Liebe Krisenbeobachter.
Glaukos hat geschrieben:hier finde ich deine argumentation nicht schlüssig.
[...]
ich präzisiere: geld ist nicht begrenzt, wenn man es als zahl definiert und die definition der zahl nicht an eine fixe "substanz" bindet. wäre z.b. jedes atom (ein lustiger vergleich ...) 0.0001 euro wert, hätte man doch eine hübsche fixe bewertung. dann nämlich wäre geld tatsächlich auch begrenzt. da wir aber ständig die werte umwerten, auch ständig neue skills schaffen, wird der geldwert wohl ins unendliche schießen. des wachstums wegen. weil menschen stetig materie transformieren in höherwertige strukturen ...
Vielleicht habe ich mich am Ende meines letzten Posts etwas zu verknappt oder auch missverständlich ausgedrückt. Ich werde versuchen, das in diesem Post etwas zu präzisieren. Allerdings setzt das auch voraus, dass ich mit ein paar Marxschen Begriffen hantieren und ein Schuss Mathematik mit ins Spiel bringen muss. Ich möchte dich (und andere geneigte Leser) daher bitten, sich darauf einzulassen und ggf. Rückfragen zu stellen.
Wir müssen erstmal drei Dinge unterscheiden:
1.) Ressourcen
2.) Arbeit (das, was du als Transformation oder Veredelung bezeichnet hast).
3.) Produktivität
4.) Geldfunktion
1.) RessourcenUnter Ressourcen verstehe ich alle natürlich vorkommenden Natur- und Bodenschätze, die unabhängig von menschlicher Arbeit und Kultur existieren, die aber erst durch menschliche Arbeit gebrauchsfähig und in Waren umgewandelt werden (Kohle muss gefördert, Bäume gefällt, Uran muss angereichert, der Boden muss bestellt werden usw.). Diese Ressourcen sind begrenzt: Die Fläche des fruchtbaren Bodens der Welt, die Steinkohle unter der Erde, die Millionen Barrel im Irak, die Tonnen Uran in der Erde von Sibirien, die Anzahl der Fichten in Deutschland
sind begrenzt. An dieser Begrenzung ändert auch die Produktivität des Menschen nichts. Wenn in soundsoviel Jahren die Öl- und Erdgas-Ressourcen der Erde sich zu Ende neigen, wird uns kein noch so effizienter Verbrennungsmotor mehr etwas nützen. Außer bezogen auf Biogas. Aber auch (ein etwas schwierigeres Beispiel) natürliche Energien wie Biogas, Solarenergie oder Windkraft sind begrenzt. Die Solarkraft (und davon abhängig übrigens auch Wind- und Wasserkraft) ist z.B. durch die Emissionen der Sonne begrenzt, die auf die Erde trifft und durch die Atmosphäre bis zum Sonnenkollektor gelangt. Ich glaube, dass kann man ganz konkret in Watt pro Quadratmeter angeben und dieser Wert hängt natürlich vom Breitengrad und Wetterfaktor ab. Andere Energieressourcen sind Kernspaltung und Kernfussion. Letztere könnte sicherlich, wenn die Technologie soweit ist, d.h. sicher und ökonomisch, die Energiefrage der Menschheit ein für alle mal lösen. Nur stellt sich generell die Frage, ob ein Unternehmer ein Interesse daran haben kann, eine Energie auf den Markt zu bringen, die Energie fast kostenlos für alle macht?
2.) ArbeitGlaukos hat geschrieben:die ressourcen der erde ließen sich auch weiter hochtransformieren. sozusagen: veredeln.
Manchmal bist du, ganz intuitiv und mit deinen eigenen Worten, schon sehr nah an Marx dran, der das ungefähr so ausdrücken würde:
Was ist die gemeinsame gesellschaftliche Substanz aller Waren? Es ist die Arbeit. Um eine Ware zu produzieren, muß eine bestimmte Menge Arbeit auf sie verwendet oder in ihr aufgearbeitet werden. Dabei sage ich nicht nur Arbeit, sondern gesellschaftliche Arbeit.
[...]
