27. Wie entjungfert man einen Mann?
Verfasst: 16.02.2024, 16:14
Es ist noch heller Tag. Doch der Vollmond wirft bereits sein bleiches, goldenes Licht in ein Schwesternzimmer, ein kleines Appartement im Schwesternheim. Zwei Personen liegen verkrampft in einem zweckmäßigen Konfektionsbett, das an die Wand geschraubt war. Darüber ein Regal mit ein paar Büchern.
Beide sind halb bekleidet, man kann auch sagen halb entkleidet, ja nach Perspektive, sprich wohin die Reise gehen soll: sie im Schlüpfer und BH, er in Unterhosen und Unterhemd.
Immerhin so weit sind sie gekommen. Man muss aber auch sagen: weiter sind sie nicht gekommen.
Sie wollten miteinander schlafen, aber bis so weit war, bedürfte es schon etwas mehr. Mehr als bereits dieses jetzt schon anstrengende Unterfangen. Dabei liegt das Gelingen dieser Schwerstarbeit bei derjenigen Person, die darin am meisten Erfahrung besaß. In diesem Fall der Frau.
Wie entjungfert man einen Mann, der sich wie eine Jungfrau ziert?
Hier die Anleitung für einen hoffentlich erfolgreichen Versuch.
Zunächst stehen sich beide in einem Abstand von etwa zwei Metern gegenüber, etwa zwei Meter voneinander entfernt, intuitiv, weil der Unerfahrene instinktiv nicht mehr Nähe zulässt, zulassen kann.
Anfängerschwierigkeiten. Das wird schon, denkt der Erfahrenere: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.
Wie wahr!
Hoffnungsfroh setzt sich die schon entkleidete Frau einstweilen auf die Bettkante, um dem Mann bei seinem Tun zuzuschauen. Dieser entledigt sich in einer rührend Art und Weise seiner Hose, dass es schon zum Lachen war. Er faltet die Beinkleider zusammen, faltet sie in der Mitte und legt sie über die Stuhllehne. Kein Schneidemeister könnte liebevoller mit seinem Meisterwerk umgehen.
Dann stand er stocksteif da wie bestellt, aber nicht abgeholt.
"Jetzt das Hemd."
Irritation.
"Am besten knöpfst du es von oben nach unten auf."
Man täuscht sich gewaltig, wenn man glaubt, die Anleiterin käme sich komisch vor oder zumindest die Situation und sie hat sich gedacht: Wäre es nicht so ernst, wäre es zum Lachen. Nein, dieser Person war es bitterernst und vom Gelingen des Unterfangens, bildete sie sich ein, hing ihr Wohl und Wehe ab.
Ernst hatte sie auch nicht gebeten, mit ihr zu schlafen. Aus charitativen Gründen heraus sie ihn mal zu lassen. Sie war es, die Schritt für Schritt erst diesen Wunsch in Ernst weckte: „Hast du schon einmal mit einer Frau geschlafen?“
„Ich? Äh, ja in einem Freudenhaus.“
„Ah so! Also noch nicht richtig?“
„Nicht direkt nein.“
Über die Tatsache, dass er es noch niemals getan hatte, erschrak sie schon. In diesem hohen Alter und noch mit keiner Frau geschlafen. Was stimmte mit diesem Männchen nicht?
Aber sie hatte eine Mission.
Es dauerte auch seine Zeit, bis es endlich so weit war. Vielmehr bis sie ihn so weit hatte.
„Wenn du mal willst … Du verstehst schon!“ „Was soll ich verstehen?“ Eine Antwort umging sie, indem sie schnell aufs Klo rannte oder sagte: „Moment mal, ich muss den Tee aufsetzen.“ Natürlich war es dann Ernst zu peinlich, wieder die Sprache darauf zu bringen.
Immerhin war eines Tages klar, dass sie es mal machen könnten. Also irgend einmal. Das klang so unverbindlich, dass es auch nächstes Jahr sein konnte. Oder gar nicht.
Nun aber, vor einem Tag ist sie auf diese Sache zurückgekommen.
„Du hast doch einmal gesagt, du würdest gerne mit einer Frau schlafen.“
Ernst erinnerte sich nicht mehr.
„Nun, du kannst schon einmal mit mir schlafen. Ähm, wenn du willst!“ Und sie zuckte gleichgültig die Schultern. „Vielleicht am Sonntag. Da habe ich zwei Tage Ruhe gehabt. Aber nur wenn du willst.“ Er hat wage genickt.
