Take off
Get off zieh aus zieh ab zieh weg zieh hinunter
[mein t shirt] wer braucht schon sachen
reiß es runter, schneide auf [ löchrige Jeans] wir wollten dich niemals so sehen
[bh und slip] wie im bikini wen kümmert’s uns nicht
wir brauchen dieses zeug heute einfach nicht
nimm es weg, strip me while i’m stripping me from myself
get it
nackt ist nicht genug reiß sie endlich weg
die überflüssige
hinter all den ängsten
[pickeln haaren warzen pilzen schrunden krusten]
hindert alles bin ich nicht
lieber ohne
ist es schwer mit bloßen händen
dann nimm ein gutes rasiermesser es ist egal ob es schon rostet wenn nichts da ist kann sich nichts entzünden
abwegfertigaus
das rosenrote fleisch viel schöner als
bade uns in säure
auf dass sie weg geht die verräterische
dass auch ja kein stück von ihr übrig bleibt
vergessen
wir vergessen sonst nie
wer wir waren
und werden nie wissen
wer wir sind
vergessen
vergessen
vergessen
ein schnitt durch das rückenmark
hab keine angst
baby.
Confessions of a Becoming Wollhandkrabbe
Confessions of a Becoming Wollhandkrabbe
Was it a car or a cat I saw?
Re: Confessions of a Becoming Wollhandkrabbe
Hallo Lunch,
als du dieses Gedicht gepostet hast ist gerade halb O livro nach Wien aufgebrochen. Daher hat es wohl auch so lange gedauert, bis nun eine Reaktion auf dein Gedicht kommt. Also bitte nicht sauer sein.
Zunächst: Cooler Titel.
Ich habe ein bisschen in einem Sprach-Online-Lexikon herumgestöbert -
Leo.org Dictionary: "Confessions"
- und bin gleich auf mehrere Bedeutungen des englischen Wortes „Confession“ gestoßen.
Leider habe ich mit den Bedeutungen „Eingeständnis“, „Geständnis“ und „Selbstbekenntnis“ gleich drei „Favoriten“ für die Übersetzung des Titels, finde aber, wenn ich den Rest mit „…einer werdenden Wollhandkrabbe“ übersetze keines dieser Wörter so richtig passend.
Vorher nie gehört, habe ich übrigens auch ein wenig gegoogelt und mich mit diesen possierlichen kleinen Tierchen beschäftigt – den Wollhandkrabben. Brrrr – auch hier zwei Links:
Die Häutung einer chinesischen Wollhandkrabbe
Wollhandkrabbe (Eriocheir sinensis)
Nun zunächst ein paar formelle Anmerkungen zu deinem Gedicht:
Die permanente Steigerung über die Stationen Ausziehen, Angriff mit bloßen Händen, Rasiermesser und Säurebad haben mir beim ersten Lesen sehr gut gefallen. Als du dann dreimal „vergessen“ hintereinander einfügtest wurde es kritisch, ich fühle mich zu dem Zeitpunkt schon beim Lesen unwohl. Denn ich sah da kommt noch was, hatte aber ganz plötzlich das Gefühl, das dreimalige „vergessen“ sei nicht mehr steigerbar. Du hast es mit…
…dann überraschend doch geschafft und einen weiteren Klimax an den Schluss gesetzt. Das gefällt mir sehr gut. Dieser Knalleffekt zum Schluss passt zu deinem energischen Einstieg in das Gedicht und seinen permanenten Steigerungen. Dafür gilt schon mal: Großer Respekt!
Weiterhin gefallen mir die englischen Einschübe im Gedicht. Kurze, knallige Imperative, vielleicht mit der Ausnahme…
…auf die ich im inhaltlichen Teil noch gesondert zu sprechen komme.
Der Stil deines Gedichtes erinnert mich durch die kurzen, knappen, abgehakten Formeln von der Technik her an die Art, die Edekire oft verwendet. Es liegt mir fern jetzt einen Vergleich zwischen euch beiden anzustellen, ich möchte nur darauf hinweisen, dass auch dies ein Lob darstellen soll. Denn die Kunst des Schreibens besteht ja auch darin Überflüssiges wegzulassen, das Wesentliche in den Bildern sprechen zu lassen. Dies gelingt dir, finde ich, vorzüglich. Kein unnötiges Brimborium belastet dieses Gedicht.
Das Kunstwort „abwegfertigaus“ fand ich auch noch besonders schön. Hat mich an Walser erinnert, der in seinem Roman „Tod eines Kritikers“ öfter mal solche zusammengezogenen Kunstwörter schuf wie „ichkannichmachichwill“ oder „NichtsalsdiereineKraft“. Das ist sicher Geschmacksache, aber ich finde diese Zusammenziehungen wirken oft unheimlich kraftvoll, indem sie was sonst getrennt gelesen und verarbeitet würde in ein Wort ballen. So empfinde ich es bei „abwegfertigaus“ auch hier.
Kleine Kritik: Ob ich das Auslaufen der Zeile
für schwach oder für einen Kunstgriff halten soll weiß ich noch nicht.
