Gott

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[) i r k
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Re: Gott

Beitragvon [) i r k » 23.04.2005, 02:34

Nun, ich spreche normalerweise über diese Dinge nicht. Ich bin kein Atheist, d.h. ich glaube an Gott, ich glaube daran, dass er existiert. Aber ich glaube nicht an den Gott des Alten oder Neuen Testaments, diesen Gott halte ich a.) für eine geniale Abstraktionsleistung und b.) für eine wahnsinnig geniale menschliche Erfindung, um Herrschaft zu legitimieren und andere Menschen zu unterdrücken und auszubeuten. Ich könnte das jetzt noch einzeln ausklamüsern, da ich mich mit dem Thema doch zum Teil recht intensiv beschäftigt habe, aber darum geht es ja hier nicht. Es geht um Gottesbilder, es geht um die Frage, wie stelle ich mir Gott vor?

Es heißt in der Bibel, man solle sich kein Bild von Gott machen - und doch, dieses klugen, philosophischen Satzes zum Trotz, braucht der Mensch ständig Bilder. Der Mensch ist ein Wesen, dass in Bildern denkt, das Vorstellungen braucht, Eindrücke, das vor allem das glaubt, was es sieht - und gerade in der Hochzeit der katholischen Kirche, der Zeit der Analphabeten und der lateinischen Messe waren Bilder sehr wichtig, damit die einfachen Menschen die Botschaft verstehen konnten. Niemand weiß, wie Gott "aussieht", die Frage ist an sich schon absurd, und auch niemand kann wissen, wie Jesus und Maria ausgesehen haben. Es gibt da künstlerische Stilisierungen, die gewisse Ähnlichkeitsmerkmale aufweisen und all diese Vorstellungen haben eins gemeinsam: sie sind naiv. Aber genau das ist ja ihr Sinn: dem Naiven, ja, noch dem einfäligsten Menschen Gott näher zu bringen. Und selbst bei der Wahl des jetzigen Pabstes schaute ein sehr fleischlich-menschliches Bildnis Gottes von oben auf die Versammlung der Kardinäle herab. Der Kunstkenner durchschaut natürlich die Bilder und versteht sie als Metaphern, als Allegorien. Aber selbst der abtrakteste Denker hat ein Problem, denn es gibt eben keine Analogien der menschlichen Vorstellungskraft, die in irgendeiner Weise auf Gott zutreffen müssten, und seien sie auch noch so abstrakt wie: Gott ist einzig, allmächtig, barmherzig usw. Anders ausgedrückt: Gott liegt, wenn es ihn denn gibt, in jedem Fall jenseits unserer Vorstellungskraft. Ihn gehen unsere Worte und unsere Logik nichts an, möglicherweise würde er noch nicht mal verstehen, was wir mit Raum und Zeit, Sein und Nicht-Sein, Leben und Tod meinen.

Aber ich schweife wieder ab, und weiche der Frage aus. Wie ich an andere Stelle, glaube ich, schon mal gesagt habe, vertrete ich eine Art naiven Pantheismus. Und, dass er so naiv ist, das ist ein Attribut meines "Glaubens" das mir sehr wichtig ist. Für mich ist Glauben ganz und gar Privatsache und auch niemals Gegenstand eines philosophisch-verstandesmäßigen Diskurses. Besser kann ich das nicht erklären.

Ich glaube fest daran, dass es Gott gibt. Er ist der Ursprung der Welt, die ich wahrnehme, wobei ich es für sehr fragwürdig halte, dass diese Welt aus Materie, Atomen, Quarks, Strings oder was auch immer besteht. Auch das ist etwas, das streng betrachtet, jenseits meines (unseres) Wissenhorizontes liegt. Okay, was ich also defintiv sagen kann, ist: Ich bin. Die Welt ist. Gott existiert. Diese Sätze sind durchaus nicht gesichert. Es kann natürlich sein, dass ich nur ein Gehirn im Tank bin oder meine Welt ist die bösartige Illusion irgendeines durchgeknallten Wissenschaftlers (oder einer Maschine, so wie in der Matrix), auch das ist jenseits meines Erkenntnishorizontes, aber dass die Welt ist, lässt sich wohl unschwer anzweifeln. Dass Gott existiert, glaube ich, weil mir schwindelig wird, wenn ich darüber nachdenke, dass diese Welt in der ich lebe, schon immer existiert haben könnte. Gott verdanke ich also mehr oder weniger meinem Kausalitätsdenken, meinem Wunsch, dass diese Welt eine Ursache, einen Ausgangs- und Angelpunkt (vielleicht auch einen Sinn) hat/haben soll. Obwohl damit das Paradoxon des Fragens natürlich kein Ende hat, denn man kann ja immer weiter nachbohren: Was war, bevor die Welt geschaffen wurde? Und woher stammt Gott selbst, wer oder was hat ihn erschaffen? Und dann steht wieder eine Schildkröte auf dem Rücken der nächsten. Solche Fragen sind außerhalb meiner/unserer Denkkategorien (Raum, Zeit, Kausalität) ziemlich sinnlos, was uns nicht abhält weiter zu fragen: Warum? Warum existiert diese Welt? Warum bin ich hier? Was soll der ganze Mist?