Natürlich will er. Und wie.
Und heute will sie seine Bitte erfüllen, heute ist der Festtag. Sie wollen es tun. Die Sache überhaupt anzupacken, ist schwierig für sie. Sie hat noch niemals in ihrem Leben die Initiative ergriffen. Niemals. Nicht bei diesen wenigen Malen, die mit der Hand abzuzählen sind, wo es zu einem Geschlechtsakt gekommen ist.
Es fällt ihr schwer, dieses Ding ins Rollen zu bringen.
Jetzt steht er nur noch mit Unterwäsche da. Eine jämmerliche Gestalt. Man sieht ihm an, wie er leidet.
Noch setzt sie sich auf die Kante des Bettes, die Füße auf den knallroten Läufer auf dem Boden gesetzt.
Wirklich, es ist alles noch schlimmer als gedacht.
„Atme langsam und kontrolliert und denk daran: immer gleichmäßig atmen. Sie hat zum Glück etliche Seminare und Weiterbildungskurse besucht, wo natürlich auch Entspannungsübungen praktiziert worden sind.
„Ja!“, antwortet er gehorsam.
Er bückt sich wieder zu seiner Hose, die er militärisch korrekt über die Stuhllehne gefaltet hat, zieht eine Parfümflasche aus einer Hosentasche und betätigt den Sprühknopf unter seinen Achseln.
Der Anblick entmutigt sie, obwohl sie die gute Absicht erkennt.
'Wenn er jetzt noch einen theatralischen Gesichtsausdruck aufsetzen würde, begleitet von einem schmalzigen Satz wie: „Ich liebe Dich!“, dann würde der Vorhang fallen. Sie müsste die ganze Sache abblasen. Man muss wissen, dass ihr diese Rolle sehr schwer fällt.
Nun setzt sie sich mit übereinandergeschlagenen Beinen auf das Bett, das mit einer Tagesdecke bedeckt ist. Sie streicht mit der Hand über die freie Stelle des Lakens neben sich, um ihm zu bedeuten, hier Platz zu nehmen. Als er nicht reagiert, tut sie es energischer, nämlich klopft mit der Hand darauf und sagt: „Komm, setz Dich her!“ Dabei verkneift sie sich ein resigniertes Lächeln, denn sie muss an einen Hund denken: Platz hier, Bello!
Ernst bewegt sich allerdings im Schneckentempo auf das Bett zu, setzt sich vorsichtig auf die Bettkante und wartet ab. Wieder einmal.
Es liegt nur an ihr.
Seine Haare sind zerzaust wie das eines tobenden Kleinkindes.
Kleinkind? Das ist die Lösung. Sie muss sich in die Rolle einer Mutter begeben, die ihr Kind anleitet, dann wird es schon gehen.
Sie streicht ihm durchs Haar und richtet es. Dann kommt eins aufs andere, sie fährt mit breiten Händen über seine Nacken, über den Rückten und stoppt an der Taille, um ihm das Unterhemd auszuziehen. Wie ein Kind, das man ins Bett oder ins Bad bringt. Gehorsam streckt er automatisch die Hände nach oben, damit sie ihm das weiße Unterhemd über den Kopf ziehen kann.
„Leg dich neben mich!“
Dazu streckt sie sich der Länge nach auf dem Bett aus. Er tut es ihr nach. Aber weiter kommen sie nicht.
Er ist blockiert. Schweiß rinnt ihm über die Stirn, er zittert wie Espenlaub. Sie spürt es, sie wird selbst stocksteif. So kann es nicht weitergehen.
Ernst Puls hämmert bis in seine Ohren wie ein Presslufthammer. Er blickt auf seine Zehen, die großen links und rechts, auch auf ihre. Peinlich, so nackt und bloß, so schamlos. Er verzieht den Mund, denn er schmeckt den beißenden, salzigen Schweiß auf seinen Lippen, der ihm von der Stirn, um die Augen und über die Wangen rinnt.
Vor allem der durchdringende, widerliche Schweißgeruch der Frau betäubt ihn, so dass er kaum noch Luft bekommt. Er muss sich erbrechen. Er versucht, seinen Magen willentlich zusammenzupressen. Dazu hält er den Atem an.
Da er noch keine Erfahrung mit Frauen hat, ist er ängstlich und schüchtern wie eine Jungfrau.
