aber lassen wir das.

Gegen eine Schreibblockade hilft allerdings meiner Erfahrung nach kein Schnaps, kein Tee und auch sonst nichts - nur Disziplin. Schreiben, so mühsam es auch ist, oder zumindest in Ruhe über das zu Schreibende nachdenken. Jeden Tag!

Tja - ich hoffe, dass das irgendwie hilfreich war... ;-)
O You who turn the wheel and look to windward,
Consider Phlebas, who was once handsome and tall as You

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Re: Das Unglück als Motor oder Ladehemmung

Beitragvon Mibo » 12.09.2003, 11:31

Moin auch,

also mir gehts nicht viel anders als Euch...

Allerdings jegliches extreme Zuviel (Emotionen, Veränderungen, Langeweile - Arbeit merkwürdigerweise nicht), blockt mich auch. Wenn es denn etwas ruhiger wird, kommen auch die Worte und Geschichten wieder.

Und was gegen totale Schreibblockaden hilft: gute Frage! Ich hatte selbst ja gerade so ein "Loch". Fast ein Jahr, in dem es höchstens für ab und an mal ein Haiku gereicht hat...

Liebe Grüße

MiBo
(die als Droge Wasser oder Tee beim Schreiben zu sich nimmt - vielleicht sollte ich auch mal Whisky...? Und Musik hören beim Schreiben geht gar nicht! :-& )
--- Werbepause ---

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Re: Das Unglück als Motor oder Ladehemmung

Beitragvon cute sushi lunches » 15.09.2003, 00:37

Drogen hemmen bei mir eigentlich alles.Ich werde lethargisch und bekomme nur komische Ideen.Und dann bin ich sowieso zu faul um sie aufzuschreiben.Wenn ich einmal dabei bin,kann ich auch nichts essen oder trinken.Wenn ich schreibe schreibe ich.

Einmal habe ich einen ganzen Tag lag Obst gegessen und sehr viel grünen Tee getrunken und mich dann 1 1/2 Stunden in die Badewanne gelegt.Das Produkt war eine recht nette Kurzgeschichte.

Am besten ist es,wenn ich mich beim Schreiben aufgeräumt fühle.Ich darf unter keinem wie auch immer gearteten emotionalen Stress stehen,sei er positiv oder negativ.

Eine richtige Schreibblockade hatte ich noch nie,nur zu viele Ideen,was auch hinderlich sein kann.In der Regel habe ich eher das Gefühl schreiben zu müssen,aus einer Art Zwang heraus.

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Re: Das Unglück als Motor oder Ladehemmung

Beitragvon Spiderman » 15.09.2003, 21:13

Okay, mein Beitrag lautet einmal mehr: mir geht es ähnlich. Unglück ist für mich der beste Motor des Schreibens, d.h. für qualitativ hochwertiges Schreiben. Tatsächlich habe ich mit der Wiederaufnahme meiner Schreibversuche nach der Trennung von einer langjährigen Beziehung begonnen. Schreiben als Therapie? Definitiv! Ja! Sicher nicht nur, auch positive Gefühle können mein Schreiben beflügeln: v.a. Größenwahn und die Lust, mein Ego über die ganze Welt zu expandieren. Oder auch verliebt sein (was in etwa aufs gleiche wie Größenwahn rausläuft).

Nur Zufriedenheit ist für die Kreativität wirklich tödlich. Da geht nix mehr. Gut, dass vollkommene Zufriedenheit utopisch ist.

Wie kann ich Schreibblockaden überwinden?
* Alkohol? In geringen mengen hilft es. Ein, zwei Gläser Weißwein helfen mir, das Dritte würde bereits schaden.
* Kiffen? Ist für die Lockerung der Assoziationen sicher nicht schlecht. Aber das was ich dann schreibe, gerät oft sehr "abgedreht", läßt mich im nüchternen Zustand meistens kalt.
* Wirklich wichtig ist: Kaffee. Ohne Espresso geht gar nix.

Gegen Schreibblockaden hilft mir außerdem:
* Trotzdem irgendwas schreiben. Mir erlauben, etwas Schlechtes zu schreiben. Manchmal kommt dabei was Gutes raus.
* Meditieren: Geist abschalten, innere Bilder kommen lassen und die als Ausgangspunkt nehmen.
* Lesen / Film gucken / etc.: bewußt nach Inspirationen suchen. Das vorhandene "Material" aufgreifen.

Aber manchmal geht wirkloich gar nix!

Spider
Die nette Lyrik-Spinne von nebenan!


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