Alter Freund am Telefon

Du schreibst Gedichte? Laß sie nicht in einer Schublade verschimmeln! Menschenbeifall wirst Du hier finden, aber auch Kritik und Rat.
Lene
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Alter Freund am Telefon

Beitragvon Lene » 21.12.2004, 04:30

Alter Freund am Telefon

Deine Stimme
scheint durch deinen Türspalt.

Deine Worte
fassen meine Hände.

Dein Schweigen
knarrt
wie der Boden in dem kleinen Zimmer.

Dein Lachen riecht nach dir.
bevor es uns einschneit für immer (Max Frisch)

Glaukos
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Re: Alter Freund am Telefon

Beitragvon Glaukos » 21.12.2004, 23:07

Salut Lene,

ich habs gerne gelesen.
Eine sanfte Melancholie schwebt darin.

Sehen - Tasten - Hören - Riechen, hier werden fast alle Sinne angesprochen, fehlt eigentlich nur noch der Geschmack?

Beste Grüße
Tolya

Lene
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Re: Alter Freund am Telefon

Beitragvon Lene » 22.12.2004, 00:07

Ja, Tolya - bis zum Geschmack sind die beiden eben nie gekommen...

Grüße nach Berlin,
Lene.
bevor es uns einschneit für immer (Max Frisch)

Flocke
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Re: Alter Freund am Telefon

Beitragvon Flocke » 22.12.2004, 00:20

Hallo, Lene.

Stimme Glaukos zu, schöne melancholische Grundstimmung, ich mag das.
Trotzdem fehlt mir irgendetwas an deinem Gedicht noch, so ein letzter Kick, der Aha-Effekt. Ist nur so ein Bauchgefühl beim Lesen, aber vielleicht komm ich nur nicht drauf.

Interessant, wie du Dinge kombinierst, die eigentlich nicht zusammen gehen, Stimme=scheinen, Worte=fassen, Schweigen-knarren, Lachen=riechen. Bin mir auch nicht ganz sicher, ob manches dabei wirklich funktioniert, eine Stimme z.B. scheinen kann und ein Lachen riechen. Aber es kommt gut rüber.

Klingt, als ob du ein Telefongespräch belauschst, du redest nicht selbst, oder? Sonst könntest du m. E. all diese Kleinigkeiten gar nicht bemerken.

Warum sagst du im ersten Vers "deinen Türspalt"? Das klingt irgendwie seltsam. Ist es wichtig, dass es "seine" Tür ist?

Abendgruß
Flocke
...Der den Wind kennt / besser als alle Bücher / den Baum / frag nach Wahrheit...

Glaukos
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Re: Alter Freund am Telefon

Beitragvon Glaukos » 22.12.2004, 00:33

Flocke, ich glaube, das Stilmittel nennt man Synästhesie ;-)
"Wer Schmetterlinge lachen hört, der weiß, wie Wolken schmecken ..." schrieb mal Novalis (mein ich).
So besehen hat das schon System, was Lene hier entwirft.
Das mit dem Türspalt finde ich wiederum raffiniert. Das "deine" vor Türspalt spielt wohl mit dem "meine" und "kleine" ...

Salut
Tolya

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Re: Alter Freund am Telefon

Beitragvon Hilbi » 22.12.2004, 03:22

deine stimme durch einen türspalt


das wäre ganz hübsch gewesen,
ansonsten geht das gedicht
doch leider unter....

Deine Worte
fassen meine Hände


na das kann man noch durchgehen lassen
aber nur wenn man einen guten tag hat
und da ich von diesen guten tagen ne
ganze menge habe...

aber dann..

Dein Schweigen knarrt
wie der Boden in dem Zimmer...


also knarren ist ein ganz schlimmes wort
man sollte die knarren verbieten, nein
das knarren...

nein das ist ein ganz schlechtes Bild

wie wärs mit

Dein Schweigen hallt
wie der Boden unter dem Zimmer

oder
meinthalben auch
kratzt
atmet
spricht

wie wärs mit

Dein Schweigen spricht
mit dem Boden unter Deinem Zimmer...

okay dann wärs mein Gedicht


Dein Lachen riecht nach Dir


nein
nein

Lachen riecht nicht
wirklich nicht

Lachen kann alles
es kann sehen
es kann sogar durstig sein
aber riechen
nein
Wenn der Himmel so blau ist, warum wird es dann finster?

Glaukos
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Re: Alter Freund am Telefon

Beitragvon Glaukos » 22.12.2004, 08:17

Wenn ich etwas zu bedenken gäbe, dann wäre es das "Alter" im Titel. Die darin enthaltene Doppeldeutigkeit scheint mir nämlich nicht gewollt. Oder doch?


Grüße,
Tolya

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Re: Alter Freund am Telefon

Beitragvon SMID » 22.12.2004, 14:50

Hi,

mein Kommentar ist: Bilder ganz huebsch, aber nicht Gedicht genug.

