Im Land der letzten Dinge
Verfasst: 07.01.2009, 13:25
Hallo Khadija,
ich beginne unsere Diskussion über Paul Austers „Im Land der letzten Dinge“ mit dem, was mir zu dem Buch spontan einfällt. Das soll auch so ein kleines Experiment sein, um später feststellen zu können, ob und wie sich meine Meinung über das Buch verändert hat. Ich habe das Buch nicht vor mir und es ist auch schon einige Zeit her, dass ich es las. Folgendes fällt mir dazu ein:
Dieses Buch hat damals einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Das liegt zum einen an der weiblichen Hauptfigur. Ich kannte damals eine Frau, der ich ohne Umschweife zugetraut hätte, sich in dieser Welt durchzuschlagen. Somit hatte ich die Figur immer ganz genau, in Fleisch und Blut sozusagen, vor mir, was mir das Buch unter anderem sehr lebensnahe erscheinen ließ. Dies jedoch ist ein personaler Grund, vermutlich wenig geeignet zum Diskutieren.
Wesentlich ergiebiger ist da wohl schon eine von mir selbst gewählte Bezeichnung für das Werk, nämlich „Globalisierungsbuch“. Ich hatte vom ersten Moment an das Gefühl, dass es sich um ein sehr zeitkritisches Werk handelt. Zeitkritisch, ohne aufdringlich zu sein. Wenn man es in einem ersten Zugriff auf den Kern zurückführt, so schildert Auster eine Welt, in der auf nichts mehr Verlass ist. Es gibt keinen Halt. Das Einzige Beständige sind die rasanten Veränderungen, doch selbst deren Tempo variiert. Die Aufgabe der Menschen ist es, damit zurecht zu kommen, fast vollständig auf sich selbst zurück geworfen zu sein. Denn selbst enge soziale Beziehungen, ein Kitt jeder Gesellschaft, sind sehr brüchig geworden.
Hier ist der Schlenker einzufügen, dass die Ausdifferenzierung des Facettenreichtums, mit dem die Menschen dieser Welt begegnen, sehr detailliert beschrieben ist, ohne langweilig zu sein. Am Anfang hatte ich das Gefühl, jetzt könne doch langsam mal der Hauptcharakter ins Spiel kommen und richtig charakterisiert werden, doch da Auster diese Aufgabe alsbald prima angeht, stört mich das in der Gesamtschau nicht weiter.
Was die Erzählform angeht, so fand ich die Erste Person, also Anna Blume in der Ich-Form, sehr treffend gewählt. Ein allwissender Erzähler hätte schlecht zum Thema des Buches gepasst. Gerade die Tatsache, dass Anna auch viel nicht weiß, nicht versteht, nicht erklären kann, hat mich als Leser gefesselt. Ihre Unsicherheit über das, was „so sein soll“, „was man so hört“ usw. übertrug sich auf mich und war ein zusätzliches Spannungselement.
Ferner Anna Blume selbst. Neben dem eben angeführten personalen Grund machte sie auf mich immer den Eindruck einer toughen und begehrenswerten Frau, welche dennoch bis an ihre Grenzen gehen muss, um zu überleben. Dieser „Widerspruch“ machte das Buch für mich zusätzlich interessant. Anna bejammert die Situation nicht. Natürlich fühlt sie sich nicht wohl, doch sie kämpft und versucht, damit klar zu kommen. Trotzdem kommt sie kaum ein Stück vorwärts, außer man bezeichnet das fortwährende Überleben als Fortschritt. Gerade aus dieser Situation zog das Buch für mich eine enorme Spannung.
Jetzt, wo ich darüber nachdenke, merke ich, dass ich noch viel mehr schreiben könnte. Über den Namen „Anna Blume“, über die Liebe, über die flüssige Erzählung Austers, über so manches. Ich widerstehe aber der Versuchung – und erkläre die Diskussion für eröffnet.
Liebe Grüße,
Hamburger
ich beginne unsere Diskussion über Paul Austers „Im Land der letzten Dinge“ mit dem, was mir zu dem Buch spontan einfällt. Das soll auch so ein kleines Experiment sein, um später feststellen zu können, ob und wie sich meine Meinung über das Buch verändert hat. Ich habe das Buch nicht vor mir und es ist auch schon einige Zeit her, dass ich es las. Folgendes fällt mir dazu ein:
Dieses Buch hat damals einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Das liegt zum einen an der weiblichen Hauptfigur. Ich kannte damals eine Frau, der ich ohne Umschweife zugetraut hätte, sich in dieser Welt durchzuschlagen. Somit hatte ich die Figur immer ganz genau, in Fleisch und Blut sozusagen, vor mir, was mir das Buch unter anderem sehr lebensnahe erscheinen ließ. Dies jedoch ist ein personaler Grund, vermutlich wenig geeignet zum Diskutieren.
Wesentlich ergiebiger ist da wohl schon eine von mir selbst gewählte Bezeichnung für das Werk, nämlich „Globalisierungsbuch“. Ich hatte vom ersten Moment an das Gefühl, dass es sich um ein sehr zeitkritisches Werk handelt. Zeitkritisch, ohne aufdringlich zu sein. Wenn man es in einem ersten Zugriff auf den Kern zurückführt, so schildert Auster eine Welt, in der auf nichts mehr Verlass ist. Es gibt keinen Halt. Das Einzige Beständige sind die rasanten Veränderungen, doch selbst deren Tempo variiert. Die Aufgabe der Menschen ist es, damit zurecht zu kommen, fast vollständig auf sich selbst zurück geworfen zu sein. Denn selbst enge soziale Beziehungen, ein Kitt jeder Gesellschaft, sind sehr brüchig geworden.
Hier ist der Schlenker einzufügen, dass die Ausdifferenzierung des Facettenreichtums, mit dem die Menschen dieser Welt begegnen, sehr detailliert beschrieben ist, ohne langweilig zu sein. Am Anfang hatte ich das Gefühl, jetzt könne doch langsam mal der Hauptcharakter ins Spiel kommen und richtig charakterisiert werden, doch da Auster diese Aufgabe alsbald prima angeht, stört mich das in der Gesamtschau nicht weiter.
Was die Erzählform angeht, so fand ich die Erste Person, also Anna Blume in der Ich-Form, sehr treffend gewählt. Ein allwissender Erzähler hätte schlecht zum Thema des Buches gepasst. Gerade die Tatsache, dass Anna auch viel nicht weiß, nicht versteht, nicht erklären kann, hat mich als Leser gefesselt. Ihre Unsicherheit über das, was „so sein soll“, „was man so hört“ usw. übertrug sich auf mich und war ein zusätzliches Spannungselement.
Ferner Anna Blume selbst. Neben dem eben angeführten personalen Grund machte sie auf mich immer den Eindruck einer toughen und begehrenswerten Frau, welche dennoch bis an ihre Grenzen gehen muss, um zu überleben. Dieser „Widerspruch“ machte das Buch für mich zusätzlich interessant. Anna bejammert die Situation nicht. Natürlich fühlt sie sich nicht wohl, doch sie kämpft und versucht, damit klar zu kommen. Trotzdem kommt sie kaum ein Stück vorwärts, außer man bezeichnet das fortwährende Überleben als Fortschritt. Gerade aus dieser Situation zog das Buch für mich eine enorme Spannung.
Jetzt, wo ich darüber nachdenke, merke ich, dass ich noch viel mehr schreiben könnte. Über den Namen „Anna Blume“, über die Liebe, über die flüssige Erzählung Austers, über so manches. Ich widerstehe aber der Versuchung – und erkläre die Diskussion für eröffnet.
Liebe Grüße,
Hamburger