Gedanken (1)
Verfasst: 19.02.2014, 01:55
Früher habe ich alles in moralischen Kategorien gemessen. Sehr strikt bin ich dabei vorgegangen. Das war einfach. „Wenn man weiß, wer der Feind ist, hat der Tag Struktur“, sagte der Kabarettist Volker Pispers einmal. Auch wenn Pispers als politisch sehr links stehender Mensch meine auf seinem Spruch aufbauende Überlegung wohl nicht teilen wird: Ich spüre, wie ich mich mehr und mehr verändere, weniger moralisch werde. Ich will versuchen, diesem Gedanken zu folgen, ihn zu vertiefen, zu begründen. Ihn zu teilen, ohne das andere Menschen ihm folgen müssen. Letzteres, da ich in letzter Zeit mehrere Entwicklungen bei mir feststelle, die sich so zusammenfassen lassen: Mein Empörungspotenzial sinkt bei gleichzeitigem Ansteigen meinen Aneckpotentials und bei all dem bin ich meist ruhig und ausgeglichen. Oder anders: Ich rege mich viel weniger als früher über meine Verfehlungen oder über gesellschaftliche Missstände auf. Manche Menschen regen sich dafür umso stärker über meine Ansichten auf. Und beides stört mich kaum. Ich fühle mich wohl in meiner Haut. Das ist neu. Das ist schön.
Früher war meine Welt, wie bereits erwähnt, recht einfach. Für mich war einfach alles eine prinzipielle Frage. So handle ich und so handle ich nicht. Das ist gut, das ist böse. Fertig. Innerhalb dieses starren Korsetts ließ es sich leben. Zwar eingezwängt, aber immerhin eingezwängt in einen festen Wertekanon. Eine meiner intensivsten moralischen Erkenntnisse als junger Mensch war es, dass man andere Menschen nicht schlecht behandeln darf. Das klingt banal und das war es vermutlich auch. Ihre Intensität gewann diese Erkenntnis nicht aufgrund ihrer Komplexheit, sondern aus ihrer strikten Anwendung, die sich wiederum aus eigenem negativen Erleben speiste. Ich habe erlebt, wie es ist, wenn die Welt, die sich damals in die häusliche und die schulische Welt teilte, sich gegen einen verschwört.
Ich zog daraus den Schluss: Ich will gut sein. Mein Verhalten betrachtete ich oft in einem größeren Kontext. Nicht nur bei Aufgaben, die mich (über-)forderten, ging es gefühlt ständig um Leben und Tod, stand alles auf dem Spiel. Auch bei Handlungen, die den Bereich der Moral betrafen, die die Frage akut werden ließen, wie zu handeln „gut“ sei. Ich legte an mich sehr enge Maßstäbe bei der Bewertung meines Verhaltens an. An mich und an andere. So wurde ich Moralist. Und Idealist.
Mit dem Idealismus ist es allerdings eine dumme Sache. Wie jede Revolution muss er zwangsläufig in die Enttäuschung führen. Die Realität verhöhnt ihn und spielt ihm beständig Streiche. Das ist schon dann problematisch, wenn der Idealismus nur für einen selbst gilt. Schließlich bleibt man selbst beständig hinter den eigenen Erwartungen zurück. Kein Mensch ist perfekt. Wieder eine banale Erkenntnis, mit der es umzugehen gilt. Sozusagen total problematisch wird es allerdings, wenn der eigene Idealismus auch noch für alle anderen Menschen gelten soll. Dann heißt es nämlich nicht „So handle ich und so handle ich nicht“, sondern „Alle anderen sollen so handeln und nicht anders“. Die Umsetzung dieses Unterfangens ist zum Scheitern verurteilt. Die perfekt funktionierende Weltherrschaft nehme ich von dieser Überlegung aus, aber seit ich denken kann, war ich an ihr nie wirklich nah dran.
