Wie bewahrt man einen Tropfen vor dem Austrocknen?
Verfasst: 13.11.2002, 00:03
"Samsara"
Regie: Pan Nalin
Buch: Pan Nalin, Tim Baker
(Samsara: das ist im hinduistischen und buddhistischen Glauben der Kreislauf der Seelenwanderung und des Wiedergeborenwerdens)
Drei Jahre, drei Monate, drei Tage hat Tashi meditiert. Sein Lehrer Apo kommt ihn aus der Trance wieder in die Wirklichkeit zu holen. Man findet Tashi in seiner Einsiedelei: versenkt, verwildert und schwach. (Dieser Teil des Films wirkt sehr unrealistisch, weil es so wirkt, als hätte er drei Jahre in seiner Felskemenate zugebracht, ohne essen und trinken zu müssen.) Er hat den mittleren Weg verlassen und es mit seiner Meditation übertrieben. Es beginnt die erste Verwandlung: an einem Fluss wird er von den buddhistischen Mönchen aus seinem Kloster wieder selbst zum Mönch verwandelt. Man schneidet sein Fingernägel, wäscht ihn, rasiert ihn (das schließt den Kopf mit ein). Er ist wie ein Astronaut, der monatelang im Weltall war und durch die Schwerelosigkeit erheblich abgebaut hat. Er wird getragen, später muss er sich auf Krücken stützen und wieder laufen lernen. Das interessante an diesem Filmanfang ist, dass die zentrale Figur die ersten fünfzehn bis zwanzig Minuten absolut nichts sagt. Das erste Wort, wird zum Ereignis.
Doch bald wird offensichtlich: Tashis Versenkung und Meditation haben ihn nicht zu höherer Erkenntnis, geschweige denn zur "Erleuchtung" geführt. Wir erleben einen jungen Mann, der anstatt seine spirituellen Studien fortzusetzen und sich auf das zu konzentrieren, was vor ihm liegt, häufig abgelenkt wird und Stück für Stück seine Sexualität entdeckt, der also Bedürfnissen und Phantasien nachhängt, die im Widerspruch stehen zu dem asketischen Lebensstil eines buddhistischen Mönches - und seiner Umwelt bleibt das nicht verborgen. Der Konflikt verschärft sich, es zieht ihn aus dem Kloster fort. Er beruft sich auf den, dessen Leben ihm bis dahin auf allen Wegen als Vorbild gedient hat: Siddharta. Er habe auch erst ein weltliches Leben geführt, eine Frau geliebt, ein Kind gezeugt, ehe er ausgezogen sei, die Ursachen des Leidens zu ergründen und den Weg zu seiner Überwindung zu suchen. Dagegen er selbst: Tashi. Mit fünf Jahren sei er ins Kloster gekommen und musste seitdem enthaltsam leben. Er wisse doch gar nicht, worauf er verzichtet. Daraufhin verlässt er das Kloster ...
"Exotik, Esoterik und Erotik, diese Kombination klappt hier bestens.", so urteilt Blickpunkt Film. Das ist eine treffende Formel für den Film. Denn es geht längst nicht nur um spirituelle Fragen der Selbstfindung und Erleuchtung. Prickelnde Erotik wechselt mit einer spannenden Nebenhandlung. Auf geschickte Weise versteht es der Film verschiedene Perspektiven zu integrieren und gestaltet sich insgesamt als sehr unterhaltsam und abwechslungsreich. Aber man merkt dem Film doch an, dass er das Leben in den Hochebenen des Himalaja mit westlichen Augen filtert, das gilt vor allem in Bezug auf die Freizügigkeit und auch das Leben der Mönche wird sicherlich um einiges lustiger und schöner dargestellt, als es ist. Nichtsdestotrotz gehört die Szene, in der ein kleiner Schüler Grimassen schneidet (um die Masken eines spirituellen Tanzes zu imitieren, welche die weltlichen Leiden symbolisieren sollen) und damit den alten Lehrer Apo und Tashi zum Lachen bringt, zu meinen absoluten Lieblingsstellen in diesem Film.
