Dialogschreiben

Warum schreiben wir? Wie werde ich reich und berühmt durch meine Bücher? Was macht die besondere Schönheit des Adjektivs aus?
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Dialogschreiben

Beitragvon Näherungsweise » 22.06.2009, 23:06

kann mir einer von euch ein paar

a.) grundlegende regeln

b.) persönliche tipps

c.) und-oder eine (wirklich brauchbare, d.h. wenig theoretische und stark praxisorientierte) buchempfehlung

zum thema "wie schreibe ich lebendige dialoge" geben?

muchas gracias!
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Re: Dialogschreiben

Beitragvon Glaukos » 23.06.2009, 12:23

fürs theater? oder für in erzählprosa eingebettet?

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Re: Dialogschreiben

Beitragvon Näherungsweise » 23.06.2009, 17:51

eher für's theater oder richtung drehbuch.
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Re: Dialogschreiben

Beitragvon Glaukos » 28.06.2009, 13:48

schon mal gegoogelt? ;)

ich glaube, das du sprachlich so geschickt bist, dass du nicht unbedingt einen ratgeber brauchst. aber gewiss gibt es das auch, ein standardwerk fürs dialogschreiben ... ich denke, dir sollte es genügen, mal ein paar zeitgenössische theaterstücke oder drehbücher intensiv zu lesen. also wohin der wind gerade stilistisch weht ... oder gehts rein um die formalien? also wie ein "skript" aussehen soll? das ist natürlich auch wichtig ...

ich habe mal an der uni in den 90ern ein "arbeitsbuch junge dramatik" von theater der zeit redaktionell mitbetreut. (seither bin ich ein professioneller polleschhasser ;-) aber selbst die beschäftigung damals mit den theaterdialogen würde mir kaum mehr helfen, sollte ich heute was schreiben - die moden ändern sich schnell ...

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Re: Dialogschreiben

Beitragvon Näherungsweise » 29.06.2009, 00:20

Glaukos hat geschrieben:schon mal gegoogelt? ;)

ja, aber: eure persönlichen tipps und buchempfehlungen kann ich schlecht googeln. ich verlasse mich halt lieber auf euer insider-wissen, als auf das große allwissende orakel. ;-)
Glaukos hat geschrieben:ich glaube, das du sprachlich so geschickt bist, dass du nicht unbedingt einen ratgeber brauchst.

danke, das ist aber ein nettes kompliment. ich habe aber doch das gefühl, dass ein bisschen fachlektüre nicht schaden kann, solang sie nicht zu theoretisch ist. nach jahrelangem gedichteschreiben betrete ich eine bühne, wo ich mich sehr unsicher fühle.
Glaukos hat geschrieben:ich denke, dir sollte es genügen, mal ein paar zeitgenössische theaterstücke oder drehbücher intensiv zu lesen. also wohin der wind gerade stilistisch weht ...

da bin ich grad schon fleißig dabei, obwohl nicht ganz so an der "zeitgenössischen" linie orientiert.
Glaukos hat geschrieben:oder gehts rein um die formalien? also wie ein "skript" aussehen soll? das ist natürlich auch wichtig ...

weniger. mir geht's mehr um themen wie dramaturgie, dialogführung, charakterisierung, konflikt, exposition, schlüsselfigur, einheit der gegensätze usw. -- also mehr inhaltlich-formal, als formal-formal, wenn du so willst.
Glaukos hat geschrieben:aber selbst die beschäftigung damals mit den theaterdialogen würde mir kaum mehr helfen, sollte ich heute was schreiben - die moden ändern sich schnell ...

moden interessieren mich nicht sonderlich. mich interessieren eher "klassische leitlinien" und persönliche maximen.

danke und gruß.
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Re: Dialogschreiben