Also litt ich nicht nur an mir, sondern auch an der Welt. Nicht nur ich genügte nicht den Ansprüchen. Die anderen Menschen taten es ebenfalls nicht. Dabei, verdammt noch mal, musste das ja wohl drin sein. Es musste möglich sein, dieser Welt und ihren Bewohnern stets humanistisch, freundlich, vernünftig, fair, ehrlich und anständig gegenüberzutreten. Mich in meinem Körper wohl zu fühlen, mich vernünftig zu ernähren, auf mein Äußeres zu achten, beruflich und sportlich erfolgreich zu sein, eine phantastische Beziehung ohne jeden Makel und mit hinreißendem Sex zu führen und überhaupt alles richtig zu machen, was es richtig zu machen gab. Diese Aufgabe kam mir nicht zu groß vor. Schließlich wollte ich wirklich alles besser machen. Nicht weniger als Heiligkeit und Perfektion waren gefragt. Und das erwartete ich auch von den anderen Menschen. Wie konnten sie Kriege führen, die Ressourcen des Planeten ausbeuten, ihre Mitmenschen schlecht behandeln, selbst in kleinsten Fragen des menschlichen Miteinanders? Das musste dringend ein Ende haben. Also machte ich mich ans Werk...
Wird fortgesetzt…
Früher war meine Welt, wie bereits erwähnt, recht einfach. Für mich war einfach alles eine prinzipielle Frage. So handle ich und so handle ich nicht. Das ist gut, das ist böse. Fertig. Innerhalb dieses starren Korsetts ließ es sich leben. Zwar eingezwängt, aber immerhin eingezwängt in einen festen Wertekanon. Eine meiner intensivsten moralischen Erkenntnisse als junger Mensch war es, dass man andere Menschen nicht schlecht behandeln darf. Das klingt banal und das war es vermutlich auch. Ihre Intensität gewann diese Erkenntnis nicht aufgrund ihrer Komplexheit, sondern aus ihrer strikten Anwendung, die sich wiederum aus eigenem negativen Erleben speiste. Ich habe erlebt, wie es ist, wenn die Welt, die sich damals in die häusliche und die schulische Welt teilte, sich gegen einen verschwört.
Ich zog daraus den Schluss: Ich will gut sein. Mein Verhalten betrachtete ich oft in einem größeren Kontext. Nicht nur bei Aufgaben, die mich (über-)forderten, ging es gefühlt ständig um Leben und Tod, stand alles auf dem Spiel. Auch bei Handlungen, die den Bereich der Moral betrafen, die die Frage akut werden ließen, wie zu handeln „gut“ sei. Ich legte an mich sehr enge Maßstäbe bei der Bewertung meines Verhaltens an. An mich und an andere. So wurde ich Moralist. Und Idealist.
Mit dem Idealismus ist es allerdings eine dumme Sache. Wie jede Revolution muss er zwangsläufig in die Enttäuschung führen. Die Realität verhöhnt ihn und spielt ihm beständig Streiche. Das ist schon dann problematisch, wenn der Idealismus nur für einen selbst gilt. Schließlich bleibt man selbst beständig hinter den eigenen Erwartungen zurück. Kein Mensch ist perfekt. Wieder eine banale Erkenntnis, mit der es umzugehen gilt. Sozusagen total problematisch wird es allerdings, wenn der eigene Idealismus auch noch für alle anderen Menschen gelten soll. Dann heißt es nämlich nicht „So handle ich und so handle ich nicht“, sondern „Alle anderen sollen so handeln und nicht anders“. Die Umsetzung dieses Unterfangens ist zum Scheitern verurteilt. Die perfekt funktionierende Weltherrschaft nehme ich von dieser Überlegung aus, aber seit ich denken kann, war ich an ihr nie wirklich nah dran.
Also litt ich nicht nur an mir, sondern auch an der Welt. Nicht nur ich genügte nicht den Ansprüchen. Die anderen Menschen taten es ebenfalls nicht. Dabei, verdammt noch mal, musste das ja wohl drin sein. Es musste möglich sein, dieser Welt und ihren Bewohnern stets humanistisch, freundlich, vernünftig, fair, ehrlich und anständig gegenüberzutreten. Mich in meinem Körper wohl zu fühlen, mich vernünftig zu ernähren, auf mein Äußeres zu achten, beruflich und sportlich erfolgreich zu sein, eine phantastische Beziehung ohne jeden Makel und mit hinreißendem Sex zu führen und überhaupt alles richtig zu machen, was es richtig zu machen gab. Diese Aufgabe kam mir nicht zu groß vor. Schließlich wollte ich wirklich alles besser machen. Nicht weniger als Heiligkeit und Perfektion waren gefragt. Und das erwartete ich auch von den anderen Menschen. Wie konnten sie Kriege führen, die Ressourcen des Planeten ausbeuten, ihre Mitmenschen schlecht behandeln, selbst in kleinsten Fragen des menschlichen Miteinanders? Das musste dringend ein Ende haben. Also machte ich mich ans Werk...
Wird fortgesetzt…