In einer Rezension habe ich gelesen, die Landschaftsaufnahmen seien opulent. Ob das der richtige Ausdruck ist, angesichts einer derart kargen und trostlosen Landschaft? Der Film spielt in Ladakh, Indien - die Gegend wird gern auch Mondlandschaft genannt. Aber allein wegen den Landschaftsaufnahmen lohnt es sich, diesen Film zu sehen und zwar im Kino und nicht auf einem popligen Fernsehbildschirm. (Ein paar Landschaftsbilder, die auch im Film vorkommen, gibt es auf der Homepage zum Film: http://www.samsarafilm.com/ladakh.html Unbedingt anschauen! Ich glaube diese Bilder sind die beste Referenz für den Film.) Ich finde es ganz erstaunlich, wie schön eine derart menschenfeindliche und wüste Landschaft ist. Noch erstaunlicher finde ich es, dass dort Menschen leben und sich ihrer Umgebung angepasst haben. Die Region selbst ist noch heute ziemlich unzugänglich. Gedreht werden konnte dort nur in vier Monaten des Jahres, im Winter sinken die Temperaturen in Ladakh auf bis zu 30 Grad minus. Deshalb bekommen wir im Film auch nur Sommerlandschaften zu Gesicht, obwohl der Winter in dieser Gegend mit Sicherheit die bestimmende Jahreszeit ist. Die einzige Szene, in der Winter ist, spielt in einem Innenraum und es ist nicht schwer, den Schnee, den Tashi und sein Sohn mit hereinschleppen, als künstliche Attrappe zu identifizieren. Was ich aber noch erstaunlicher finde, ist die Tatsache, dass gerade in derart abgelegenen und wüsten Regionen die meiste Spiritualität zu finden ist. Woran liegt das? Warum kamen die weisen Männer häufig aus den Wüsten angeschlurft? Weil sie dort alle Einsamkeit der Welt hatten? Weil es dort nur wenig Ablenkung gab? Ist das nicht geradezu erstaunlich? Auch in der jüdischen, christlichen und moslemischen Religion haben Wüsten und Einöden zentrale Rollen gespielt: Moses wandert mit seinem Volk 40 Jahre lang durch die Wüste, Jesus geht in die Wüste, um sich versuchen zu lassen, und Mohammed empfängt die Suren ebenfalls in der Einöde einer Felsenhöhle. Wie kommt das?
Noch ein Wort zum Film: schau ihn dir an!
Regie: Pan Nalin
Buch: Pan Nalin, Tim Baker
(Samsara: das ist im hinduistischen und buddhistischen Glauben der Kreislauf der Seelenwanderung und des Wiedergeborenwerdens)
Drei Jahre, drei Monate, drei Tage hat Tashi meditiert. Sein Lehrer Apo kommt ihn aus der Trance wieder in die Wirklichkeit zu holen. Man findet Tashi in seiner Einsiedelei: versenkt, verwildert und schwach. (Dieser Teil des Films wirkt sehr unrealistisch, weil es so wirkt, als hätte er drei Jahre in seiner Felskemenate zugebracht, ohne essen und trinken zu müssen.) Er hat den mittleren Weg verlassen und es mit seiner Meditation übertrieben. Es beginnt die erste Verwandlung: an einem Fluss wird er von den buddhistischen Mönchen aus seinem Kloster wieder selbst zum Mönch verwandelt. Man schneidet sein Fingernägel, wäscht ihn, rasiert ihn (das schließt den Kopf mit ein). Er ist wie ein Astronaut, der monatelang im Weltall war und durch die Schwerelosigkeit erheblich abgebaut hat. Er wird getragen, später muss er sich auf Krücken stützen und wieder laufen lernen. Das interessante an diesem Filmanfang ist, dass die zentrale Figur die ersten fünfzehn bis zwanzig Minuten absolut nichts sagt. Das erste Wort, wird zum Ereignis.