Es ist jedoch noch viel mehr.
Das Ganze ist ein Kartenhaus, das einzustürzen droht und am Rande einer Klippe steht, um in den dunklen Abgrund zu stürzen. Ernst war dazu erzogen worden, ein katholischer Pfarrer zu werden, keusch und unbefleckt zu leben. Und nun, nun schien dieses Lebensziel zu zerbrechen.
Dass damit Schluss sein soll, irritiert ihn zutiefst. Lähmt ihn.
Die Krankenschwester zögert weiterhin. Soll sie einen Mann gegen seinen „Willen“ entjungfern? Die Vorstellung ist sehr unangenehm, ohne sagen zu können, warum. Sie beschließt, es wenigstens zu versuchen. Sie würde Ernst nicht nur einen Gefallen tun, sondern auch an sich binden. Er würde williger sein und sich leichter gegen seinen verhassten Bruder aufstacheln lassen.
So, weiterfahren mit der Rolle „Mutter-verführt-Kind“. Ihm etwas vorsingen, während sie ihn über sich zieht und sie unten liegt: „Hoppe, hoppe Reiter. Wenn er fällt, dann schreit er!“ Nein, die Vorstellungen, die mit hundert Kilometer durch ihrem Kopf rasen, sind erschreckend. Vielleicht wird er vor Angst um Hilfe schreien, mit den Beinen strampeln? Und dann? Mit letzter Kraft und Anstrengung der Jungfrau zu ihrem Glück verhelfen, sie an den Händen festhalten, mit den Füßen die Beine spreizen, aber halt, nicht so. Wie denn dann?
Hier stößt ihre Phantasie an ihre Grenzen. Mehr kann sie sich nicht ausmalen.
Also, nein, was nicht geht, geht nicht.
Sie lugt zu ihm hin: Er zittert schon. Unmöglich, dieser Mann ist zu verkrampft.
Er ist hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, es einmal zu tun und dem Gefühl, dass es Sünde ist. Natürlich hat er sich schon ein paar Mal im Bordell von einer Frau einen blasen lassen. Aber das war etwas ganz anderes, denn da lag die Frau vor ihm auf den Knien, während er über sie hinwegsah.
Mann, aber jetzt ist die Frau ihm so verdammt nahe und blickt ihm direkt in die Augen. Unerträglich. Ganz anders als mit einer Prostituierten im Bordell.
Und dann ist da noch der Druck seines Bruders.
Eigentlich weiß er nicht, warum er Hilde, die er mag und sympathisch findet, wehtun soll. Aber sein Bruder drängt ihn dazu. Und er fühlt sich ihm sehr verbunden. Was hat ihm sein Bruder zugeflüstert: „Diese Hilde, die schüttet Schmutz über unsere Familie aus. Sie verunglimpft mich, meine Frau, uns alle.“ Und nicht genug damit: „Weißt, Karl, mein Freund, Dein Chef, der wird dich hochkant rauswerfen, wenn er mit Gerüchten konfrontiert wird, die Schlechtes über unsere Familie erzählt.“
Ernst hatte bei einem Schulfreund seines Bruders in einem mittelständischen Betrieb einen Mädchen-für-alles-Job bekommen. Schwer genug war es gewesen, ihn überhaupt auf dem Arbeitsmarkt unterzubringen bei dessen labiler Psyche. Bei der Aussicht, wieder auf der Straße zu stehen, noch einmal in die Klapse eingeliefert zu werden oder den Dauersticheleien und Schikanen behördlicherseits ausgesetzt zu sein, drehte sich sein Magen um.
„Soll ich mit ihr ein ernstes Wort wechseln.“
„Da braucht es ein bisschen mehr, Brüderchen!“
„Hm! Was sollte das sein, das bisschen Mehr?“ Stotternd kam das heraus.
„Ein bisschen mehr, ein bisschen mehr. Red nicht um den heißen Brei, Bruder. Klare Kante. Da müssen wir leider sehr brutal zuschlagen. Und wenn ich brutal sage, meine ich auch brutal.“
Und dann hatte er ihm eine Spritze gegeben, das Gläschen mit dem Gift und ihm gezeigt, wie man die handhabt.
Er weiß, was auf dem Spiel steht.