Zum Inhalt deines Gedichtes:
Den Sinn der Metaphorik des Titels habe ich mir versucht so zu erklären, dass die Wollhandkrabbe in der Lage ist sich zu häuten. Darum geht es für mich auch auf den ersten Blick betrachtet in deinem Gedicht: um den Versuch etwas abzustreifen. Dabei handelt es sich nicht nur um etwas Äußerliches, denn nachdem die Kleider ausgezogen sind stellst du fest…
…sondern es geht um etwas der Person, die etwas abstreifen will, Eigenes.
Ich habe nun zunächst versucht das LI im Gedicht zu lokalisieren. Vordergründig sah das einfach aus, aber bei genauerer Betrachtung hatte ich dann doch etwas Mühe. Drei Varianten standen bei mir zur Auswahl…
a) das LI redet die ganze Zeit mit sich selbst und es taucht keine weitere Person im Gedicht auf: Gegen diese Variante sprach für mich dann aber die gesamte zweite Strophe, denn wenn das LI etwas abstreifen will, warum heißt es dann zur Begründung der Notwendigkeit dieses Tuns…
Spätestens hier wäre dann die erste Person Singular angebracht gewesen und somit schied diese Variante für mich relativ schnell aus.
b) eine Person erhält die ganze Zeit Anweisungen einer anderen ihr bekannten Person, die als LI der Erzähler ist. Diese Variante hat einiges für sich und bis auf wenige Stellen lässt sich das Gedicht tatsächlich auch so lesen. Aber letztlich sprach für mich auch einiges dagegen. Zum Einen die Zeile…
..die nicht zur ersten Person Singular passt, ebenso wenig wie…
diese Deutung unterstützt.
Und außerdem – das war dann in meiner kleinen Erörterungsrunde mit mir selber mein Hauptargument gegen diese Variante - erwarte ich nach diesem Titel als Leser eher eine Innenposition eines LI geboten zu bekommen, nicht die Betrachtung einer anderen Person durch ein außenstehendes LI. Wenn ich Geständnisse, Eingeständnisse, Selbstbekenntnisse von einer Person X zu lesen bekommen soll, dann wüsste ich nicht wieso diese Person X nun durch ein außenstehendes LI betrachtet werden sollte.
Insofern bin ich dann auf Variante c) verfallen, die ich eigentlich von Beginn an favorisiert habe und die mir auch selbstverständlich erschien, nämlich: das LI gibt die ganze Zeit einer ihr bekannten Person Anweisungen etwas mit ihr zu tun. Gestutzt hatte ich da bei der Zeile
wo mir der Bezug unklar war und noch unklar ist. Wer wollte da wen niemals so sehen? Ich habe da auch erwogen dass sich vielleicht beide ausziehen, LI und außen stehende Person. Das jedoch passt schlecht auf die Zusammenrechnung der Klamotten die, lässt man die Socken außen vor, die komplette Bekleidung einer weiblichen Person ergibt. Wenn sich aber nur das LI auszieht kann hier mit „dich“ eigentlich nur der ominöse Teil des LI gemeint sein, der abgestreift werden soll. Das wäre für mich hier dann die einzig logische Lösung.
Gestutzt hatte ich ob der Logik dieser Variante c) auch bezüglich der Zeile…
Übersetze ich das mit meinem grottenschlechten Englisch eigentlich richtig, wenn ich schreibe: Ziehe mich aus, während ich mich meiner Selbst entledige. (?)
Dann würde ich den Satz in dieser Variante gleich nicht verstehen, denn das LI bleibt bei den Anweisungen für die andere Person, es entledigt sich seiner nicht selbst. Aber wahrscheinlich schlägt hier nur mein schlechtes Englisch durch.
Jedenfalls sprach letztlich am wenigsten gegen Variante c), auf dessen Basis meine Interpretation dann auch ablief. Das man bis auf wenige Ausnahmen, meiner Ansicht nach, das Gedicht auch nach Variante b) lesen kann ist ein großer Vorteil dieses Textes, der dadurch vieldeutiger und mehrschichtiger wird.
Gehe ich also nun davon aus, das das LI einer anderen Person Anweisungen gibt etwas mit ihr zu tun, so kommt zwar rüber das das LI sich von etwas trennen will, allerdings bin ich mir über Intensität und Umfang der ganzen Aktion nicht im Klaren. Es scheint nicht nur um irgendeinen Teil des LI zu gehen, sondern um einen ziemlich großen Teil, vielleicht gar um ihre gesamte Persönlichkeit. Die Betitelungen…
sind ziemlich generell und die bereits angesprochenen Methoden (Ausziehen, Angriff mit bloßen Händen, Rasiermesser und Rückenmarksschnitt) verdammt drastisch.
Klar, es geht hier nicht um rationale Überlegungen eines vernünftigen LI – das muss in Rechnung gestellt werden. Der Text hat eine hohe psychopathische Qualität, macht mich, so habe ich es empfunden, zum Betrachter eines psychopathischen LI (wohlgemerkt und gaaaanz wichtig: eines psychopathischen LI, NICHT einer psychopathischen Autorin
).
Aber auch Psychopathen haben ihre Systeme und Ziele. Und da hakt es bei mir ein wenig im Verständnis, wenn ich das Gedicht so interpretiere, wie es ja zum Beispiel das Bild der Häutung ja auch impliziert, dass das LI einen Teil von sich abstreifen will um danach gemeinsam mit der außen stehenden Person zu sich selbst zu finden. Es steht zwar da, wenn dieser Teil (wie groß er auch immer sein mag) nicht abgestreift wird, dann wüssten LI und außen stehende Person niemals wer sie sind, aber es ist eben auch von verdammt drastischen Methoden die Rede.