Doch bald wird offensichtlich: Tashis Versenkung und Meditation haben ihn nicht zu höherer Erkenntnis, geschweige denn zur "Erleuchtung" geführt. Wir erleben einen jungen Mann, der anstatt seine spirituellen Studien fortzusetzen und sich auf das zu konzentrieren, was vor ihm liegt, häufig abgelenkt wird und Stück für Stück seine Sexualität entdeckt, der also Bedürfnissen und Phantasien nachhängt, die im Widerspruch stehen zu dem asketischen Lebensstil eines buddhistischen Mönches - und seiner Umwelt bleibt das nicht verborgen. Der Konflikt verschärft sich, es zieht ihn aus dem Kloster fort. Er beruft sich auf den, dessen Leben ihm bis dahin auf allen Wegen als Vorbild gedient hat: Siddharta. Er habe auch erst ein weltliches Leben geführt, eine Frau geliebt, ein Kind gezeugt, ehe er ausgezogen sei, die Ursachen des Leidens zu ergründen und den Weg zu seiner Überwindung zu suchen. Dagegen er selbst: Tashi. Mit fünf Jahren sei er ins Kloster gekommen und musste seitdem enthaltsam leben. Er wisse doch gar nicht, worauf er verzichtet. Daraufhin verlässt er das Kloster ...
"Exotik, Esoterik und Erotik, diese Kombination klappt hier bestens.", so urteilt Blickpunkt Film. Das ist eine treffende Formel für den Film. Denn es geht längst nicht nur um spirituelle Fragen der Selbstfindung und Erleuchtung. Prickelnde Erotik wechselt mit einer spannenden Nebenhandlung. Auf geschickte Weise versteht es der Film verschiedene Perspektiven zu integrieren und gestaltet sich insgesamt als sehr unterhaltsam und abwechslungsreich. Aber man merkt dem Film doch an, dass er das Leben in den Hochebenen des Himalaja mit westlichen Augen filtert, das gilt vor allem in Bezug auf die Freizügigkeit und auch das Leben der Mönche wird sicherlich um einiges lustiger und schöner dargestellt, als es ist. Nichtsdestotrotz gehört die Szene, in der ein kleiner Schüler Grimassen schneidet (um die Masken eines spirituellen Tanzes zu imitieren, welche die weltlichen Leiden symbolisieren sollen) und damit den alten Lehrer Apo und Tashi zum Lachen bringt, zu meinen absoluten Lieblingsstellen in diesem Film.
In einer Rezension habe ich gelesen, die Landschaftsaufnahmen seien opulent. Ob das der richtige Ausdruck ist, angesichts einer derart kargen und trostlosen Landschaft? Der Film spielt in Ladakh, Indien - die Gegend wird gern auch Mondlandschaft genannt. Aber allein wegen den Landschaftsaufnahmen lohnt es sich, diesen Film zu sehen und zwar im Kino und nicht auf einem popligen Fernsehbildschirm. (Ein paar Landschaftsbilder, die auch im Film vorkommen, gibt es auf der Homepage zum Film: http://www.samsarafilm.com/ladakh.html Unbedingt anschauen! Ich glaube diese Bilder sind die beste Referenz für den Film.) Ich finde es ganz erstaunlich, wie schön eine derart menschenfeindliche und wüste Landschaft ist. Noch erstaunlicher finde ich es, dass dort Menschen leben und sich ihrer Umgebung angepasst haben. Die Region selbst ist noch heute ziemlich unzugänglich. Gedreht werden konnte dort nur in vier Monaten des Jahres, im Winter sinken die Temperaturen in Ladakh auf bis zu 30 Grad minus. Deshalb bekommen wir im Film auch nur Sommerlandschaften zu Gesicht, obwohl der Winter in dieser Gegend mit Sicherheit die bestimmende Jahreszeit ist. Die einzige Szene, in der Winter ist, spielt in einem Innenraum und es ist nicht schwer, den Schnee, den Tashi und sein Sohn mit hereinschleppen, als künstliche Attrappe zu identifizieren. Was ich aber noch erstaunlicher finde, ist die Tatsache, dass gerade in derart abgelegenen und wüsten Regionen die meiste Spiritualität zu finden ist. Woran liegt das? Warum kamen die weisen Männer häufig aus den Wüsten angeschlurft? Weil sie dort alle Einsamkeit der Welt hatten? Weil es dort nur wenig Ablenkung gab? Ist das nicht geradezu erstaunlich? Auch in der jüdischen, christlichen und moslemischen Religion haben Wüsten und Einöden zentrale Rollen gespielt: Moses wandert mit seinem Volk 40 Jahre lang durch die Wüste, Jesus geht in die Wüste, um sich versuchen zu lassen, und Mohammed empfängt die Suren ebenfalls in der Einöde einer Felsenhöhle. Wie kommt das?
Noch ein Wort zum Film: schau ihn dir an!