Eine Ware hat Wert, weil sie Kristallation gesellschaftlicher Arbeit ist. Die Größe ihres Werts oder ihr relativer Wert hängt ab von der größeren oder geringeren Menge dieser in ihr enthaltenen gesellschaftlichen Substanz, d.h. von der zu ihrer Produktion notwendigen relativen Arbeitsmasse.
Quelle: Karl Marx: "Lohn, Preis, Profit" (1865). Zitiert nach: Karl Marx, Friedrich Engels: "Studienausgabe. Band II. Politische Ökonomie." Hrsg. von Irving Fletscher. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1990. S. 184.
Arbeit ist also, kurz zusammengefasst, das, was den Waren und Konsumgütern, die wir kaufen und verbrauchen, überhaupt erst ihren Wert verleiht. Die Kohle, ungefördert, tief in der Erde, hat keinen Wert. Sie erlangt diesen Wert erst durch menschliche Arbeit. Ein Grund für den Niedergang der Kohle- und Stahlindustrie im Ruhrgebiet: Chinesische Arbeitskraft ist (derzeit) billiger als deutsche. Daher wurde es irgendwann billiger, die Kohle und den Stahl aus China zu importieren.
3. ProduktivitätUnd nochmal lauschen wir dem O-Ton von Marx:
Die in gegebener Arbeitszeit oder mit gegebenem Arbeitsquantum erzeugte Zahl oder Masse von Waren hängt ab von der Produktivkraft der angewandten Arbeit und nicht von ihrer Dauer oder Länge. Mit dem einen Grad der Produktivkraft der Spinnarbeit z.B. mag ein Arbeitstag von 12 Stunden 12 Pfund Garn produzieren, mit einem geringeren Grad nur 2 Pfund.
Quelle: Ebd. S. 200.
Die Armut und der Aufstand der Weber im 19. Jahrhundert ist z.B. auf eine Änderung der Produktivität (bei Marx "Produktivkraft") zurückzuführen. Menschliche Handarbeit wurde durch Dampf betriebene, maschinelle Webstühle ersetzt. Die Produktivität stieg, der Wert der Waren fiel, weil zur Fertigstellung einer Ware im gesellschaftlichen Durchschnitt weniger Arbeitskraft notwendig wurde. Und deshalb hungerten die Weber.
Diese steigende Produktivität kann man auch heute aller Orten beobachten. Wenn ein Autobauer bei gleich bleibenden oder steigenden Absatzzahlen seiner Fahrzeuge, einige tausend Arbeiter entlassen kann, ist das auf eine Produktivitätssteigerung zurückzuführen. Die gleiche Anzahl von Fahrzeugen werden mit weniger Arbeitskraft gefertigt.
Die Krise der Musikindustrie, die in dem Interview mit Jaron Lanier angesprochen wird, kann man auch als eine Veränderung der Produktivität (anstatt wie er als eine Veränderung der Ideologie betrachten). Faktisch war die Produktion und die Reproduktion von Musik noch nie so effizient und preiswert wie heute. Im 16. Jahrhundert hat man ein ganzes Orchester benötigt, um Musik zu hören, heute reicht ein Klick, um Gigabyte Daten auf einen MP3-Player zu kopieren.
Am deutlichsten kann man diese Produktivitätsentwicklung in der Landwirtschaft sehen: Vor der Industrialisierung war das (in Europa und Nordamerika) der Wirtschaftszweig, wo die mit Abstand meisten Menschen beschäftigt waren. Die Großteil der Arbeitskraft wurde zur Herstellung von Lebensmitteln aufgewendet. Heute ist dafür nur noch ein Bruchteil der (gesamtgesellschaftlichen) Arbeitskraft notwendig. Darum ist auch der Wert von Lebensmitteln wie Brot, Milch, Butter etc. seit 200 Jahren immer weiter gesunken. (Der historische Wert einer Ware berechnet sich dabei anhand der durchschnittlichen Arbeitszeit, die zum Erwerb aufgebracht werden muss. Musste ein Arbeiter z.B. 1810 eine Stunde arbeiten, um ein Brot zu kaufen, so muss er 2010 durchschnittlich nur 15 min. arbeiten, um ein Brot zu kaufen. Die Werte habe ich jetzt geschätzt - sie dienen mehr der Veranschaulichung.)