Wenn seine Familie ihn fallen lässt. Weil sie in Verruf gekommen ist. Weil, weil … alles nicht auszudenken … aber das schlimmste, ist das Ende seiner politischen Karriere … nein, er muss es schon aus Liebe zu seinem Land tun, was er es tut … so schmerzhaft es auch sei und so blutig wie auch immer – was sein Bruder von ihm forderte zu tun … er musste es tun ...
Beide sind halb bekleidet, man kann auch sagen halb entkleidet, ja nach Perspektive, sprich wohin die Reise gehen soll: sie im Schlüpfer und BH, er in Unterhosen und Unterhemd.
Immerhin so weit sind sie gekommen. Man muss aber auch sagen: weiter sind sie nicht gekommen.
Sie wollten miteinander schlafen, aber bis so weit war, bedürfte es schon etwas mehr. Mehr als bereits dieses jetzt schon anstrengende Unterfangen. Dabei liegt das Gelingen dieser Schwerstarbeit bei derjenigen Person, die darin am meisten Erfahrung besaß. In diesem Fall der Frau.
Wie entjungfert man einen Mann, der sich wie eine Jungfrau ziert?
Hier die Anleitung für einen hoffentlich erfolgreichen Versuch.
Zunächst stehen sich beide in einem Abstand von etwa zwei Metern gegenüber, etwa zwei Meter voneinander entfernt, intuitiv, weil der Unerfahrene instinktiv nicht mehr Nähe zulässt, zulassen kann.
Anfängerschwierigkeiten. Das wird schon, denkt der Erfahrenere: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.
Wie wahr!
Hoffnungsfroh setzt sich die schon entkleidete Frau einstweilen auf die Bettkante, um dem Mann bei seinem Tun zuzuschauen. Dieser entledigt sich in einer rührend Art und Weise seiner Hose, dass es schon zum Lachen war. Er faltet die Beinkleider zusammen, faltet sie in der Mitte und legt sie über die Stuhllehne. Kein Schneidemeister könnte liebevoller mit seinem Meisterwerk umgehen.
Dann stand er stocksteif da wie bestellt, aber nicht abgeholt.
"Jetzt das Hemd."
Irritation.
"Am besten knöpfst du es von oben nach unten auf."
Man täuscht sich gewaltig, wenn man glaubt, die Anleiterin käme sich komisch vor oder zumindest die Situation und sie hat sich gedacht: Wäre es nicht so ernst, wäre es zum Lachen. Nein, dieser Person war es bitterernst und vom Gelingen des Unterfangens, bildete sie sich ein, hing ihr Wohl und Wehe ab.
Ernst hatte sie auch nicht gebeten, mit ihr zu schlafen. Aus charitativen Gründen heraus sie ihn mal zu lassen. Sie war es, die Schritt für Schritt erst diesen Wunsch in Ernst weckte: „Hast du schon einmal mit einer Frau geschlafen?“
„Ich? Äh, ja in einem Freudenhaus.“
„Ah so! Also noch nicht richtig?“
„Nicht direkt nein.“
Über die Tatsache, dass er es noch niemals getan hatte, erschrak sie schon. In diesem hohen Alter und noch mit keiner Frau geschlafen. Was stimmte mit diesem Männchen nicht?
Aber sie hatte eine Mission.
Es dauerte auch seine Zeit, bis es endlich so weit war. Vielmehr bis sie ihn so weit hatte.
„Wenn du mal willst … Du verstehst schon!“ „Was soll ich verstehen?“ Eine Antwort umging sie, indem sie schnell aufs Klo rannte oder sagte: „Moment mal, ich muss den Tee aufsetzen.“ Natürlich war es dann Ernst zu peinlich, wieder die Sprache darauf zu bringen.
Immerhin war eines Tages klar, dass sie es mal machen könnten. Also irgend einmal. Das klang so unverbindlich, dass es auch nächstes Jahr sein konnte. Oder gar nicht.
Nun aber, vor einem Tag ist sie auf diese Sache zurückgekommen.
„Du hast doch einmal gesagt, du würdest gerne mit einer Frau schlafen.“
Ernst erinnerte sich nicht mehr.
„Nun, du kannst schon einmal mit mir schlafen. Ähm, wenn du willst!“ Und sie zuckte gleichgültig die Schultern. „Vielleicht am Sonntag. Da habe ich zwei Tage Ruhe gehabt. Aber nur wenn du willst.“ Er hat wage genickt.
Natürlich will er. Und wie.