Diese muss ich samt und sonders metaphorisch verstehen, um diese Interpretation zu retten. Das ist nicht weiter schwer, allerdings erinnern diese Methoden mich dann nicht im Entferntesten an eine Häutung, insbesondere der drastische Schluss passt nicht dazu.
Die drastischere Interpretation wäre ein Mord des LI, ausgeführt von der anderen Person. Dann könnte man den Text etwas mehr bei seinen Wörtern packen und er bekäme eine grauenhafte Dimension dadurch, das das LI seinen eigenen Mord anweist und dann auch noch dem Angewiesenen folgendermaßen…
Mut für die Tat zuspricht.
(Auch ein gemeinsamer Freitod ließe sich herauslesen, wenn die 2.Person das Säurebad mitmacht)
Insgesamt ist es mir nicht möglich dem Text eine eindeutige Interpretation zu geben. Ich tendiere zu Variante c) bezüglich der Lokalisation des LI und zum Ziel des LI einen großen Teil seiner bisherigen Persönlichkeit abzustreifen bzw. umbringen zu lassen durch eine außen stehende Person.
Gerade das es jedoch auch andere Varianten gibt die mir auch nicht abwegig erscheinden finde ich jedoch an diesem Text äußerst faszinierend. Er kann mehrdeutig gelesen werden und das macht seinen großen Reiz aus. Auch stilistisch - sagte ich das schon? - finde ich ihn insgesamt gelungen.
Du beweist mit diesem Text das du lyrisches Talent besitzt und ich hoffe es waren in meiner überlangen Reaktion zwei, drei Sätze dabei, die dir was bringen.
Bevor ich mich verabschiede noch ein klein wenig Krittelei, aber dann bin ich auch schon still. Ich würde nur von einem Rasiermesser sprechen, das Wort „gutes“ würde ich streichen. Da es egal ist ob es rostet und sich eh nichts entzünden kann darf ruhig mit der schlimmsten Klinge losgeschnibbelt werden. Das macht das ganze noch ein bisschen morbider.
Ganz liebe Grüße nach MG Actiontown,
der Ham
als du dieses Gedicht gepostet hast ist gerade halb O livro nach Wien aufgebrochen. Daher hat es wohl auch so lange gedauert, bis nun eine Reaktion auf dein Gedicht kommt. Also bitte nicht sauer sein.
Zunächst: Cooler Titel.
Ich habe ein bisschen in einem Sprach-Online-Lexikon herumgestöbert -
Leo.org Dictionary: "Confessions"
- und bin gleich auf mehrere Bedeutungen des englischen Wortes „Confession“ gestoßen.
Leider habe ich mit den Bedeutungen „Eingeständnis“, „Geständnis“ und „Selbstbekenntnis“ gleich drei „Favoriten“ für die Übersetzung des Titels, finde aber, wenn ich den Rest mit „…einer werdenden Wollhandkrabbe“ übersetze keines dieser Wörter so richtig passend.
Vorher nie gehört, habe ich übrigens auch ein wenig gegoogelt und mich mit diesen possierlichen kleinen Tierchen beschäftigt – den Wollhandkrabben. Brrrr – auch hier zwei Links:
Die Häutung einer chinesischen Wollhandkrabbe
Wollhandkrabbe (Eriocheir sinensis)
Nun zunächst ein paar formelle Anmerkungen zu deinem Gedicht:
Die permanente Steigerung über die Stationen Ausziehen, Angriff mit bloßen Händen, Rasiermesser und Säurebad haben mir beim ersten Lesen sehr gut gefallen. Als du dann dreimal „vergessen“ hintereinander einfügtest wurde es kritisch, ich fühle mich zu dem Zeitpunkt schon beim Lesen unwohl. Denn ich sah da kommt noch was, hatte aber ganz plötzlich das Gefühl, das dreimalige „vergessen“ sei nicht mehr steigerbar. Du hast es mit…
Ein schnitt durch das rückenmark
hab keine angst
baby.
…dann überraschend doch geschafft und einen weiteren Klimax an den Schluss gesetzt. Das gefällt mir sehr gut. Dieser Knalleffekt zum Schluss passt zu deinem energischen Einstieg in das Gedicht und seinen permanenten Steigerungen. Dafür gilt schon mal: Großer Respekt!
Weiterhin gefallen mir die englischen Einschübe im Gedicht. Kurze, knallige Imperative, vielleicht mit der Ausnahme…
Strip me while I`m stripping me from myself
…auf die ich im inhaltlichen Teil noch gesondert zu sprechen komme.
Der Stil deines Gedichtes erinnert mich durch die kurzen, knappen, abgehakten Formeln von der Technik her an die Art, die Edekire oft verwendet. Es liegt mir fern jetzt einen Vergleich zwischen euch beiden anzustellen, ich möchte nur darauf hinweisen, dass auch dies ein Lob darstellen soll. Denn die Kunst des Schreibens besteht ja auch darin Überflüssiges wegzulassen, das Wesentliche in den Bildern sprechen zu lassen. Dies gelingt dir, finde ich, vorzüglich. Kein unnötiges Brimborium belastet dieses Gedicht.
