Warum nicht?
Verfasst: 26.04.2002, 23:17
Ich habe unruhige Träume und überhaupt ist mein Schlaf nicht sehr tief. Es ist vielmehr ein Dösen und wenig erholsam. Sobald sich etwas regt, sobald das kleinste Geräusch mich erreicht, bin ich wach und erforsche die Dunkelheit nach der Ursache, und war es nur der Wind, der sich einen Spaß mit mir erlaubte oder eine streunende Katze mit hellen gespenstischen Augen, selten traue ich mich, wieder die Augen zu schließen, geschweige denn einzunicken. Ich bin zu nervös und doch ist diese Nervosität ein wichtiger Instinkt zum Überleben.
Heute morgen wurde ich wach, als etwas an meinem Hosenbein zerrte. Ich erschrak, dass ich so tief geschlafen hatte, so dass sich jemand unbemerkt an mich heranschleichen konnte. Ich fuhr hoch, riss meine Augen auf und wurde gewahr, dass ich nur geträumt hatte. Ich war allein und mir war mulmig davon, wie böse mir dieser Traum mitgespielt hatte, und, dass er so real war, dass ich nicht unterscheiden konnte, ob ich träume oder wache, verstärkte noch den Schreck, den er mir bereitet hatte. Ich fand es erstaunlich mit welcher Präzision er sich meiner Angst bediente, um mich zum Narren zu halten. Aber vielleicht hielt ich mich auch selbst zum Narren in meinen Träumen, indem ich sah, was ich sehen wollte und bekam, was ich befürchtete. Wie nach dem Sprichwort: Jedem, was er verdient!
Meine erste Verwirrung verschwand bald und ich war erleichtert, dass sich niemand an mich herangeschlichen hatte. Ich atmete tief durch, es war noch ein bisschen kühl, aber ich war am Leben und die Welt, die gute alte Welt gab es auch noch. Ich kroch aus meiner Decke, steckte meine Hände ins Gras und durchwühlte es, bis meine Hände mit Tau benetzt waren, und wusch mir dann das Gesicht. Die Sonne stieg höher, in jedem Tautropfen funkelte ein kleiner Stern, über meine Hände krabbelten Ameisen und das Gras sah so saftig aus, dass ich am liebsten hineingebissen hätte, so hungrig war ich. Doch, wie der Zufall es wollte, hatte ich direkt unter einem Apfelbaum geschlafen. Ich stand also auf, stellte mich auf zwei Beine, wie sich das für einen Menschen gehört und pflückte mir einen Apfel, nahm einen gewaltigen Bissen und warf ihn fort, und während ich kaute, pflückte ich einen zweiten und warf ihn ebenfalls weg, nachdem ich einmal abgebissen hatte. So ging das weiter: ein Biss, ein Apfel. Ich berauschte mich daran, für diesen einen Augenblick zur Überfluss- und Wegwerfgesellschaft zu gehören, und ich wollte mich so voll fressen, wie es eben ging, um anschließend in der Morgensonne noch ein wenig zu dösen, wie ein fetter Aristokrat. Ich pflückte einen neuen Apfel und als ich hineinbiss, merkte ich, dass er madig war. Ich spie den Bissen sofort wieder aus, und wunderte mich, dass man dem Apfel von außen nicht ansah, dass er befallen war. Aber manchmal ist eben auch in schönen Dingen der Wurm drin. Ich brach die Frucht weiter auf, betrachtete die Gänge, die der Bewohner gebohrt hatte, das Innere war ganz schwarz. Schließlich fand ich den Bewohner selbst, wie er sich in der ungewohnten Helligkeit wand und ärgerte, dass jemand seine Behausung aufgebrochen hatte. Als ich genug gesehen hatte, schmiss ich, was noch von dem Apfel übrig war, so weit ich konnte fort.