Glaukos hat geschrieben:das geld bzw. der geldwert wiederum koppelt sich m.e. an die vorhandenen werte.
Jetzt eine Quizfrage: Wenn die Produktivität ständig steigt und der Wert der einzelnen Waren sinkt, weil pro Ware im gesellschaftlichen Mittel immer weniger Arbeitskraft notwendig wird, warum steigt dann trotzdem die Geldmenge (die ja deines Erachtens an die vorhandenen Werte gekoppelt ist) unaufhörlich an? Ist doch irgendwie unlogisch.
4. GeldfunktionIch fasse nochmal kurz zusammen, was wir bis hier haben:
1.) Ressourcen sind begrenzt, es lässt sich ein quantitatives Maximum angeben.
2.) Der Wert von Waren und Konsumgütern entsteht allein durch die darin manifestierte gesellschaftliche Arbeit.
3.) Die Produktivität ist (zumindest in der westlichen Welt) in den letzten 200 Jahren ständig angestiegen. Durch die Produktivität werden sowohl Quantität als auch Qualität der produzierten Waren erhöht, aber gleichzeitig sinkt stetig der Anteil der in der Ware manifestierten gesellschaftlichen Arbeit und damit ihr Wert.
Nun habe ich behauptet:
Die natürliche Ressourcen der Erde sind begrenzt. Geld nicht. Das macht Blasen und Crashs notwendig.
Das will ich jetzt näher erklären. Dafür muss man sich aber die wichtigsten Funktionen des Geldes vergegenwärtigen:
a.) Werterhaltungsfunktion
b.) Zinseszins-Funktion
c.) Kredit-Funktion
a.) WerterhaltungsfunktionEgal, welchen materiellen Konsumgegenstand ich auch nehme, der Erhalt seines Wertes hängt immer von menschlicher Arbeit ab. Wenn ich z.B. ein Haus kaufe und mich nicht darum kümmere, werden sich nach ein paar Jahren Risse zeigen. Irgendwann werden die Scheiben kaputt gehen, das Holz wird marodieren und das Dach wird durch Stürme abgedeckt werden. Es würde (ohne menschliche Arbeit) mit der Zeit an Wert verlieren. Bei Geld verhält sich das anders. Es ist ein
normatives Konstrukt, das von dem materiellen Verfall, dem realen Verschleiß, der bei sämtlichen Konsum- und Gebrauchsgüter auftritt, grundsätzlich nicht betroffen ist. Wenn ich das Geld für den Hauskauf zu 4-5 % Zinsen anlege und vorausgesetzt, dass sich die Inflation weiterhin stabil zwischen 0 und 4 % bewegt, verliert mein Geld (ohne, dass ein Joule menschlicher Arbeit dafür aufgewendet wird) auch nach 50 Jahren nicht seinen Wert. Dasselbe würde wahrscheinlich mit einem (materiell vorhandenen) Barren Gold passieren, da Gold noch immer eine ähnliche Werterhaltungsfunktion besitzt (besonders in Krisenzeiten, wenn Papier- oder Bankgeld weginflationiert wird).
b.) Zinseszins-Funktiondas geld bzw. der geldwert wiederum koppelt sich m.e. an die vorhandenen werte.
Ich behaupte, das ist eine sehr naive Vorstellung davon, wie Geld entsteht, welche gesellschaftliche Funktion Geld erfüllt und wie sich globale Geldmengen entwickeln. Geld ist eben kein Äquivalent von natürlichen vorhandenen, begrenzten Ressourcen (z.B. Gold) oder menschlicher Arbeit (in Form von produzierten Waren). Und die Geldmenge entwickelt sich (leider) auch nicht parallel zur Produktivität einer Gesellschaft, auch wenn man uns das gern glauben machen möchte.