Das Kunstwort „abwegfertigaus“ fand ich auch noch besonders schön. Hat mich an Walser erinnert, der in seinem Roman „Tod eines Kritikers“ öfter mal solche zusammengezogenen Kunstwörter schuf wie „ichkannichmachichwill“ oder „NichtsalsdiereineKraft“. Das ist sicher Geschmacksache, aber ich finde diese Zusammenziehungen wirken oft unheimlich kraftvoll, indem sie was sonst getrennt gelesen und verarbeitet würde in ein Wort ballen. So empfinde ich es bei „abwegfertigaus“ auch hier.
Kleine Kritik: Ob ich das Auslaufen der Zeile
Das rosenrote fleisch viel schöner als
für schwach oder für einen Kunstgriff halten soll weiß ich noch nicht.
Zum Inhalt deines Gedichtes:
Den Sinn der Metaphorik des Titels habe ich mir versucht so zu erklären, dass die Wollhandkrabbe in der Lage ist sich zu häuten. Darum geht es für mich auch auf den ersten Blick betrachtet in deinem Gedicht: um den Versuch etwas abzustreifen. Dabei handelt es sich nicht nur um etwas Äußerliches, denn nachdem die Kleider ausgezogen sind stellst du fest…
Nackt ist nicht genug
…sondern es geht um etwas der Person, die etwas abstreifen will, Eigenes.
Ich habe nun zunächst versucht das LI im Gedicht zu lokalisieren. Vordergründig sah das einfach aus, aber bei genauerer Betrachtung hatte ich dann doch etwas Mühe. Drei Varianten standen bei mir zur Auswahl…
a) das LI redet die ganze Zeit mit sich selbst und es taucht keine weitere Person im Gedicht auf: Gegen diese Variante sprach für mich dann aber die gesamte zweite Strophe, denn wenn das LI etwas abstreifen will, warum heißt es dann zur Begründung der Notwendigkeit dieses Tuns…
wir vergessen sonst nie
wer wir waren
und werden nie wissen
wer wir sind
Spätestens hier wäre dann die erste Person Singular angebracht gewesen und somit schied diese Variante für mich relativ schnell aus.
b) eine Person erhält die ganze Zeit Anweisungen einer anderen ihr bekannten Person, die als LI der Erzähler ist. Diese Variante hat einiges für sich und bis auf wenige Stellen lässt sich das Gedicht tatsächlich auch so lesen. Aber letztlich sprach für mich auch einiges dagegen. Zum Einen die Zeile…
Strip me while i`m stripping me from myself
..die nicht zur ersten Person Singular passt, ebenso wenig wie…
Bin ich nicht
diese Deutung unterstützt.
Und außerdem – das war dann in meiner kleinen Erörterungsrunde mit mir selber mein Hauptargument gegen diese Variante - erwarte ich nach diesem Titel als Leser eher eine Innenposition eines LI geboten zu bekommen, nicht die Betrachtung einer anderen Person durch ein außenstehendes LI. Wenn ich Geständnisse, Eingeständnisse, Selbstbekenntnisse von einer Person X zu lesen bekommen soll, dann wüsste ich nicht wieso diese Person X nun durch ein außenstehendes LI betrachtet werden sollte.
Insofern bin ich dann auf Variante c) verfallen, die ich eigentlich von Beginn an favorisiert habe und die mir auch selbstverständlich erschien, nämlich: das LI gibt die ganze Zeit einer ihr bekannten Person Anweisungen etwas mit ihr zu tun. Gestutzt hatte ich da bei der Zeile
Wir wollten dich niemals so sehen
wo mir der Bezug unklar war und noch unklar ist. Wer wollte da wen niemals so sehen? Ich habe da auch erwogen dass sich vielleicht beide ausziehen, LI und außen stehende Person. Das jedoch passt schlecht auf die Zusammenrechnung der Klamotten die, lässt man die Socken außen vor, die komplette Bekleidung einer weiblichen Person ergibt. Wenn sich aber nur das LI auszieht kann hier mit „dich“ eigentlich nur der ominöse Teil des LI gemeint sein, der abgestreift werden soll. Das wäre für mich hier dann die einzig logische Lösung.
Gestutzt hatte ich ob der Logik dieser Variante c) auch bezüglich der Zeile…
strip me while I`m stripping me form myself
Übersetze ich das mit meinem grottenschlechten Englisch eigentlich richtig, wenn ich schreibe: Ziehe mich aus, während ich mich meiner Selbst entledige. (?)
Dann würde ich den Satz in dieser Variante gleich nicht verstehen, denn das LI bleibt bei den Anweisungen für die andere Person, es entledigt sich seiner nicht selbst. Aber wahrscheinlich schlägt hier nur mein schlechtes Englisch durch.
Jedenfalls sprach letztlich am wenigsten gegen Variante c), auf dessen Basis meine Interpretation dann auch ablief. Das man bis auf wenige Ausnahmen, meiner Ansicht nach, das Gedicht auch nach Variante b) lesen kann ist ein großer Vorteil dieses Textes, der dadurch vieldeutiger und mehrschichtiger wird.