Und heute will sie seine Bitte erfüllen, heute ist der Festtag. Sie wollen es tun. Die Sache überhaupt anzupacken, ist schwierig für sie. Sie hat noch niemals in ihrem Leben die Initiative ergriffen. Niemals. Nicht bei diesen wenigen Malen, die mit der Hand abzuzählen sind, wo es zu einem Geschlechtsakt gekommen ist.
Es fällt ihr schwer, dieses Ding ins Rollen zu bringen.
Jetzt steht er nur noch mit Unterwäsche da. Eine jämmerliche Gestalt. Man sieht ihm an, wie er leidet.
Noch setzt sie sich auf die Kante des Bettes, die Füße auf den knallroten Läufer auf dem Boden gesetzt.
Wirklich, es ist alles noch schlimmer als gedacht.
„Atme langsam und kontrolliert und denk daran: immer gleichmäßig atmen. Sie hat zum Glück etliche Seminare und Weiterbildungskurse besucht, wo natürlich auch Entspannungsübungen praktiziert worden sind.
„Ja!“, antwortet er gehorsam.
Er bückt sich wieder zu seiner Hose, die er militärisch korrekt über die Stuhllehne gefaltet hat, zieht eine Parfümflasche aus einer Hosentasche und betätigt den Sprühknopf unter seinen Achseln.
Der Anblick entmutigt sie, obwohl sie die gute Absicht erkennt.
'Wenn er jetzt noch einen theatralischen Gesichtsausdruck aufsetzen würde, begleitet von einem schmalzigen Satz wie: „Ich liebe Dich!“, dann würde der Vorhang fallen. Sie müsste die ganze Sache abblasen. Man muss wissen, dass ihr diese Rolle sehr schwer fällt.
Nun setzt sie sich mit übereinandergeschlagenen Beinen auf das Bett, das mit einer Tagesdecke bedeckt ist. Sie streicht mit der Hand über die freie Stelle des Lakens neben sich, um ihm zu bedeuten, hier Platz zu nehmen. Als er nicht reagiert, tut sie es energischer, nämlich klopft mit der Hand darauf und sagt: „Komm, setz Dich her!“ Dabei verkneift sie sich ein resigniertes Lächeln, denn sie muss an einen Hund denken: Platz hier, Bello!
Ernst bewegt sich allerdings im Schneckentempo auf das Bett zu, setzt sich vorsichtig auf die Bettkante und wartet ab. Wieder einmal.
Es liegt nur an ihr.
Seine Haare sind zerzaust wie das eines tobenden Kleinkindes.
Kleinkind? Das ist die Lösung. Sie muss sich in die Rolle einer Mutter begeben, die ihr Kind anleitet, dann wird es schon gehen.
Sie streicht ihm durchs Haar und richtet es. Dann kommt eins aufs andere, sie fährt mit breiten Händen über seine Nacken, über den Rückten und stoppt an der Taille, um ihm das Unterhemd auszuziehen. Wie ein Kind, das man ins Bett oder ins Bad bringt. Gehorsam streckt er automatisch die Hände nach oben, damit sie ihm das weiße Unterhemd über den Kopf ziehen kann.
„Leg dich neben mich!“
Dazu streckt sie sich der Länge nach auf dem Bett aus. Er tut es ihr nach. Aber weiter kommen sie nicht.
Er ist blockiert. Schweiß rinnt ihm über die Stirn, er zittert wie Espenlaub. Sie spürt es, sie wird selbst stocksteif. So kann es nicht weitergehen.
Ernst Puls hämmert bis in seine Ohren wie ein Presslufthammer. Er blickt auf seine Zehen, die großen links und rechts, auch auf ihre. Peinlich, so nackt und bloß, so schamlos. Er verzieht den Mund, denn er schmeckt den beißenden, salzigen Schweiß auf seinen Lippen, der ihm von der Stirn, um die Augen und über die Wangen rinnt.
Vor allem der durchdringende, widerliche Schweißgeruch der Frau betäubt ihn, so dass er kaum noch Luft bekommt. Er muss sich erbrechen. Er versucht, seinen Magen willentlich zusammenzupressen. Dazu hält er den Atem an.
Da er noch keine Erfahrung mit Frauen hat, ist er ängstlich und schüchtern wie eine Jungfrau.
Es ist jedoch noch viel mehr.
Das Ganze ist ein Kartenhaus, das einzustürzen droht und am Rande einer Klippe steht, um in den dunklen Abgrund zu stürzen. Ernst war dazu erzogen worden, ein katholischer Pfarrer zu werden, keusch und unbefleckt zu leben. Und nun, nun schien dieses Lebensziel zu zerbrechen.