Dazu drei Einführungsbeispiele:
Erstens: Das Geldmengen-ParadoxonStellen wir uns in einem Gedankenexperiment vor, es gäbe auf der Welt nur eine Bank und eine Geldmenge von x = 1000 Talern. Diese Bank verleiht an zehn Personen jeweils einen Betrag von 100 Talern zu einem Prozentsatz von 1 Prozent pro Jahr. Nach einem Jahr würde das Soll der zehn Schuldner bereits auf 1010 Taler angewachsen sein. Wie aber können Sie die Schuld jemals zurückzahlen, wenn die Geldmenge auf x = 1000 begrenzt ist? Es gibt nur ein paar Lösungsmöglichkeiten für dieses Gedankenexperiment:
a.) Die Geldmenge muss an irgendeiner Stelle künstlich geändert werden, z.B. könnten die Schuldner selbst Taler prägen, um den Zins bezahlen zu können. Folge: Die Geldmenge würde stetig anwachsen.
b.) Wir könnten uns vorstellen, dass Produktivität und Arbeitskraft der Schuldner ein Wertäquivalent schaffen, dass dem Prägen einer (oder mehrere) Münzen pro Jahr entspricht. Folge: Die Geldmenge würde (parallel zu dieser Produktivität) stetig anwachsen.
c.) Die Schuldner könnten eine Art Umschuldung betreiben, indem sie sich gegenseitig Taler leihen, um der Bank die Zinsen zu bezahlen. Beispielweise könnte einer der Kreditnehmer an die neun anderen Schuldner 9 Taler verleihen, damit diese zum Jahresende ihre Zinsen an die Bank bezahlen - und er könnte ein profitables Geschäft daraus machen, indem er 2 Prozent pro Jahr verlangt. Folge: Die Geldmenge würde eine Weile stabil bleiben, aber durch die Neuaufnahme von Schulden und den höheren Zinssatz, müsste es hier irgendwann zu einem Zusammenbruch kommen. Das Problem ist nicht gelöst, sondern nur hinausgezögert. An einem berechenbaren Punkt würde auch die gesamte Geldmenge nicht mehr ausreichen, die Zinsschuld auszugleichen.
Zweitens: Die KernkapitalquoteWir haben (und auch ich hatte) die naive Vorstellung, dass Banken das Geld verleihen, das sie tatsächlich auch besitzen oder das durch Einlagen abgesichert ist. Dem ist aber keineswegs so. Die in Deutschland festgeschriebene Kernkapitalquote liegt bei 4%. Ein deutsches Kreditinstitut mit einem Eigenkapital von 1.000.000 Euro sollte also (wenn ich das richtig verstehe) rechtlich in der Lage sein, Kredite über 24.000.000 zu vergeben.
Drittens: Der JosephspfennigSiehe auch:
JosephspfennigJetzt wird's ein bisschen mathematisch. Ist aber ganz spannend, wenn man das einmal verstanden hat. Die Formel zur Berechnung des Zinseszins sieht folgendermaßen aus:
Oder in Worten: Kapital nach
n Jahren Laufzeit ist gleich Startkapital mal (1 plus Zinssatz
p geteilt durch 100) potenziert mit der Anzahl der Jahre
n.
Jetzt stellen wir uns vor, dass der Vater von Jesus Christus zu dessen Geburt den Gegenwert von nur einem Euro-Cent (denn er war ja ein armer Mann) auf einem Sparbuch zu einem moderaten Sparkassen-Zinssatz von 2,5 Prozent angelegt hätte. Stellen wir uns weiterhin vor, dass der letzte lebende Nachfahre von Jesus (in Anlehnung an den Da Vinci Code) heute dieses Sparbuch fände (ein altes Pergament wie die Schriftrollen von Qumran) und zu dem durch ein christliches Finanzwunder noch existenten Geldinstitut (z.B. der Vatikanbank
) gehen würde. Die würden dann fix die Formel anwenden und folgendes käme dabei heraus:
In den ersten Jahren der Geldanlage ist das ursprüngliche Kapital, der sogenannte Josephspfennig, nur langsam angewachsen. Aber wie man an der mathematischen Formel für den Zinseszins erkennen kann, ist das eine exponentielle Funktion. Das heißt, durch den einfachen Umstand, dass am Ende des Jahres der Zinsgewinn wieder dem für das kommende Jahr zu verzinsenden Grundkapital hinzu addiert wird, entsteht eine Steigungskurve, die mit der Zeit immer steiler anwächst. So ist der Josephspfennig nach Ablauf von 2010 Jahren auf wahnsinnige 35 Trillionen Euro oder (zum heutigen Tauschwert umgerechnet) 1,4 Billionen Tonnen Gold angewachsen.