In dem Moment, als ich den nächsten Apfel zum Verzehr vom Baum holen wollte, bemerkte ich den alten Mann, der auf mich zukam und vor sich hin brabbelte. In der Hand hatte er eine Sense. Sein Gesicht war eingefallen, zerfurcht und griesgrämig und eine rote Nase ragte daraus hervor. Obwohl ihm das Laufen sichtlich Probleme bereitete, er stolperte und es aussah, als würde er gleich hinfallen, hatte er es ziemlich eilig und kam schnell näher. Er beanspruchte wahrscheinlich den Apfelbaum für sich, und sah es nicht gern, wenn ich ihn zum Frühstück plünderte. Also schnappte ich meine Sachen und floh in die Gegenrichtung. Dabei fiel mir auf, dass es eine ganze Plantage von Apfelbäumen war, in geraden Reihen angepflanzt. Sie kamen mir wie eine Kompanie von Soldaten vor, die zum Appell stillstanden, und ich floh durch ihre Reihen, wie eine Katze über den Kasernenhof.
Da traf mich ein Stein hart an der Schulter. Ich drehte mich um, doch der Alte mit der Sense war weit hinter mich zurückgefallen und viel zu sehr damit beschäftigt sein Gleichgewicht zu halten. Er war es nicht gewesen, der nach mir geworfen hatte. Ich sah mich um, und hörte jemanden leise kichern. Das Kichern kam aus einem Baum und als ich genauer hinsah, erkannte ich eine Gestalt, die auf einem Ast saß zwei Meter über dem Boden. Es war ein alter Mann und er grinste mich an, als wäre er schon ein wenig senil. Er hatte große Augen und sein Gesicht war ganz gelb und kränklich. Ehe ich mich versah, holte er aus und warf den nächsten Stein nach mir. Er verfehlte mich. Das ärgerte den Alten und ich hörte ihn fluchen. Ich zuckte mit der Schulter und grinste ihn an. Das ärgerte ihn noch mehr. Dann wendete ich mich ab, denn der andere alte Herr mit der Sense, deren Klinge in der Sonne blitzte, hatte aufgeholt und obwohl er schon ziemlich außer Atem war, ließ er nicht nach und stolperte vorwärts, mit beiden Händen den Griff der Sense umfasst. Ich kam nicht weit und ein Stein traf mich an der Wade, aber der Greis im Baum freute sich. Es tat nicht weh, denn er hatte nicht mehr die Kraft, dem Wurf richtige Wucht zu geben und kurzsichtig musste er auch sein. Wie dem auch sei, ein paar Meter weiter war ich außerhalb seiner Reichweite. Ich konnte mir vorstellen, dass ihm das weniger gefallen würde und wie das Grinsen in dem gelben Gesicht daraufhin gefror. Doch ich schaute nicht zurück.
Ich lief und ignorierte das Stechen in der linken Seite, das mich befallen hatte. Bald erreichte ich einen Teil der Plantage, wo nur alte Äpfelbäume standen. Sie waren hochgewachsen und ihre Äste knochig. Die Borke war trocken, teilweise aufgerissen, sie blätterte ab, so das man darunter das Holz sehen konnte. Unter jedem Baum lag und verfaulte Obst. Wespen schwirrten durch die Luft, berauscht von dem Geruch, der aus dem Gras aufstieg.
Ich erschrak, als ein Baum zu mir sprach: "Du entkommst uns nicht!"
Und ein anderer meinte: "Dich kriegen wir."
Ehe ich es begriffen hatte, sprangen zwei alte Männer dahinter hervor und ehe ich wusste, wie mir geschah, schlugen sie mich mit Knüppeln nieder, am Boden liegend traten sie mich. Dann setzte einer ein Knie auf meinen Rücken und verdrehte meinen Arm, bis ich mich nicht mehr bewegen konnte.
"Jetzt haben wir dich, Bursche."
Der mir sein Knie in den Rücken drückte, empfahl: "Halt lieber still oder es tut richtig weh."
Der andere freute sich und quiekte, wie es eigentlich nur kleine Kinder vermögen. Er sprang durch die Gegend und wiederholte immer das eine: "Gleich kommt der Sensenmann."
"Ich fürchte da hat er recht.", sagte der Alte, der über mir war leise in mein Ohr, "Jetzt bist du fällig."
"Gleich kommt der Sensenmann.", rief der andere voller Entzücken.
"Aber keine Sorge", sagte die Stimme an meinem Ohr, "es geht schnell, du wirst nichts merken und ehe du dich versiehst, bist du nicht mehr unter den Lebenden. Glaub mir, der Sensenmann versteht sein Handwerk."
"Gleich ist er da.", jubelte der andere.