Gehe ich also nun davon aus, das das LI einer anderen Person Anweisungen gibt etwas mit ihr zu tun, so kommt zwar rüber das das LI sich von etwas trennen will, allerdings bin ich mir über Intensität und Umfang der ganzen Aktion nicht im Klaren. Es scheint nicht nur um irgendeinen Teil des LI zu gehen, sondern um einen ziemlich großen Teil, vielleicht gar um ihre gesamte Persönlichkeit. Die Betitelungen…
Die überflüssige
Die verräterische
sind ziemlich generell und die bereits angesprochenen Methoden (Ausziehen, Angriff mit bloßen Händen, Rasiermesser und Rückenmarksschnitt) verdammt drastisch.
Klar, es geht hier nicht um rationale Überlegungen eines vernünftigen LI – das muss in Rechnung gestellt werden. Der Text hat eine hohe psychopathische Qualität, macht mich, so habe ich es empfunden, zum Betrachter eines psychopathischen LI (wohlgemerkt und gaaaanz wichtig: eines psychopathischen LI, NICHT einer psychopathischen Autorin
Aber auch Psychopathen haben ihre Systeme und Ziele. Und da hakt es bei mir ein wenig im Verständnis, wenn ich das Gedicht so interpretiere, wie es ja zum Beispiel das Bild der Häutung ja auch impliziert, dass das LI einen Teil von sich abstreifen will um danach gemeinsam mit der außen stehenden Person zu sich selbst zu finden. Es steht zwar da, wenn dieser Teil (wie groß er auch immer sein mag) nicht abgestreift wird, dann wüssten LI und außen stehende Person niemals wer sie sind, aber es ist eben auch von verdammt drastischen Methoden die Rede.
Diese muss ich samt und sonders metaphorisch verstehen, um diese Interpretation zu retten. Das ist nicht weiter schwer, allerdings erinnern diese Methoden mich dann nicht im Entferntesten an eine Häutung, insbesondere der drastische Schluss passt nicht dazu.
Die drastischere Interpretation wäre ein Mord des LI, ausgeführt von der anderen Person. Dann könnte man den Text etwas mehr bei seinen Wörtern packen und er bekäme eine grauenhafte Dimension dadurch, das das LI seinen eigenen Mord anweist und dann auch noch dem Angewiesenen folgendermaßen…
hab keine angst
baby.
Mut für die Tat zuspricht.
(Auch ein gemeinsamer Freitod ließe sich herauslesen, wenn die 2.Person das Säurebad mitmacht)
Insgesamt ist es mir nicht möglich dem Text eine eindeutige Interpretation zu geben. Ich tendiere zu Variante c) bezüglich der Lokalisation des LI und zum Ziel des LI einen großen Teil seiner bisherigen Persönlichkeit abzustreifen bzw. umbringen zu lassen durch eine außen stehende Person.
Gerade das es jedoch auch andere Varianten gibt die mir auch nicht abwegig erscheinden finde ich jedoch an diesem Text äußerst faszinierend. Er kann mehrdeutig gelesen werden und das macht seinen großen Reiz aus. Auch stilistisch - sagte ich das schon? - finde ich ihn insgesamt gelungen.
Du beweist mit diesem Text das du lyrisches Talent besitzt und ich hoffe es waren in meiner überlangen Reaktion zwei, drei Sätze dabei, die dir was bringen.
Bevor ich mich verabschiede noch ein klein wenig Krittelei, aber dann bin ich auch schon still. Ich würde nur von einem Rasiermesser sprechen, das Wort „gutes“ würde ich streichen. Da es egal ist ob es rostet und sich eh nichts entzünden kann darf ruhig mit der schlimmsten Klinge losgeschnibbelt werden. Das macht das ganze noch ein bisschen morbider.
Ganz liebe Grüße nach MG Actiontown,
der Ham
"If it's a hit? - Yeah, that's me! If it's a miss? - Yeah, that's me!" (Robert Palmer)
Re: Confessions of a Becoming Wollhandkrabbe
Hallo Lunch,
ich hab in diesem Forum schon seit längerer Zeit keine ausführliche Rezension mehr geschrieben - das nur vorneweg, falls ich hier größeren Mist erzählen sollte. Wo fang ich an? Vielleicht mit einem Kompliment? Also, was du hier geschrieben hast, gefällt mir sehr gut - ein bemerkenswerter Text, auch wenn er mir noch etwas unfertig erscheint - und ein Trent Reznor hätte das sicher nicht krasser auszudrücken vermocht. :ja:
Wie Mirko bereits diagnostiziert hat, fesselt dieser Text vor allem durch seine Steigerung, durch sein Tempo, durch seine immer dichter und extremer werdenden Bilder, die, wie mir scheint, nicht auf einen Klimax zusteuern und einen Höhepunkt zu erreichen suchen, vielmehr fallen sie, stürzen immer weiter in die Tiefe, rasen dem Abgrund entgegen. Bis zum Aufprall. So kommt mir dieses Gedicht vor: Wie ein lyrisches Ich im freien Fall, wie ein totaler Absturz oder Zusammenbruch.