Dass damit Schluss sein soll, irritiert ihn zutiefst. Lähmt ihn.
Die Krankenschwester zögert weiterhin. Soll sie einen Mann gegen seinen „Willen“ entjungfern? Die Vorstellung ist sehr unangenehm, ohne sagen zu können, warum. Sie beschließt, es wenigstens zu versuchen. Sie würde Ernst nicht nur einen Gefallen tun, sondern auch an sich binden. Er würde williger sein und sich leichter gegen seinen verhassten Bruder aufstacheln lassen.
So, weiterfahren mit der Rolle „Mutter-verführt-Kind“. Ihm etwas vorsingen, während sie ihn über sich zieht und sie unten liegt: „Hoppe, hoppe Reiter. Wenn er fällt, dann schreit er!“ Nein, die Vorstellungen, die mit hundert Kilometer durch ihrem Kopf rasen, sind erschreckend. Vielleicht wird er vor Angst um Hilfe schreien, mit den Beinen strampeln? Und dann? Mit letzter Kraft und Anstrengung der Jungfrau zu ihrem Glück verhelfen, sie an den Händen festhalten, mit den Füßen die Beine spreizen, aber halt, nicht so. Wie denn dann?
Hier stößt ihre Phantasie an ihre Grenzen. Mehr kann sie sich nicht ausmalen.
Also, nein, was nicht geht, geht nicht.
Sie lugt zu ihm hin: Er zittert schon. Unmöglich, dieser Mann ist zu verkrampft.
Er ist hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch, es einmal zu tun und dem Gefühl, dass es Sünde ist. Natürlich hat er sich schon ein paar Mal im Bordell von einer Frau einen blasen lassen. Aber das war etwas ganz anderes, denn da lag die Frau vor ihm auf den Knien, während er über sie hinwegsah.
Mann, aber jetzt ist die Frau ihm so verdammt nahe und blickt ihm direkt in die Augen. Unerträglich. Ganz anders als mit einer Prostituierten im Bordell.
Und dann ist da noch der Druck seines Bruders.
Eigentlich weiß er nicht, warum er Hilde, die er mag und sympathisch findet, wehtun soll. Aber sein Bruder drängt ihn dazu. Und er fühlt sich ihm sehr verbunden. Was hat ihm sein Bruder zugeflüstert: „Diese Hilde, die schüttet Schmutz über unsere Familie aus. Sie verunglimpft mich, meine Frau, uns alle.“ Und nicht genug damit: „Weißt, Karl, mein Freund, Dein Chef, der wird dich hochkant rauswerfen, wenn er mit Gerüchten konfrontiert wird, die Schlechtes über unsere Familie erzählt.“
Ernst hatte bei einem Schulfreund seines Bruders in einem mittelständischen Betrieb einen Mädchen-für-alles-Job bekommen. Schwer genug war es gewesen, ihn überhaupt auf dem Arbeitsmarkt unterzubringen bei dessen labiler Psyche. Bei der Aussicht, wieder auf der Straße zu stehen, noch einmal in die Klapse eingeliefert zu werden oder den Dauersticheleien und Schikanen behördlicherseits ausgesetzt zu sein, drehte sich sein Magen um.
„Soll ich mit ihr ein ernstes Wort wechseln.“
„Da braucht es ein bisschen mehr, Brüderchen!“
„Hm! Was sollte das sein, das bisschen Mehr?“ Stotternd kam das heraus.
„Ein bisschen mehr, ein bisschen mehr. Red nicht um den heißen Brei, Bruder. Klare Kante. Da müssen wir leider sehr brutal zuschlagen. Und wenn ich brutal sage, meine ich auch brutal.“
Und dann hatte er ihm eine Spritze gegeben, das Gläschen mit dem Gift und ihm gezeigt, wie man die handhabt.
Er weiß, was auf dem Spiel steht.
Wenn seine Familie ihn fallen lässt. Weil sie in Verruf gekommen ist. Weil, weil … alles nicht auszudenken … aber das schlimmste, ist das Ende seiner politischen Karriere … nein, er muss es schon aus Liebe zu seinem Land tun, was er es tut … so schmerzhaft es auch sei und so blutig wie auch immer – was sein Bruder von ihm forderte zu tun … er musste es tun ...