Mit dem Gesicht im Gras, mit dem Gewicht auf meinem Rücken und dem Schmerz in meiner Schulter brachte ich nur ein knappes "Warum?" hervor.
Doch mein Bewacher lachte nur und sagte: "Das ist die falsche Frage. Es muss heißen: Warum nicht? Warum sollten wir dich nicht abmurksen?"
Heute morgen wurde ich wach, als etwas an meinem Hosenbein zerrte. Ich erschrak, dass ich so tief geschlafen hatte, so dass sich jemand unbemerkt an mich heranschleichen konnte. Ich fuhr hoch, riss meine Augen auf und wurde gewahr, dass ich nur geträumt hatte. Ich war allein und mir war mulmig davon, wie böse mir dieser Traum mitgespielt hatte, und, dass er so real war, dass ich nicht unterscheiden konnte, ob ich träume oder wache, verstärkte noch den Schreck, den er mir bereitet hatte. Ich fand es erstaunlich mit welcher Präzision er sich meiner Angst bediente, um mich zum Narren zu halten. Aber vielleicht hielt ich mich auch selbst zum Narren in meinen Träumen, indem ich sah, was ich sehen wollte und bekam, was ich befürchtete. Wie nach dem Sprichwort: Jedem, was er verdient!
Meine erste Verwirrung verschwand bald und ich war erleichtert, dass sich niemand an mich herangeschlichen hatte. Ich atmete tief durch, es war noch ein bisschen kühl, aber ich war am Leben und die Welt, die gute alte Welt gab es auch noch. Ich kroch aus meiner Decke, steckte meine Hände ins Gras und durchwühlte es, bis meine Hände mit Tau benetzt waren, und wusch mir dann das Gesicht. Die Sonne stieg höher, in jedem Tautropfen funkelte ein kleiner Stern, über meine Hände krabbelten Ameisen und das Gras sah so saftig aus, dass ich am liebsten hineingebissen hätte, so hungrig war ich. Doch, wie der Zufall es wollte, hatte ich direkt unter einem Apfelbaum geschlafen. Ich stand also auf, stellte mich auf zwei Beine, wie sich das für einen Menschen gehört und pflückte mir einen Apfel, nahm einen gewaltigen Bissen und warf ihn fort, und während ich kaute, pflückte ich einen zweiten und warf ihn ebenfalls weg, nachdem ich einmal abgebissen hatte. So ging das weiter: ein Biss, ein Apfel. Ich berauschte mich daran, für diesen einen Augenblick zur Überfluss- und Wegwerfgesellschaft zu gehören, und ich wollte mich so voll fressen, wie es eben ging, um anschließend in der Morgensonne noch ein wenig zu dösen, wie ein fetter Aristokrat. Ich pflückte einen neuen Apfel und als ich hineinbiss, merkte ich, dass er madig war. Ich spie den Bissen sofort wieder aus, und wunderte mich, dass man dem Apfel von außen nicht ansah, dass er befallen war. Aber manchmal ist eben auch in schönen Dingen der Wurm drin. Ich brach die Frucht weiter auf, betrachtete die Gänge, die der Bewohner gebohrt hatte, das Innere war ganz schwarz. Schließlich fand ich den Bewohner selbst, wie er sich in der ungewohnten Helligkeit wand und ärgerte, dass jemand seine Behausung aufgebrochen hatte. Als ich genug gesehen hatte, schmiss ich, was noch von dem Apfel übrig war, so weit ich konnte fort.
In dem Moment, als ich den nächsten Apfel zum Verzehr vom Baum holen wollte, bemerkte ich den alten Mann, der auf mich zukam und vor sich hin brabbelte. In der Hand hatte er eine Sense. Sein Gesicht war eingefallen, zerfurcht und griesgrämig und eine rote Nase ragte daraus hervor. Obwohl ihm das Laufen sichtlich Probleme bereitete, er stolperte und es aussah, als würde er gleich hinfallen, hatte er es ziemlich eilig und kam schnell näher. Er beanspruchte wahrscheinlich den Apfelbaum für sich, und sah es nicht gern, wenn ich ihn zum Frühstück plünderte. Also schnappte ich meine Sachen und floh in die Gegenrichtung. Dabei fiel mir auf, dass es eine ganze Plantage von Apfelbäumen war, in geraden Reihen angepflanzt. Sie kamen mir wie eine Kompanie von Soldaten vor, die zum Appell stillstanden, und ich floh durch ihre Reihen, wie eine Katze über den Kasernenhof.