Beitragvon Fortissima » 04.07.2009, 00:56

Hallo,

es gibt ein sehr gutes Buch über das Verfassen von literarischen Texten von Sol Stein mit dem Titel: ÜBER DAS SCHREIBEN (die 1. Auflage erschien 1997 bei Zweitausendeins, die 6., bisher letzte, 2000). In diesem Buch findest Du u.a. alles über das Schreiben von literarischen Dialogen. Anhand verschiedener Textbeispiele von berühmten und weniger berühmten Autoren, erläutert Stein, warum literarische Dialoge nichts mit Alltagssprache zu tun haben, und was einen gelungenen Dialog ausmacht. Falls dieses Buch noch erhältlich ist, solltest Du unbedingt zugreifen. Ich habe noch nichts Besseres zu diesem Thema gelesen.
Von den Autoren, die die hohe Kunst des Dialogs besonders gut beherrschen, möchte ich Dir Raymond Chandler empfehlen. Sein Krimi DER LANGE ABSCHIED besteht fast nur aus Dialogen und ist ein regelrechtes Lehrstück für alle, die dieses Handwerk erlernen und beherrschen möchten.

Viel Erfolg

Fortissima

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Re: Dialogschreiben

Beitragvon Glaukos » 04.07.2009, 12:31

... und wenn du wissen willst, wie man dialoge besser nicht schreibt, lies william gaddis (fälschung der welt, j.r.) ... das sind zwar klasse bücher, die fast nur aus dialogen bestehen, aber irgendwie wirken die dialoge unecht ... denk- statt sprechsprache ... oder umberto ecos "foucaultsches pendel", eco beherrscht vielleicht spannungsbögen, aber dialoge kann er auch nicht schreiben, er doziert vielmehr ...

sehr interessant: holz+schlaf mit "papa hamlet". prosa mit vielen dialogen, im stil des naturalismus. die versuchten, wie man heute so schön sagt, dem volk aufs maul zu schauen.

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Re: Dialogschreiben

Beitragvon Fortissima » 04.07.2009, 21:54

Wenn ich einen Tisch herstellen will, muss ich zuerst das dazugehörige Handwerk lernen, sonst kippt die Konstruktion schlimmstenfalls um. Warum ausgerechnet Schriftsteller meinen, sie könnten auf Technik verzichten, ist mir schleierhaft. Es reicht eben nicht, in einem literarischen Dialog einfach nur die Realität, das Alltags-Blabla, abzubilden. Das ist ohne Gestaltung langweilig, banal und der Rede nicht wert. Wer sich damit begnügen will, ist bei den elektronisch-visuellen Medien besser aufgehoben. Da gibt es dann Reality-TV und endlose Doku-Soaps für Leute, die andern gern aufs Maul schauen, egal was für einen Mist man ihnen bietet. Ich sehe nicht ein, warum sich die Literatur freiwillig diesem trivialen Niveau anpassen soll. Authentischer wäre es auch nicht, sondern einfach nur peinlich. Der Leser würde diese Echtheitsmasche ganz schnell als das entlarven, was sie ist, nämlich Dilettantismus.

Schönes Wochenende

Fortissima

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Re: Dialogschreiben

Beitragvon Glaukos » 05.07.2009, 12:43

werte/r fortissima,

ich hoffe, deine im letzten posting ausgeführten gedanken bezogen sich nicht auf schlaf&holz.

anbei: in meiner lesart beschreibt 'schriftsteller' einen menschen, der erfolgreiche literarische arbeiten publiziert. somit wäre ein technikverzicht oder gar eine technikleugnung ein widerspruch zu seiner arbeit. denn um in deinem bild zu bleiben: ein tischler, der krumme tische baut, wird von niemanden überhaupt als tischler wahrgenommen - bestenfalls als "künstler" ;)

betreffs eco: der mann ist wohl zu faul, sich mit schnöden ratgeberbüchern zu befassen. er hat es auch gar nicht nötig. in seinem fall ist es wirklich schade ... aber eco ist auch kein professioneller schriftsteller.