Ich würde mich hier der allgemeinen Conclusio anschließen: der Glaube beginnt ungefähr an dem Punkt, wo unser Wissen ein Ende hat, an der Grenze, wo unsere Fragen ins Nichts führen. Diese Grenze hat sich in den letzten fünfhundert Jahren immer wieder verschoben, aber sie hat immer existiert und sie wird auch immer existieren, solange es Menschen gibt.

Also ich glaube daran, dass Gott existiert und die Welt geschaffen hat, wie auch immer er dieses Kunststück hingekriegt hat (okay, das klingt jetzt etwas flapsig), und ich glaube auch daran, dass ich ihm irgendwie meine eigene Existenz zu verdanken habe. Ich weiß nicht, was Gott ist, wie er aussieht oder was für eine Form er hat (und ich weiß noch nicht mal, ob es Sinn macht, danach zu fragen), aber ich glaube, dass die Welt, die ich sehe, ... (jetzt wird's schwierig) ... eine Form seiner Existenz ist, irgendwie (ich weiß nicht, wie). Dass also jeder Mensch, jeder Stein, jedes Blatt, jede Ameise, die durch den Wald wuselt, jedes Stäubchen, jeder Stern, jede noch so ferne Galaxie, alles, was ist, alles, was ich hören, sehen, greifen, fühlen, schmecken und riechen kann, (irgendwie) Gott oder ein Teil von Gott ist. Präziser ausgedrückt: eine Form seiner Existenz ist, wie die Seite eines Würfels, dessen andere Seiten und Kanten verborgen bleiben. Und mir gefällt (das heißt nicht unbedingt, dass ich daran glaube) auch der Gedanke des principium individuationes, der Individuation, der Vereinzelung und Absplitterung vom Ganzen. Irgendwie sind wir, ist alles, was existiert, ein Stück weit frei und abgelöst von Gott (von dem X, das die Welt geschaffen hat und die Welt ist), oder getrennt und entfremdet, wenn man so will, obwohl er eins und einzig ist. Irgendwie hat er der Welt erlaubt zu existieren, sich zu entfalten, indem er seine eigene Existenz eingeschränkt (oder aufgehoben?) hat. Das ist natürlich hahnebüchen. Gott lacht mich wahrscheinlich gerade aus ... :rofl:

Wie ich schon sagte: mein Glaube ist naiv, ich mache mir so meine Gedanken, und ich rede nicht so gern darüber. Für euch habe ich heute mal eine Ausnahme gemacht.

Es ging hier aber auch um die Frage, wie stelle ich mir Gott als literarisch wirksame Gestalt, als Figur einer Handlung vor. Nun das gäbe es mehrere Varianten:
a.) eine Frau in den Wechseljahren
b.) ein alter, seniler Mann, der nicht weiß, was er tut (so wie in Silentiums großartiger Geschichte "Die Wette")
c.) ein sehr sarkastischer Mann mit Krawatte und Nadelstreifenanzug, so eine Art Managertyp

Weniger handlungswirksam wären dann:
d.) eine Wolke strahlenden Lichts, von der man keinen Sonnenbrand bekommt
e.) irgendetwas Paradoxes, sowas wie ein literarisches Möbiusband oder so
f.) ein großes, überdimensionales Auge
g.) oder etwas archaisch: als eine Art fettleibiger Matrone

Nächtliche Grüße,
[) i r k
"du trittst da fast in die fußstapfen des unseligen dr goebbels und seiner zensur und verdammungsmaschine." (Ralfchen)


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