Da traf mich ein Stein hart an der Schulter. Ich drehte mich um, doch der Alte mit der Sense war weit hinter mich zurückgefallen und viel zu sehr damit beschäftigt sein Gleichgewicht zu halten. Er war es nicht gewesen, der nach mir geworfen hatte. Ich sah mich um, und hörte jemanden leise kichern. Das Kichern kam aus einem Baum und als ich genauer hinsah, erkannte ich eine Gestalt, die auf einem Ast saß zwei Meter über dem Boden. Es war ein alter Mann und er grinste mich an, als wäre er schon ein wenig senil. Er hatte große Augen und sein Gesicht war ganz gelb und kränklich. Ehe ich mich versah, holte er aus und warf den nächsten Stein nach mir. Er verfehlte mich. Das ärgerte den Alten und ich hörte ihn fluchen. Ich zuckte mit der Schulter und grinste ihn an. Das ärgerte ihn noch mehr. Dann wendete ich mich ab, denn der andere alte Herr mit der Sense, deren Klinge in der Sonne blitzte, hatte aufgeholt und obwohl er schon ziemlich außer Atem war, ließ er nicht nach und stolperte vorwärts, mit beiden Händen den Griff der Sense umfasst. Ich kam nicht weit und ein Stein traf mich an der Wade, aber der Greis im Baum freute sich. Es tat nicht weh, denn er hatte nicht mehr die Kraft, dem Wurf richtige Wucht zu geben und kurzsichtig musste er auch sein. Wie dem auch sei, ein paar Meter weiter war ich außerhalb seiner Reichweite. Ich konnte mir vorstellen, dass ihm das weniger gefallen würde und wie das Grinsen in dem gelben Gesicht daraufhin gefror. Doch ich schaute nicht zurück.
Ich lief und ignorierte das Stechen in der linken Seite, das mich befallen hatte. Bald erreichte ich einen Teil der Plantage, wo nur alte Äpfelbäume standen. Sie waren hochgewachsen und ihre Äste knochig. Die Borke war trocken, teilweise aufgerissen, sie blätterte ab, so das man darunter das Holz sehen konnte. Unter jedem Baum lag und verfaulte Obst. Wespen schwirrten durch die Luft, berauscht von dem Geruch, der aus dem Gras aufstieg.
Ich erschrak, als ein Baum zu mir sprach: "Du entkommst uns nicht!"
Und ein anderer meinte: "Dich kriegen wir."
Ehe ich es begriffen hatte, sprangen zwei alte Männer dahinter hervor und ehe ich wusste, wie mir geschah, schlugen sie mich mit Knüppeln nieder, am Boden liegend traten sie mich. Dann setzte einer ein Knie auf meinen Rücken und verdrehte meinen Arm, bis ich mich nicht mehr bewegen konnte.
"Jetzt haben wir dich, Bursche."
Der mir sein Knie in den Rücken drückte, empfahl: "Halt lieber still oder es tut richtig weh."
Der andere freute sich und quiekte, wie es eigentlich nur kleine Kinder vermögen. Er sprang durch die Gegend und wiederholte immer das eine: "Gleich kommt der Sensenmann."
"Ich fürchte da hat er recht.", sagte der Alte, der über mir war leise in mein Ohr, "Jetzt bist du fällig."
"Gleich kommt der Sensenmann.", rief der andere voller Entzücken.
"Aber keine Sorge", sagte die Stimme an meinem Ohr, "es geht schnell, du wirst nichts merken und ehe du dich versiehst, bist du nicht mehr unter den Lebenden. Glaub mir, der Sensenmann versteht sein Handwerk."
"Gleich ist er da.", jubelte der andere.
Mit dem Gesicht im Gras, mit dem Gewicht auf meinem Rücken und dem Schmerz in meiner Schulter brachte ich nur ein knappes "Warum?" hervor.
Doch mein Bewacher lachte nur und sagte: "Das ist die falsche Frage. Es muss heißen: Warum nicht? Warum sollten wir dich nicht abmurksen?"