Das meinte ich grundlegend damit, dass Geld nicht wie andere Ressourcen begrenzt sei. Geld entwickelt sich, gemäß seiner wichtigsten mathematischen Grundfunktion, immer exponentiell, während Produktivität und Wachstum eher einem linearen Wachstum entsprechen. Das hat zur Konsequenz, dass es ab einem gewissen Punkt immer zu einer Schere, zu einem Auseinanderdriften von real-wirtschaftlichem Wachstum und normativer Geldfunktion kommen muss:
Dunkelgrün: Fiktive Wachstumskurve einer Volkswirtschaft
Hellgrün: Regression der Wachstumskurve / Vorhersagewert
Rot: Skizzierter Kurvenverlauf von verzinstem KapitalDie Folge sind Krisen wie Inflation, Spekulationsblasen, Börsencrashs, Staatsverschuldung, Staatsbankrott, Währungsreformen, die durch die unaufhaltsam ansteigende Geldmenge provoziert werden. Es findet ein (fast gewaltsamer) Ausgleich zwischen der realen und der normativen Ökonomie statt.
Dazu noch ein paar Zitate aus der Wikepedia:
Der Zinseszinseffekt gilt als Hauptgrund für das Anwachsen der Staatsschulden. Die Staatsschulden und die Zinslasten wachsen auf Grund mathematischer Gesetzmäßigkeiten (Zinseszins- und Rentenrechnung) nicht linear, sondern mit progressiver Eigendynamik in Höhe des Zinseszinssatzes (exponentielles Wachstum).
BeispielDas Anfangskapital beträgt 1.000 Euro, dessen Zinsen jährlich nicht wieder angelegt, sondern entnommen werden, verzinst zu 10 Prozent, hat sich nach 50 Jahren auf 6.000 Euro erhöht. Werden die jährlichen Zinsen aber jeweils dem neu anzulegenden Betrag zugeschlagen (kapitalisiert), kann der Zinseszins dagegen seine Wirkung voll entfalten, denn aus den anfänglichen 1.000 Euro wird bei ansonsten unveränderten Parametern eine Summe von 117.390 Euro. Dieser Effekt wird zum „modernen Schuldturm“ bei Kreditaufnahmen, wenn die Kreditzinsen nicht bezahlt werden (können) und dann im nächsten Jahr mitverzinst werden.
Quelle:
Zinseszins
Stell dir mal die jetzt im Umlauf befindlichen Geldmengen vor, die wir ja irgendwo im Trillionenbereich beziffern müssen, und wende darauf die Zinssatz-Formel über einen Zeitraum von nur 10 Jahren an!
c.) Kredit-Funktion"Schauen wir uns einmal die Funktion des Geldes in der Gesellschaft an. Gäbe es einen unbegrenzten Vorrat an Geld, wäre Geld absurd, andererseits aber darf der Geldvorrat auch nicht zu knapp sein. Eine künstliche Knappheit, die von der Zentralbank reguliert wird, ist gleichsam in einer homöopathischen Dosis nötig, um die Wirtschaft florieren zu lassen."
Das ist auch nur die halbe Wahrheit, fürchte ich.
Klar, ein unbegrenzter Vorrat an Geld würde es seiner gesellschaftlichen Funktion berauben. Es wäre ab einem gewissen Punkt wertlos. Ich würde für mein Brot in der Bäckerei erst 300, dann 300.000 und dann 3 Billionen Euro bezahlen. Und irgendwann würde wahrscheinlich das Papier mehr wert sein als die Zahl, die darauf steht.
Aber, wie wir oben gesehen haben, steigt die Geldmenge theoretisch immer weiter an. Faktisch auch, denn
genau dadurch wurde die Finanzkrise, über die wir hier sprechen, ausgelöst:
Die Geldmenge in den USA wächst rasant. Dies sehen Sie am Chart. Gegenüber 1990 ist die Geldmenge M2 (Einlagen mit maximal drei Monaten Kündigungsfrist) fast 3mal so hoch, wohingegen die Wirtschaft immer nur um 3 Prozent bis 5 Prozent wächst - in guten Jahren.
Quelle:
http://www.gevestor.deDie rote Linie zeigt die M3 Entwicklung und die blaue Linie die Inflationsrate.
