Für meine drei Gedichte oder waren es vier und zwei kurzen Texte innerhalb von fünf Minuten - nachdem ich die ersten Sätze in den leeren Raum gesprochen hatte, bis mir das Mikro zurecht gerückt worden war - gab es 14 Punkte. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass der Typ vor mir für einen "Sex wie Fußball"-Text ganze 24 Punkte gekriegt hat. Und, mit dem möchte ich einfach nicht in einer Liga spielen. Da bleibe ich lieber unverstanden und verkannt vor der fünfköpfigen Jury im Publikum
Auf jeden Fall haben alle 100-150 Menschen im Saal andächtig meiner Stimme gelauscht und sich vielleicht oder sogar wahrscheinlich gefragt, was ich denn da seltsames vortrage, so ganz anders als Sex und Fußball und das Alltagsgebrabbel, das nach meiner wahnsinnig herausragenden Darbietung folgen würde.
Mehrere Leute nach mir hatten sich der Lamentiererei verschrieben: "schaut, wie dick ich bin und wehe, ihr sprecht mich darauf an, dann Stinkefinger", "ich bin alles andere als klein und lieb, nämlich ein Giftzwerg" (diese Schülerin war noch die beste Lamentierin, nämlich mit einem Hang zur Selbstironie), "alles sch... auf dieser besch... Welt etc pp" hat auch großen Beifall erhalten. Schlimmer als in Talkshows war dieses Geschrei, irgendwann zumindest, vor einiger Zeit, habe ich mal Talkshows gesehen. Und diese Menschen auf der Bühne, diese "Lamentierer", haben mich stark an Menschen in Talkshows erinnert. Auch, wenn ich gar nicht weiß, wie die Menschen in Talkshows heutzutage sprechen.
Gut, dass Dirk und der Hamburger dabei waren, da konnte ich mich in unserer kleinen Gruppe unter den 15 Leuten, die auf den Bühnen angetreten sind, ganz wohl fühlen. Und Dirk und ich waren bei weitem nicht die einzigen, die Gedichte vorgetragen haben. Allerdings, und das war zu erwarten gewesen, haben Gedichte durchweg schlechtere Noten erhalten. An der Qualität der Gedichte kann es nicht gelegen haben, in Anbetracht der Rotz-und-Grotz-Texte, die gute Bewertungen erhalten haben.
Hamburger war der einzige, dessen Sprechzeit unterbrochen wurde, was so manche im Publikum unfair fanden. Die Jungs, die neben mir im Publikum standen hätten noch gerne die Pointe gehört sowie ich auch. Aber ein Hamburger ist halt nicht wie dieser lärmende Düsseldorfer ("alles sch..."), den keiner mehr hören wollte, spätestens nachdem seine Zeit abgelaufen war.
Am Ende des Abends hat dann doch die Jury erkannt, dass der "sexwiefußball"-Mann die große Flasche Schampus und den Pokal einfach nicht verdient hat. Nadja Schlüter aus Bonn hatte gleich drei Mal die besten Texte dargeboten. Nach dem Slam war von Gästen zu hören, dass sie vor ein paar Jahren Siegerin der U20, Landesmeisterin oder etwas derartiges im Slammen geworden sei.
Ich für mich, ich bin für´s erste ganz zufrieden damit, den Eintritt gespart und noch zwei Freigetränke erhalten zu haben - für fünf Minuten Aufmerksamkeit von 100 Zuhörern ist das doch ein fairer Deal.
Und vielleicht lese ich auch irgendwann mal Texte von mir, die das Publikum komisch findet.
Aber zuerst suche ich mir eine anderes Publikum.