meine persönliche meinung (nach der lektüre hochgeschätzter ratgeberbücher, die sich aber als eher öde erwiesen): am besten lerne ich von schlechten texten. also: am besten übernimmt man mal den job als juror und liest den ganzen schmonzens von ambitionierten talenten ;)

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Re: Dialogschreiben

Beitragvon Näherungsweise » 22.07.2009, 00:51

Fortissima hat geschrieben:In diesem Buch findest Du u.a. alles über das Schreiben von literarischen Dialogen. Anhand verschiedener Textbeispiele von berühmten und weniger berühmten Autoren, erläutert Stein, warum literarische Dialoge nichts mit Alltagssprache zu tun haben, und was einen gelungenen Dialog ausmacht.

hallo fortissima, danke für deine empfehlung. hab mir das buch von mr. stein gerade bestellt.

dem, was du sagst, kann ich übrigens voll und ganz zustimmen.
Glaukos hat geschrieben:am besten lerne ich von schlechten texten. also: am besten übernimmt man mal den job als juror und liest den ganzen schmonzens von ambitionierten talenten

auch ein guter weg. unkonventionell, aber gut. ich glaube auch, dass ich viel durch kritik an fremden texten gelernt habe, nicht zuletzt über mich selbst. allerdings frage ich mich gerade, wie ich zum juroren avanciere, wenn ich auf dem gebiet des dialogschreibens noch nix zuwege gebracht habe. wen muss ich da bestechen? mit wem muss ich in die kiste steigen? am ende muss ich noch meinen eigenen theaterwettbewerb ins leben rufen, um für die jury in frage zu kommen. :-D

danke euch beiden :-)
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Re: Dialogschreiben

Beitragvon Näherungsweise » 29.07.2009, 23:52

Memo to myself:
Friedrich Hebbel hat geschrieben:Das eigentliche Wesen dieser Arbeit besteht am Ende darin, die Tatsachen nicht offen und unverhüllt zu geben, sondern sie aus den mannigfaltigen Verschiebungen resultieren zu lassen, die sie infolge der subjektiven Befangenheit des Individuums erfahren. Das Notwendige bringen, aber in der Form des Zufälligen: das ist das ganze Geheimnis des dramatischen Stils.
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Re: Dialogschreiben

Beitragvon Näherungsweise » 14.08.2009, 02:18

Und hierüber bin ich gestolpert:


Lied des Stückeschreibers
von Bertolt Brecht (1935)

Ich bin ein Stückeschreiber. Ich zeige
Was ich gesehen habe. Auf den Menschenmärkten
Habe ich gesehen, wie der Mensch gehandelt wird. Das
Zeige ich, ich, der Stückeschreiber.

Wie sie zueinander ins Zimmer treten mit Plänen
Oder mit Gummiknüppeln oder mit Geld
Wie sie auf den Straßen stehen und warten
Wie sie einander Fallen bereiten
Voller Hoffnung
Wie sie Verabredungen treffen
Wie sie einander aufhängen
Wie sie sich lieben
Wie sie die Beute verteidigen
Wie sie essen
Das zeige ich.

Die Worte, die sie einander zurufen, berichte ich.
Was die Mutter dem Sohn sagt
Was der Unternehmer dem Unternommenen befiehlt
Was die Frau dem Mann antwortet
Alle die bittenden Worte, alle die herrischen
Die flehenden, die missverständlichen
Die lügnerischen, die unwissenden
Die schönen, die verletzenden
Alle berichte ich.

Ich sehe da auftreten Schneefälle.
Ich sehe da nach vorn kommen Erdbeben.
Ich sehe da Berge stehen mitten im Wege
Und Flüsse sehe ich über die Ufer treten.
Aber die Schneefälle haben Hüte auf.
Die Erdbeben haben Geld in der Brusttasche.
Die Berge sind aus Fahrzeugen gestiegen
Und die reißenden Flüsse gebieten über Polizisten.
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