Quelle:
http://www.goldseiten.deIm Juli 2008 ist das Wachstum der Geldmenge M3 in den USA gegenüber dem Vorjahr von 19 Prozent auf nur noch 2,1 Prozent regelrecht kollabiert. Was Analysten als Beinahe-Zusammenbruch bezeichnen, dürfte gar nicht verkehrt sein, denn immerhin war es das ungezügelte Wachstum der Geldmenge M3, welches zum Teil zur aktuellen Finanzkrise beigetragen hat.
Quelle:
http://www.webnews.de
Darum finde ich die Erklärung von Jaron Lanier auch äußerst unbefriedigend. Sie erklärt das Soll, aber nicht das Ist. Sie erklärt den Wunschzustand, aber nicht das Zustandekommen der Finanzkrise.
Was aber ist die
faktische gesellschaftliche Funktion des Geldes?
Neben dem Laufzeitfaktor ist der Zinseszins damit die wichtigste Vermögenserhöhungs- und Schuldenvergrößerungsursache.
Quelle:
Zinseszins
Reduziert und auf eine einfache Formel gebracht bedeutet das:
a.) Sie macht die einen zu Schuldnern und die anderen zu Gläubigern.
b.) Sie wirkt normativ. Oder anders ausgedrückt: Sie ist ein Instrument der Herrschaft.
c.) Sie wirkt kumulativ. Die Gruppe der Gläubiger wird immer kleiner und die Gruppe der Schuldner wird immer größer. Das System ist schon mathematisch so konstruiert, dass eine Konzentration/Monopolisierung des Geldes stattfindet.
* * *Glaukos hat geschrieben:du hast einen schönen eingang mit : "lieber tolya, liebe spekulanten" gewählt.
Tja, ich selbst
spekuliere in diesem Thread ja auch fleißig vor mich hin. Vielleicht war das ja so etwas wie eine selbst-referentielle Anrede.
Glaukos hat geschrieben:ich freue mich daran (sic!), deine worte hier zu lesen, sie wirken profund und wohlüberlegt.
*rotwerd* Glaukos hat geschrieben:ich hatte einige der artikel schon gelesen, aber verstehen kann ich weder die artikel noch deine ausführungen hier.
Kann ich gar nicht glauben... was ist so schwierig daran?
Glaukos hat geschrieben:aber über dieses thema denken nichtmal professoren (der geisteswissenschaften, zu denen ich - frecherweise? - die wirtschaftswissenschaften nicht rechne) nach.
Glaube ich nicht, gibt doch genug Bücher und Analysen und Experten-Wortmeldungen in der Presse. Außerdem ist die (seriöse) Wissenschaft immer ein bisschen langsamer. Da wird die jetzige Krise wahrscheinlich in aller Ruhe in einem 4jährigen Forschungsprojekt analysiert und die Ergebnisse werden dann 2014 in Fachjournalen und Büchern vorgestellt, die dann aber (fast) niemand mehr liest, weil es dann neue Epizentren der Hysterie geben wird.
Glaukos hat geschrieben:bzw. scheitern sie an der (vermeintlichen?) komplexität.
Ich habe nichts gegen Komplexität, im Gegenteil, ich finde es sehr spannend, mich mit komplexen Themen zu beschäftigen und sie (für mich, nicht unbedingt wissenschaftlich) auf einfache Formeln zu reduzieren. Kein Erkenntnisprozess kommt ohne solche Induktionsprozesse aus. Und apropos "scheitern" - mit meiner Trial-and-Error-Erkenntnis-Methode scheitere ich auch immer wieder.
Glaukos hat geschrieben:ich erkenne zwei eigenartige parallelen: sowohl die weltwirtschaft als auch das klima scheinen die global interessantesten fragen der gegenwart zu evozieren.