Nicht genug Gedicht, ich versuch das mal platt zu erklaeren mit: Inhalt und Form laufen einander vorbei. Jetzt denkt Lene sicherlich, das kann nur ein Beamter schreiben! Inhalt und Form, das sind doch alles praepostmoderne Floskeln, die sich versinnlost haben.

Ok, was ich damit meine ist:
dein Gedicht folgt der Struktur AxPH(-Ax).

Attribut Ax (wobei x anzeigt, dass es mehrere Attribute gibt) zugeordnet zu Person P, dann zu einer Handlung H, die wiederum mit dem Anti-attribut, das nicht passende Attribut (-A), verknuepft wird.

Leider wird dieses Schema sehr schnell langweilig, obwohl es an sich ganz nett ist. Kurzum: hier wird eine Idee solange durchgenudelt, bis man sich fragt, ob man der Idee wegen nudelt oder ob es auch dem Inhalt angemessen ist. Tja, leider stimmt nur das erste.

Wie besser machen?

Vielleicht das Schema variieren. Oder sich ein neues Marketingkonzept ausdenken. Nicht nur nudeln, vielleicht geht auch etwas Reim, Kontrapunkt, Aufbau, nicht unbedingt Handlung, aber vielleicht etwas Verbindungsleim zwischen den Effekten oder so. Aber muss nicht. Du kannst auch reduzieren. Das "dein" wegnehmen, so schlau ist der Leser schon selbst, dass er nach der zweiten Kurve merkt (das Schema hat auch eine Stimme!), wo der Hase laeuft.

Ich will ja gar nicht meckern. :-)

Uebrigens fand ich gerade die Kombination von Stimme und Tuerspalt sehr schoen. (Aber ich lese nicht oft expressionistische Gedichte, daher hat sich mein Auge noch nicht allzu sehr an solche Synaesthetische Kombinationen <danke an Tolya> gewoehnt.) Aber "knarren" hat mir besonders gut gefallen. Da kann ich nicht mit Hilbi uebereinstimmen.

Ansonsten freue ich mich auf Weiteres!

SMID

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Re: Alter Freund am Telefon

Beitragvon Lene » 22.12.2004, 15:05

Hallo ihr - kann grad nur ganz kurz:

Tolya: Doch, die Doppeldeutigkeit ist gewollt.

Hilbi: Das Knarren ist okay für mich, aber beim Lachen lasse ich mit mir reden.

SMID: Danke... Habe mir das (das Problem der Form) während des Schreibens überlegt, wollte eure Rückmeldung. Finde es schwierig, beim eigenen Gedicht festzustellen, wie es auf den Leser wirkt. Habe befürchtet, dass die Form zu starr sein könnte. Werde mir deine Antwort zu Herzen nehmen.

Lene
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Re: Alter Freund am Telefon

Beitragvon Hilbi » 22.12.2004, 15:35

HA Lena, ich führe jetzt ein Kampf gegen das knarren..

Komm..lies es mal laut vor..lies das ganze gedicht bis zu knarren
Wenn der Himmel so blau ist, warum wird es dann finster?

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Re: Alter Freund am Telefon

Beitragvon Lene » 22.12.2004, 17:49

Ja, Hilbi, mach ich...

*Lene rezitiert*

Und? Klingt super! Heimelig, herausfordernd, rauh... Wow, klingt das toll!!

:-)) Lene
bevor es uns einschneit für immer (Max Frisch)

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Re: Alter Freund am Telefon

Beitragvon SMID » 22.12.2004, 17:50

Haha, Hilbi,

und ich fuehre einen Kampf gegen die richtigen Akkusativ-Formen.

Es heisst: einen Kampf fuehren.

SMID

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Re: Alter Freund am Telefon

Beitragvon Hilbi » 22.12.2004, 18:59

ja :-( aber am Ende auch egal, das knarren bleibt
Wenn der Himmel so blau ist, warum wird es dann finster?

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Re: Alter Freund am Telefon

Beitragvon Lene » 22.12.2004, 20:05

... Hilbi ...

:comfort:
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Re: Alter Freund am Telefon

Beitragvon Spiderman » 22.12.2004, 22:02

Ne, für mich ist das Gedicht auch nichts, ich muss Hilbi in den wesentlichen Punkten recht geben. Schweigen knarrt nicht. Schweigen ist etwas, das schwebt, so etwas wie eine stehende Welle, wenn überhaupt ein Ton dann ein tiefer Sinuston. Aber nie nie nie so ein schmutziges in seinen Frequenzen völlig ungeordnetes Geräusch wie Knarren. Ein Geräusch fängt an und hört gleich wieder auf. Scheigen bleibt. Und Lachen riecht nicht. Und schon gar nicht nach Körpergeruch. Außerdem ist für den Leser sowieso nix vorstellbar, weil der ja nicht weiß, wie Dein Lyrisches Du riecht. Nach Achselschweiß, nach Vanillie, Erdbeere? Hier funktioniert die Synästhesie (für mich) einfach nicht.

Aus meiner Sicht ein mißlungener Versuch

Spider
Die nette Lyrik-Spinne von nebenan!


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