Das Gedicht lebt von dieser Steigerung und von dem sadistischen Befehlston: das LI befiehlt einem anderen, es zu entblößen, zu entpellen, ihm/ihr die Kleider wegzureißen, die Haut, ihn/sie aus dem Körper zu schälen, ihn wegzuätzen, ja, das LI von seiner Körperlichkeit zu befreien. Ich kann jetzt erst mal nur spekulieren, warum. Das LI verfügt offensichtlich über keine gute Beziehung zu seinem eigenen Körper. Es ist von seinem/ihrem Körper entfremdet, betrachtet ihn als etwas Fremdes, Dinghaftes, Überflüssiges, Falsches, Unangenehmes, Lästiges. Der eigene Körper ist der Feind, wie es ja nicht untypisch ist in unserer Zeit (Stichworte: Fitness- und Diätwahn, Schönheitswahn, Essstörung, Bulimie, Magersucht, Ritzen, Fresssucht, Fettleibigkeit, Übergewicht). Aber in deinem Gedicht ist dieser pathologische Gedanke einfach noch etwas weiter - wenn man so will - etwas konsequenter verfolgt worden, etwas extremer, ja fanatischer durchexzerziert wurden. Ein Ich, dass seinen Körper komplett verleugnet, ihn abstoßen, loswerden, wegschälen, ausziehen will. Eine Metamorphose ins nur noch Ätherische der Seele, in eine körperlose Aura, eine Verwandlung in eine Psyche ohne Physis, einen Geist ohne Gehirn?
Bin nicht ich, weg damit. Die Frage ist, was bleibt übrig, wenn man alles Körperliche subtrahiert? Ist das, was dann übrig bleibt das wahre Ich? Ist das noch was außer Fleisch und Hirnsubstanz? Eine philosophische Frage und ein krasses Gedankenbeispiel - Descartes hätte an diese Subtraktion geglaubt, ich tue es nicht. "Vergessen" steht da - und vergessen riecht nach mehr. Vergessen riecht nach nicht mehr leiden, nichts mehr fühlen müssen, keine Schmerzen mehr haben, kein Bedürfnis, keine Leidenschaft, kein Gefühl, kein gar nichts, nada, niente. Und das ist dann noch mal ein Schritt weiter, wie ich finde, das ist eine Sehnsucht ins Nichts. Lichtschalter aus. Zack. Ende. Fine.
In diesem Zusammenhang fühle ich mich an "Sei still" erinnert, ein kleines, böses Gedicht, das ich vor 2 Jahren geschrieben habe (siehe Forumsarchiv).
Aber das ist auch eine Art (wenn auch etwas herrisch-einseitiger) Dialog mit einem Gegengüber, einem Du ("baby"), an das sich die Befehle des LIs richten. So geht es in diesem Gedicht, vermute ich, auch um den Wunsch des LI von seinem Gegenüber (ihrem Geliebten, seiner Geliebten?) erkannt zu werden. Also ich spekuliere: das LI will nicht wegen etwas, was es besitzt, wegen der Kleidung, die es trägt, wegen seinem Aussehen (z.B. hübsches Gesicht, blonde Haare, blaue Augen, knackiger Arsch, Brustumfang, schmale Taille, große Muskeln, harter Waschbrettbauch, langer Penis) geliebt werden oder aufgrund von reinen Äußerlichkeiten (z.B. Pickel oder alles, was vom zeitgenössischen Schönheitsideal abweicht) beurteilt werden.
Okay, jetzt noch ein paar Worte zu den Mängeln des Textes, die er meiner Ansicht nach noch hat:
1.) Ich sage es offen heraus: Ich bin kein Fan von so einem englisch-deutschem Mischmasch. Sorry, aber solche Sprachmixturen wirken auf mich immer ein bisschen dilettantisch oder proletenhaft - so reden Rapper oder Ghettokids. Und das ist immer auch ein bisschen wie eine Kapitulation vor der eigenen (oder der fremden) Sprache. Ich glaube, es würde diesem Text gut tun, ihn entweder komplett in Englisch oder komplett in Deutsch zu verfassen. Schau dir den zweiten Teil deines Textes an, der mit Abstand der beste ist: er ist ausschließlich Deutsch (mal abgesehen von dem abschließenden "baby", das ich vollkommen okay finde) und trotzdem dicht, brutal und scharfkantig genug.
2.) Es gibt meiner Ansicht nach einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden Teilen. Im zweiten Teil hast du einen Rhythmus, ein Ziel gefunden, dagegen der erste Teil ist irgendwie ein bisschen vermurkst - zu ausgefranst, zu verspielt, zu unentschlossen, zu inkonsequent für meinen Geschmack. Da ist einfach kein richtiger Flow, kein Beat drin, sondern die Bilder zerbröseln dir zwischen deutschem Fleisch und englischer Rohkost, zwischen Einschüben und Klammern. Und diesen Unterschied zwischen dem ersten und zweiten Teil kann man sehen, wenn man sich deinen Text (rein optisch) ansieht. Ich empfehle dir folgendes: a.) nimm das Englische raus und such dir Ersatz im Sprachschatz deiner Muttersprache, die roh und brutal genug ist für deine Zwecke, b.) lös die Klammern auf, die dem Leser weder beim Lesefluss, noch rein optisch irgendwas bringen, c.) gibt deinem Text mehr Form, mehr Struktur - lös die langen Zeilen etwas auf, setze an den richtigen Stellen Pausen/Zeilenbrüche. Wenn ich diesen Text lese, möchte ich Hammerschläge hören. Ich möchte hören, wie Kleidung weggerissen wird. Ich möchte hören, wie das Messer ins Fleisch schneidet. Ich möchte hören, wie die Säure knistert (natürlich knistert Säure nicht).