Klima oder etwas allgemeiner (da die steigende Erderwärmung ja nur ein Teilproblem ist): Umweltschutz, Bevölkerungswachstum und Ressourcenverteilung, halte ich für das Kernthema des 21. Jahrhunderts. Es wird das Jahrhundert prägen und wahrscheinlich wird der Begriff Geopolitik dadurch eine Renaissance erfahren. Während es heute bei globalen Konflikten häufig um wertvolle Rohstoffe wie Öl, Erdgas oder Edelmetalle geht, wird es in ca. 50 Jahren vermutlich bereits um grundlegende Ressourcen wie Wasser oder fruchtbaren Boden gehen. Die Ungleichverteilung dieser Ressourcen ist für mich die
soziale Frage, die das größte Konfliktpotential der Zukunft in sich trägt - und natürlich hängt das auch wieder mit dem Thema "Weltwirtschaft" zusammen und damit, wie die globalen Märkte organisiert sind.
Glaukos hat geschrieben:vielleicht sollte ich noch die dimension der mikroorganismen hinzunehmen, ängste vor schweinegrippe & co sind auch noch weit verbreitet...
Für mich hängt das Thema Viren auch mit dem oben genannten Themenkomplex zusammen, insbesondere dem Thema Bevölkerungswachstum. Vom anthropozentrischen Standpunkt aus betrachtet, sind Viren eine Bedrohung. Vom biologischen System aus betrachtet erfüllen Viren eine wichtige Funktion, nämlich eine Art, die keine Fressfeinde mehr hat und deren Population zu stark ansteigt, zu dezimieren und wieder das natürliche Gleichgewicht herzustellen. Das rasante Bevölkerungswachstum und Tier-Mensch-Ballungszentren begünstigen sowohl die Entstehung neuer Arten (Mutation), als auch die Wahrscheinlichkeit der Übertragung (Infektion). Eigentlich muss die Menschheit zwei Probleme auf einmal managen: Therapiemethoden gegen neue und aggressivere Virenstämme entwickeln und zugleich das ungebremste Bevölkerungswachstum in den Griff kriegen.
Glaukos hat geschrieben:im moment können wir vermutlich wirklich nicht mehr, als informationen über das klima und auch die weltwirtschaft zu sammeln, um sie dann mit zu schaffenden softwares zu analysieren. für klare konzepte und strategien scheint mir die zeit noch nicht reif; auch, weil die interessen der einzelnen "akteure" sich oft gravierend unterscheiden.
Das sehe ich anders. Was Umwelt, Bevölkerung und Ressourcen angeht, sind die Entwicklungen eindeutig und erfordern klare Strategien. Dass sich Akteure nicht einigen können, weil sie unterschiedlich Interessen verfolgen, ist ein Problem der Kooperation und ein schlechtes Argument, politische Entscheidungen aufzuschieben. Die Fakten sind dieselben - sie werden nur unterschiedlich interpretiert.
@sven1421
sven1421 hat geschrieben:Was Marx über den Kapitalismus schrieb, stimmt mit dem persönlichen Kennenlernen nach der Wende immer wieder in den verschiedensten Lebensbereichen erschreckend überein.
Was er als Ausweg anbot - den Kommunismus - hört sich in der Theorie auch verdammt schön an. Scheitert in der Praxis nur leider an einem nicht ganz unwesentlichen Detail: dem Menschen.
Ganz meine Meinung. Wie ich bereits an früherer Stelle in diesem Thread schrieb:
[) i r k hat geschrieben:Bei Marx und seinem dialektischen Denken wundert mich immer die Vorstellung, dass diese "gesellschaftliche" Dialektik jemals in einem Zustand aufgehoben werden könnte. Ich meine, vielleicht verstehe ich ihn falsch, aber für mich verläuft da ein fundamentaler Graben zwischen seiner materialistischen Philosophie/ökonomischen Analyse/Geschichtsdeutung auf der einen Seite - alles drei intellektuell bewundernswerte Leistungen und in vielerlei Hinsicht richtungsweisend - und der dann für das 20. Jahrhundert so verhängnisvoll gewordenen idealistischen Prognose auf der anderen Seite.
Allerdings teile ich deine Prämisse...
sven1421 hat geschrieben:Denn der ist, wie jeder aufmerksame Bibelleser weiß, schon von Geburt an schlecht.
... nicht.
a.) Wo steht das in der Bibel?
b.) Und, wie würdest du das mit deinem Menschenbild und mit genetischen/psychologischen Theorien untermauern?
Und ich finde die Prämisse auch zu fatalistisch.
MfG,
[) i r k