Hundstage
Verfasst: 02.08.2002, 19:11
"Hundstage"
Ein Film von Ulrich Seidl
Nackte Menschenkörper liegen auf dem Zementboden vor der Tristesse gleichförmiger Reihenhäuser und pingelig gepflegter Rasenflächen. Der Film von Ulrich Seidl verfolgt in Episoden, wie einige Personen in einer österreichischen Vorstadt die heißesten Tage des Sommers, die "Hundstage", verbringen. Es ist eine Groteske, die keine Schamgrenze kennt, wenn es darum geht, die Schrullen, Skurrilitäten und Abgründe des bürgerlichen Alltags darzustellen.
Es sind sehr gewöhnliche, glaubwürdige Charaktere, die Seidl uns in seinem Film präsentiert, die aber alle in irgendeiner Weise überzeichnet und deformiert erscheinen: da ist der aggressive Macho mit seinem pinkfarbenen Sportwagen, der krankhaft eifersüchtig und besitzergreifend ist, da ist das gut situierte Ehepaar, das seit dem Unfalltod der Tochter nicht mehr miteinander redet und, während sie sich in Swingerclubs vergnügt, rennt er durch das Haus, immer ein Tennisball in der Hand, den er gegen Wände und Boden springen läßt, dann ist da der alte Witwer, der mit seiner Haushälterin seinen Hochzeitstag feiert, da ist eine ältere Lehrerin, die sich vorbereitet, um abends ihren Freund zu empfangen, da ist die manisch-überdrehte, scheinbar obdachlose Anhalterin, die ständig darauf aus ist, in fremden Wagen mitzufahren, die unentwegt redet und von einem Vertreter für Alarmanlagen für dessen miese Zwecke benutzt wird. Und immer wieder dringt die Kulisse auf den Zuschauer ein: Neubausiedlungen, kahle Reihenhäuser mit heruntergelassenen Rolläden, Garagen, harte Schatten, Supermärkte und riesige Parkplätze, Wohnwagenparks oder die Gartenlauben, die auf dem Gelände eines Baumarkts ausgestellt werden.
Blickpunkt Film schreibt dazu:
"Seidl macht vor nichts halt, hält auch dann noch mit der Kamera drauf, wenn andere vor Schamgefühl oder lauter Peinlichkeit längst ausgeblendet hätten. Beim Striptease einer alten, dicken und bebrillten Haushälterin geht er optisch ebenso bis zum Äußersten wie bei den Foltermethoden eines wahnsinnigen Wieners, die mit einer brennenden Kerze im Hinterteil des Opfers ihren tragikomischen Höhepunkt erreichen. So wirkt 'Hundstage' wie der Gegenentwurf zur verlogenen Hochglanz-Ästhetik, die uns tagtäglich in der Werbung, in Mainstream-Filmen oder perfekt gestylten TV-Movies berieselt.
Werner Herzog, der Seidl zu seinen Lieblings-Regisseuren zählt, sagte: 'Ich habe im Kino noch nie so frontal in die Hölle geblickt.' Selten war Kino direkter, brutaler und schockierender - und besser."
Es ist einer der besten Filme, die ich in diesem Jahr gesehen habe, und einer der erschreckensten, die mir seit langem untergekommen sind und ich bin einiges gewohnt. Aber am Ende gilt wohl: nichts ist so grausam wie die Realität. Man sollte sich aber, wenn man "Hundstage" gesehen hat, einmal fragen, ob es nicht ein allzu misanthropisches Menschenbild ist, das hier mit der Distanz und Sachlichkeit eines Dokumentarfilms inszeniert wurde.
MfG,
gelbsucht
Ein Film von Ulrich Seidl
Nackte Menschenkörper liegen auf dem Zementboden vor der Tristesse gleichförmiger Reihenhäuser und pingelig gepflegter Rasenflächen. Der Film von Ulrich Seidl verfolgt in Episoden, wie einige Personen in einer österreichischen Vorstadt die heißesten Tage des Sommers, die "Hundstage", verbringen. Es ist eine Groteske, die keine Schamgrenze kennt, wenn es darum geht, die Schrullen, Skurrilitäten und Abgründe des bürgerlichen Alltags darzustellen.
Es sind sehr gewöhnliche, glaubwürdige Charaktere, die Seidl uns in seinem Film präsentiert, die aber alle in irgendeiner Weise überzeichnet und deformiert erscheinen: da ist der aggressive Macho mit seinem pinkfarbenen Sportwagen, der krankhaft eifersüchtig und besitzergreifend ist, da ist das gut situierte Ehepaar, das seit dem Unfalltod der Tochter nicht mehr miteinander redet und, während sie sich in Swingerclubs vergnügt, rennt er durch das Haus, immer ein Tennisball in der Hand, den er gegen Wände und Boden springen läßt, dann ist da der alte Witwer, der mit seiner Haushälterin seinen Hochzeitstag feiert, da ist eine ältere Lehrerin, die sich vorbereitet, um abends ihren Freund zu empfangen, da ist die manisch-überdrehte, scheinbar obdachlose Anhalterin, die ständig darauf aus ist, in fremden Wagen mitzufahren, die unentwegt redet und von einem Vertreter für Alarmanlagen für dessen miese Zwecke benutzt wird. Und immer wieder dringt die Kulisse auf den Zuschauer ein: Neubausiedlungen, kahle Reihenhäuser mit heruntergelassenen Rolläden, Garagen, harte Schatten, Supermärkte und riesige Parkplätze, Wohnwagenparks oder die Gartenlauben, die auf dem Gelände eines Baumarkts ausgestellt werden.
Blickpunkt Film schreibt dazu:
"Seidl macht vor nichts halt, hält auch dann noch mit der Kamera drauf, wenn andere vor Schamgefühl oder lauter Peinlichkeit längst ausgeblendet hätten. Beim Striptease einer alten, dicken und bebrillten Haushälterin geht er optisch ebenso bis zum Äußersten wie bei den Foltermethoden eines wahnsinnigen Wieners, die mit einer brennenden Kerze im Hinterteil des Opfers ihren tragikomischen Höhepunkt erreichen. So wirkt 'Hundstage' wie der Gegenentwurf zur verlogenen Hochglanz-Ästhetik, die uns tagtäglich in der Werbung, in Mainstream-Filmen oder perfekt gestylten TV-Movies berieselt.
Werner Herzog, der Seidl zu seinen Lieblings-Regisseuren zählt, sagte: 'Ich habe im Kino noch nie so frontal in die Hölle geblickt.' Selten war Kino direkter, brutaler und schockierender - und besser."
Es ist einer der besten Filme, die ich in diesem Jahr gesehen habe, und einer der erschreckensten, die mir seit langem untergekommen sind und ich bin einiges gewohnt. Aber am Ende gilt wohl: nichts ist so grausam wie die Realität. Man sollte sich aber, wenn man "Hundstage" gesehen hat, einmal fragen, ob es nicht ein allzu misanthropisches Menschenbild ist, das hier mit der Distanz und Sachlichkeit eines Dokumentarfilms inszeniert wurde.
MfG,
gelbsucht