3.) Mir ist nicht klar, wie der Wechsel zwischen 1. Person Plural ...
... und 1. Person Singular ...
... zu deuten ist? Ein LI mit Persönlichkeitsspaltung? Also der Adel hat seinerzeit von sich selbst in der dritten Person geredet und Jehova/Allah benutzt gern "wir", wenn er zu seinen Dienern (Moses, Mohammed) von sich selbst redet, OBWOHL er darauf besteht, dass man nur einen haben und nur einen anbeten darf. Also: Wir, Gott. Wer das verstehen soll! Und ebenso komme ich bei deinem Text mit "ich" und "wir", "mein" und "unser" etwas durcheinander. Zumal es ja auch noch eine zweite Person Singular gibt:
Ich weiß nicht, ob das Sinn macht, ob da eine bestimmte Absicht hinter steckt, ein "ich", ein "du" und ein "wir" zu haben. Was soll dieses "wir" sein? "Bade uns" - wen? Uns Frauen? Uns LI? Uns, Eure Durchlaucht? Uns generalisierte Frau, uns weibliches Geschlecht? Uns Menschen, egal welchen Geschlechts? Besonders diese Stelle ist mir unklar:
Wer ist hier "wir" und wer wollte wen niemals so sehen?
That's it.
Ich möchte noch mal betonen, trotz meiner Kritik, meiner Irritationen, meiner Verbesserungsvorschläge: ein guter, bemerkenswerter Text!
MfG,
[) i r k
ich hab in diesem Forum schon seit längerer Zeit keine ausführliche Rezension mehr geschrieben - das nur vorneweg, falls ich hier größeren Mist erzählen sollte. Wo fang ich an? Vielleicht mit einem Kompliment? Also, was du hier geschrieben hast, gefällt mir sehr gut - ein bemerkenswerter Text, auch wenn er mir noch etwas unfertig erscheint - und ein Trent Reznor hätte das sicher nicht krasser auszudrücken vermocht. :ja:
Wie Mirko bereits diagnostiziert hat, fesselt dieser Text vor allem durch seine Steigerung, durch sein Tempo, durch seine immer dichter und extremer werdenden Bilder, die, wie mir scheint, nicht auf einen Klimax zusteuern und einen Höhepunkt zu erreichen suchen, vielmehr fallen sie, stürzen immer weiter in die Tiefe, rasen dem Abgrund entgegen. Bis zum Aufprall. So kommt mir dieses Gedicht vor: Wie ein lyrisches Ich im freien Fall, wie ein totaler Absturz oder Zusammenbruch.
Das Gedicht lebt von dieser Steigerung und von dem sadistischen Befehlston: das LI befiehlt einem anderen, es zu entblößen, zu entpellen, ihm/ihr die Kleider wegzureißen, die Haut, ihn/sie aus dem Körper zu schälen, ihn wegzuätzen, ja, das LI von seiner Körperlichkeit zu befreien. Ich kann jetzt erst mal nur spekulieren, warum. Das LI verfügt offensichtlich über keine gute Beziehung zu seinem eigenen Körper. Es ist von seinem/ihrem Körper entfremdet, betrachtet ihn als etwas Fremdes, Dinghaftes, Überflüssiges, Falsches, Unangenehmes, Lästiges. Der eigene Körper ist der Feind, wie es ja nicht untypisch ist in unserer Zeit (Stichworte: Fitness- und Diätwahn, Schönheitswahn, Essstörung, Bulimie, Magersucht, Ritzen, Fresssucht, Fettleibigkeit, Übergewicht). Aber in deinem Gedicht ist dieser pathologische Gedanke einfach noch etwas weiter - wenn man so will - etwas konsequenter verfolgt worden, etwas extremer, ja fanatischer durchexzerziert wurden. Ein Ich, dass seinen Körper komplett verleugnet, ihn abstoßen, loswerden, wegschälen, ausziehen will. Eine Metamorphose ins nur noch Ätherische der Seele, in eine körperlose Aura, eine Verwandlung in eine Psyche ohne Physis, einen Geist ohne Gehirn?
Bin nicht ich, weg damit. Die Frage ist, was bleibt übrig, wenn man alles Körperliche subtrahiert? Ist das, was dann übrig bleibt das wahre Ich? Ist das noch was außer Fleisch und Hirnsubstanz? Eine philosophische Frage und ein krasses Gedankenbeispiel - Descartes hätte an diese Subtraktion geglaubt, ich tue es nicht. "Vergessen" steht da - und vergessen riecht nach mehr. Vergessen riecht nach nicht mehr leiden, nichts mehr fühlen müssen, keine Schmerzen mehr haben, kein Bedürfnis, keine Leidenschaft, kein Gefühl, kein gar nichts, nada, niente. Und das ist dann noch mal ein Schritt weiter, wie ich finde, das ist eine Sehnsucht ins Nichts. Lichtschalter aus. Zack. Ende. Fine.
In diesem Zusammenhang fühle ich mich an "Sei still" erinnert, ein kleines, böses Gedicht, das ich vor 2 Jahren geschrieben habe (siehe Forumsarchiv).
Aber das ist auch eine Art (wenn auch etwas herrisch-einseitiger) Dialog mit einem Gegengüber, einem Du ("baby"), an das sich die Befehle des LIs richten. So geht es in diesem Gedicht, vermute ich, auch um den Wunsch des LI von seinem Gegenüber (ihrem Geliebten, seiner Geliebten?) erkannt zu werden. Also ich spekuliere: das LI will nicht wegen etwas, was es besitzt, wegen der Kleidung, die es trägt, wegen seinem Aussehen (z.B. hübsches Gesicht, blonde Haare, blaue Augen, knackiger Arsch, Brustumfang, schmale Taille, große Muskeln, harter Waschbrettbauch, langer Penis) geliebt werden oder aufgrund von reinen Äußerlichkeiten (z.B. Pickel oder alles, was vom zeitgenössischen Schönheitsideal abweicht) beurteilt werden.
Okay, jetzt noch ein paar Worte zu den Mängeln des Textes, die er meiner Ansicht nach noch hat:
1.) Ich sage es offen heraus: Ich bin kein Fan von so einem englisch-deutschem Mischmasch. Sorry, aber solche Sprachmixturen wirken auf mich immer ein bisschen dilettantisch oder proletenhaft - so reden Rapper oder Ghettokids. Und das ist immer auch ein bisschen wie eine Kapitulation vor der eigenen (oder der fremden) Sprache. Ich glaube, es würde diesem Text gut tun, ihn entweder komplett in Englisch oder komplett in Deutsch zu verfassen. Schau dir den zweiten Teil deines Textes an, der mit Abstand der beste ist: er ist ausschließlich Deutsch (mal abgesehen von dem abschließenden "baby", das ich vollkommen okay finde) und trotzdem dicht, brutal und scharfkantig genug.
2.) Es gibt meiner Ansicht nach einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden Teilen. Im zweiten Teil hast du einen Rhythmus, ein Ziel gefunden, dagegen der erste Teil ist irgendwie ein bisschen vermurkst - zu ausgefranst, zu verspielt, zu unentschlossen, zu inkonsequent für meinen Geschmack. Da ist einfach kein richtiger Flow, kein Beat drin, sondern die Bilder zerbröseln dir zwischen deutschem Fleisch und englischer Rohkost, zwischen Einschüben und Klammern. Und diesen Unterschied zwischen dem ersten und zweiten Teil kann man sehen, wenn man sich deinen Text (rein optisch) ansieht. Ich empfehle dir folgendes: a.) nimm das Englische raus und such dir Ersatz im Sprachschatz deiner Muttersprache, die roh und brutal genug ist für deine Zwecke, b.) lös die Klammern auf, die dem Leser weder beim Lesefluss, noch rein optisch irgendwas bringen, c.) gibt deinem Text mehr Form, mehr Struktur - lös die langen Zeilen etwas auf, setze an den richtigen Stellen Pausen/Zeilenbrüche. Wenn ich diesen Text lese, möchte ich Hammerschläge hören. Ich möchte hören, wie Kleidung weggerissen wird. Ich möchte hören, wie das Messer ins Fleisch schneidet. Ich möchte hören, wie die Säure knistert (natürlich knistert Säure nicht).
3.) Mir ist nicht klar, wie der Wechsel zwischen 1. Person Plural ...
wir wollten dich niemals so sehen
wen kümmert’s uns nicht
wir brauchen dieses zeug heute einfach nicht
bade uns
... und 1. Person Singular ...
mein t shirt
while i’m stripping me from myself
bin ich nicht
... zu deuten ist? Ein LI mit Persönlichkeitsspaltung? Also der Adel hat seinerzeit von sich selbst in der dritten Person geredet und Jehova/Allah benutzt gern "wir", wenn er zu seinen Dienern (Moses, Mohammed) von sich selbst redet, OBWOHL er darauf besteht, dass man nur einen haben und nur einen anbeten darf. Also: Wir, Gott. Wer das verstehen soll! Und ebenso komme ich bei deinem Text mit "ich" und "wir", "mein" und "unser" etwas durcheinander. Zumal es ja auch noch eine zweite Person Singular gibt:
reiß es runter, schneide auf
nimm es weg, strip me
baby
Ich weiß nicht, ob das Sinn macht, ob da eine bestimmte Absicht hinter steckt, ein "ich", ein "du" und ein "wir" zu haben. Was soll dieses "wir" sein? "Bade uns" - wen? Uns Frauen? Uns LI? Uns, Eure Durchlaucht? Uns generalisierte Frau, uns weibliches Geschlecht? Uns Menschen, egal welchen Geschlechts? Besonders diese Stelle ist mir unklar:
wir wollten dich niemals so sehen
Wer ist hier "wir" und wer wollte wen niemals so sehen?
That's it.
Ich möchte noch mal betonen, trotz meiner Kritik, meiner Irritationen, meiner Verbesserungsvorschläge: ein guter, bemerkenswerter Text!
MfG,
[) i r k
"du trittst da fast in die fußstapfen des unseligen dr goebbels und seiner zensur und verdammungsmaschine." (Ralfchen)
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